Protocol of the Session on November 5, 2003

Ich sage noch einmal: Man mag behaupten, dass diese Zahlen Entwicklungen beschreiben, die weit in der Zukunft liegen, und dass wir nicht wissen, was kommt. Aber der Finanzplan stellt das dar, was sich die Landesregierung selbst vorgenommen hat.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Philosophie!)

Wenn sie es sich nicht vorgenommen hat, die Personalausgabenquote zu senken, wird sie es auch nicht erreichen. Die Investitionsquote wird – nach 10,3 % – bei 11 % liegen. Wir alle wissen, dass dies in dem Schwankungsbereich der Ausgaben für ein größeres Gebäude liegt,das errichtet wird. Das ist kein echtes Umsteuern, von dem hier die Rede sein könnte.

Die Aufgabe einer mittelfristigen Sanierung des Landeshaushalts bleibt trotz des Haushaltsentwurfs 2004, der viele positive Ansätze enthält, ungelöst. Diese Aufgabe muss aber dringend angegangen werden.

Aus unserer Sicht bedeutet dies erstens eine konsequente Aufgabenkritik. Ich habe das wiederholt gesagt; ich sage es noch einmal.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Dazu gehört die Überprüfung von Standards. Wenn ich die Standards nicht senke, kann ich die Verwaltung nicht vereinfachen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Ferner gehört dazu die Überführung von nicht hoheitlichen Bereichen in den Privatsektor. Dieses Kapitel wird von der Hessischen Landesregierung bisher fast vollständig vernachlässigt. Die Folge davon sind Ad-hoc-Organisationen und eine ungebremste Überfrachtung des Staates mit Aufgaben, die andere staatliche Ebenen oder Private besser lösen können.

Zweitens bedeutet die mittelfristige Sanierung aus unserer Sicht die Veräußerung von Beteiligungen bzw. die Aktivierung von Landesvermögen. Hier ist ein systematischer Ansatz der Landesregierung nicht zu erkennen – wenn ich einmal das berühmte „In-sich-Geschäft“ in der Wohnungswirtschaft außen vor lasse; denn das ist ein eigenes Kapitel. Von einem Verkauf von Beteiligungen kann man da wirklich nicht reden. Das ist kein Schritt in Richtung Privatisierungspolitik, sondern eine einzelne Maßnahme, über die man strittig diskutieren kann. Sonst ist das gar nichts.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Da immer nach Vorschlägen und Alternativen gefragt wird, lassen Sie mich ein paar Punkte nennen. Wie ist die Position der Landesregierung zur Privatisierung der Technischen Überwachung Hessen GmbH oder der HIM GmbH? Wie ist die Position der Landesregierung zur Reduzierung des Domänenbesitzes? Sind wir der Meinung, dass das Land der beste Gutsbesitzer der Welt ist? Wie ist die Position zur künftigen Eignerstruktur der Hessischen Landgesellschaft GmbH und der Hessischen Landesbahn GmbH? Wann werden die Weichen zugunsten einer Privatisierung weiterer Unternehmen gestellt, deren Betrieb nicht zu den Kernaufgaben des Landes gehört – von den Staatsweingütern bis zur Höchster Porzellanmanufaktur?

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Keine Scherben!)

All das muss beantwortet werden.Für all das braucht man eine Strategie.Es reicht nicht aus,eine einzige Beteiligung an eine andere Beteiligung des Landes zu verkaufen. Hier vermissen wir nachhaltige Aktivitäten der Landesregierung, und wir vermissen eine mittelfristige Struktur, die erst geschaffen werden muss.

Drittens. Gefragt sind die Verbesserung der Einnahmensituation und die Abkoppelung von bundesbedingten Lasten. Hier ist einiges vorgesehen. Unklar ist unseres Erachtens die Landespolitik gegenüber der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Zu erwarten, dass die TdL unsere Politik macht, ist wahrscheinlich vergebens.

Wir erwarten, dass das Land den Flächentarif mit dem Deutschen Bühnenverein kündigt.Auch das würde in diesen Zusammenhang gehören.

Der vierte Punkt betrifft die nachhaltige Einsparung von Personalkosten.Wir begrüßen ungefragt den Einstieg des Landes in den Abbau der Personalkosten.Aber von einer nachhaltigen Einsparung kann man erst dann reden,wenn die Aufgabenkritik gemacht worden ist. Wenn man zwar das Personal kürzt, aber die Aufgaben lässt, führt das

dazu, dass wir im Jahr 2004 wieder Personal einstellen müssen. Das wollen wir nicht.

Als fünfter Punkt müssen eine Konzentration der Landesverwaltung und eine durchgängige Verwaltungsvereinfachung erfolgen. Hierbei sind der Landesregierung positive Ansätze zu bestätigen.Ans Eingemachte geht sie aber bisher nicht. Dazu würden gehören: eine Vereinfachung der Verwaltungsstruktur in den Ministerien, die Abschaffung von ein bis zwei Ministerien, die Verschlankung von Staatskanzlei und Sozialministerium, die Überführung des Hessischen Immobilienmanagements in private Rechtsform und die Überprüfung der neuen Verwaltungssteuerung und des SAP-Einsatzes auf Effizienz und Kostensenkungspotenziale.

Davon ist leider nicht die Rede. Teilweise ist sogar das Gegenteil der Fall. Die Staatskanzlei wird zu einer Art Bundeskanzleramt auf hessischer Ebene ausgebaut. Das verträgt sich nicht mit Einsparbemühungen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Sechstens gehören zu einer mittelfristigen Strategie – das ist die Einzige, die diesen Namen verdient – der Um- und der Abbau von Landesprogrammen bei gleichzeitiger Befristung und Degression der Finanzhilfen. Hierbei ist ein Einstieg gemacht worden. Aber wo ist das Konzept? Wir geben in einem Jahr ein Drittel weniger aus.Was ist in den Jahren zwei, drei und vier? Was ist mit einer systematischen Evaluation all dieser Maßnahmen? Damit haben wir einmal angefangen. Das muss fortgeführt werden.

Wie ist denn die Politik in Bezug auf die Subventionen, den wichtigsten Teilbereich in diesem Konzept? Welche Subventionen wollen wir uns künftig noch gönnen? Unter welchen Voraussetzungen wollen wir sie uns gönnen? Nehmen wir uns vor, sie abzubauen? Wenn ja, in welchem Zeitraum? All das ist bisher völlig offen.Von einer Strategie für den Um- und Abbau von Landesprogrammen kann ich leider sehr wenig erkennen.

Zusammengefasst: Am hessischen Landeshaushalt 2004 ist positiv, dass er nicht expansiv ist. Es ist positiv, dass mit ihm die Frage nach der Sinnhaftigkeit und der Höhe freiwilliger Leistungen gestellt wird. Leider wird sie aber nicht beantwortet. Es ist positiv, dass die Nettoneuverschuldung am Kreditmarkt um 50 % reduziert wird. Das muss zugegeben werden.

Leider sind viele darin enthaltene Einzelmaßnahmen nicht bis zum Ende durchdacht und nicht strategisch abgewogen. Leider werden mit den Haushaltsansätzen Risiken in Höhe von mehreren Hundert Millionen c einfach verdrängt. Leider ist der Haushalt nicht Teil einer mittelfristig angelegten Konsolidierungsstrategie, die innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu einem Abbau der Neuverschuldung auf null führt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Der Nachtragshaushalt 2003 hätte – ich habe es gestern gesagt – das erste Glied einer Perlenkette von Maßnahmen sein können, die zu soliden Staatsfinanzen führen. Der Haushalt 2004 hätte das zweite Glied sein können. Leider ist die Chance verpasst worden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Bevor ich Herrn Ministerpräsidenten Roland Koch das Wort erteile, möchte ich feststellen, wie viel Redezeit den Fraktionen noch zusteht. Der CDU-Fraktion stehen 27 Minuten zu, der SPD-Fraktion 2, der FDP 31 und den GRÜNEN 32.

Wir haben zunächst Wortmeldungen zur so genannten zweiten Runde,und dann haben wir noch Wortmeldungen zum Thema Studiengebühren.

(Michael Siebel (SPD): Ich kann mich kurz fassen!)

Das müssen Sie. Sie müssen die Zwei-Minuten-Grenze unterbieten, verehrter Herr Siebel.

Damit hat der Ministerpräsident Roland Koch das Wort. Bitte sehr.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie, dass ich in die Debatte einige wenige Bemerkungen einfüge, weil auch die Entwicklung der Bundeseinnahmen in den nächsten Wochen eine Rolle spielen wird.Ich denke, dass es vernünftig ist, dass wir dieses Thema auch künftig gemeinsam vorher besprechen.

Nachdem ich die Diskussionsbeiträge nach der Einbringung des Nachtragshaushalts und des Haushalts durch Herrn Kollegen Karlheinz Weimar – alle Fraktionen hatten zweimal Gelegenheit, zu sprechen – habe Revue passieren lassen, möchte ich einen Vorgang öffentlich machen, der für die Debatten im Hessischen Landtag, unabhängig davon, wie die Regierungs- und Oppositionsrollen verteilt sind, eher ungewöhnlich ist. Ich habe in diesen zwei Tagen von den drei Oppositionsfraktionen an keinem einzigen Punkt einen Vorhalt in Form eines Vergleichs gehört, dass in anderen Ländern oder auf Bundesebene etwas besser gemacht werde als in der hessischen Landespolitik.

(Beifall bei der CDU – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Dann hätten Sie bei Herrn von Hunnius zuhören müssen, Herr Ministerpräsident!)

An der mangelnden Liebe zum Vergleich, an der mangelnden Liebe zu Auseinandersetzungen auf der Basis von Statistiken kann das nicht gelegen haben. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass es unbestreitbar richtig ist – das hat Karlheinz Weimar gestern sehr nachdrücklich dargestellt –, dass wir uns in einer außerordentlich angespannten Situation befinden und sich deshalb niemand darüber freuen kann, wie sich die Zahlen entwickelt haben. Offensichtlich ist es aber im Umgang mit dieser Situation nicht so, dass die Zahlen anderer Länder – ob Rheinland-Pfalz, um ein von Liberalen mitregiertes Land zu nennen, ob Nordrhein-Westfalen, um ein rot-grün regiertes Land zu nennen, oder Niedersachsen und BadenWürttemberg, um von der Union und den Liberalen regierte Länder zu nennen – so begeistern, dass man bereit wäre, sie der Hessischen Landesregierung, dem hessischen Finanzminister um die Ohren zu schlagen.

Sie mögen es für eine Art von Bescheidenheit halten, dass wir damit schon zufrieden sind. Ich möchte aber am Anfang Wert darauf legen, dass die Behauptung, Hessen sei durch diese Regierung besonders schlecht geführt worden, mit der Tatsache, dass Sie uns kein einziges Beispiel vorhalten können, wo man es besser gemacht hat, nicht

zusammenpasst. Das muss man ein Stück weit zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Sie wissen, dass das in der Sache schwierig ist. Ich bin bereit, die Diskussion mit Herrn Kollegen von Hunnius einzugehen, wie die Personalentwicklungen in Zukunft aussehen.

(Zurufe von der SPD)

Aber: Fast 8.000 Stellen bis zum 1.April 2004 mit entsprechenden Vermerken und Organisationsveränderungen zur Disposition zu stellen ist ein kritisches Projekt. Ein anderer Versuch der Bewältigung wird zurzeit in Berlin unternommen; dort geht man mit dem Stellenpool einen anderen Weg. Aber ansonsten werden Sie Schwierigkeiten haben, im Augenblick ein vergleichbares Projekt in Deutschland zu finden. Das ist übrigens ein alles andere als vergnügliches Vorhaben, weil es einen Umgang mit Mitarbeitern in einer Weise erfordert, in der wir mit ihnen lieber nicht umgingen.

Wenn Sie über den Umfang der Verschuldung reden,dann ist das Bundesland Hessen, das auf Platz drei bzw. auf Platz vier – je nachdem, ob man die Ostländer hinzunimmt oder nicht – steht, ein relativ schlecht geeignetes Beispiel.Wenn Sie den Anstieg der Verschuldung in Hessen mit der in Rheinland-Pfalz, in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen vergleichen, dann wäre es für Sie sehr ungünstig, das hier vorzutragen; denn Sie würden feststellen,dass von der behaupteten besonderen Verschuldungsdynamik des hessischen Haushalts angesichts der Entwicklung der Haushalte anderer Länder nichts mehr übrig bleibt.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb ist das, was Sie getan haben, korrekt, aber es ist eine ungewöhnliche politische Erklärung, dass Sie es für nötig hielten, auf alle diese Vergleiche zu verzichten. Wir werden die Auseinandersetzung nicht damit bestehen können, dass wir anfangen, Beträge von 1.000 c bis 3.000 c gegeneinander aufzurechnen. Ich sehe ohnehin ein bisschen die Tendenz, dass Sie, wenn Sie das Gesamtprojekt von 1 Milliarde c – –

(Zurufe von der SPD und der FDP)

Herr Kollege von Hunnius, es hilft mir nichts, wenn ich beschließe, die verabredeten Gehaltserhöhungen, die rechtlich verpflichtend sind, und die Altersstufensteigerungen der Beamten für das nächste Jahr zu ignorieren und daraus Einsparungen zu definieren. Es macht viel mehr Sinn, die zwingenden Leistungen des nächsten Jahres zu berechnen und von dieser Basis aus einen Einsparbetrag festzusetzen. Alles andere wäre ein mathematischer Trick. Das wissen auch Sie.

Selbst wenn ich die Veräußerung von Immobilien herausrechnen würde – weil das kein Einsparen im Sinne der Schaffung von weniger Stellen ist –, dann komme ich immer noch auf über 630 Millionen c. Wenn ich alles zusammenrechne, was im Streit ist – Sie stellen pauschal alles zur Diskussion, was die Sozialpolitik betrifft –, dann macht das etwa 5 % aus. Wenn man dann das zusammenrechnet, was Sie sonst noch vorschlagen, kommt man vielleicht auf 1 %. Ich will das nicht unter dem Gesichtspunkt kommentieren, dass Ihnen sonst nichts einfällt, sondern ich möchte feststellen: Von den Maßnahmen der sicherlich schwierigsten Operation, im nächsten Jahr weniger

auszugeben, die wir je durchgeführt haben, stellen Sie überhaupt nur etwa 6 % in Streit.

(Widerspruch bei der SPD)