Protocol of the Session on November 23, 2006

Ich komme zum Schluss. – Bis zur endgültigen Stilllegung des Atomkraftwerks fordern wir eine Zusammenlegung der Atomaufsicht mit der Bauaufsicht in Hessen, wie das in anderen Bundesländern üblich ist. Wir fordern auch,

dass der Prüfingenieur endlich von seinen Aufgaben entbunden wird. Denn es ist untragbar, dass er immer noch im AKW arbeitet. Herr Dietzel hat uns auf unser Schreiben noch keine Information dazu gegeben. Wir wollen auch, dass die Landesregierung ihren Widerstand gegen eine Bundesatomaufsicht aufgibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Minister Dietzel – –

Frau Kollegin Hammann, Sie müssen wirklich langsam zum Schluss kommen.

Letzter Satz, Herr Präsident. – Herr Minister Dietzel, Sie haben sich selbst durch Ihre atomfreundliche Haltung in dieses Dübel-Dilemma hineinmanövriert. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Hammann, zeigen Sie mir einmal den Dübel.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) reicht dem Vizepräsidenten einen großen Metalldübel.)

Das sieht eher aus wie ein Pokal vom Geflügelzuchtverein, aber okay.

(Heiterkeit)

Vielen Dank. Man lernt immer wieder Neues dazu.

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Lenhart von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es war zu erwarten, dass sich die GRÜNEN weiterhin des Themas annehmen. Das KKW Biblis bleibt auf der Tagesordnung. Aber an der Stelle muss einmal gefragt werden, wieso das ausgerechnet in einer Aktuellen Stunde zum Thema gemacht wird.Wir haben in der Ausschusssitzung am 9. November vom zuständigen Ressortminister Dietzel zu den Vorgängen sehr ausführlich Bericht erstattet bekommen. Alle hatten Gelegenheit, nachzufragen – das haben wir auch gemacht.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Wir haben auch einen schriftlichen Bericht vom Ressortminister Dietzel bekommen. Nichtsdestotrotz haben die GRÜNEN am 16.11. nochmals eine Pressekonferenz gemacht, in der das Gleiche noch einmal zelebriert wurde, ohne dass neue Erkenntnisse vorlagen.

Meine Damen und Herren, da muss man fragen, da bis heute nichts Neues vorliegt:Wieso sind wir heute mit diesem Thema in einer Aktuellen Stunde? Da haben wir wirklich andere Dinge zu besprechen.

(Beifall der Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) und Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Insofern ergibt sich jetzt nicht viel anderes als das, was wir vor zwei Wochen erfahren haben. In einem Punkt muss ich Ihnen zustimmen, Frau Hammann: Es sind keine Fischer-Dübel. Herr Fischer hat nämlich nicht das umgesetzt, was der damalige Umweltminister Weimar an Sicherheitsvorgaben gemacht hat. Er hat es verhindert. Sie kommen jetzt und monieren, dass das verhindert wurde. Das muss man an der Stelle auch einmal sagen.

(Beifall bei der CDU)

In einem Punkt sind wir uns einig: Es gibt bei der Sicherheit keinerlei Abstriche. Das haben wir immer gesagt. Dazu stehen wir auch heute. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass dann, wenn die notwendige Sicherheitsmaßnahme getroffen wird, 50 % dieser Dübel nicht sachgerecht eingebaut werden. Aber im Unterschied zum dem, was Frau Hammann gefordert hat, sehen wir die Korrektur nicht in einer Strukturveränderung, in der Zusammenlegung von Atom- und Bauaufsicht. Wir verstehen überhaupt nicht, dass ausgerechnet die, die immer nach dem Vier-Augen-Prinzip fragen, jetzt eine Zusammenlegung wollen, mit der wir strukturell zu einem Zwei-Augen-Prinzip kämen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Immer noch besser als das Ein-AugePrinzip der CDU!)

Deswegen müssen wir da ansetzen, wo das Übel liegt, und dieses ist einfach in menschlichem Handeln zu sehen. In diesem Punkt ist es nicht hinnehmbar, dass derjenige, dem 50 % der Dübel durchgegangen sind, der nur zwei von drei Kriterien geprüft hat, weiterhin in der Revision des Blocks A eingesetzt ist. Hier bedarf es dringend einer Korrektur, denn in puncto Sicherheit brauchen wir Zuverlässigkeit. Wenn man seit 20 Jahren damit beschäftigt ist, ist es nicht zu akzeptieren, dass mangelnde Kenntnisse zu einem solchen Ausfall führen. Insofern ist hier dringender Korrekturbedarf gegeben.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aha! – Norbert Schmitt (SPD): Gilt diese Aussage auch für die Betreiberin?)

Meine Damen und Herren, was den Betreiber betrifft, sind Monat für Monat 50 Millionen c pro Block, also insgesamt 100 Millionen c, eine Sprache, die sicherlich bei ihm angekommen ist. Das ist die Sprache, die der Finanzvorstand vermitteln kann. Insofern werden die auf der technischen Seite Verantwortlichen diese Argumente zu hören bekommen. Zufällig war ich einmal Vorstandsassistent; die Sprachebene ist mir noch geläufig.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD: Oh! – Norbert Schmitt (SPD): Sicherheit nach Kassenlage!)

Insofern habe ich aufgrund dessen, was der Finanzvorstand dem technischen Vorstand erzählen wird, auch weiterhin Vertrauen in die sichere Betreibung des Kraftwerks, das erst dann wieder ans Netz darf, wenn alle Sicherungsmaßnahmen erfolgt sind. Da habe ich das vollste Vertrauen in unsere Atomaufsicht.Wenn eine Pressemeldung schon so abgefasst wird, dass nach den Ausführungen des Abteilungsleiters im Ausschuss die Unabhängigkeit der Atomaufsicht infrage gestellt wird, ist das eine schlichte Unverschämtheit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Grumbach von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Herr Lenhart, Sie haben gefragt: „Aktuelle Stunde – warum?“ Ich glaube, dass es nötig ist, über solche Dinge nicht im Ausschuss hinter verschlossenen Türen, sondern hier im Landtag zu debattieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Ich habe die Absicht, auch in der Karnevalsaison darüber zu reden, weil das, was in diesem Kraftwerk passiert, eigentlich völlig unglaublich ist.Wenn ich das erzähle, glaubt es mir kein Mensch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur zur Erinnerung: Da wird ein technisch hoch entwickelter Dübel zur Erdbebensicherheit eingebaut. In der Gebrauchsanweisung und den Sicherheitsauflagen für den Dübel steht, dass er an drei Stellen kontrolliert werden muss. Es geht völlig unbemerkt durch, dass der, der die Kontrolle vorzunehmen hat, nur einen einzigen Punkt kontrolliert.Das Ergebnis ist,dass fast die Hälfte der kontrollierten Dübel nicht funktioniert hat, und das in einer kerntechnischen Anlage. Meine Damen und Herren, wenn das einem Bürgermeister mit einer Turnhalle passiert wäre – was für ein Verfahren, glauben Sie, hätte der jetzt am Hals?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es schon bemerkenswert, dass ich mir im Ausschuss anhören kann, dass nicht bekannt ist, ob derjenige, der das alles verbockt hat, jedenfalls die Kontrolle nicht ausgeführt hat, noch dort arbeitet oder nicht. Mit Verlaub: Wenn jemand in einer der sicherheitsrelevanten Einrichtungen dieses Landes eine solche Arbeit so schrottig hinlegt, dann gehört er gefeuert. Wer nicht feuert, hat etwas zu verbergen; das sage ich auch relativ deutlich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will an dieser Stelle durchaus nicht in einem so scharfen Ton auf die Landesregierung zu sprechen kommen. Ich habe nämlich im Ausschuss von den Mitgliedern der Landesregierung auch sehr klare Sätze gehört. Diese lauten:„Die Kontrolle hat versagt.Es hat nicht funktioniert.“ Ich finde das einen Fortschritt, und das sollte man an dieser Stelle auch deutlich sagen.

Ein Vergleich ist mir sehr wichtig, und an dieser Stelle wird das Ganze zur Lehrstunde. Betrachten wir einmal ein anderes Feld: Automobile, und wie Automobilunfälle passieren. Das wichtigste und zentrale, auch gefährlichste und riskanteste Stück im Auto ist der Motor. Automobilunfälle passieren aber in der Regel nicht, weil der Motor explodiert oder am Motor ein Schaden ist, sondern weil im Rest der Technik, z. B. an den Bremsen, etwas nicht stimmt, oder aber aus Gründen menschlichen Versagens.

Wir haben uns angewöhnt, bei einem Atomkraftwerk nur darüber zu reden und das für interessant zu erachten, was im atomaren Bereich passiert. Nein, wir lernen gerade:

Erstens passiert immer etwas,womit keiner gerechnet hat. Ein Grundsatz, Murphys Gesetz, gilt auch in Atomkraftwerken. Murphys Gesetz: Kernkraftwerke und Sicherheit passen nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens lernen wir, dass etwas in Bereichen passiert, die zum Weiterbetrieb langfristig für bestimmte Situationen strukturell notwendig sind. Das heißt, die Sicherungen sind nicht so sicher, wie wir denken. Die Konsequenz daraus kann nur sein: Dieses Kraftwerk ist so alt, dass ständig nachgerüstet werden muss,um den Sicherheitsstandard zu halten. Das ist eine Verschleuderung von volkswirtschaftlichem Vermögen. Wir sollten nicht mehr in die Vergangenheit investieren, sondern in die Zukunft, d. h. in erneuerbare Energien und nicht in Kernkraftwerke. – Danke sehr.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Heinrich Heidel von der FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Hans-Jürgen Ir- mer (CDU) – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Darf ich mitmachen? – Gegenruf von der FDP: Ja!)

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz der Aktuellen Stunde zum Thema Biblis – die wievielte es ist, habe ich nicht gezählt – ist das Thema doch nicht so aktuell. Wir haben uns in der letzten Ausschusssitzung sehr intensiv damit befasst – das werden Ihnen auch die Kollegin Hammann und der Kollege Häusling gesagt haben –, und in der nächsten Ausschusssitzung haben wir es wieder auf der Tagesordnung. Nach der Ausschusssitzung haben Sie eine Pressekonferenz gegeben, in der Sie den Inhalt der Ausschusssitzung bekannt gegeben haben. All das hat anscheinend nicht zum gewünschten Medieneffekt geführt, sodass Sie heute eine Aktuelle Stunde obendrauf setzen, um das noch einmal zu thematisieren.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Elisabeth Apel (CDU)

Wenn das so ist, dann ist es so, und man muss sich damit auseinandersetzen.Hierzu empfehle ich,sich alles vor Ort anzusehen und sich dann auch vor Ort die Themen und Probleme erklären zu lassen. Es hilft immer, sich zu informieren. Dann kann man besser darüber diskutieren und sehr viel besser argumentieren. Unsere Fraktion ist in Biblis gewesen. Wir haben uns mit dem Betreiber unterhalten. Wir haben uns die Situation schildern lassen, und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Probleme, nachdem – ich sage ganz deutlich: nachdem – sie festgestellt worden sind, jetzt behoben werden. Sie sind zu beheben. Frau Kollegin Hammann hat den Dübel freundlicherweise gezeigt. Diese Dübel kann man nachjustieren; gegebenenfalls werden neue gesetzt. Das ist alles machbar. Ziel ist es, die Dübel fest in der Wand zu verankern.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na, Gott sei Dank!)

Herr Kollege Kaufmann, wenn die Sache nicht so ernst wäre, könnte man sagen: Das Übel mit dem Dübel – er verschwand in der Wand.