Protocol of the Session on May 6, 2003

Bleiben wir aber noch beim neu etikettierten Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Da sage ich ganz ernsthaft: Der Ansatz, Entwicklung im ländlichen Raum zu bündeln – wenn man ihn wohlwollend betrachten will –,

(Dr.Walter Arnold (CDU): Ist doch gut!)

im Umweltressort zusammenzufassen, wenn man das richtig herausgelesen hat, ist ja durchaus begrüßenswert, Herr Kollege. Er kommt aber leider etwas spät, denn gegen alle Argumente, und zwar nicht nur der Opposition, haben Sie hier in der vergangenen Legislaturperiode die so genannte Verwaltungsreform in diesem Bereich beschlossen und den integrativen Ansatz der Ämter für Regionalentwicklung und Landwirtschaft zunächst einmal, statt ihn zu stärken,kaputtgemacht.Jetzt fügen Sie die Bereiche auf der oberen Ebene wieder zusammen und wollen es reparieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies führt natürlich zu zusätzlichem Aufwand. Das hätte man sich alles sparen können, verehrter Herr Kollege Dr. Arnold.Das ist trauriges Beispiel dafür,dass bei der CDU Argumente erst einmal keine Rolle spielen und späte Einsicht auf Kosten der Betroffenen und der Steuerzahler geht.

(Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Meine Damen und Herren,ich stelle fest,dass die Zeit leider viel zu kurz ist. Man hätte offensichtlich eine längere Redezeit festlegen müssen,

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Ihnen könnte ich stundenlang zuhören!)

um dieses ganze Durcheinander des Beschlusses nach Art. 104 hier darzustellen. Ich will mich noch auf einen Punkt,nämlich den Tourismus,beziehen.Das ist auch wieder so ein Widerpart zwischen Umweltministerium und Wirtschaftsministerium.

Der Tourismus auf dem Lande geht jetzt zu Herrn Dietzel. Welcher Tourismus bleibt dann bei Herrn Rhiel? – Alle anderen. Das bedeutet, zuständig ist Herr Rhiel,

wenn jemand in der Luft ist oder auf dem Wasser, oder wenn er das Goethehaus besucht oder die alten Meister in Kassel. Wenn er sich aber im Rheingau die Reben anschaut oder die Kirschblüte in Witzenhausen, dann ist auf einmal Herr Dietzel dafür zuständig und nimmt den Gast unter seine Fittiche. Da kann ich nur eins sagen: Wie gut, dass das der Gast nicht merkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sonst käme der Tourist Asterix in der Tat auf den Gedanken: Die spinnen, die Hessen.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kaufmann, die Redezeit ist abgelaufen.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Schade!)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Im Jahre 2003 organisiert sich eine Landesregierung ganz offensichtlich nicht, um effizient zu arbeiten, sondern um mühsam ein höchst labiles Machtgewicht zu erhalten. Sachliche Argumente spielen dabei keine Rolle, Hauptsache ist, dass sich die Herren dabei nicht ins Gehege kommen. Es geht nur um die Herren, denn die beiden Damen haben nicht nur nichts dazu bekommen, sondern auch noch heftig verloren – die Sozialministerin in der Vergangenheit vorneweg, zunächst Geld, jetzt auch noch Zuständigkeiten. Es ist ein Old-Boys-Network.

(Hildegard Pfaff (SPD): So ist das!)

Das entschädigt auch nicht dafür, dass der erste Punkt in der Zuständigkeit der Sozialministerin die Frauenangelegenheiten sind.

Meine Damen und Herren, diese Regierung ist ganz offensichtlich auf dem Weg, sich mit einer Mannschaft von alten Herren,

(Allgemeine Heiterkeit – Ministerpräsident Ro- land Koch: Junger Mann, was denken Sie sich!)

die sich klubartig unterhalten, darzustellen, um nicht Hessen voranzubringen, sondern um sich selbst die Macht zu erhalten. Somit schaffen Sie die Basis dafür, dass Roland Koch möglichst viel auf der Berliner Bühne herumtanzen kann und sich derweil hier die schwarzen Sheriffs gegenseitig in Schach halten. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Soweit ich informiert bin, wird jedenfalls morgen Abend wieder eine Altherrenmannschaft auflaufen, allerdings in Mainz zu einem Länderspiel zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz. Ich mache schon einmal ein bisschen Reklame dafür.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Spielen Sie da mit?)

Herr Irmer, wenn Sie dazu kommen, gucken wir einmal. – Das Wort hat Herr Denzin für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein Stückchen ernster als der Vortrag meines Vorredners ist die gesamte Angelegenheit schon.

(Zuruf der Abg. Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Ministerpräsident, hätten Sie sich an das gehalten, was Sie hier selbst als Ihre Ziele genannt haben, nämlich: „was innerhalb eines Ressorts geleistet werden kann, soll dort geleistet werden“, und „einen ganzheitlichen Ansatz in der jeweiligen Aufgabenwahrnehmung“, dann hätten wir hier sicherlich sehr wenig zu kritisieren.

Das Erste, das mich gewundert hat und was sicherlich in Verhandlungen mit uns anhaltend besprochen und behandelt worden wäre,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre!)

ist, dass Sie nicht den Schritt gewagt haben, den selbst die Konrad-Adenauer-Stiftung empfiehlt, den Sachsen, Thüringen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen, der Bund und andere Länder vollzogen haben, nämlich Arbeit und Wirtschaft zusammenzuführen.

(Beifall bei der FDP)

Ich zitiere aus einem ganz interessanten Papier der Adenauer-Stiftung:

Die beiden Ressorts Wirtschaft und Arbeit gehören untrennbar zusammen – entsprechend dem klassischen Ansatz, die Arbeit als Teil der Wirtschaft zu betrachten. Mit einer solchen Bündelung wird die endgültige Überwindung des Konflikts zwischen Arbeit und Kapital nach außen sichtbar gemacht.

Nur ein Zitat von ganz vielen möglichen.

Im Übrigen ist es interessant, dass die CDU-Bundesländer hier vorangegangen sind,Herr Uldall und die FDP auf Bundesebene, dann hat selbst der rot-rote Berliner Senat nachgezogen und der Bundeswirtschaftsminister Clement ja auch.

Herr Ministerpräsident, Sie haben sich eben darauf berufen, dass die Anpassung im Ressort Umwelt und Verbraucherschutz auch wegen der Bund-Länder-Verhandlungen Sinn mache.Hier hätte ich doch etwas weiter nachgedacht und die Frage,Arbeit und Wirtschaft zusammenzuführen, nicht so schnell beantwortet bzw. anders beantwortet.

Ich lasse jetzt einmal die anderen kleinen üblichen, vor und nach jeder Kabinettsbildung zwischen Referenten, Abteilungsleitern und sonst wo laufenden Arrondierungsstreite völlig heraus.Was aber in den anderen Verlagerungen auffällt, ist, dass Sie die Ausbildungsprogramme weiter aufgesplittet haben. Das bedeutet hier einen noch weniger ganzheitlichen Ansatz, einen Teil der Fördermittel sogar noch zusätzlich ins Sozialministerium zu geben, statt im Wirtschaftsministerium die gesamte Ausbildungsförderung zu bündeln.

(Beifall bei der FDP)

Gerade in der Ausbildungsdiskussion, die wir jetzt hier führen müssen und die uns auch in den nächsten zwei Tagen noch befassen wird, wird das sehr deutlich. Ich halte das für einen Fehler. Ich halte es für besser, Einzelausbildungsverhältnisse in dem Bereich, der aufgabenmäßig

insgesamt Kompetenz hat, zu belassen, als eine Auslagerung vorzunehmen.

Damit komme ich zu einem weiteren Punkt: die Auslagerung beim Tourismus. Hier hat Herr Kaufmann in der Tat Recht,das ist nicht nachzuvollziehen.Das Wirtschaftsministerium hat als eine operative Hand die HTS – HessenTourismus-Service –, füttert die auch mit den erforderlichen Mitteln, kontrolliert sie, hat die Abwicklungsinstrumente – und dann nehmen wir einen Teil Tourismus heraus und setzen den in das Ministerium für ländlichen Raum usw.

Herr Ministerpräsident, das ergibt keinen Sinn. Das vermag ich wirklich nicht nachzuvollziehen.

In einem Zwischenruf wurde hier eben gesagt:„solange es die Touristen nicht merken“.

(Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Ich befürchte, sie werden es merken. Denn natürlich wird auch unsere Werbung über die HTS darunter leiden, dass wir hier eine Zersplitterung haben.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Bernd Riege (SPD))

Hier würde ich noch einmal intensiv über die Zuschnitte nachdenken.

Eine andere Fragestellung: Sie sagen, wir bündeln die Zuständigkeiten für den ländlichen Raum. Damit betreiben Sie zweierlei Art und zweierlei Gewicht von Strukturpolitik: Wir haben ein Infrastrukturministerium, das ist zuständig für den Ballungsraum Rhein-Main, den Flughafen Frankfurt, für Kassel-Calden, für die Bundesfernstraßen, die ICE-Strecken usw. Und dann nehmen Sie die Zuständigkeiten für den ländlichen Raum – ich sage Ihnen, ich sehe da eine Gefahr, dass man den ländlichen Raum in seiner Bedeutung herunter hängt – und setzen diese in ein Landwirtschaftsministerium.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))