Protocol of the Session on November 10, 2016

(Unruhe SPD, DIE LINKE – Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Verschwendet?)

Wir wollen diese alten Schulden tilgen, meine Damen und Herren! Das wird bei 400 Millionen Euro und 21 Milliarden Euro schon fast 50 Jahre dauern, aber wir erwarten, dass das Jahr 2020 den Anfang dafür setzt, dass wir uns von dieser großen Last endlich selbst befreien.

(Beifall CDU)

Gleichwohl, auch wenn dieses größte Problem Bre mens durch die Verständigung nicht gelöst worden ist, muss man sagen, unter den gegebenen Voraus

setzungen ist das auch aus Sicht der CDU ein gutes Ergebnis. Es ist deswegen ein gutes Ergebnis, weil es uns über das Jahr 2020, in dem die bisherigen Sanierungshilfen auslaufen, hinaus eine Perspektive gibt. Machen wir uns aber nichts vor: Bis zum Jahr 2020 liegen noch gewaltige Anstrengungen vor uns. Die vom Bürgermeister eben genannten 487 Millionen Euro mehr setzen natürlich voraus, dass wir im Jahr 2020 dem grundgesetzlich verankerten Neuverschul dungsverbot auch entsprechen. Das heißt, das Geld gibt es nur dann, wenn das Jahr 2019 das letzte Jahr wird, in dem Schulden gemacht werden.

Ich möchte nur am Rande darauf hinweisen, dass die bisherige mittelfristige Finanzplanung der Finanz senatorin dieses Ziel vor Augen, aber noch lange nicht erreicht hat. Das heißt, es wird zusätzliche Konsolidierungsanstrengungen bis zum Jahr 2020 erfordern, und ich habe in Anbetracht des Gebarens für das laufende Haushaltsjahr große Zweifel, dass Bremen diese Voraussetzungen bis zum Jahr 2020 auch tatsächlich zu erfüllen in der Lage ist.

(Beifall CDU)

Dass der Bürgermeister hier die Einigkeit der Länder und die guten Beziehungen zum Bund beschwört, ist richtig, aber wer das auf der einen Seite beschwört, muss auf der anderen Seite auch bereit sein, sich entsprechend zu verhalten. Es gibt bis heute – trotz Ihrer Veranstaltung in der bremischen Landesvertre tung – nicht ein einziges Bundesland, das bereit ist, den Bremer Sonderweg bei den flüchtlingsbeding ten Mehrkosten für das Jahr 2016 nachzumachen, geschweige denn überhaupt zu akzeptieren! Kein anderes Bundesland geht diesen Sonderweg. Alle anderen Bundesländer leisten die laufenden Mehr kosten entweder aus den vom Bund zur Verfügung gestellten zusätzlichen Mitteln, aus den von Ihnen ja auch in Bezug genommenen Steuermehreinnahmen oder aus weiteren Umschichtungen im laufenden Haushalt. Teilweise werden Nachtragshaushalte gemacht, aber alle Haushalte sehen eine solche Po sition, wie Bremen sie mit dem Anspruch „Deswegen reißen wir die Schuldenbremse“ ausweist, nicht vor.

Deswegen ist mein Appell für die CDU-Fraktion: Sehr geehrter Herr Bürgermeister, setzen Sie diesem Wahnsinn ein Ende! Er isoliert uns bundesweit und ist ein Bremer Sonderweg, den kein anderes Bun desland geht. Strengen Sie sich an, so zu sein wie andere Länder! Strengen Sie sich an, die laufenden Einnahmen zu nutzen, um die laufenden Ausgaben zu tätigen, und sagen Sie dem Bund nicht schon jetzt „Wir schaffen das nicht, egal was wir mit euch vereinbart haben.“! Wir erwarten, dass wir uns an das im Grundgesetz mit Verfassungsrang vereinbarte und auch in der Landesverfassung vorgesehene Neu verschuldungsverbot und den Konsolidierungspfad uneingeschränkt halten! Wer sich daran nicht hält, stellt diese Verabredung mit dem Bund und den an

deren Ländern von vornherein infrage. Wir müssen uns vertragstreu verhalten. Der Sonderweg Bremens, Herr Bürgermeister, muss beendet werden, das ist die Forderung der CDU-Fraktion!

(Beifall CDU, ALFA)

Ich sehe den größten Vorteil in der Verständigung zwischen dem Bund und den Ländern im Übrigen darin, dass es in Zukunft eine Konzentration auf den vertikalen Finanzausgleich geben wird. Das war ja auch der schwierigste Kampf mit dem Bund, im Übrigen nicht nur mit dem Bundesfinanzminister, sehr geehrter Herr Bürgermeister, ich vermute, Sie kennen auch die Beratung und Beschlussfassung der SPD-Bundestagsfraktion.

(Bürgermeister Dr. Sieling: Aller Bundestagsfrakti onen!)

Die der CDU kenne ich,

(Bürgermeister Dr. Sieling: Die der CDU kenne ich auch!)

ich kenne aber auch die der SPD, und sie waren sich beide relativ einig, dass es zu einem solchen Beutezug der Länder, wie sie es genannt haben, nicht kommen kann. Deswegen muss ich an dieser Stelle auch sagen, ich bin der Bundesregierung und den beiden Koalitionsfraktionen in besonderer Weise dankbar, dass sie den Weg zu dieser Verständigung gefunden haben, denn eines muss man noch einmal sagen: Es gibt nur glückliche Länder. Wir sind mit unserer Zufriedenheit mit diesem Kompromiss in unseren Beratungen nicht allein in Deutschland. In allen deutschen Landtagen wird dieses Ergebnis so diskutiert, weil alle Länder von diesem Kompromiss auch profitieren. Wenn alle mehr Geld bekommen, muss es ja einen geben, der mehr Geld gibt, und das ist der Bund. Ohne diese großzügige, aber aus unserer Sicht gut vertretbare und angemessene zusätzliche Unterstüt zung des Bundes wäre die Verständigung unter den Ländern nicht möglich gewesen. Deswegen will ich an dieser Stelle sagen: Ich bin dem Bundesfinanzminister, der Bundesregierung und den die Bundesregierung tragenden Fraktionen der SPD und der CDU sehr dankbar, dass sie ihre bis zum Schluss, bis zur letzten Minute geäußerten Vorbehalte im Sinne einer föde ralen Neuordnung der Finanzbeziehungen zurück gestellt haben. Ich finde, es ist ein gutes Zeichen für den Föderalismus, dass der Bund in diesem Umfang und in diesem Maße auf die Länder zugegangen ist und ihnen bei ihren Problemen geholfen hat.

(Beifall CDU, SPD)

Es ist nicht nur gut, dass der Bund uns Ländern hilft, sondern es ist auch gut, dass die Wettbewerbssituati

on unter den Ländern damit endlich beendet ist. Die dauernde Diskussion, wer wie viel für welches Land gibt, leben wir auf Kosten der Bayern, oder leben die Saarländer auf Kosten der Baden-Württemberger, ist jetzt beantwortet. Ich hätte jetzt fast gesagt, dass wir alle auf Kosten des Bundes leben.

(Zuruf Bürgermeister Dr. Sieling)

Nein, das stimmt natürlich nicht! Ich sage nur, dass die Wettbewerbssituation unter den Ländern etwas ist, das in der Vergangenheit auch die Solidarität unter den Ländern gefährdet hat. Die dauernden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, einmal von uns, einmal von den anderen, haben hiermit endlich ein Ende gefunden. Wir müssen unser Haushaltsgebaren nicht mehr gegenüber anderen Ländern rechtfertigen. Ich finde, es ist eigentlich für den Föderalismus der größte Erfolg, dass in Zukunft diese Finanzbeziehun gen ausschließlich vertikal ausgestaltet werden und nicht mehr auf der horizontalen Ebene der Länder in den Wettbewerb eingetreten werden muss. Ich finde, das ist ein großartiger Erfolg für den Föderalismus bei diesen Verhandlungen.

(Beifall CDU, FDP)

Deswegen bin ich, Frau Bürgermeisterin Linnert, etwas irritiert über die Stellungnahme der Mitglieder der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie sagen – und das finde ich erst einmal gut – in einer Pressemitteilung vom 14.10.2016, ich zitiere: „Wir werden die Reform nun im Bundestag kritisch sowie konstruktiv beraten.“ Das finde ich erst einmal gut,

(Zuruf Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen])

und das passt auch zu den Grünen.

(Heiterkeit CDU)

Dann heißt es aber weiter, ich zitiere: „Wichtig ist für uns, dass die verfassungsmäßige Anforderung, dass die Länder weiterhin solidarisch füreinander einstehen, Bestand hat.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn damit gemeint ist, dass es auch in Zukunft bei einem horizontalen Finanzausgleichssystem bleiben soll, dann, finde ich, ist das, was vereinbart worden ist, nicht im bremischen Interesse. Wir wollen, dass der horizontale Finanzausgleich im Interesse Bremens und im Interesse aller Länder endgültig beerdigt wird.

(Bürgermeisterin Linnert: Ist er doch!)

Ich hoffe, dass Bündnis 90/Die Grünen diesen Weg bei aller Kritik und Konstruktivität auch tatsächlich mitzugehen bereit ist. Ich finde, wenn man schaut,

wie viel Spielraum wir als Land gewinnen, dann muss man sagen, ja, es ist nicht die Lösung unserer Probleme, aber es ist geeignet, uns dabei zu helfen.

Die zweite Forderung des ehemaligen Bürgermeisters Jens Böhrnsen, dass wir nicht über statische Beträge mit dem Bund verhandeln sollen, hat sich leider nicht vollständig erfüllt. Die 400 Millionen Euro Sanierungs hilfe, die zukünftig gezahlt werden, sind statisch. Das heißt, sie atmen beispielsweise nicht im Hinblick auf die Konjunktur- und Zinsentwicklung, sondern sie sind festgeschrieben. Eine zusätzliche Atmungskom ponente enthält der weitere Entlastungsbetrag von 87 Millionen Euro, weil er umsatzsteuerabhängig ist. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass wir nach der mittelfristigen Finanzplanung der Finanzsenatorin allein im Jahr 2020 70 Millionen Euro Zinsen mehr für unsere Schulden ausgeben müssen als im Be rechnungsjahr 2016. Wer also glaubt, dass man mit 87 Millionen Euro Mehreinnahmen große Sprünge machen kann, den möchte ich darauf hinweisen, dass unsere Altschulden uns trotz des guten und zuverläs sigen Zinssicherungsgeschäftes der Finanzbehörde auch in Zukunft erhebliche Risiken bescheren. Es besteht die Gefahr, dass die 87 Millionen Euro durch die Neuaufnahme von Schulden und Änderungen am Zinsmarkt vielleicht schon aufgezehrt sind.

Fest steht, wenn es so kommt, wie es der Bürgermeis ter sagt, dass die 400 Millionen Euro auflagenfrei gezahlt werden, dann kann man sagen, dass ab dem Jahr 2020 wahrscheinlich neue Spielräume für die Haushaltspolitik entstehen. Nach der Lesart der CDU,

(Abg. Pohlmann [SPD]: Ja, nach der Lesart der CDU!)

und das sage ich ganz bewusst: Wir wollen die 400 Millionen Euro nicht für konsumtive Ausgaben, son dern ausschließlich zur Tilgung der Altschulden. Das führt aber natürlich dazu, dass wir durch die Senkung des Schuldenstandes Zinsen sparen. Bei zurzeit durch schnittlich drei Prozent könnten Spielräume von 12 Millionen Euro pro Jahr entstehen.

Für die CDU-Fraktion steht in diesem Zusammenhang aber auch fest, dass dieses Geld gleichzeitig nicht normal für irgendwelche konsumtiven Zwecke aus gegeben werden darf. Wir erwarten, dass dieses Geld zur Stärkung des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes Bremen investiert wird.

(Zurufe SPD)

Wir müssen bei der dramatischen Absenkung unserer Investitionsquote ab dem Jahr 2020 darauf achten, dass wir wieder in die Leistungsfähigkeit Bremens und Bremerhavens investieren. Wir wollen es ja aus eigener Kraft schaffen, unseren Haushalt wieder zu decken, und dafür brauchen wir wieder Investitionen in die Wirtschaftskraft und in Arbeitsplätze, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber nicht nur Ausgaben für konsumtive Zwecke.

(Beifall CDU – Abg. Frau Dr. Kappert-Gonther [Bünd nis 90/Die Grünen]: Man kann einen Euro nur einmal ausgeben!)

Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Finanzse natorin, wenn ich es richtig gehört habe, am vergan genen Freitag im Haushalts- und Finanzausschuss gesagt hat, wir verhandeln einmal mit dem Bund, ob wir nicht von den Wohltaten, die wir ab 2020 bekommen, schon einmal in den Jahren 2018 und 2019 ein bisschen im Voraus bekommen könnten. Diese Aussage stellt ja ein wenig das Versprechen, wir halten uns bis zum bitteren Ende an die Konso lidierungsvereinbarung, infrage.

Ich erwarte vom Senat, dass er zu dem, was im Grund gesetz und in der Konsolidierungsvereinbarung steht und sich auch entsprechend verhält. Das bedeutet, dass wir bis zum Jahr 2020 die Hilfen des Bundes haben wollen, und der Preis, den wir dafür bezahlen wollen und müssen, ist, dass wir bis zu diesem Jahr ohne neue Schulden auskommen müssen. Ohne neue Schulden, das heißt auch ohne Vorschüsse des Bundes! Wir wollen, dass die Voraussetzungen dafür geleistet werden, dass ab dem Jahr 2020 auch tatsächlich die Vereinbarung zur Umsetzung gelangt.

Ich will noch einen Punkt ansprechen, von dem ich glaube, dass wir bei diesem Punkt besonders wach sam sein müssen. Der Bürgermeister schließt aus dem Umstand, dass im Beschlusspapier nicht steht, dass die Sanierungshilfen nach Maßgabe der bisherigen Sanierungsvereinbarung gezahlt werden, dass das zutrifft. Ich habe gelernt, wenn etwas nicht in einer Vereinbarung enthalten ist, dann ist damit nicht zwangsläufig gewährleiste, dass das Gegenteil gilt. Es steht ja auch nicht in der Vereinbarung, dass die 400 Millionen Euro auflagenfrei gezahlt werden. Herr Bürgermeister, das steht ja nicht in der Vereinbarung. Es wird deswegen im Gesetzgebungsverfahren sehr darauf ankommen, darauf zu achten, ob und welche Bedingungen der Bund gegebenenfalls stellen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Fraktionen und der Bundesfinanzminister ohne Weiteres bereit sind, die zusätzlichen Zahlungen ab 2020 auflagenfrei zu geben. Es wird noch zu einem Kampf kommen, und ich sage Ihnen zu, dass wir selbstverständlich auch an Ihrer Seite kämpfen.

(Abg. Gottschalk[SPD]: Auch?)

Ich will aber an dieser Stelle auch sagen, bei dem Gesetzgebungsverfahren wird es ganz maßgeblich darauf ankommen, ob es uns gelingt, den künftigen Hilfen für unser Land wieder Verfassungsrang zu geben. Die bisherigen Sanierungshilfen stehen im Grundgesetz. Wir müssen gewährleisten, dass das zehnjährige Versprechen aus der Vereinbarung auch entsprechenden Verfassungsrang hat und nicht ein fach gesetzlich geändert werden kann.

Ich fasse aus der Sicht der CDU-Fraktion, meine sehr verehrten Damen und Herren, für uns zusammen: Das Ergebnis zwischen dem Bund und den Ländern hilft uns in Bremen – auch über das Jahr 2020 hinaus –, die Konsolidierung unserer Finanzen fortzuset zen. Es ist kein Grund zum großen Jubel, denn das drückendste Problem unseres Haushalts wird auch nach 2020 bestehen bleiben, nämlich der hohe Stand unserer Schulden und die damit einhergehende hohe Zinslast für die laufenden Haushalte.

Deswegen ist es erstens erforderlich, dass wir uns früh – aus meiner Sicht bereits jetzt – darauf verständigen, dass ab dem Jahr 2020 die Sanierungshilfe von 400 Millionen Euro nicht für den laufenden Haushalt verwendet, sondern ausschließlich zur Schulden tilgung eingesetzt wird. Zweitens: Wir erwarten, dass der Bund sich bis zum Jahr 2020, Recht und Gesetz entsprechend, an die strengen Auflagen der Konsolidierungsvereinbarung hält und den Bremer Sonderweg für die Haushalte 2016 und 2017 mit dem Verfassungsbruch des Neuverschuldungsverbotes beendet.

Drittens: Wir hoffen – und wir werden daran mitwirken –, dass bei den jetzt beginnenden Verhandlungen über den konkreten Wortlaut der Gesetzesänderun gen im Grundgesetz und den Bundesgesetzen auch tatsächlich Bremer Interessen bis auf den letzten Buchstaben gewahrt werden.

Wir haben die Hoffnung, dass mit dem Kompromiss zwischen dem Bund und den Ländern Bremen ein neuer Sanierungskurs eingeschlagen wird, bei dem es nicht nur darum geht, den laufenden Haushalt in Einklang mit der Verfassung zu bringen, sondern auch nachfolgende Generationen gerecht von der hohen Last unserer über Jahrzehnte angefallenen und an gehäuften Schulden zu befreien. Einen solchen Weg wird die CDU-Fraktion selbstverständlich jederzeit mitgehen. – Vielen herzlichen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Liess.

Herr Präsident, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Wesentliches Ergebnis des neuen Länderfinanzausgleichs ist die Anerkennung Bremens als eigenständiges Bundesland. Die uns zuteilwerdenden Besserstellungen gegenüber dem bisherigen Länderfinanzausgleich machen eine eigen ständige und eigenverantwortliche Politik möglich, und das ist durchaus viel. Es geht hier schließlich darum, ob wir in unseren beiden Städten selbstständig entscheiden können.