Protocol of the Session on March 15, 2018

(Abgeordnete Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Mein Hund ist sehr gut erzogen!)

Ja, dann haben Sie Glück. Die Verwendung solcher interpretationsoffenen und unbestimmten Begrifflichkeiten im Gesetzestext kann im Ergebnis dazu führen, dass eine große Zahl von Hunden als gefährlich eingestuft wird, die sich dann außerhalb des befriedeten Grundstücks nur noch mit einem Maulkorb bewegen dürfen. Auch das lehnen wir BÜRGER IN WUT ausdrücklich ab.

(Beifall BIW - Glocke)

Das widerspricht den Erfordernissen einer artgerechten Haltung und ist deshalb aus tierschutzrechtlicher Sicht bedenklich. Außerdem besteht die latente Gefahr, dass Hunde aus sachfremden Gründen von Dritten denunziert werden, etwa um sich am Besitzer zu rächen.

(Glocke)

Herr Kollege, Ihre Zeit läuft ab oder ist schon abgelaufen!

(Abg. Leidreiter [BIW]: Kann gar nicht sein!)

Wie bitte?

(Abg. Leidreiter [BIW]: Ich komme gleich zum Schluss!)

Nein, Sie kommen bitte jetzt mit einem Satz zum Schluss! Ihre Zeit ist abgelaufen, und Sie haben nicht infrage zu stellen, ob Ihre Redezeit zu Ende ist oder nicht! Wir machen das hier korrekt!

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich hoffe, Sie sind immer bei allen Leuten so kulant wie bei mir!

Natürlich!

Allerdings ist der von den Freien Demokraten vorgelegte Gesetzentwurf unausgegoren, er schießt in vielen Punkten über das Ziel hinaus. Die Vorlage ist juristisch angreifbar und ohne entsprechende Rechtssicherheit für den Hundehalter. Die Gruppe BÜRGER IN WUT beantragt die Überweisung an die Innendeputation, um das Gesetz zu konkretisieren. – Vielen Dank!

(Beifall BIW)

Nur einmal zur Information, Herr Leidreiter: Hier werden alle gleich behandelt, keiner schlechter oder besser!

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Sie haben insgesamt sieben Minuten gesprochen, nur einmal zu Ihrer Information! Hören Sie das? Sieben Minuten!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Weigelt.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Liebe Hunde!)

Wir alle können uns sicherlich noch gut an Schlagzeilen über Angriffe von Hunden auf Kinder und Erwachsene erinnern, die zu starken Körperverletzungen und auch zum Tod führten. Es waren fürchterliche Nachrichten.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das stimmt!)

Selbstverständlich forderten nicht nur die Presse und die Bevölkerung angesichts der damals zunehmenden Bedrohung der Menschen ein Einschreiten gegen diese Gefahr, weil es jeden treffen und man sich davor auch nicht schützen konnte.

(Beifall SPD)

Mir sind dabei besonders ein Schicksal und ein Name im Kopf geblieben. Volkan hieß der sechsjährige Junge, der im Jahr 2001 auf einem Hamburger Schulhof von zwei Kampfhunden attackiert

wurde. Zehn Minuten lang verbissen sich die beiden Tiere in Kopf und Hals des Kindes und ließen selbst, nachdem sie von Kugeln herbeieilender Polizisten getroffen waren, nicht von dem Jungen ab. Heute wäre Volkan ein junger Mann, aber sein Leben konnte damals nicht gerettet werden. Für mich steht fest, dass wir ihn nicht vergessen dürfen. Das sind wir Volkan stellvertretend für viele Menschen, die zu Opfern von Kampfhunden wurden, einfach schuldig.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Auch der Gesetzgeber – Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung – sah einen Handlungsbedarf, und es wurde das Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunderassen beschlossen. Das Gesetz sollte nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Schutze von Menschen vor gefährlichen Hunden oder verantwortungslosem Handeln bestimmter Hundehalter schützen. Ziel war, den Schutz der Menschen vor diesen Gefahren zu erhöhen.

Das erlassene Gesetz dient demzufolge auch dem Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Menschen im Grundgesetz. Das Gesetz, das am 12. April 2001 beschlossen wurde, führte auch dazu, dass Regelungen geschaffen wurden, die die Gefährlichkeit, übersteigende Aggression von Hunden und deren Rasse beinhalteten, aber auch ein Zucht- und Einfuhrverbot von bestimmten Hunderassen wurde im Gesetz berücksichtigt. Das Bundesverfassungsgericht stellte 2004 fest, dass die Einführung von Rasselisten nicht zu beanstanden war und der berechtigten Gefahrenabwehr diente.

Nun liegt uns der Antrag der FDP mit dem Schwerpunkt vor, eine Abschaffung der Rasseliste im Gesetz über das Halten von Hunden zu erzielen. Damit könne, so die FDP, die vorgenommene Diskriminierung von Hundehalterinnen und Hundehaltern bestimmter Rassen aufgehoben werden. Begründet wird die Gesetzesinitiative der FDP mit dem Hinweis, dass wissenschaftliche Erkenntnisse nicht belegten, dass die Feststellung einer erhöhten Aggression und Gefährlichkeit von Hunden durch die Hunderasse vorgenommen werden kann. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegten nicht die Gefährlichkeit, und damit soll die Gefahrenabwehr, bezogen unter anderem auf bestimmte Hunderassen, aufgehoben werden.

Dagegen spricht: Wenn nur dann eine Regelung zur Gefahrenabwehr getroffen werden kann, wenn

die von Hunden ausgehenden Gefahren durch wissenschaftliche Erforschung nachgewiesen wird, dann sprechen auch gleich viele Anhaltspunkte dafür, dass die Haltung bestimmte Hunderassen und -kreuzungen Gefahr begründend sind, denn bis auf Niedersachsen, dessen Gesetz dem vorgelegten Gesetzentwurf der FDP nahezu wortwörtlich entspricht, Berlin und Schleswig-Holstein halten alle anderen Länder an den sogenannten Rasselisten fest.

(Zuruf FDP)

Das habe ich vorhin mitgenommen, vielen Dank!

Es geht unter anderem um das genetische Potenzial, körperliche Merkmale der aufgelisteten Hunderassen und Einflüsse, die dem Hundehalter zuzurechnen sind. Es sind also mehrere Faktoren, die Hunde gefährlich machen. Allerdings stellen die Rassezugehörigkeit, die Zucht und die körperliche Konstitution nicht unbeträchtliche Gefahrenpotenziale dar. Unabhängig von der Erziehung und Hundehaltung durch den Menschen ist die festgestellte Beißhäufigkeit nur ein Merkmal für die Gefährlichkeit. Die anatomische Beschaffenheit des Ober- und Unterkiefers mit einer enormen Beißkraft sowie die Art zu beißen, durch Festbeißen, Reißen und Zerren in Verbindung mit einer ausgeprägt muskulösen Körpermasse können beim Menschen zu schweren Verletzungen und Todesfällen führen. Auch Beißstatistiken sind hier nur bedingt aussagekräftig und bedürfen der ganz genauen Auswertung, da es ja nicht von allen Hunderassen gleich viele Hunde gibt.

Ich hoffe, dass ich deutlich machen konnte, dass man auf die Rasseliste nicht verzichten kann, um uns Menschen vor dieser Gefahr zu schützen.

(Beifall SPD – Glocke)

Oh, ist meine Zeit abgelaufen?

Ja!

(Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Fragen Sie Herrn Leidreiter, der weiß Bescheid!)

Ich muss jetzt an dieser Stelle aufhören, aber ich gebe den Hinweis, dass wir den Antrag der FDP ablehnen werden, und ich möchte bitte gern noch zwei Sätze zu unserem Antrag sagen. Ich mache es ganz schnell, zwei Sätze!

(Zurufe)

Der Antrag beinhaltet kleine Änderungen für das Gesetz über das Halten von Hunden. In der Ergänzung zu § 1 geht es um eine redaktionelle Anpassung des Beschlusses im Jahr 2014. Der Absatz in § 1 regelt die Erstellung von Zeugnissen über die Rassezugehörigkeit durch Tierärztinnen und Tierärzte. Der Zusatz in § 2 dient der Klarstellung, dass der Leinenzwang auch in öffentlichen Gebäuden gilt. Ich bitte um Unterstützung, vielen Dank! – Das war doch schnell jetzt, oder?

(Beifall SPD)

Als nächster Redner das Wort der Abgeordnete Özdal.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzesantrag der FDP sieht umfassende Änderungen im Vergleich zum aktuellen Bremer Gesetz über das Halten von Hunden vor. Ziel der Initiative der FDP ist vor allem die Abschaffung der sogenannten Rasseliste des aktuellen Hundegesetzes. Damit soll die angeblich bestehende Diskriminierung von Hunden und Hundehaltern bestimmter Rassen und deren Kreuzungen aufgehoben werden.

Gelistet als gefährliche Hunde sind im Bremer Hundegesetz aktuell der Pitbullterrier, der Bullterrier, der American Staffordshire-Terrier und der Staffordshire-Bullterrier, gemeinhin insgesamt bekannt als sogenannte Kampfhunde. Das Hauptaugenmerk des Gesetzesantrags der FDP liegt dabei auf der im Vergleich zum aktuellen Gesetz unterschiedlichen Herausarbeitung und Einstufung von Hunden als gefährlich oder nicht, und zwar ganz unabhängig von der Rasse. Hauptfrage ist dabei: Sollte man bestimmten Hunderassen pauschal ein erhöhtes Aggressionspotenzial und damit einhergehend eine besondere Gefährlichkeit unterstellen und das Halten solcher Rassen verbieten oder nicht? Die FDP meint, nein, sollte man nicht, die CDU-Fraktion vertritt hier eine entgegengesetzte Auffassung. Dazu möchte ich zwei Expertenmeinungen, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, zitieren.

(Abgeordnete Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Herrlich!)

Eine für die Position der FDP streitende Meinung ist das Gutachten über Staffordshire-Bullterrier vom 20. Mai 2002 von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Ich zitiere die Expertin. „Es sei betont, dass natürlich nicht alle Hunderassen in ihrer

Verhaltenssteuerung gleich sind. Ihr Verhaltensinventar, wie zum Beispiel bestimmte Reaktionsnormen, können sehr unterschiedlich und durchaus rassekennzeichnend sein, sind also durchaus genetisch determiniert, entwickeln sich jedoch in ständiger feindifferenzierter Wechselwirkung mit allen Reizen des hundlichen Umfeldes, und so kommt es zu höchst unterschiedlichen Verhaltensprägungen bei Tieren einer Rasse. Dies gilt gerade für das Aggressionsverhalten.“ Diese Expertin hat dann bestimmte oben genannte Listenhunde näher untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen: „Im Vergleich der Rassen liegt der Staffordshire-Bullterrier mit fast 60 Prozent aller getesteten Tiere dieser Rasse von exzellenter Bewertung an der Spitze der sozial verträglichen Hunde.“ Zu diesem Ergebnis kommt sie auch bei Bullterriern und American Staffordshire-Terriern.