Protocol of the Session on December 13, 2018

Ich bin zum Beispiel in einem dieser netten Tandems, die der Stadtjugendring ins Leben gerufen

hat, sozusagen mit einem jungen Afghanen verbandelt, der macht jetzt ein freiwilliges soziales Jahr macht, weil er gesagt hat: Das ist wunderbar. Ich habe zwar einen Schulabschluss, aber mein Deutsch reicht auf gar keinen Fall, um mich erfolgreich für einen Ausbildungsplatz zu bewerben.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Das ist ja etwas anderes!)

Was mache ich? Ich mache ein freiwilliges soziales Jahr im Kindergarten, wo ich ein Jahr lang jeden Tag den ganzen Tag Sprachpraxis in Deutsch habe, was mich im Vergleich zu einem Deutschunterricht in der Schule vielleicht doch sehr viel weiter bringt und nach dem Jahr in die Lage versetzt, einen Ausbildungsplatz anzustreben und vielleicht auch zu bekommen.

Ich will sagen, es gibt individuell ganz, ganz viele Möglichkeiten, in diesen Jahren weiterzukommen, Schulabschlüsse zu machen, eine Ausbildung zu machen und dann seinen Weg hier zu gehen. Da sind wir uns völlig einig, dass das eine zentrale Frage der Integration ist. Das wird von meiner Fraktion geteilt. Wir haben jetzt nur in diesem ganz konkreten Fall, dass wir den von Ihnen konkret vorgeschlagenen Weg nicht nur wegen der rechtlichen Bedenken nicht mitgehen wollen, und deswegen empfiehlt die Deputation, den Antrag abzulehnen. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Güldner hat das auch noch einmal dargelegt, wir haben es in der Bildungsdeputation beraten. Herr Acar hat weite Teile des Berichtes hier vorgetragen. Die Fraktion DIE LINKE hat ein wichtiges Thema angesprochen. Aber ihr Lösungsvorschlag ist der falsche, meine Damen und Herren, und das haben wir, glaube ich, auch in der Beratung gemeinsam deutlich gemacht.

Es ist ja nicht so, dass hier niemand an einer Lösung interessiert sei. Sie reden aber von Menschen, die volljährig sind, –

(Zuruf [DIE LINKE]: Genau!)

die volljährig sind, denen, die, und das geht übrigens in dem Bericht auch aus der Befragung derjenigen hervor, die geflüchtet sind, die zum Teil, zum großen Teil steht sogar im Bericht, kein Interesse mehr haben an weiteren vollzeitschulischen Maßnahmen. Also müssen wir uns tatsächlich Gedanken machen: Was ist mit den Plätzen an der Erwachsenenschule? Auf die Erwachsenenschule wurde hingewiesen. Wenn die Plätze nicht reichen, müssen wir uns also um die Ausweitung der – –.

(Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE]: Endlich hat es jemand begriffen! – Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Deswegen haben wir ja auch den Antrag gestellt!)

Frau Vogt, es ist doch ganz einfach. Wenn Sie noch etwas zu sagen haben, können Sie gleich bestimmt noch eine Kurzintervention halten, aber dass Sie hier ständig von der linken Seite wie ein Lautsprecher die ganze Zeit, ich habe das bei den Kollegen schon gesehen – –. Bei aller Wertschätzung. Es nervt!

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Wir versuchen, in dieser Debatte konstruktiv und wirklich lösungsorientiert zu arbeiten, aber dass, wenn Sie ihren Willen nicht bekommen, Sie hier die ganze Zeit ein Beschallungsprogramm absolvieren, ist nicht konstruktiv. Also versuchen wir es konstruktiv weiter. Die Fraktion der FDP, Sie haben es angesprochen, hat Sympathien für Bayern entdeckt.

(Zuruf FDP: Haben Sie falsch verstanden, ja, denn das Gegenteil ist der Fall! – Unruhe)

Auch die Linkspartei hatte Sympathien für Bayern. Meine Damen und Herren, wir würden uns ja freuen, wenn Sie öfter einmal Sympathien für Bayern entwickeln, wir in Bremen haben aber eine andere schulrechtliche Konstruktion, meine Damen und Herren, und wir sind damit bisher gut gefahren.

(Beifall SPD – Zurufe)

Einer Konstruktion, die wir im Übrigen, liebe Frau Böschen Sie waren dabei, in der großen Koalition, was die Schulpflicht angeht, auch was die Frage von Abschlüssen angeht, einmal eingeführt haben. Wenn Sie sich erinnern, wir hatten große Lücken. Nachdem es in Erfurt einen ganz schlimmen Amoklauf gegeben hat, haben wir unser gesamtes Schulrecht darauf hin angesehen: Wie ist die Dauer von

Schulbesuchen, wie ist die Frage von Abschlüssen und Anschlüssen? Also deshalb: Sie haben an der falschen Stelle gerade ein bisschen zu viel Euphorie entfaltet.

(Abgeordnete Böschen [SPD]: Das meinen Sie!)

Ja, ich finde es schön, dass Sie auch hier so interaktiv mitgehen.

(Heiterkeit)

Was wir brauchen, ist die Möglichkeit, dass wir mit dem Jobcenter, das ist schon angesprochen worden – –. Eine Institution, die noch nicht so richtig angesprochen wurde, für die ich noch einmal ein gutes Wort einlegen will, ist die Volkshochschule, die auch für erwachsene Menschen, und über 18-Jährige sind auch Erwachsene, Angebote macht, die vielleicht nicht vollzeitschulisch sind, die aber zusammen mit Praktika und anderen Bereichen auch dazu beitragen, dass junge Erwachsene die deutsche Sprache lernen und in eine Berufsausbildung kommen.

Dann sind wir wieder im Bereich der Schulpflicht. Ich kenne Auszubildende, die sind 23, 24, 25, die sitzen in einer Berufsschule, meine Damen und Herren. Also müssen wir es erreichen, dass diese Berufsschulpflicht, die wir so haben, wie wir sie haben, und die gut ist, wie wir sie haben, dann auch entsprechend wirkt. Wie gesagt, ich glaube, es gibt hier keine Fraktion im Hause, die nicht das Problem sieht. Die Fraktion DIE LINKE allerdings hat sich, glaube ich, auch verrannt, soweit es ein bestimmtes Instrument angeht. Sie haben auf das falsche Instrument gesetzt.

Ich würde mich freuen, wenn wir bei der Bewältigung dieser Aufgabe – Sigrid Grönert, unsere sozialmigrationspolitische Sprecherin ist auch mit dieser Thematik befasst, deshalb weiß ich, dass auch bei uns immer geschaut wird –, dass wir hier vorankommen. Aber wie gesagt, das, was Sie vorhin als Bericht des Senats dargestellt haben, ist Ergebnis einer Deputationsbefassung.

Zu ihrer Kritik, wie lange das dauert: Vor 359 Tagen, am 19. Dezember 2017 hat die Stadtbürgerschaft das hier beraten. Dass wir es jetzt tatsächlich erst ein Jahr später haben, ist ein Zeichen dafür, dass wir vielleicht nicht nur auf das Schulsystem, sondern auch auf gewisse effizientere Abläufe bei uns schauen sollten. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort zu einer Kurzintervention Frau Vogt.

Das Eine ist, ich bedanke mich bei den Kollegen Herrn Dr. Güldner und Herrn Rohmeyer, die inhaltlich zur Sache gesprochen haben. Die SPD und die FDP haben nicht gelesen, was in unserem Antrag steht. Wir haben in der Tat beantragt – der Bericht geht ja auch nicht auf den Antrag ein, Herr Dr. Güldner, Sie haben es richtig erkannt – das Recht natürlich nicht nur einer Gruppe einzuräumen, sondern für alle. Es betrifft aber maßgeblich diese Gruppe.

Die Fragen, die mir die Kollegen der SPD und der FDP nicht beantwortet haben: Es wurde viel über Menschen gesprochen, die in beruflicher Ausbildung sind. Die haben aber schon einen Schulabschluss. Es wurde viel über Jugendliche gesprochen, die in der Schule waren und weiter beschult werden. Wir sprechen über eine andere Gruppe.

Wir haben den Antrag gestellt, weil wir, ich meine im September 2017, in der Deputation einen Bericht zur Erwachsenenschule vorliegen hatten, aus dem erkennbar war, dass die Erwachsenenschule das Angebot nicht für alle hat. Deswegen hatten wir als Notlösung die Idee für diesen Antrag.

Eine gut ausgestattete Erwachsenenschule hätten wir besser gefunden. Die Bremer Vereinbarung sagt aus, dass die Instrumente der betrieblichen Einstiegsqualifizierung des Arbeitsamtes bei jungen Geflüchteten versagen, weil ihnen der Schulabschluss fehlt und sie deshalb keine Ausbildung beginnen können. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt.

Es ist unsinnig auf unter 18-Jährige zu verweisen, weil das Übergangssystem oder die betriebliche Einstiegsqualifizierung des Arbeitsamtes bei dieser Gruppe nicht greifen. Dafür hatten wir doch diese Berichte in der Deputation und die Bremer Vereinbarung.

Wenn unsere Idee nicht gut ist, hätte ich erwartet, dass es eine andere gibt, dass man sich damit ernsthaft befasst und nicht, wie in dem Bericht, an dem Antrag vorbeispricht.

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Dr. Bogedan.

Sehr geehrter Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Ersten würde ich gern noch einmal sicherstellen, dass

wir alle über den gleichen Antrag reden. Der Antrag, der mir von der Fraktion DIE LINKE vorliegt, heißt „Recht auf Schulbesuch über das 18. Lebensjahr hinaus“. Das heißt nicht Schulbesuch für Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Ja, darum geht es!)

Ja, wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Über das 18. Lebensjahr hinaus, heißt, dass es auch um die Frage geht, wie wir einen Anspruch schaffen können. So haben wir es damals in der Deputation, und daran möchte ich gern noch einmal alle erinnern, auch beratschlagt, dass es genau darum geht. Was machen wir mit den Jugendlichen, die wir jetzt schon zum Teil in dem Programm des zweijährigen Bildungsgangs Berufsorientierung mit Sprachförderung haben? Aber es geht natürlich auch um die Frage: Was machen wir mit den jungen Menschen, die hier ankommen, die noch über keine Ausbildung verfügen? Wie können wir denen einen guten Weg in den Arbeitsmarkt bereiten? Das ist die Fragestellung, die sich real stellt.

Auf diese Fragestellung haben wir der Deputation bereits am 20. März 2018 sehr umfänglich berichtet, indem wir dort einen Bericht über Maßnahmen vorgelegt haben, die der Senat wegen der Ausbildung für junge Geflüchtete beschlossen hat. Diese richten sich nicht nur an diejenigen, die bereits in den BOSP-Maßnahmen sind, sondern auch an junge Menschen, die hier ankommen und weder über einen Schulabschluss noch eine Berufsausbildung verfügen.

In diesem Bericht haben wir fünf Zielgruppen unterschieden und gesagt: Es ist deshalb notwendig, nicht pauschale Antworten zu finden, und das ist letztlich das ganze Thema, um das es hier geht und das ist von Anfang an der Streitpunkt gewesen ist: Wir wollen keine pauschale Antwort, die aus unserer Sicht nicht zielführend ist, sondern wir brauchen adäquate Angebote für die unterschiedlichen Bedarfslagen, die diese jungen Menschen haben, weil sie doch sehr unterschiedlich sind.

(Beifall SPD, FDP)

Für eine kleinere Gruppe ist es dann auch möglich, in der Schule zu verbleiben. Eine weitere Gruppe hat die Möglichkeit, einen Schulabschluss anzustreben und zu erwerben, wofür auch zusätzliche Schulplätze geschaffen worden sind. Das würde ich hier auch gern noch einmal festhalten.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Dafür hat der Senat 250 Plätze in dem Programm des AFZ zur Einstiegsqualifizierung bereitgestellt, wo genau die sozialarbeiterische Begleitung, die Sie fordern, gewährleistet ist.

Wir haben darüber hinaus noch eine Bremer Integrationsqualifizierung aus dem berufsbildenden Bereich initiiert, die es ermöglichen soll, in Vorbereitung auf eine Einstiegsqualifizierung den Spracherwerb noch einmal in den Mittelpunkt zu stellen. Praktikumsbegleitend sollen zusammen mit Trägern in den Ferien Angebote gemacht werden, die das Ziel verfolgen, die jungen Menschen im Spracherwerb so zu schulen, dass sie dann auch in der EQ bestehen können und sich damit dann ein regulärer Weg in die Ausbildung eröffnet.

Dann haben wir, das haben wir damals in dem Bericht gar nicht erwähnt, im Rahmen der Kultusministerkonferenz noch eine Initiative gestartet, die ermöglicht, dass insbesondere die Instrumente, die über die Bundesagentur für Arbeit und auch über das BAMF ohnehin schon für junge Menschen zur Verfügung stehen, noch einmal geschärft, ausgedehnt und angepasst werden, sodass sie auch für die besondere Gruppe der jungen Geflüchteten passen. Da ist auch schon einiges erreicht worden, aber noch nicht alles. Deshalb werden diese Gespräche jetzt auch noch einmal fortgesetzt.

Kurzum, wir haben über das, was der Antrag von der Intention her möchte, sehr wohl sehr sorgfältig nachgedacht. Wir haben echte Lösungen geschaffen und diese auch bereits umgesetzt. Es bleibt bei der Einschätzung, dass die geforderten Maßnahmen zur Ausweitung der Schulpflicht dieses genau nicht bewirkt hätten.

Ich empfehle darüber hinaus auch, – und ich bin ehrlich gesagt Herrn Dr. Buhlert sehr dankbar, dass er das noch einmal deutlich gemacht hat, – dass man nicht auf die Hochglanzbroschüren des bayerischen Staatsministeriums hereinfällt, denn ich glaube, das, was die Bayern im Hinblick auf die Integration der Geflüchteten machen, ist nicht der bremische Kurs.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)