Protocol of the Session on October 15, 2015

(Zurufe Bündnis 90/Die Grünen)

Moment! Dazu gehört auch, dass wenn jemand abgeschoben werden muss, es nicht durch die Verwaltung in eine Duldungspraxis mit null Abschiebungen endet – –.

(Unruhe SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Glocke)

Herr Kollege, Sie müssen jetzt eine Frage stellen!

(Abg. Leidreiter [ALFA]: Die Frage kommt gleich!)

Nein, nicht gleich! Bitte jetzt!

(Zurufe – Abg. Leidreiter [ALFA]: Das war eine Kurz- intervention, vielen Dank!)

Sie sind ja noch im Training begriffen, das Verfahren übt sich ja noch ein, und wir lernen das noch.

Ich möchte darauf eingehen. Es wird ja so getan, als würde es nur das Grundrecht auf Eigentum geben und als würden Grundrechte nie eingeschränkt werden können. Dem ist nicht so. Es gibt auch das Grundrecht auf Asyl, das wir im Land Bremen mit diesem Gesetz umsetzen müssen, das dürfen Sie natürlich auch nicht vergessen, meine Damen und Herren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD – Abg. Schäfer [ALFA] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Wenn Sie wieder auf die Abschiebungen zu sprechen kommen: Ich kann Ihnen Zahlen aus dem Juli nennen, ich glaube, es waren 198 vollziehbar ausreisepflichtige Menschen, und von ihnen sind ganz viele auch freiwillig ausgereist. Einige haben auch den Duldungsstatus bekommen.

(Glocke)

Dies immer als Vorwand zu nehmen und zu sagen, wenn die alle abgeschoben würden, dann würde es in Bremen massenhaft Unterkünfte für Flüchtlinge geben: Dem ist nicht so, es ist eine begrenzte Zahl!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD – Glocke)

Man kann aus den Zahlen der Monate Juli und August 2015 ganz genau ersehen, dass viele auch freiwillig ausgereist sind. Sie müssen sich einmal selbst vorstellen, wenn Sie Kinder haben und von einem Tag auf den anderen abgeschoben werden sollen! Wir setzen auf Beratung und darauf, dass die Menschen freiwillig zurückgehen, und damit sind wir bisher aus meiner Sicht gut gefahren!

(Glocke)

Frau Kollegin, die Redezeit ist zu Ende.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Bitte appellieren Sie an alle, dass die Akzeptanz weiterhin bestehen bleibt!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Schäfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt zwei Dinge, die in der Rede von Frau Dogan angesprochen wurden, auf die ich doch noch einmal gern eingehen möchte. Das eine betrifft das Thema Grundgesetz, Grundrechte und das Grundrecht auf Asyl. Das ist Artikel 16, ich denke, Sie werden sich darüber im Klaren sein, Artikel 16 a besagt, dass sich auf Asyl nicht berufen kann, wer aus einem EU-Land nach Deutschland einreist. Das heißt, in der aktuellen Migrationswelle liegt die Anzahl derer, die sich auf das Grundrecht auf Asyl, so wie es im Grundgesetz verankert ist, berufen können, ziemlich exakt bei null.

(Beifall ALFA)

Sie haben über Ängste geredet, und wenn man den Begriff Ängste hört, dann denkt man, das sei nichts Gutes, aber wenn jemand mit verbundenen Augen bei Tempo 180 durch eine Allee fährt, und der Beifahrer sagt „Jetzt habe ich aber Angst!“, dann würden wir sagen, diese Angst ist eine berechtigte Sorge. Der Wagen steht nämlich kurz davor, gegen einen Baum zu fahren. Wir haben in dieser aktuellen Migrationskrise Zugangszahlen, die sich noch erhöhen werden. Sie überfordern uns als Land, als Gesellschaft und als Nation, das muss man einmal ganz klar sagen. In jeder Weise überfordern uns diese Zugangszahlen.

Unsere Bundeskanzlerin hat das Signal in die Welt gesetzt, dass es keine Obergrenze gibt. Der Vizekanzler hat das noch getoppt, indem er gesagt hat, eine Million Migranten pro Jahr seien eigentlich kein Problem. Diese unverantwortliche Weise führt dazu, dass sich derzeit von Mali bis Karatschi ganze Heerscharen von Menschen in Bewegung setzen, die glauben, sie könnten hier in Deutschland ein besseres Leben gewinnen. Wir werden dieses Problem nicht lösen, indem wir kurzfristige Zwangsmaßnahmen durchführen, um sie kurzfristig unterzubringen. Das ist erst recht nicht der Fall, wenn wir eine Partei wie DIE LINKE an der Seite haben, die das als Einstieg in die Wohnraumzwangsbewirtschaftung nutzen will.

Wir werden das Problem nur lösen, wenn wir klare Signale setzen, die dafür sorgen, dass der Zustrom an Migranten signifikant geringer wird. Dazu gehört es, dass wir die Hoheit über unsere Grenzen wiedergewinnen. Das werden wir nicht mit Stacheldraht und Mauern schaffen. Das werden wir schaffen, indem wir klarmachen, dass wir illegale Grenzübertritte nicht dulden

(Abg. Frau Loenidakis [DIE LINKE]: Das hat ja bis jetzt so gut funktioniert!)

und dass Leute, die ohne Anspruch auf Asyl illegal einreisen, auch wieder zurückgeschickt werden.

Es werden gewaltige Herausforderungen auf uns zukommen. Die aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sagen, bis einschließlich September 2015 liegt die Gesamtschutzquote bei 40 Prozent. Das heißt, 60 Prozent sind im Prinzip zur Ausreise zu bringen. Das bedeutet auch hier in Bremen, wir müssen in der nächsten Zeit wahrscheinlich einige Hundert jede Woche zur Ausreise bringen. Dafür müssen wir Strukturen schaffen. Dafür müssen wir Kapazitäten vorhalten.

(Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE]: Sie haben keine Ahnung!)

Noch viel wichtiger ist es aber, nach außen das Signal zu setzen, nicht über die Balkanroute zu uns zu kommen und nicht über die Meere zu uns zu reisen, weil das nicht dazu führt, dass sie hierbleiben können.

Wir müssen uns klarmachen, dass es neben dem Grundrecht auf Asyl eine humanitäre Aufgabe ist, hilfsbedürftigen Menschen zu helfen. Wir müssen uns gemeinsam darüber klar werden, in welchem Umfang und nach welchen Kriterien wir das machen wollen. Wir müssen diesen Menschen dann einen direkten Zugang zu unserem Land gewähren. Das heißt, wir müssen auch für eine sichere Reise aus ihren Herkunftsländern hierher sorgen. Wir dürfen aber nicht weiter tolerieren, dass in einem chaotischen System ungesteuert Menschen über die grüne Grenze nach Deutschland einreisen. Wir müssen ganz klar das Sig

nal setzen: So werdet ihr keine Zukunft in unserem Land haben! – Danke sehr!

(Beifall ALFA)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ist schon interessant, wie unterschiedliche Grundrechte in diesem Haus sehr unterschiedlich bewertet werden, Herr Schäfer. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, für einen Sozialdemokraten ist das Grundrecht auf Eigentum nicht mehr wert als das Grundrecht auf Asyl.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Ich sage Ihnen als Sozialdemokrat auch, dass der Flüchtlingsstatus, mit dem Syrer hierherkommen, eine internationale Verpflichtung ist. Dieser internationalen Verpflichtung können und wollen sich zumindest große Teile des Parlaments nicht entziehen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Um auch ein paar exotischen Ausflüssen dieser Debatte einmal den Nährboden zu entziehen, bitte ich Sie, ein Gedankenexperiment mitzumachen. Frau Dogan hat die Zahl derjenigen genannt, die vollziehbar ausreisefähig sind. Sie nannte 197. Mir lag die Zahl 203 vor. Einigen wir uns auf 200! Das sind diejenigen, die wir übergangslos abschieben können. Schauen Sie doch auf die Menschen, die hierherkommen! Wenn wir als Gedankenexperiment 200 Leute sofort abschieben, sage ich Ihnen, diese 200 Leute sind in zwei Tagen wieder in Bremen. Das löst unser Unterbringungsproblem doch überhaupt nicht!

(Beifall SPD)

Wer mit solch einer Argumentation gegen dieses Gesetz hetzt, der hetzt.

(Beifall SPD)

Ich nenne ein zweites Argument, Frau Steiner. Ich streite mich gern mit den Grünen.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir uns auch mit euch!)

Wir haben das in den Koalitionsverhandlungen getan und werden es weiter über die Frage tun, welche Baugebiete in Bremen ausweisbar sein müssen. Ich nehme Sie einfach mit auf ein Gedankenexpe

riment. Selbst wenn wir die Osterholzer Feldmark bis zum Horizont mit zwölf Stockwerke hohen Hochhäusern vollbauen würden, hätten wir in diesem Winter immer noch 1 400 Leute in ungeheizten Zelten, und tagtäglich kommen 100 Leute dazu.

Ich kann es als Sozialdemokrat überhaupt nicht verantworten, dass dieses Parlament nicht jede Möglichkeit in Erwägung zieht. Dazu gehört dieses Gesetz. Wer glaubt, das mit irgendwelchen Maßnahmen relativieren zu können, die in zwei oder drei Jahren greifen können und meines Erachtens übrigens auch sollen – das müssen wir noch diskutieren –, hat den Ernst der Lage überhaupt nicht verstanden.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich nenne Ihnen einen dritten Punkt. Herr Hinners, wir werden das irgendwann vor dem Oberverwaltungsgericht Bremen oder, wenn rechte Gruppierungen hier Organstreitverfahren machen, vielleicht auch vor dem Staatsgerichtshof sehen. Ich weiß am Ende des Tages nicht, ob das Gesetz in allen Einzelheiten halten wird. In Anbetracht dessen, dass 1 400 Leute in nicht winterfesten Zelten untergebracht sind, für die wir keine Alternative haben, bin ich absolut bereit, diesen Gang zu gehen und zu sagen, jawohl, lasst uns die Baumärkte von Max Bahr beschlagnahmen! Lasst uns die Leute zwar nicht menschenwürdig, aber mit einem Dach über dem Kopf und mit einer Heizung unterbringen! Das betrachte ich als Aufgabe dieses Parlaments oder weiter Teile dieses Parlaments. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.