Protocol of the Session on March 28, 2019

Es kann nicht sein, dass man trotz Vollzeitarbeit aufstocken muss und deswegen ist es unser Ziel, dass der Landesmindestlohn armutsfest sein muss, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Mir geht es wie Frau Böschen, Bremen kann stolz sein, dass wir im Jahr 2012, als erstes Bundesland Vorreiter gewesen sind, einen Mindestlohn einzuführen. Das war bundesweit ein sehr wichtiges Signal für gerechte Löhne und gegen Lohndumping. Im Jahr 2015 wurde der Bundesmindestlohn eingeführt, der Impuls kam aus diesem Parlament, und ich finde, darauf können wir auch heute immer noch sehr stolz sein, meine Damen und Herren.

Wir sind überzeugt, dass nach sieben Jahren eine Novelle des Landesmindestlohngesetzes notwendig ist. Die Höhe des Landesmindestlohns muss angepasst werden. Als die Debatte darüber begann, haben wir diskutiert, ob der bei 10,93 Euro liegt. Das Gesetz, das Ihnen heute vorgelegt wird, sieht 11,13 Euro als Zeitstundenlohn brutto vor. Das ist an die niedrigste Stufe des TVöD angepasst. Seitdem wir diskutieren fanden Tariferhöhungen statt, und wir wollen, dass ab dem 1. Juli 2019 in Bremen 11,13 Euro gelten. Danach soll der Senat den Landesmindestlohn alle zwei Jahre neu festlegen.

Uns Grünen war es sehr wichtig, dass es für die Anhebung keinen Automatismus, sondern dass es eine Landesmindestlohnkommission gibt, die einmal jährlich tagt und dann nach definierten Kriterien den Landesmindestlohn festlegt. Es ist unserer Meinung nach absolut notwendig, dass man sich

jährlich die Lohnentwicklung, die Entwicklung der Tarife, die Mietentwicklung und auch die Lebenshaltungskosten anschaut, um dann zu definieren, was der richtige Landesmindestlohn für Bremen ist.

Meine Damen und Herren, vom Landesmindestlohn, und das hat auch Frau Böschen gesagt, profitieren nicht alle Beschäftigten hier im Land. Natürlich wird es Beschäftigte geben die nicht davon betroffen sind, beispielsweise Friseure oder Verkäufer. Es ist eine begrenzte Anzahl an Beschäftigten, die direkt beim Land beschäftigt sind und vom Landesmindestlohn profitieren. Aber wir wollen, dass unter diesen, alle ohne Ausnahme den Landesmindestlohn bekommen. Das gilt also auch für alle studentischen Hilfskräfte, das sind über 3 000 hier im Land Bremen, und alle Beschäftigten auf dem zweiten Arbeitsmarkt.

Wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben lange Diskussionen darüber geführt, weil es natürlich Situationen geben kann, in denen die Beschäftigten auf dem zweiten Arbeitsmarkt, die dann den Landesmindestlohn bekommen, am Ende mehr bekommen als die Beschäftigten auf dem ersten Arbeitsmarkt. Aber wir finden es dennoch richtig, weil wir überzeugt sind, und das hat auch Frau Böschen gesagt, dass, wenn wir in Bremen den Landesmindestlohn anheben, es auch ein deutliches Signal in Richtung des Bundes gibt, den Bundesmindestlohn anzupassen. Dann würden auch alle Beschäftigten im Land Bremen davon profitieren.

Es ist, und das möchte ich abschließend sagen, eine Schande, dass wir es uns in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt leisten, dass Menschen hier von ihrer täglichen Arbeit, von ihrer Vollzeitarbeit nicht leben können und auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Ich finde das zutiefst beschämend. Erwerbsarmut muss endlich der Vergangenheit angehören. Das Bremer Landesmindestlohngesetz ist dabei ein wichtiger Impuls und daher bitte ich Sie, es zu unterstützen. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Auf der Tribüne begrüße ich jetzt die Teilnehmergruppe des Zukunftstages bei der Fraktion der SPD und zwei Teilnehmerinnen des Zukunftstages des Lloyd Gymnasiums Bremerhaven, die heute unsere Vizepräsidentin Frau Dogan begleiten. Ich darf ebenfalls die Teilnehmergruppe des Kurses „Aktiflex“ des Bildungsträgers

STB begrüßen. Seien Sie uns alle herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Bernhard.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dass der eigenständige Landesmindestlohn wieder eingesetzt wird, und zwar mit einem Wert von 11,13 Euro, sehen wir als einen großen Erfolg an.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Die ganze Legislaturperiode haben wir uns als Fraktion DIE LINKE dafür eingesetzt und immer wieder eingebracht, dass er erneut eingesetzt werden soll. Das ist seit 2015 schon fast ein Ritual geworden. Es ist erst ein gutes Jahr her, im Dezember 2017, dass die Regierungskoalition beschlossen hat, ihn endgültig fallen zu lassen. Ich sagte schon, es gab eine Vielzahl von Debatten. Insofern begrüßen wir ausdrücklich, dass es einen Sinneswandel gegeben hat und dass er jetzt in der Höhe wieder eingesetzt wird.

Wir finden es schade, dass die Höhe an die Entscheidung der Landesmindestlohnkommission geknüpft worden ist. Wir hatten einen eigenen Antrag eingebracht, in dem wir vorgeschlagen hatten, sie mit den Tarifen zusammenzulegen. Die Erfahrung mit der Landesmindestlohnkommission hat aus unserer Sicht nicht dazu geführt, dass das in dieser Höhe reicht.

Ich möchte ganz kurz darauf eingehen, warum wir auf der einen Seite finden, dass er gut begründbar ist, er aus unserer Sicht aber nicht reicht. 11,13 Euro in der Stunde, das wurde schon gesagt, entspricht TV-L, Entgeltgruppe 1, Stufe 2. Stufe 1 gibt es nicht mehr. Das ist das niedrigste Gehalt, das im TV-L bezahlt wird, und das liegt nach der Tariferhöhung bei 1 898 Euro brutto. Das kann man sehr gut argumentieren. Wenn die öffentliche Hand Aufträge vergibt, wenn sie Zuwendungen zahlt et cetera, dann soll mindestens das bezahlt werden, was im öffentlichen Dienst auf dem Niveau möglich ist.

Das würde Tarifbindung bedeuten, aber mit einem Mindestlohn in Höhe der untersten Lohnstufe. 11,13 Euro, das hört sich im Vergleich zu dem, was wir auf Bundesebene haben und was wir hier hatten, eigentlich nach einem großen Sprung an, aber das ist nur der erste Blick. Im Jahr 2012, als der

Landesmindestlohn eingeführt wurde, lag die unterste Gehaltsstufe im TV-L bei 1 489 Euro im Monat. Das entsprach einem Stundenlohn von 8,74 Euro, also sehr nah an 8,50 Euro.

Das heißt, auch 2012 bei der Einführung des Landesmindestlohns entsprach der Mindestlohn mehr oder weniger dem niedrigsten Gehalt im öffentlichen Dienst, jetzt tut er das wieder. Es ist seither ein gewisser Zeitraum vergangen. Er hätte zwischendurch steigen müssen, dann würde uns der Sprung jetzt nicht als großer Sprung vorkommen. Aber das war politisch nicht gewollt.

Den Beschäftigten ist im Grunde genommen in dieser Zeit mehr oder weniger genau dieses Maß an Einkommen verlorengegangen, das finden wir bedauerlich. Trotzdem reichen 11,13 Euro nicht. Der Mindestlohn wurde eingeführt, weil wir seit gut 15 Jahren aus verschiedenen Gründen ein massives Anwachsen des Niedriglohnsektors haben. Meine Kollegin Dr. Schaefer hat es gerade gesagt, wir sind zwar ein steinreiches Land, aber auf der anderen Seite haben wir einen exorbitanten Niedriglohnsektor. Das ist eine Entwicklung, der man entgegentreten muss.

Jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte in Deutschland arbeitet heute im Niedriglohnsektor. Ich finde einen ganz wichtigen Aspekt, dass es bei den Männern jeder Sechste ist und bei den Frauen jede Vierte. Da sehen wir mit Blick auf unsere Debatte von gestern wieder, wie sich das auseinanderentwickelt.

(Beifall DIE LINKE)

Niedriglohn heißt weniger als zwei Drittel vom mittleren Lohn, das sind etwa 1 500 Euro. Das ist keine willkürliche Grenze. Sie markiert zum Beispiel in Bremen das, was eine Alleinstehende mit einem Kind inklusive Kindergeld verdienen muss, damit sie nicht mehr aufstocken muss. Die Niedriglohngrenze ist für Alleinstehende die Herauslösung aus Hartz IV und bedeutet momentan 2 139 Euro. Der Stundenlohn liegt interessanterweise dann bei 12,55 Euro. Das ist etwas, was wir – –. Ja, dann sind wir nahe an den 12,63 Euro, die wir gefordert hatten. Erst dann kommen wir in die Nähe von Armutsfestigkeit, erst dann ist es kein Niedriglohn mehr.

Das finde ich wichtig, deswegen müssen wir uns sagen, dass es ein erster wichtiger Schritt ist. Frau Böschen hat es gesagt, das ist ein Einstieg. Es gab andere Vorschläge, es gab andere Zielmargen. Ich

finde es trotzdem sehr löblich und verteidigungswert, dass wir das machen. Wir werden das auf jeden Fall unterstützen, aber wir werden uns natürlich auch weiter dafür einsetzen, dass es ein erster Schritt ist, nach dem relativ schnell weitere folgen müssen. – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Grobien.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Donnerstagmorgen, eine sehr prominente Redezeit, alle oder die meisten sind noch wach und auch sehr aufmerksam.

(Heiterkeit SPD)

Es ist ein Punkt außerhalb der Tagesordnung, den wir heute debattieren: Ein Dringlichkeitsantrag von Rot-Grün zu einer weiteren, nämlich der vierten Änderung des Landesmindestlohngesetzes. Das Thema scheint den Regierenden extrem wichtig zu sein. Kurz vor Toresschluss will Rot-Grün noch einige publikumswirksame Projekte und Entscheidungen auf den Weg bringen und dazu gehört auch das Symbolthema der Regierenden: der Landesmindestlohn.

(Beifall CDU – Abgeordnete Sprehe [SPD]: Wir tun etwas für die Arbeitnehmer!)

Seit dem 1. September 2012 gibt es in Bremen das Landesmindestlohngesetz. Auf Bundesebene wurde der allgemeine Mindestlohn im Jahr 2015 eingeführt. Allgemeinverbindlich gültige Branchenmindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz gab es schon vorher. Der Bundesmindestlohn ist insofern in der Tat das unterste Auffangnetz. Er liegt heute bei 9,19 Euro pro Stunde und steigt nächstes Jahr auf 9,35 Euro.

Ich möchte nicht mehr in eine Generaldebatte zum Mindestlohn einsteigen, das Pro und Contra ist bereits viel und auch hier im Hause an vielen Stellen diskutiert worden. Es wurde schon gesagt: Der Landesmindestlohn hat nur eine sehr begrenzte Wirkung. Für private Unternehmen gilt er in aller Regel nicht und in einem Bundesland fehlt einem dazu auch die Gesetzgebungskompetenz. Er gilt nur für die Kernverwaltung und die nachgelagerten Gesellschaften, für Zuwendungsempfänger sowie für Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten.

(Abgeordnete Böschen [SPD]: Das ist doch eine ganze Menge!)

In der letzten Zeit werden in der öffentlichen Diskussion erhebliche Unterschiede bezüglich der Beträge erörtert. Der Bürgermeister sprach im September 2018 noch von 10,80 Euro, die Fraktion der SPD von 10,93 Euro, die Fraktion DIE LINKE von 12,63 Euro und im Wahlprogramm der SPD steht nur: Mittelfristig muss er mindestens zwölf Euro erreichen. Was soll denn gelten? Man gewinnt den Eindruck, dass hier bar jeder ökonomischen und sozialpolitischen Argumente wie auf einem Basar mit Zahlen jongliert wird frei nach dem Motto: Wer bietet mehr?

(Beifall CDU)

Als Fraktion der CDU war es uns immer wichtig, die Politisierung der konkreten Höhe des Mindestlohnes zu vermeiden. Auch Rot-Grün selbst hat die Höhe des Mindestlohns mit der letzten Änderung des Landesmindestlohngesetzes im Jahr 2018 an den Bundesmindestlohn gekoppelt. Die aktuelle Diskussion bestätigt leider unsere Befürchtung. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll der Landesmindestlohn auf 11,13 Euro pro Stunde angehoben werden. Warum jetzt? Außer der bevorstehenden Bürgerschaftswahl fällt einem dazu kein vernünftiger Grund ein.

(Abgeordnete Sprehe [SPD]: Nein, gar keiner mehr! – Zuruf Abgeordnete Vogt [DIE LINKE])

Zumal das SPD-geführte Wirtschaftsressort in einem internen Vermerk vom November 2018 selbst ermittelt hat, dass für die Stadt Bremen ein Mindestlohn von 9,01 Euro pro Stunde – ermittelt nach den Methoden der Hans-Böckler-Stiftung – bedarfsgerecht und somit ausreichend ist. Das liegt noch unter dem Niveau des Bundesmindestlohns. Die Fachleute von Wirtschaftssenator Günthner bescheinigen dem Senat damit schwarz auf weiß, dass gar kein Handlungsbedarf besteht. Das interessiert die Regierenden nicht, weil man glaubt, mit dem Thema beim Wähler punkten zu können.

Dabei profitieren, anders als die Menschen bei solchen Debatten glauben, nur ganz wenige von dem heutigen Gesetzentwurf. Stellt man ausschließlich auf die Beschäftigungsverhältnisse ab, die statistisch nachweisbar von der Erhöhung des Landesmindestlohns auf 12,63 Euro profitieren würden, kommt man in Bremen auf 5 160 Beschäftigte. Das sind gerade einmal 1,2 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Wenn wir von 11,13

Euro ausgehen, dann ist der Prozentsatz noch niedriger, das heißt, wir reden über 1 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

(Zuruf Abgeordnete Vogt [DIE LINKE])

Wenn man sich das vor Augen führt, dann verhält es sich wie mit einem Scheinriesen. Tur Tur aus dem Kinderbuch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ fällt einem ein. Je mehr man sich nähert, umso kleiner wird die Wirkung.

(Beifall CDU)

An einer solchen Symbolpolitik, die wirklich schon nah an der Täuschung der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt ist, beteiligen wir uns als Fraktion der CDU nicht. Das bedeutet nicht, dass uns faire Löhne nicht wichtig sind.

(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Na ja!)

Im Gegenteil, aber wir sehen die Lohnfindung in einer sozialen Marktwirtschaft zu allererst als Aufgabe der Tarifpartner an.

(Beifall CDU)