Protocol of the Session on November 5, 2003

Wenn ich sehe, wie das Ganze funktionieren kann, muss ich mich am Beispiel Landesbetrieb Hessen-Forst fragen: Wie kann man sich überhaupt vorstellen, dass ein solcher Landesbetrieb noch effizient weiterarbeiten kann? Von den 1.000 abzubauenden Stellen entfallen dort 600 auf Waldarbeiter. Jeder zweite Waldarbeiter ist nach der Ansicht der Landesregierung überflüssig. Er läuft mit dem Kainsmal der Überflüssigkeit herum und muss dieses über Monate oder vielleicht Jahre ertragen. Da liegt doch die Vermutung nahe, dass die Personalvermittlungsstelle in Wahrheit nichts anderes wird als eine Personalmobbingstelle.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wird dazu führen, dass Personen aus der Landesverwaltung herausgemobbt werden, als überflüssig erklärt werden. Ich will deutlich sagen, die FDP-Fraktion des Hessischen Landtags ist eindeutig der Meinung, wir müssen Personal abbauen. Das ist völlig unbestritten. Das kann aber nicht so gehen, dass wir mit den Personalköpfen anfangen, sondern das muss so sein, dass am Anfang die Aufgabenkritik steht, aus der Aufgabenkritik eine Organisation folgt und man dann überlegt, welche Stellen wegfallen können. Dann sind die darauf sitzenden Personen möglicherweise davon betroffen und mit sozialen Vorkehrungen freizustellen.

Die kw-Vermerke beziehen sich nicht auf wegfallende Personen, sondern auf wegfallende Stellen. Das ist mit Sicherheit richtig so. Alles andere hieße, die Dinge auf den Kopf zu stellen. Deswegen muss ich sagen: Das Kriterium der Wirksamkeit ist hier nicht erfüllt.Es wird vielleicht gelingen, kurzfristig Menschen loszuwerden – ich sage es ganz bewusst so –, aber es wird nicht gelingen, mittel- und

langfristig die Organisation der hessischen Landesverwaltung so zu gestalten, dass wir schlanker werden.

Zum Thema Nachhaltigkeit. Bei Investitionsmaßnahmen wird um 60 Millionen c gekürzt. Ist das nachhaltig? Wenn es nachhaltig ist, dann nachhaltig negativ.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Jürgen Walter (SPD))

Denn unterlassene Investitionen im Jahr 2004 führen zu entsprechend höheren Beträgen in der Zukunft. In diesem Betrag ist auch der Straßenbau enthalten. Bedauerlicherweise fängt die Landesregierung an,beim Straßenbau zu reduzieren.Wir waren einmal sehr stolz darauf, dass in diesem Bereich die Mittel erhöht worden sind, verglichen mit der rot-grünen Zeit.Gerade im Straßenbau ergibt sich aus Investitionskürzungen ein negativer Beschäftigungseffekt, der im kommenden Jahr für die Bauwirtschaft sicherlich alles andere als förderlich sein wird.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Jürgen Walter (SPD))

Wir haben in unserem „Werkzeugkasten“ genannten Vorschlagspapier für mittel- und langfristige Maßnahmen natürlich auch davon gesprochen, dass Subventionen gekürzt werden müssen, dass sie befristet werden sollen, dass sie abgebaut werden müssen. Die Landesregierung hat den Begriff „freiwillige Leistungen“ gewählt, um ein größeres Volumen zu haben, aus dem geschöpft werden kann. Aber wenn ich mir die freiwilligen Leistungen ansehe, dann stelle ich fest, dass einige davon kaum noch als freiwillige Leistungen aufzufassen sind.

Ich nehme ein Beispiel. Als freiwillige Leistung wird die Dienstleistungsvergütung an die InvestitionsBank Hessen AG von 8,1 Millionen c auf 6,6 Millionen c gekürzt.Eine Dienstleistungsvergütung wird als freiwillige Leistung gekürzt.Ist das nachhaltig? Wenn es sich um eine Dienstleistungsvergütung handelte und nicht um eine freiwillige Leistung, dann muss man sich fragen: Was ist eigentlich los? Wird sie im kommenden Jahr in geringerem Umfang in Anspruch genommen? War die Dienstleistungsvergütung vielleicht zu hoch? Warum ist sie so hoch vereinbart worden? Oder sieht man im Ernst die Vergütung der InvestitionsBank Hessen für bestimmte Leistungen als eine freiwillige Leistung des Landes an, mit der etwas anderes bezahlt wird? Das ist doch eine völlig verquere Sicht der Dinge.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

An Aufgaben dürfte es der IBH im Jahre 2004 nicht mangeln.In der Situation,in der sich das Land Hessen und alle Bundesländer in ganz Deutschland befinden, ist wirklich kein Mangel an Wirtschaftsförderung, an Durchführung von Finanzierungshilfen des Landes,z.B.Bürgschaften,an Information und Beratung von Unternehmen, Standortwerbung, Akquisition sowie Landes- und Kommunalbetreuung. Dies alles will die Landesregierung als angeblich freiwillige Leistung jetzt kürzen. Das geht mit Sicherheit nach hinten los.

(Beifall bei der FDP)

Zum Thema Konsistenz. Die Landesregierung kürzt die Lehrerversorgung nach der mechanischen Umrechnung der Arbeitszeitverlängerung in überflüssige Lehrerstellen. Ist das konsistent? Nach unserer Meinung nicht. Ziel der Landesregierung war in der letzten Legislaturperiode, die Lehrerversorgung nicht nur unverändert zu lassen,

worauf sie jetzt schon sehr stolz ist, sondern erheblich zu verbessern. Das war das Ziel, das wir uns gesetzt hatten.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Wir waren stolz darauf, dass wir die 100.000 fehlenden Unterrichtsstunden abgebaut haben. Die Kürzung von Lehrerstellen, wie sie jetzt vorgesehen ist, lässt außer Acht, dass Standorte, Schulformen, Schulen und Unterrichtsfächer sehr unterschiedlich betroffen sind und dass darüber hinaus das Ziel einer Verjüngung der unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer ohne einen gewissen Einstellungskorridor nicht zu realisieren ist.

(Norbert Schmitt (SPD): Sehr richtig!)

Die FDP hat ihr Gegenmodell dazu vorgestellt. Das ist öffentlich bekannt. Frau Henzler wird es auch gern ein weiteres Mal vorstellen. Sie können es nachlesen. Dieses Gegenmodell stellt einen sinnvollen Kompromiss dar zwischen dem Einsparerfordernis auf der einen Seite, das wir anerkennen, und der Flexibilität auf der Schulebene und der Verjüngung des Lehrkörpers auf der anderen Seite.

Trotz der Vorbereitung des Landeshaushalts über viele Monate ist die darin zum Ausdruck kommende Einsparstrategie – es geht nicht um Sparen, sondern um Einsparen; um das begrifflich darzulegen – zum Teil nicht konsequent, an vielen Stellen offenkundig unwirksam, in manchen Fällen nicht nachhaltig und leider in Teilen auch im Widerspruch zu den öffentlich vorgetragenen Politikschwerpunkten, insbesondere dem Schwerpunkt Bildung – also nicht konsistent.

Gemessen an dem bescheidenen Anspruch, endlich wieder einmal einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen, verdient der Entwurf Anerkennung. Aber das Ziel der Verfassungskonformität ist aus Sicht der Liberalen viel zu bescheiden.Wenn es uns schon reicht, mit der Neuverschuldung unter der Höhe der Investitionsausgaben des gleichen Jahres zu bleiben, dann ist dies kein Ausdruck von gezielter Finanzpolitik, sondern eine pure verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit. So muss es aussehen.

(Beifall bei der FDP)

Geradezu verräterisch sind die Worte, mit denen die Landesregierung diese Verfassungsgrenze relativiert. Im Finanzplan ist nicht mehr von Verfassungsgrenze die Rede, sondern die Formulierung lautet: „Regelgrenze der Verschuldung“.

(Nicola Beer (FDP): Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, es geht nicht um eine Regelgrenze, sondern es geht um ein Verfassungsgebot. Etwas Stärkeres als ein Verfassungsgebot können wir uns überhaupt nicht vorstellen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Die Landesregierung geht davon aus, dass sich bundespolitische Maßnahmen positiv auf den hessischen Haushalt auswirken, und hat dafür eine Einnahmeverbesserung von 390 Millionen c eingesetzt. Die ist im Laufe der Diskussion übrigens um 90 Millionen c gestiegen, von 300 auf 390 Millionen c, ein anderes Wunder der fantastischen Geldvermehrung. Soweit damit das Koch-Steinbrück-Papier gemeint ist, ist ein rechtzeitiges und vollständiges In-Kraft-Treten der angedachten Änderungen zumindest fraglich.

(Norbert Schmitt (SPD): Sehr richtig!)

Davon auszugehen ist ebenso riskant wie die Unterstellung des Bundesfinanzministers bei der Aufstellung seines Haushaltsplans, seine darüber hinausgehenden Änderungen im steuergesetzlichen Bereich fänden die Zustimmung des Bundesrats und träten rechtzeitig in Kraft.

Herr Minister Weimar, von Eichel lernen heißt leider verlieren lernen.

(Zuruf von der SPD: Quatsch!)

Sie sollten es nicht so machen wie Eichel in Berlin.

(Beifall bei der FDP)

Andererseits ist zurzeit völlig offen, ob und mit welcher Finanzierung die nächste Stufe der Steuerreform vorgezogen wird. Dieses Vorziehen mag von der Landesregierung abgelehnt werden. Wenn es trotzdem kommt, und ganz ausschließen kann man es nicht, wird damit ein Loch von weiteren 440 Millionen c in den hessischen Landeshaushalt gerissen. Dieses Loch ist nicht zu bestreiten. Es ist auch fairerweise bereits im Kommentar genannt worden.

Niemand weiß, wie eine endgültige Einigung in Sachen Gewerbesteuer aussieht. Wir werden darüber heute noch zu sprechen haben. Unabhängig von der Frage, wie ein künftiges Gemeindefinanzierungssystem aussehen kann, z. B. die Rückführung der Gewerbesteuerumlage und ein erhöhter Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer, müsste sich beides in sinkenden Einnahmeansätzen des Landeshaushaltes im Jahre 2004 widerspiegeln.

Die Annahmen, die dem Haushalt zugrunde liegen, sind an vielen Stellen von Wunschdenken geprägt. So erfreulich die geplante Senkung der Nettokreditaufnahme um die Hälfte ist, so fatal wäre es, wenn auch der Haushalt 2004 durch die Einbringung eines Nachtragshaushaltes um Hunderte von Millionen c im Bereich der Schulden nach oben korrigiert werden müsste. So wie die Annahmen hier gesetzt sind, kann ich Ihnen sagen, ist es zu erwarten,dass ein solcher Nachtragshaushalt kommen wird. Die Korrektur, die ihn im Wesentlichen kennzeichnen wird, ist eine Erhöhung der Verschuldung.

Ein einziges finanzpolitisch halbwegs verträgliches Jahr reicht aber nicht aus, selbst wenn wir es 2004 hinbekommen. Die FDP-Fraktion legt in der Regel großen Wert darauf, dass Hessen ein Land der Mitte bleibt und kein Land des Südens wird.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Ministerpräsident, in diesem einzigen Fall schlage ich vor: Nehmen Sie sich ein Beispiel an Bayern und werden ein Land des Südens, indem der Abbau der Neuverschuldung auf null befristet wird, indem ein Termin dafür angegeben wird.

(Michael Boddenberg (CDU): Das macht Eichel dauernd! – Gegenruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Herr Boddenberg will jetzt von Eichel lernen!)

Das macht z. B. Bayern. Sie mögen Herrn Faltlhauser für schlecht halten, aber ich halte es in dem Punkt für sehr gut. Wer sich dafür keinen Zeitpunkt vornimmt, der wird es auch nicht erreichen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Die Tatsache, dass der Zeitpunkt nicht angegeben wird, zeigt, dass wir bei der allgemeinen Bekundung bleiben und sagen: Irgendwann müssen wir anfangen, weniger Schulden zu machen.

Offenbar ist die Landesregierung der irrigen Meinung, mit den Einsparmaßnahmen für das Jahr 2004 die Aufgabe der Haushaltskonsolidierung bereits gelöst zu haben; denn nach 2005 ist nur noch eine weit geringere Reduzierung der Neuverschuldung vorgesehen. Für das Jahr 2007 geht die Landesregierung immerhin noch von einer Neuverschuldung netto in der Höhe von 600 Millionen c aus.

Wie der Finanzplan für die Jahre 2003 bis 2007 zeigt, fehlt dem Haushalt 2004 jede mittelfristige Perspektive für eine Konsolidierung. Ich will das an zwei Angaben deutlich machen.

Erstens. Die Personalausgaben steigen von 2003 bis 2007 um 3,7 %. Die Investitionsausgaben, bereinigt um den KFA und das Flutopfersolidaritätsgesetz, steigen ebenfalls um 3,7 %. Personalausgaben und Investitionsausgaben steigen parallel.Dabei dachte ich immer,wir sprechen davon, dass die Investitionen gestärkt werden sollen und dass der Anteil der Personalausgaben sinken soll. Nichts davon wird hier Fakt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Das berühmte Umsteuern innerhalb des Haushalts zugunsten von investiven und zulasten von konsumtiven Ausgaben findet nicht statt.

Zweitens.Die Zinsausgaben steigen immerhin um 15,2 %. Daran wird deutlich, dass wir auch bei der Nettokreditaufnahme das Ziel selbst unter der Zugrundelegung sehr günstiger Zinssätze nicht erreichen werden. Von einer grundlegenden Neuorientierung des Haushalts in dem Sinne, dass konsumtive Ausgaben sinken und investive Ausgaben steigen, kann auch dem Finanzplan zufolge leider keine Rede sein. Die Personalausgabenquote steigt von 40,8 % im Jahr 2003 auf 41,2 % im Jahr 2007.Auch da wird das Ziel, das wir uns für das Jahr 2007 gesteckt haben, verfehlt.

Ich sage noch einmal: Man mag behaupten, dass diese Zahlen Entwicklungen beschreiben, die weit in der Zukunft liegen, und dass wir nicht wissen, was kommt. Aber der Finanzplan stellt das dar, was sich die Landesregierung selbst vorgenommen hat.