Ein weiterer Punkt ist die immer währende Diskussion um die Verkleinerung der Parlamente. Dazu sage ich schlicht: Wir haben im Jahr 1990 den Parlamenten das Recht gegeben, sich durch eigene Entscheidungen zu verkleinern. Das hält die Landesregierung nach wie vor für richtig. Es ist Ausdruck entsprechender Kommunalfreundlichkeit. Ich halte auch nichts davon, 426 Städte und Gemeinden und 21 Landkreise per Gesetz zu verkleinern. Das kann und soll vor Ort entschieden werden. Wenn man dort die Überzeugung gewonnen hat, dass sie mit geringeren Zahlen vernünftige Arbeit leisten sollen, dann sollten wir diesen Rahmen so lassen, wie er ist.
Nachdrücklich will ich darauf hinweisen, wir haben in diesem Gesetzentwurf für die kleinen Gemeinden bis 3.000 Einwohner eine zusätzliche Möglichkeit vorgesehen, um zwei oder vier Vertreter zu reduzieren – ein Anliegen, das insbesondere von diesen Kommunen wieder vorgetragen wurde.
Meine Damen und Herren, letzte Bemerkung zur Einführung einer Sperrklausel, von der Opposition immer wieder gefordert.
Wir können das abkürzen.Wir haben 1999 bei der Novelle eine sehr breite Anhörung durchgeführt. Ich zitiere Prof. Morlock von damals. Es hat sich an der verfassungsrechtlichen Bewertung nichts verändert, im Gegenteil. Alle Verfassungsrechtler sagen uns, dass die Einführung einer entsprechenden Sperrklausel von Verfassung wegen nicht statthaft ist. Deshalb haben wir das nicht aufgenommen. Ich wäre dankbar, wenn dieser Punkt in Zukunft nicht mehr streitig diskutiert werden müsste.
Meine Damen und Herren,das Gesetz enthält darüber hinaus einige Regelungen zur überörtlichen Prüfung der kommunalen Gesellschaften, auch des Landeswohlfahrtsverbandes, und eine Reihe weiterer Änderungen, die ich aus Zeitgründen nicht vortragen sollte.Das werden wir im Ausschuss miteinander zu diskutieren haben.
Zusammenfassend möchte ich feststellen: Diese Novelle des Kommunalrechts wappnet die hessischen Kommunen hervorragend, ihre Aufgaben im Interesse der Bürgerinnen und Bürger des Landes noch besser zu erfüllen. Deshalb bitte ich für die Landesregierung um Zustimmung.
Danke sehr, Herr Bouffier. – Den Oppositionsfraktionen sind jeweils zwei Minuten zusätzliche Redezeit entstanden. Sie haben 17 Minuten Redezeit. Herr Rudolph, Sie dürfen für die SPD beginnen.
Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Jung, wir können uns alle kürzer fassen, dann haben wir alle etwas davon und an der Stelle ein bisschen mehr Lebensqualität.
Der wichtigste Punkt des Gesetzentwurfs sind zweifellos die Vorschriften zur Änderung des Gemeindewirtschaftsrechts, nämlich zur wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen. Der vorliegende Entwurf geht eindeutig zulasten der Städte, Gemeinden und Landkreise in Hessen und führt zu einer weiteren Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung.
Die Ausrichtung des Gesetzentwurfs ist primär an den wirtschaftlichen Interessen privater Dritter orientiert und wird die Absicherung der so genannten Daseinsvorsorge in den Bereichen, wo die Kommune für die Bürgerinnen und Bürger tätig ist – von Wasserver-, Abwasserentsorgung bis zur Energieversorgung –, schädigen. Mit den vorliegenden Änderungen brechen Sie in Deutschland eine gute Tradition – aber der Innenminister hört im Moment nicht zu, das macht auch nichts –, wonach die Kommunen nicht nur in politischer, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht für die kommunale Selbstverwaltung verantwortlich sind. Die Kommunen arbeiten gerade in den Bereichen, die für die Bürger wichtig sind.Wichtig ist in dem Zusammenhang: Diese Leistungen müssen für die Bürgerinnen und Bürger zugleich bezahlbar sein und dürfen sich nicht an Gewinninteressen Privater orientieren.
Die dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Unterstellung – das ist Ihre Ideologiedebatte, die Sie seit mehreren Jahren führen –,dass durch die wirtschaftliche Betätigung der kommunalen Ebene insbesondere der Mittelstand in seiner Existenz bedroht würde, ist schlicht und ergreifend falsch und geht an der Wirklichkeit des Lebens in Hessen vorbei.
Man muss sich das einmal anschauen:426 Gemeinden und 21 Landkreise. Für Gemeinden mit 1.500, mit 3.000 Einwohnern spielt dieses Gesetz überhaupt keine Rolle. Es hat in der Vergangenheit keine gespielt und wird auch in Zukunft keine spielen.
Der Bürgermeister von Oberweser muss eine Marktanalyse machen, der Bürgermeister von Vöhl oder die Bürgermeister von vielen kleinen Orten ebenso. Das ist Papier, unnötiger bürokratischer Aufwand, die Gängelung der kommunalen Ebene, gearbeitet für den Papierkorb und deswegen an der Stelle völlig überflüssig.
Meine Damen und Herren, die unterstellte Wettbewerbsund Konkurrenzfähigkeit vor Ort gibt es doch gar nicht. Das Gegenteil ist oftmals der Fall. Viele kommunale Unternehmen vergeben nämlich Aufträge gerade an mittelständische Unternehmen – wenn ich mir den Bereich der Wohnungsbaugesellschaften anschaue, wo das örtliche Handwerk sehr dicht dran ist und etwa bei einer europaweiten Ausschreibung in der Regel keine Chance hätte. Deswegen ist das ein Popanz, den Sie aufbauen. Unterhalten Sie sich bitte auch einmal mit Verbandsfunktionären aus dem Handwerk und dem Mittelstand,wie begeistert die von der Gesetzesnovelle sind. Die haben „gierig“ gesagt: Nein danke, das brauchen wir nicht. – Beispielsweise der Präsident der Handwerkskammer in Kassel,Herr Repp,um das an der Stelle einmal zu sagen:nämlich gar nichts.
Es gibt also nach der monatelangen Debatte,nach der Anhörung, die wir im Innenausschuss im letzten Jahr durchgeführt haben, überhaupt keinen sachlichen Grund, § 121 HGO zu ändern. Kommunale Unternehmen müssen weiterhin im Rahmen der Daseinsvorsorge wirtschaftlich tätig sein können. Dort, wo es objektiv Missbrauchsfälle gibt, kann man die abstellen. Das kann die Kommunalaufsicht. Das konnte man in der Vergangenheit. Das kann man in der Zukunft. Dafür brauchen wir nicht die Änderung des § 121 HGO. Deswegen wird sie von uns klar abgelehnt.
Statt die Kommunen mit weiteren bürokratischen Hemmnissen zu gängeln und zu quälen, sollten Sie den Kommunen die Möglichkeiten lassen, wichtige öffentliche Aufgaben zu finanzieren. Das gehört auch zur kommunalen Selbstverwaltung.
Meine Damen und Herren, es gibt auch Wichtiges in dem Gesetz, was richtig ist. Der Beteiligungsbericht wird vonseiten der SPD-Fraktion unterstützt, obwohl die Kommunalen Spitzenverbände dagegen hier und da Bedenken haben. Wir sind der Auffassung, es dient den jeweiligen Vertretungskörperschaften auch als Transparenz. Es ist wichtig: Die Kommunen und diejenigen, die Verantwortung tragen, müssen wissen, wo die Kommune etwa wirtschaftlich beteiligt ist.
Aber – ich füge hinzu – wir hören auch, dass es nicht angehen kann, wenn Oberbürgermeister wie in Kassel sagen: Stadtverordnete dürfen nicht wissen, was Mitglieder von städtischen Gesellschaften verdienen. – Übrigens haben die GRÜNEN gesagt: Das muss man alles rechtlich prüfen. – Auch das dient der Transparenz, denn das sind städtische Körperschaften. Dann muss gegenüber Bürge
rinnen und Bürgern deutlich gemacht werden, was diese Vorstandsmitglieder verdienen. Deswegen ist das an der Stelle richtig.
(Beifall bei der SPD – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Etwas zu prüfen ist kein Verbrechen! Bitte keine Härte!)
Einverstanden. – Die geplanten Änderungen, wonach der Rechnungshof auch an kommunalen Unternehmen Prüfungen vornehmen darf, werden von uns eher als kritisch angesehen. Warum? – Weil wir der Auffassung sind, es tangiert die kommunale Selbstverantwortung. Ich weiß, der sehr verehrte Prof. Eibelshäuser vom Rechnungshof mag das anders sehen, aber wir sind der Auffassung, dass es eigentlich Sache der kommunalen Selbstverwaltung ist, Prüfungen zu organisieren. Deswegen werden wir diesen Gesetzesvorschlag in der Anhörung kritisch begleiten.
Meine Damen und Herren, der Minister hat davon gesprochen, das sei das modernste Kommunalrecht in Deutschland. Er sagt übrigens bei jedem Gesetzentwurf, das sei immer das Modernste, was in Hessen kommt. Das Modernste ist noch lange nicht das Beste.Auch das belegt der vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung der HGO eindeutig. Er bleibt in vielen Bereichen hinter den Notwendigkeiten, aber auch hinter den Möglichkeiten zurück.
Wie sieht das etwa mit Elementen der direkten Demokratie aus, dass man da etwas verbessert, z. B. die Absenkung von Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheid? Die Hürden, die in Hessen aufgelegt sind, sind deutlich zu hoch und unterscheiden sich deutlich von anderen Ländern wie Bayern. Herr Innenminister, hier hätten Sie die HGO modernisieren können.An der Stelle haben Sie deutlich versagt. Deswegen wollen Sie den Bürgerinnen und Bürgern keine weitgehenden Mitbestimmungsrechte einräumen. Das ist der falsche Ansatz. Wir sind in der Tat im Gegensatz zu anderen wichtigen Oppositionsfraktionen
nicht der Auffassung – getroffene Hunde bellen, Herr Kollege –, dass die 3-%-Hürde abzulehnen ist, sondern wir sagen: Die 3-%-Hürde ist auch mit dem in Hessen gültigen Wahlrecht des Kumulierens und Panaschierens als personifiziertes Verhältniswahlrecht weiterhin möglich.
Rheinland-Pfalz hat ein ähnliches Wahlrecht und hat die 3-%-Hürde. Deswegen sagen wir sehr wohl: Es ist verfassungsgemäß und kann eingeführt werden, wenn man es will.
(Frank Gotthardt (CDU):Du musst vorsichtig sein! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Passt auf, wenn ihr erst einmal da seid!)
Warum regen Sie sich auf? – Meine Damen und Herren, wir können über die rechtliche Zulässigkeit in der Anhörung trefflich streiten. Wir führen die politische Diskussion. Wir werden das im weiteren Gesetzgebungsverfahren vertieft einbringen. Wir sollten ernsthaft über den
Vorschlag zur Bündelung von Direktwahlterminen nachdenken.Warum? – Die Direktwahlen, die jetzt in das elfte Jahr gehen, sind wichtig. Sie werden weiterhin Bestandteil sein. Sie leiden aber unter einer erschreckend geringen Wahlbeteiligung.
Ich halte es in der Tat für einen Skandal, dass wir bei Landratswahlen eine Wahlbeteiligung zwischen 30 und 35 % haben. Wenn die Person dann noch mit 50,1 % gewählt wird, muss sehr gründlich darüber nachgedacht werden, ob das eine demokratische Legitimation sein kann.Wir müssen gucken, wie wir eine höhere Wahlbeteiligung erreichen können. Ein Vorschlag wäre die Bündelung der Wahltermine. Deswegen bringen wir ihn in die politische Diskussion ein.
Hinsichtlich der Wahlanfechtungsgründe bei Direktwahlen besteht Handlungsbedarf. Wir möchten nicht, dass es zu jahrelang dauernden Gerichtsverfahren kommt. Das war z. B. in Darmstadt und in Bad Homburg der Fall. Es müssen die Rechtsmittel eröffnet werden, die es ermöglichen, dass relativ schnell nach den Kommunalwahlen das Verfahren abgeschlossen werden kann. Hier könnte man darüber nachdenken, ob man nicht die gleichen Anfechtungsgründe zugrunde legt, wie sie für Landtagswahlen gelten. Die Rechtsprechung, die sich dazu entwickelt hat, ist zum Teil absurd. Hier besteht dringend Handlungsbedarf.
Es kann nicht sein, dass Gerichte in der Politik getroffene Entscheidungen etwa deswegen konterkarieren, weil ein Wahlplakat statt 10 nur 9 m vom Wahllokal entfernt gestanden hat. Das ist absurde Bürokratie. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegt aber an uns, solche unsinnigen Vorschriften entsprechend zu ändern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg.Jörg-Uwe Hahn und Nicola Beer (FDP))