Protocol of the Session on April 6, 2017

Bremen am 20. Januar 2017 einen Haftbefehl erlassen. Die Ermittlungen in diesem Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.

Die Staatsanwaltschaft hat in dem Verfahren, in dem eine Anzeige am 2. August 2013 erfolgt ist, am 23. Oktober 2013 Anklage beim Landgericht Bremen erhoben. Das Landgericht hat noch keinen Hauptverhandlungstermin anberaumt.

(Abg. Timke [BIW]: Unglaublich!)

Die Reihenfolge der Terminierung von Verfahren bestimmen die Gerichte im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das ist klar!)

Zu Frage zwei: Die Staatsanwaltschaft Bremen hat Anklagen im Juni 2013 und im März 2015 erhoben, die sich auf Tatvorwürfe aus den Jahren 2011 beziehungsweise 2012 beziehen.

Das Amtsgericht Bremerhaven hat den Beschuldigten am 22. Januar 2013 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Amtsgericht Geestland, welches die Bewährungsaufsicht führte, hat die Strafe mit Wirkung vom 15. Februar 2016 nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen.

Zu Frage drei: Die Staatsanwaltschaft Bremen hat mit Anklageerhebung vom 23. Oktober 2013 den Erlass eines Haftbefehls beantragt, der durch das Landgericht Bremen abgelehnt wurde. Seitens der Ortspolizeibehörde Bremerhaven wurden umfangreiche präventive Maßnahmen, insbesondere Gefährder- und Gefährdetenansprachen, durchgeführt. – Soweit die Antwort des Senats!

Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Als dieser Fall hochkam, hat sich die Opferorganisation „Weißer Ring“ in der Presse in Bezug auf die lange Verfahrensdauer und die Nichtanklage wie folgt geäußert: „Die Mädchen“ – also die Opfer – „sind nicht nur Kriminalitätsopfer, sondern sie sind auch Justizopfer.“ Teilen Sie diese Auffassung?

Bitte, Herr Staatsrat!

Ich teile sie nicht! Es ist so, dass relativ zügig Anklage erhoben worden ist. Zu der Antwort auf Frage zwei ergeben sich tatsächlich unterschiedliche Zeiten. Dort gibt es Tatvorwürfe aus den Jahren 2010 und 2012, und die Anklagen sind aus den Jahren 2013 und 2015, wie ich eben gesagt habe. Ich bin noch einmal genau der Frage nachgegangen, woran es eigentlich liegt, dass diese Anklagen erst mit einem solchen Zeitversatz von zwei

bis zweieinhalb Jahren erhoben wurden. Die normale Verfahrensdauer bei den Staatsanwaltschaften beträgt drei bis vier Monate. Hier ist es so, dass bei einer Hausdurchsuchung Festplatten beschlagnahmt wurden, diese wurden bei der Polizei ausgewertet, und dann hat es noch Ermittlungen in anderen Städten gegeben. Dieser Sache wurde also sehr intensiv nachgegangen, und das erklärt, warum in diesem Fall später Anklage erhoben wurde.

Ich möchte noch eine allgemeine Bemerkung machen: Es ist so, dass wir im Rechtsausschuss häufig auch auf Nachfragen im nicht öffentlichen Teil Erklärungen über einzelne Verfahren abgeben. Ich kann hier jetzt nicht alle Einzelheiten des Strafverfahrens erläutern, aber sämtliche Nachfragen, die es dort gab, wurden zur vollen Zufriedenheit der Abgeordneten beantwortet. Der Leiter unserer Staatsanwaltschaft war jetzt in der Vergangenheit zweimal dort, und auch in der kommenden Sitzung des Rechtsausschusses werden auch zu diesem Verfahren noch einmal Erklärungen abgegeben. Wir schauen genau auf die Umstände, auch auf die Verfahrensdauer, das ist vollkommen klar, das spielt eine große Rolle. Es lag hier an der Auswertung der Festplatten und den Ermittlungen in anderen Städten.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sie haben eben ausgeführt, dass der Tatverdächtige bereits schon einmal wegen ähnlicher Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung auffällig war und auch verurteilt wurde. Wenn wir in dem Fall schon einen Täter hatten, bei dem nach zwei Jahren noch nicht Anklage erhoben wurde, halten Sie das dann nicht für fahrlässig im Hinblick darauf, dass sich dieser Täter weiterhin auf freiem Fuß befindet und dann natürlich weitere Taten begehen kann, wie es ja offensichtlich jetzt auch der Fall war?

Bitte, Herr Staatsrat!

Das Landgericht Bremen hat nach Erhebung der Anklage und Beantragung eines Haftbefehls durch die Staatsanwaltschaft im Oktober 2013 den Erlass eines Haftbefehls abgelehnt. Meine Erfahrung ist, dass man die Frage nur beantworten kann, wenn man die Umstände des Einzelfalls wirklich genau kennt. Ich gebe zu, dass man sich natürlich fragt, wie es dazu kommt, wenn man einen solchen Zeitversatz sieht und es dann wieder einen Vorfall gibt, aber nach meiner Erfahrung kann man das wirklich erst beurteilen, wenn man die Akten kennt oder in der Gerichtsverhandlung war und die Einzelheiten gehört hat. Das ist hier letztlich auch eine Entscheidung des Landgerichts. Es entscheidet in Anbetracht aller ganz konkreten Umstände des Einzelfalls, und das kann ich hier jetzt nicht sagen.

Im Rechtsausschuss gibt es häufiger solche Nachfragen, denen wir dann sehr eingehend nachgehen, obwohl auch das etwas grenzwertig ist, wenn man einzelne Strafverfahren in einem Parlamentsausschuss ganz unter die Lupe nimmt. Das findet im Rechtsausschuss aber immer wieder statt in solchen Verfahren, die Anlass dazu geben. Das ist hier jetzt auch so, und ich finde es auch richtig, dass wir dem nachgehen, insbesondere dem, was den Zeitablauf betrifft.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Staatsrat, ich finde, Sie machen es sich ein bisschen einfach, wenn Sie sagen, das wäre immer nur Sache der Gerichte. Sie sind für die personelle Ausstattung der Gerichte zuständig, und daran scheint es ja in den letzten Jahren auch erheblich gehapert zu haben. Deswegen meine Frage: Dies ist ja nicht der erste Fall, in dem die Bevölkerung oder auch die Politik den Eindruck gewinnt, dass der Zeitraum zwischen der Begehung der Tat und der Erhebung der Anklage unverhältnismäßig lang ist. Ich denke dabei zum Beispiel an den Überfall auf Bauarbeiter auf einer Baustelle in der Neustadt, bei dem die Verhandlung auch erst nach über drei Jahren stattfand, und an die WM-Krawalle in Bremen-Nord, auch da gab es die Anklagen erst nach drei Jahren. Was macht der Senat konkret, um die personelle Situation in den Gerichten zu verbessern?

Bitte, Herr Staatsrat!

Ich glaube, Sie meinten eben nicht den Zeitraum zwischen den Taten und der Anklageerhebung, sondern den zwischen der Anklageerhebung bei Gericht und der Terminierung und Durchführung der Hauptverhandlung bei Gericht! Diese Frage ist begründet, sie betrifft hier natürlich auch das Landgericht.

Ich habe seit dem Jahr 2008 die personelle Ausstattung beim Landgericht in diesen schwerwiegenden Verfahren sehr genau beobachtet, bin mehrfach im Landgericht gewesen und habe das mit der Richterschaft diskutiert, auch mit der Präsidentin des Landgerichts. Wenn Sie sich die Zahlen der Personalausstattung beim Landgericht seit dem Jahr 2008 anschauen, dann ist das Landgericht besser ausgestattet als Landgerichte in der Bundesrepublik Deutschland, also nach der Anzahl der Eingänge und der Erledigungen hat das Landgericht Bremen eine Ausstattung, die bei 60, 70, 75 Prozent der Landgerichte im Länderdurchschnitt liegt. Das gilt im Übrigen auch im Vergleich der Großstädte.

Also, das Landgericht Bremen ist eigentlich so ausgestattet, dass es arbeiten könnte. In der letzten Zeit hat es aber deutliche Verfahrenszuwächse gegeben, insbesondere hatten wir Haftsachen, deren Anzahl steil angestiegen ist, dort hat es noch einmal eine Ver

schärfung gegeben. Dort haben wir das Landgericht personell deutlich verstärkt, und das Innen- und das Justizressort haben jetzt ein Sicherheitspapier erstellt, in dessen Rahmen wir das Landgericht noch einmal um weitere fünf Stellen verstärken wollen. Ich hoffe, dass wir dafür auch die entsprechende Unterstützung bekommen.

Also, das Landgericht ist ordentlich ausgestattet, es ist also nicht so, dass es im Verhältnis zu anderen Landgerichten unterausgestattet wäre, und es gibt auch beständige Gespräche über die Ausstattung und Art und Weise, wie die Verfahren betrieben werden.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich finde, Sie haben zu Recht bemerkt, dass solche Besprechungen über Einzelfälle normalerweise im nicht öffentlichen Teil des Rechtsausschusses erfolgen. Ich muss ehrlich sagen, ich kann nicht verstehen und hätte gern von Ihnen eine Erklärung, warum Sie, sage ich einmal, ein so weites Feld in der Bremischen Bürgerschaft, eine Einzelfallbesprechung, wo man sich ja noch fragen kann, ob dort überhaupt die Verhältnismäßigkeit und auch die personenbezogenen Daten, wovon Sie erzählt haben, von bestimmten Städten und Straftaten – –. Ich finde das in diesem Rahmen eigentlich unangemessen.

Herr Kollege, war das jetzt eine Frage?

(Abg. Erlanson [DIE LINKE]: Ja, das war eine Frage!)

Bitte, Herr Staatsrat!

Ich möchte auch gern darauf antworten! Ich habe mir diese Frage auch gestellt und deshalb geantwortet, weil es insbesondere um Zeitabläufe geht. Ich finde es vollkommen begründet, wenn man nach den Zeitabläufen zwischen Taten, Erhebung der Anklage und der Durchführung einer Gerichtsverhandlung fragt,

(Beifall SPD, CDU, FDP, LKR)

und ich bin auch dankbar dafür, dass die Frage nach der Personalausstattung gestellt wird, denn auch diese Frage stellt sich ja dabei. Wir haben schon häufig im Rechtsausschuss darüber gesprochen, und Sie können im Bericht zur Belastung der Justiz sehen – wir berichten im Rechtsausschuss einmal im Jahr eingehend zur Belastung der Gerichte –, dass die bremischen Gerichte belastet sind. Im Länderdurchschnitt liegen sie zum Teil etwas darüber, aber nicht so, dass sie völlig unterausgestattet wären. Das wäre ein falscher Eindruck. Sie können sich ein Bild davon machen, indem sie auf die Webseite im Rechtsausschuss gehen und sich die Belastungsberichte der Justiz ansehen.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Staatsrat, es haben sich mittlerweile 40 Altfälle angesammelt, und wie wir wissen, liegen einige davon jetzt schon seit fast zehn Jahren. Meine Frage ist: Welche Konsequenzen hat diese Nichtbearbeitung im Hinblick auf die Qualität der Zeugenaussagen und für die Ermittlungen der Strafverfahren?

Bitte, Herr Staatsrat!

Es ist natürlich so, dass es viel schwieriger wird, Zeugenvernehmungen durchzuführen, wenn ein Verfahren alt wird, denn die Zeugen können sich schlechter daran erinnern, das hat Nachteile. Aber das Landgericht hat ja Gelegenheit, an die Altverfahren heranzugehen, das möchte ich hier deutlich betonen, und Bremen hat auch – das gibt es in wenigen Ländern – eine Regelung zur Kontrolle der Altverfahren getroffen. Wir sind dort bis in die Einigungsstelle gegangen und haben durchgesetzt, dass die Richter einmal im Jahr die Verfahren melden müssen, die eine bestimmte Zeitdauer überschritten haben. Darüber findet jeweils mit der Präsidentin/dem Präsidenten ein Gespräch darüber statt, warum diese Verfahren noch nicht behandelt wurden. Also, wir haben eine Altfallregelung zur Kontrolle für die Gerichte und für die Staatsanwaltschaft durchgesetzt. Die Altverfahren sind unter Kontrolle, und es gibt die Regelung, dass Altverfahren, die in einem Gericht wirklich sehr bedrohlich werden, dann an das Justizressort zu melden sind. Das ist die Regelung, die es hier in Bremen gibt. Das Bundesjustizministerium war überrascht und erfreut darüber, dass wir eine solche klare Regelung haben.

Wir haben also Vorsorge getroffen, damit die Dinge unter Kontrolle bleiben. Dass es dort immer noch so viele Altverfahren gibt, finde ich bedauerlich. Wir verstärken jetzt auch, damit auch diese Altverfahren besonders angegangen werden können. Wir haben eine Kammer verstärkt, aber das ist jetzt beim letzten Mal überholt worden, weil die Haftsachen drastisch angestiegen sind. Sie müssen sich vorstellen, dass bei der Staatsanwaltschaft die Zahl der Verfahren innerhalb eines Jahres von 54 000 auf 66 000 angestiegen ist. Diese steigende Tendenz gibt es weiterhin, also es gibt immer mehr Verfahren.

Wir haben auch in der Haft jetzt 630 anstatt 500 Gefangene. Wir haben also innerhalb von eineinhalb Jahren einen deutlichen Anstieg bei den Strafverfahren, bei den Haftzahlen und natürlich auch bei den Haftsachen bei Gericht. Diese müssen vordringlich behandelt werden, und das hat dazu geführt, dass das, was wir eigentlich für die Altverfahren vorgesehen hatten, zunächst einmal für die aktuellen Haftsachen eingesetzt werden musste. Das Gericht ist mit diesen Haftsachen völlig ausgelastet, und wenn Sie die Zei

tung aufschlagen, dann sehen Sie jeden Tag, dass hier auch noch große Verfahren verhandelt werden. Ich hoffe, dass diese Verfahren irgendwann abgeschlossen sind und dann weiter Kapazität vorhanden ist, um auch die Altverfahren angehen zu können.

Im Rahmen dieses Sicherheitskonzepts wollen wir das Landgericht noch weiter verstärken, insbesondere wegen der Altverfahren.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sie haben eben gesagt, dass das Gericht auch die Möglichkeit hatte, die Altverfahren anzugehen, es aber nicht konnte. Würden Sie sagen, dass dies ein Problem der internen Organisation ist und nicht einer chronischen Unterbesetzung der Gerichte?

Bitte, Herr Staatsrat!

Jedes Gericht muss sich zu der Gesamtheit der Verfahren, die es hat, eine Strategie entwickeln. Das Verwaltungsgericht hat jetzt zum Beispiel innerhalb kürzester Zeit 1 500 bis 2000 Asylverfahren bekommen, und bei einer überschaubaren Anzahl von Richtern – etwa in der Größenordnung von 20 – muss man eine Verfahrensstrategie entwickeln. Es gibt auch Gerichte, die einen Geschäftsbericht machen, in denen diese Verfahrensstrategie für das ganze Gericht dargestellt ist. Das finde ich richtig, das erwarte ich auch von Gerichten, und das gilt für alle Gerichte, und ich erwarte auch, dass das Landgericht es weiter so macht, da werden auch Strategien entwickelt, wie man mit den Altverfahren umgeht. Das sind aber interne Dinge, zu denen wir uns von außen, also aus dem Justizressort, nicht äußern können.

Präsent Weber: Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Staatsrat, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass dieses Parlament Ihnen viel Glück für ihren weiteren Lebensweg wünscht, weil er sich ja deutlich ändert und dies die letzte Veranstaltung ist, an der Sie hier im Parlament teilgenommen haben?

(Beifall)

Bitte, Herr Staatsrat!