Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine kleine Premiere, dass es der Ministerpräsi
dent für nötig erachtet, den Beschluss nach Art. 104 Hessische Verfassung hier zu erläutern. Das spricht nicht für die Qualität dieses Beschlusses,
Es ist richtig, dass die Hessische Verfassung vorschreibt, dass die Landesregierung ihre Geschäftsverteilung, so wie sie sie beschlossen hat – –
Es ist richtig, dass die Hessische Verfassung die Landesregierung verpflichtet, unverzüglich nach der Beschlussfassung über ihre interne Kompetenzverteilung diese dem Landtag mitzuteilen und auf sein Verlangen hin gegebenenfalls zu ändern. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass der Landtag in seiner Mehrheit eine Änderung verlangt, Herr Ministerpräsident. Dessen ungeachtet ist die Vorschrift der Verfassung ein Hinweis darauf, dass es politisch zu diskutieren und zu bewerten ist, wie die Landesregierung ihre Arbeit angeht.
Man kann feststellen: Sie haben zwar die absolute Mehrheit in diesem Hause, meine Damen und Herren von der CDU, aber Sie haben offensichtlich mehr Angst denn je,
denn man kann feststellen, dass es zum ersten Mal in der Geschichte des Landes Hessen bis zur dritten Sitzung des Landtags gedauert hat, bis dieser Beschluss endlich vorgelegt werden konnte.
Bisher war es üblich, dass die Kompetenzen nach der Regierungsbildung bis zur Folgesitzung des Landtags geklärt werden konnten.
Aber so ist das eben, wenn man erst eine Koalition mit sich selber mühsam verhandeln und 53 Ortsfürstinnen und Ortsfürsten als direkt gewählte Abgeordnete irgendwie unter einen Hut bringen muss.
Genau das strahlt Ihre Kompetenzverteilung aus. Es geht darum, den Laden irgendwie zusammenzuhalten. Dass es so lange gedauert hat, bis Sie uns Ihren Beschluss mitteilen konnten, beweist nur, dass es nicht ganz einfach war.
Das war ja der zweite Schritt, nachdem schon die Personenfindung für das Kabinett einige Schwierigkeiten bereitet hat. Herr Ministerpräsident, noch heute sind Sie die Antwort auf die Frage schuldig,welchen Posten der Land
rat des Hochtaunuskreises, Herr Banzer, eigentlich bekommen sollte, der sich zu Hause dafür rühmen und feiern lässt, dass er eine Berufung in Ihr Kabinett abgelehnt hat.
Das wird vielleicht auf ewig Ihr Geheimnis bleiben. Vielleicht war Herr Banzer ja gar nicht für einen Kabinettsposten vorgesehen, und zwar nicht deshalb, weil die Regierungsbank früher etwas enger war, als sie jetzt ist, sondern deshalb, weil Sie ihn gar nicht haben wollten.
Schauen wir uns doch einmal an, was in der Mitteilung steht. Der Herr Ministerpräsident hat ein paar Punkte daraus angesprochen. Der Bereich Energie kommt zum Wirtschaftsministerium – aber nicht vollständig, weil die Proteste zu laut waren.Die IT-Kompetenz kommt zum Finanzministerium, denn der neue Staatssekretär muss ja etwas zu tun haben. Der Innenminister darf aber auch nicht leer ausgehen. Deshalb bekommt er eine zusätzliche Kompetenz.Dafür wandert die Zuständigkeit für die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung vom Innenministerium zum Finanzministerium.
Meine Damen und Herren, wenn man alleine das betrachtet, dann kann man ein erstes Fazit ziehen: Herr Ministerpräsident, die Linie, Kompetenzen handlungsorientiert zu bündeln und einer tatkräftigen Landesregierung eine Arbeitsgrundlage zu geben, ist hier überhaupt nicht zu erkennen.
Stattdessen ist festzustellen: Der Gesamtkontext dieses Beschlusses nach Art.104 Hessische Verfassung zeigt ganz eindeutig, dass es hier darum geht, dass das Old-BoysNetwork erhalten bleibt – im Takt der guten Tradition der schwarzen Tankstellenallianz.
Betrachten wir uns die Angelegenheit genauer.Neu in der Staatskanzlei sind jetzt zwei Minister – zur Navigation im Bermuda-Dreieck. Wer da wen kontrolliert, das ist hier die Frage.
Da aber das Regieren so schwer ist, insbesondere dann, wenn der Ministerpräsident ganz andere Dinge im Kopf hat, kommt jetzt eine neue Kompetenz für die Staatskanzlei hinzu,die unter Nr.111 im Beschluss nach Art.104 Hessische Verfassung nachzulesen ist. Sie lautet: „einheitliches Erscheinungsbild der Hessischen Landesregierung“.
Diese neue Kompetenz ist echt spannend. Die zwei Minister in der Staatskanzlei bedürfen jetzt der Kompetenz für ein einheitliches Erscheinungsbild. So weckt man Bedürfnisse: erst zwei Minister berufen und dann die neue Aufgabe darauf definieren. Oder haben Sie festgestellt,
Herr Ministerpräsident, dass das Erscheinungsbild der Landesregierung unter Ihrer Führung in den letzten vier Jahren zu uneinheitlich war?
Es wäre schon gut, wenn Sie uns dazu etwas erklären könnten, denn sonst ist der Verdacht überhaupt nicht von der Hand zu weisen,dass es sich bei der neuen Kompetenz um eine bloße Maulkorbverteilstelle handelt.
Schauen wir uns ein nächstes Detail des Beschlusses an, nämlich das prickelnde Dreiecksverhältnis des Innenministers, des Finanzministers und der Staatskanzlei im Zusammenhang mit den Dingen, die wir Verwaltungsmodernisierung nennen könnten. Grundsatzfragen der Verwaltungsautomation, einschließlich E-Government sowie – man höre und staune – der „Sprach- und Datenkommunikation“, hat Herr Bouffier unter seinen Fittichen. Der Kollege Weimar verantwortet jetzt das HCC, das Hessische Competence Center, und alle IT-Dienstleistungen für die Landesverwaltung einschließlich der Zuständigkeit für die HZD, die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung. Herr Kollege Grüttner ist zuständig für die – ich zitiere – „zentrale Steuerung und Koordinierung der Verwaltungsreform und der Verwaltungsvereinfachung“.
Meine Damen und Herren, hier die Grundsatzfragen von E-Government: Der Ministerpräsident hat es selber auch noch nicht verstanden, was er beschlossen hat, denn er hat eben gerade gesagt, dafür wäre der Finanzminister zuständig. In seinem Beschluss steht aber, dass dafür der Innenminister zuständig ist. Die zentrale Steuerung der Verwaltungsvereinfachung wird jetzt von der Staatskanzlei gemanagt. – Das ist eine echte sinnvolle Vereinfachung der Verwaltung.
Meine Damen und Herren, daraus kann man doch nur einen Schluss ziehen: Hier traut keiner dem anderen, und deshalb wird es so chaotisch organisiert. Alle wuseln herum, heraus kommt nichts, außer hohen Kosten. Zum Schluss dient die Kompetenzverwirrung nur dazu, um für Misserfolge niemanden persönlich in die Verantwortung ziehen zu müssen, zumindest niemanden aus der Führungsetage.Das ist die Regierungskunst unseres Ministerpräsidenten: viel Wirbel, keine Ertragsgefahr.
Herr Kollege Kaufmann, verstehen Sie jetzt die neue zusätzliche Aufgabe,ein „einheitliches Erscheinungsbild der Hessischen Landesregierung“ herstellen?
Frau Kollegin, wenn man es genauer betrachtet, scheint man zu verstehen, dass das die einzige wichtige Aufgabe ist, die der Ministerpräsident dem Kabinett zuweist.
Meine Damen und Herren, der nächste Komplex, der nicht unerwähnt bleiben kann – der Ministerpräsident hat es auch getan –, ist der Bereich Energie. Die neue Zuständigkeit für die Energietechnik, aber nicht für die Atomanlagen, aber für die „sparsame, rationelle, sozial- und unweltverträgliche Energiewirtschaft“, aber wiederum nicht für die energiewirtschaftliche Nutzung von Energierohstoffen – die bleibt beim Umweltminister –, liegt jetzt beim Wirtschaftsminister. Die Abgrenzung ist zwar schwierig und führt zu Kompetenzgerangel, aber warum man das so macht, das habe ich gerade erläutert.
Darauf kommt es offensichtlich nicht an. Nachdem man die Proteste zur Kenntnis nehmen musste, dass die Atomaufsicht nicht auch noch in die Kompetenz des Energieund Wirtschaftsministers gehen darf, hat man wenigstens das Signal geben wollen – Herr Koch, Sie haben es gerade eben unterstrichen –, Energiefragen sollen mit Umweltschutz möglichst wenig zu tun haben. Denn bei der Energieproduktion spielen Naturressourcen offensichtlich keine Rolle.
Da geht es doch nicht nur um diejenigen, die das Ganze leiten, sondern auch insgesamt um die fachliche Einbindung. Das macht die Sache so problematisch.
Bleiben wir aber noch beim neu etikettierten Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Da sage ich ganz ernsthaft: Der Ansatz, Entwicklung im ländlichen Raum zu bündeln – wenn man ihn wohlwollend betrachten will –,