Protocol of the Session on May 18, 2006

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hahn. – Das Wort hat der Kollege Al-Wazir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hahn, ja, wir müssen besorgt sein.Aber Sie hätten wegen der Zahl 15.000 nicht auf die Beantwortung Ihrer Kleinen Anfrage warten müssen; ich habe sie im Januar genau von diesem Pult aus genannt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich glaube Ihnen nicht alles, Herr Kollege Al-Wazir!)

Ich habe Ihnen auch gesagt, dass die Tendenz nach unten geht.

Ich stelle Ihnen eine Frage, Herr Hahn. Sie wollen offensichtlich gemeinsam mit der CDU per Antrag den Test bejubeln, den es noch gar nicht gibt.Wenn das am Ende das Ergebnis ist, müssen wir uns natürlich die Frage stellen: War die Diskussion in dieser Frage, die wir in den letzten drei, vier Monaten geführt haben, hilfreich für eine Erhöhung der Einbürgerungszahl, oder nicht? Ich behaupte: a) Sie war nicht hilfreich, und b) die Zahlen werden – das prophezeie ich Ihnen hier und jetzt – in einem Jahr oder in eineinhalb Jahren – wahrscheinlich wird die Regelung zum 1. Januar 2007 in Kraft treten; also werden wir Ende 2007 eine Bilanz ziehen – noch weiter nach unten gegangen sein. Deswegen, finde ich, sollte man nicht den Beschluss der IMK bejubeln, sondern sich eher Gedanken

über die Frage machen, wie man die wirklichen Probleme lösen kann; das haben wir nämlich bisher nicht getan.

Ich sage Ihnen auch: Es ist gut, dass es den Test in der Form, wie ihn Volker Bouffier vorgelegt hat, nicht geben wird. Denn das lief eher nach dem Motto: Volker sucht den Superdeutschen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich muss sagen, Herr Bouffier, da ist mir Herr Beckstein ausnahmsweise einmal sehr sympathisch gewesen. Herr Beckstein hat nämlich schon, nachdem sich die B-Innenminister, also die Innenminister von CDU und CSU, getroffen hatten, gesagt, mit diesem Test würde er nicht in die Gesamt-IMK gehen, weil wir – wörtliches Zitat – nicht nur Akademiker einbürgern wollen. Herr Beckstein hat Recht gehabt, und das war eine kräftige Ohrfeige für Volker Bouffier und Michael Bußer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn man einmal nachsieht, was eigentlich passiert ist, stellt man fest: Wir hatten es bei der Debatte über die Einbürgerungstests mit dem Paradebeispiel einer symbolischen Politik zu tun. Sie hat zwar den Minister in die Medien gebracht, aber die Integration in Hessen keinen Millimeter vorangebracht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sabine Waschke (SPD): Im Gegenteil!)

Ich will Ihnen das auch begründen. Wir hatten schon vor der ganzen Debatte ein geltendes, nicht verändertes Staatsangehörigkeitsrecht: acht Jahre Aufenthalt – da nennt Kollege Christean Wagner immer das Stichwort „Ersitzen“ –, aber auch gute deutsche Sprachkenntnisse, eigener Lebensunterhalt durch Arbeit, polizeiliches Führungszeugnis, Überprüfung durch den Verfassungsschutz und Loyalitätserklärung zum Grundgesetz.Das heißt,diejenigen, die bisher überhaupt einen Antrag stellen konnten, waren und sind die Integrierten. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, gescheitert ist also nicht irgendeine Debatte „multikulti oder nicht“ – in Deutschland leben 14 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, wir sind eine multikulturelle Gesellschaft; das ist eine Tatsachenbeschreibung und nichts anderes –,

(Norbert Schmitt (SPD): Normalerweise das beste Beispiel!)

sondern gescheitert ist die Gastarbeiterpolitik, und gescheitert ist die Herangehensweise nach dem Motto: „Die und wir.“ Das ist gescheitert.

(Michael Boddenberg (CDU): Multikulti ist auch gescheitert!)

Ich muss Ihnen sagen: Wenn ich Ihre Reden höre, stelle ich fest, dass Sie das „Die und wir“ immer noch vertreten. Insofern haben Sie leider nichts, aber auch gar nichts gelernt, meine sehr verehren Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Hahn hat die Zahl von 15.000 Einbürgerungen jedes Jahr in Hessen genannt. Das ist der gegenwärtige Stand; in Zukunft werden es weniger sein.Wir haben in Hessen 750.000 Ausländer. Die 15.000 machen davon 2 % aus. Wenn wir von den 15.000 die Hälfte ablehnen, weil sie in Zukunft bestimmte Kriterien vielleicht nicht

mehr erfüllen, bleiben sie trotzdem hier. Denn sie müssen ja, wenn sie den Antrag stellen, eine unbefristete Niederlassungserlaubnis bzw. eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis haben.

Ich stelle deshalb fest: Der erste Punkt Ihres Antrags ist schlicht Unsinn. Da steht nämlich wortwörtlich: „Auf diese Weise werden die für eine erfolgreiche Integration notwendigen Bedingungen geschaffen, um die Entstehung von Parallelgesellschaften zu vermeiden.“ Man kann sich lang über Parallelgesellschaften und über die Frage streiten, ob es wirklich welche sind oder nicht, an welchen Punkten sie es sind und an welchen Punkten sie es nicht sind. Da alle, die einen Antrag auf Einbürgerung stellen – das sind 2 % der in Hessen lebenden Nichtdeutschen –, sowieso hier bleiben werden, hat die Einbürgerung mit der Bekämpfung von Parallelgesellschaften nichts, aber auch gar nichts zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Die Wahlen – die Landtagswahl in Baden-Württemberg und die Kommunalwahlen in Hessen – sind vorbei.Es war kein Zufall, dass solche Tests von den Innenministern dieser beiden Länder vorgelegt wurden. Die Wahlen sind vorbei. Jetzt könnte man sich vielleicht einmal wirklich damit beschäftigen, wie man die Integration in diesem Land verbessert, aber nicht damit, wie man Volker Bouffier in die Medien bringt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir werden dem Weihrauch- und Bejubelungsantrag, der im ersten Satz auch noch völlig falsch ist,nicht zustimmen, hoffen aber, dass wir uns, nachdem Sie jubelnd zugestimmt haben, mit den richtigen und wirklichen Problemen beschäftigen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Danke sehr. – Das Wort hat der Innenminister, Herr Staatsminister Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Ich bedanke mich zunächst einmal für die freundliche Würdigung meiner Arbeit durch die Fraktionen von CDU und FDP.

(Axel Wintermeyer (CDU): Gerne!)

Ich füge hinzu, dass die Gespräche mit den Sozialdemokraten und den GRÜNEN, die ich angekündigt hatte und die wir in den zurückliegenden Wochen und Monaten vertraulich geführt haben, außerordentlich konstruktiv und niveauvoll waren. Da wir Vertraulichkeit vereinbart hatten, will ich es dabei belassen.

Die heutige Debatte geht zum Teil etwas am Kern vorbei.

(Axel Wintermeyer (CDU): Natürlich!)

Herr Kollege Al-Wazir, wir sind, hoffe ich, gemeinsam der Auffassung, dass es aus vielerlei Gründen richtig ist, dass eine Gesellschaft Interesse daran hat, dass nicht nur eine gesellschaftliche Gemeinschaft, sondern auch eine Rechtsgemeinschaft entsteht. Das ist der tiefere Grund

dafür,dass wir alle ein Interesse daran haben müssen,dass sich Menschen, die auf Dauer hier leben und sich für dieses Land entschieden haben, auch für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden.

(Beifall der Abg. Tarek Al-Wazir und Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das, denke ich, ist die Grundlage. Das können Sie bei Bouffier seit 1977 nachlesen.

An einem Punkt will ich keinen Zweifel aufkommen lassen: Die Einbürgerung ist nicht der Beginn der Integrationsleistung, sondern das Ergebnis einer gelungenen Integration.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Das ist unstrittig!)

Genau hier unterscheiden wir uns, und wir wollen nichts verkleistern. Die GRÜNEN waren immer anderer Auffassung. Das kann man sein; ich will es nur festhalten. Die Sozialdemokraten waren nie klar; sie haben bis heute immer alles und nichts vertreten. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass es unter meiner Führung und der des Kollegen Dr. Körting aus Berlin gelungen ist,

(Sabine Waschke (SPD): Welche Parteizugehörigkeit?)

eine einstimmige Linie der Innenminister festzulegen. Diese Linie umfasst exakt alles das, was ich Ihnen in den bisherigen Debatten vorgetragen habe.

(Jürgen Walter (SPD): Na ja!)

Da ich der Einzige aus diesem Hause war, der teilgenommen hat, und die Beschlüsse kenne,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann können Sie es jetzt leicht behaupten! – Heiterkeit – Weitere Zurufe)

darf ich Ihnen Folgendes vortragen.

(Gerhard Bökel (SPD): Ich glaube, die Staatssekretärin war auch dabei; da müssen wir einmal nachfragen!)

Das ist wahr. Herr Kollege Bökel, Sie wissen, dass wir nur einstimmige Beschlüsse fassen können.

Ich habe zu Beginn der Debatte vorgetragen, dass ich es für nicht ausreichend halte, dass wir uns ausschließlich um die Frage kümmern, ob einer sein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterschreibt. Vor vier Monaten hat mir ein Teil dieses Hauses erklärt: Man braucht eigentlich gar nichts zu verändern.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Genau so ist es!)

Heute sind wir uns einig, dass eine schlichte Unterschrift nicht ausreichen kann und dass ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung nur derjenige abgeben kann, der weiß, was das ist.