Protocol of the Session on November 10, 2016

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich betonen: Bremen ist immer selbstbewusst und mit guten Argumenten in die Verhandlungen gegangen. Wir haben frühzeitig eigene Vorschläge zur Neuord nung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen entwickelt und in den Verhandlungsprozess eingebracht, aber den Erfolg konnten wir nur erzielen, weil wir sehr früh Bündnispartner gesucht und gefunden haben. Der intensiven Zusammenarbeit und dem Austausch mit dem Saarland ist es wesentlich zu verdanken, dass Bremen seine Position im Ausgleichssystem nicht nur hat behaupten, sondern sie deutlich hat verbessern können. Das gemeinsame Vorgehen mit der saar ländischen Ministerpräsidentin Annegret KrampKarrenbauer, aber auch das enge Zusammenwirken unserer Finanzressorts in Bremen und im Saarland war ein Schlüssel zum Erfolg. Darum geht heute mein Glückwunsch und Dank auch in Richtung Saar.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Gleiches gilt für die enge Abstimmung mit den ande ren beiden Stadtstaaten und besonders mit Hamburg. Dessen Erster Bürgermeister, Olaf Scholz, hat eine zentrale Rolle in den Verhandlungen gespielt und Bremen nie aus den Augen verloren. Dafür danke ich ihm sehr.

Mein Dank gilt ganz ausdrücklich auch Jens Böhrnsen, der gerade das Bündnis mit dem Saarland schon vor vielen Jahren zu schmieden begonnen und wichtige Vorberatungen geführt hat.

Und mein Dank gilt meiner Kollegin Karoline Linnert, die ebenfalls seit vielen Jahren gemeinsam mit den Finanzministern und -senatoren der anderen Länder auf diese Einigung sehr intensiv und zielstrebig hin gearbeitet hat. Vielen Dank für diese kontinuierliche Arbeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Das Ganze ist aber nicht nur ein Verhandeln von Re gierungen, von Ministerpräsidenten, Finanzministern und -senatorinnen, sondern der Dank des gesamten Senats geht auch an die Kammern, die Wirtschaft, die Gewerkschaften und die Wissenschaft im Lande Bremen und an alle anderen, die unsere Bemühungen um einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen in den letzten Jahren begleitet und unterstützt haben. Wenn nicht alle so zusammengehalten hätten, dann hätten wir das nicht geschafft. Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Mit diesem Zusammenwirken der verantwortlichen Kräfte unseres Landes haben Bund und Länder un sere Selbstständigkeit erneut anerkannt. Das ist ein wesentlicher Kern, denn es gibt keine Forderungen, keine Debatten mehr über eine Neuordnung der Länder, die Auflösung kleinerer Länder oder andere unrealistische Fantastereien. Ja, mit diesem Ver handlungsergebnis haben wir die Grundlage für eine gesicherte und gestaltungsfähige Zukunft Bremens und Bremerhavens gelegt!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Selbstständigkeit unseres Bundeslandes ist aber kein Selbstzweck. Bremen ist nicht nur mit seinen Häfen als Tor zur Exportwelt von enormer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Bundesrepublik. In Bremerhaven werden der viertgrößte Container-Terminal und die größte überseeische Auto-Drehscheibe Europas betrieben. Mit unseren hoch modernen Häfen, dem internatio nalen Handel mit hochwertigen Spitzenprodukten, unseren Kompetenzen in der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau, den maritimen Technologien

ist unser Zwei-Städte-Staat der Motor für die wirt schaftliche Entwicklung im gesamten Nordwesten.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Dabei – das will ich hier noch einmal sehr ausdrücklich sagen – ist die wirtschaftliche Leistungskraft in Bre men in den letzten Jahren stärker gewachsen als im Bundesdurchschnitt. Bremen hat im ersten Halbjahr 2016 die zweitgrößte Steigerung des Bruttoinlandspro dukts pro Kopf direkt nach dem Bundesland Bayern.

Am Montag wurde die November-Steuerschätzung veröffentlicht. Die Steuereinnahmen für 2016 fallen in Bremen für Land und Stadtgemeinde voraus sichtlich höher aus als noch im Mai prognostiziert. Auch in den Folgejahren liegen die Ergebnisse über den Erwartungen: Allein für 2016 wird mit 108 Mil lionen Euro mehr gerechnet. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen, sie ist gestützt durch eine gute Entwicklung der Gewerbe- und Körperschaftsteuer einnahmen, aber auch weiterer Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich. Das alles, meine Damen und Herren, fällt nicht vom Himmel. Das ist das Ergebnis einer klugen Politik, die Unternehmensansiedlungen möglich gemacht hat, allein 150 neue Unternehmen in den letzten fünf Jahren! Wir hatten 5 000 neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigte im letzten Jahr, das ist auch ein politisches Ergebnis, aber vor allem eines von wirtschaftliche Aktivität, und ich bedanke mich bei allen, die dazu beigetragen haben!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, unsere Selbstständigkeit ist Garant dafür, dass wir exzellente Universitäten, Hochschulen, Wissenschafts- und Forschungseinrich tungen haben. Die wollen wir perspektivisch nicht nur halten, sondern wir wollen sie ausbauen! Sie ermöglichen uns, dass wir die Interessen Bremens und Bremerhavens auf vielen Ebenen unterstreichen und deutlich machen.

Mit der Einigung, die ich eben skizziert habe, ha ben wir nun endlich wieder eine finanzpolitische Perspektive, all diese Errungenschaften, Potenziale und Vorteile unseres Zwei-Städte-Staates auch für die kommenden Jahre abzusichern und auszubauen. Durch die Neuordnung der Finanzbeziehungen wer den wir ab 2020 neue Spielräume zur Konsolidierung unserer Haushalte, für ein Einwohnerwachstum, für eine positive wirtschaftliche Entwicklung und für Investitionen in die soziale Infrastruktur und in die Bildungsinfrastruktur gewinnen.

(Beifall SPD)

Der Senat hat sich das Ziel gesetzt, Bremen und Bre merhaven als wachsende Städte weiterzuentwickeln. Dafür wollen wir auch die gewonnenen finanziellen

Spielräume nutzen. Wir müssen durch eine voraus schauende Politik Wachstumsimpulse freisetzen.

Dazu wollen wir, wenn möglich, wieder stärker in vestieren in den Erhalt und die Fortentwicklung der Infrastruktur unserer beiden Städte, für eine wachsende Wirtschaft, attraktiven und bezahlbaren Wohnraum, gesunde Umwelt, in Wissenschaft und Forschung, Schulen und Kindergärten.

(Beifall SPD)

Wir wollen – und ich sage es sehr bewusst – und wir müssen das öffentliche Dienstleistungsangebot weiter modernisieren, effizienter und wirksamer gestalten sowie die Erbringung dieser Dienstleistungen ins gesamt verbessern.

Meine Damen und Herren, das finanzpolitische Ziel all unserer Entscheidungen und Handlungen ist zen tral. Es muss darin bestehen, unsere Finanzkraft und unsere Steuereinnahmen zu steigern. Nur so können wir nachhaltig das Gewicht unserer Schuldenlast reduzieren, unsere eigene Steuerkraft gegenüber un serer Zinslast verbessern und Schritt für Schritt mehr Handlungsfreiheit für den Abbau unserer Schulden erreichen.

Schon mit der Vorlage der mittelfristigen Finanzpla nung werden wir Anfang nächsten Jahres genau er das Maß der Spielräume für den ersten Teil der 2020er-Jahre beurteilen und hier im Hause ausführ lich beraten können. Wir müssen aber auch wissen – und Sie alle wissen es –, dass wir bis 2020 noch drei anspruchsvolle Jahre zu bewältigen haben. Bis 2020 ist noch ein gutes Stück der Wegstrecke der Konsolidierung zurückzulegen, auf der wir die weiter geltenden strikten Vorgaben der Schuldenbremse bewältigen müssen.

Das müssen wir, und das wollen wir, meine Damen und Herren, denn klar ist auch: Die erfolgte Eini gung ist auch der Tatsache zu verdanken, dass wir in den vergangenen zwei Jahrzehnten erhebliche Anstrengungen zur erfolgreichen Sanierung unserer Haushalte unternommen haben. Die Einigung schafft, wie gesagt, neue Perspektiven für unser Bundesland, und wir haben die realistische Aussicht, dass wir ab dem Jahr 2020 wirklich ohne neue Schulden die Zukunft gestalten können.

Meine Damen und Herren, noch sind wir nicht ganz am Ziel. Die weiteren Ausgestaltungen der Verständigung vom 14. Oktober werden noch intensive Diskussionen mit dem Bund erfordern, denn zu klären sind die of fenen Themen der Vereinbarung. Die Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder haben vergangenen Donnerstag erstmals dazu mit dem Bund beraten. Es geht um die neue Bundesfinan zierung von Bildung in finanzschwachen Kommunen. Damit wird endlich das unselige Kooperationsverbot aufgeweicht. Das ist ein großartiger Schritt!

(Beifall SPD)

Es geht um wichtige Neuerungen beim sogenann ten Unterhaltsvorschuss für die Kinder von Allein erziehenden. In Zukunft soll der Staat nicht mehr nur bis zum vollendeten zwölften, sondern bis zum achtzehnten Lebensjahr den Unterhalt vorstrecken, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt.

(Beifall SPD)

Diese Änderung wird am Ende auf Länderseite zu Mehrkosten führen. Über die noch ungeklärte Frage der Kostenaufteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen muss im Weiteren noch eine Einigung erzielt werden.

Meine Damen und Herren, ich bin auch sehr froh, dass wir als Länder einige gefährliche Änderungen, die der Bund in die Verhandlungen eingebracht hatte, abwehren konnten. So konnte verhindert werden, dass wir eine „Sozialgesetzgebung nach Kassenlage“ bekommen. Sie ist jetzt vom Tisch! Wenn es nach dem Bund gegangen wäre, dann hätten die Länder in ganz wesentlichen Bereichen der Sozialpolitik sogenannte Abweichungsrechte nach unten erhalten sollen. Es ist gut und wichtig, dass das verhindert werden konnte!

(Beifall SPD)

Die Länder sind aber auch auf Vorschläge des Bun des eingegangen. Dazu zählt beispielsweise die Verständigung, dass eine Infrastrukturgesellschaft geschaffen werden soll. Über die Ausgestaltung wird noch viel zu reden sein. Eines haben aber die Länder und auch Bremen deutlich gemacht: Es darf und wird in diesem Zuge keine Privatisierung unserer Autobahnen geben!

(Beifall SPD)

Weitere Themen betreffen die Stärkung der Bun desrechte im Bereich der Steuerverwaltung oder die erweiterten Kontrollrechte des Bundes bei der Mitfinanzierung von Länderaufgaben.

Meine Damen und Herren, die Reform wird Grund gesetzänderungen notwendig machen. Dies ist je doch angemessen und in meinen Augen auch der richtige Weg, um die föderalen Finanzbeziehungen zukunftsfest zu machen. Jetzt müssen zügig Gesetz gebungsverfahren eingeleitet und die notwendigen Verfassungsänderungen vorbereitet werden. Schon im Dezember will das Bundeskabinett hierzu Ent würfe beschließen.

Wir müssen und werden mit dem Saarland, aber auch den anderen Ländern sehr darauf achten, dass sich hier keine ungerechtfertigten Sonderregelungen für uns einschleichen. Angesichts der noch vor uns liegenden Aufgaben dürfen wir uns nicht auf dem

Erfolg der letzten Wochen ausruhen, denn nun gilt es, die Erfolge für die Freie Hansestadt Bremen auch in den entsprechenden Bundesgesetzen abzusichern. Dafür werden die Länder weiter geschlossen eintreten, und dafür wird dieser Senat sich mit ganzer Kraft ein setzen. Um das Ziel vollumfänglich zu erreichen und den Beschluss rechtsfest zu machen, sind aber auch der feste Wille und die Gemeinsamkeit aller Kräfte unseres Landes, der Kammern, der Gewerkschaften und der Wissenschaft notwendig.

Meine Damen und Herren, auch Sie, Ihre Fraktionen, Ihre Parteien sind gefordert. Ob Opposition oder Regierung, allen muss klar sein: Es geht um Bremen und Bremerhaven! Der Senat und auch ich persön lich setzen auf Ihren bedingungslosen Einsatz für unser kleines, freies, lebendiges und starkes Bundes land. Nutzen wir die Chance, stehen wir zusammen, schaffen wir gemeinsam Zukunft und sichern unsere Selbstständigkeit! Es lohnt sich! -Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Anhaltender Beifall SPD; Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Prä sident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter Bremer Kaufleuten gilt ein gutes Geschäft als besiegelt, wenn man sich die Hand darauf gibt. Nicht nur meine Erfahrungen in der Politik sagen mir, für mich zählt es erst dann, wenn die Tinte unter dem Vertrag trocken ist und die entsprechenden Geset ze im Gesetzblatt veröffentlicht sind. Deswegen ist meine erste Mahnung, meine sehr verehrten Damen und Herren: Freuen wir uns angemessen, aber nicht zu früh!

Die Hauptaufgabe wird in den nächsten Tagen und Wochen darin liegen, die Verständigung der Minister präsidenten mit der Bundesregierung einvernehmlich und im Sinne Bremens unter Dach und Fach zu be kommen. Dabei sage ich Ihnen, Herr Bürgermeister, die uneingeschränkte, vollständige und rückhaltlose Unterstützung der CDU-Bürgerschaftsfraktion zu. Wir wollen, dass diese politische Verabredung in allen Punkten auch tatsächlich Wirklichkeit im Ge setzgebungsverfahren wird!

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ja, wir haben hier im Parlament Lösungen disku tiert, die für Bremen besser gewesen wären als das, worauf sich am Ende verständigt worden ist. Ja, wir wissen, das größte Problem, das Bremen nach den vielen Jahren der Sanierung hat – ich lasse jetzt einmal diese parteipolitische Betrachtung, wer wel chen Sanierungsbeitrag geleistet hat, weg –, das existenzielle Problem, das Bremen hat, sind unsere hohen Schulden. Das Nachteilige an Schulden ist,

dass man sie verzinsen muss. Die meisten glauben auch, dass man Schulden zurückzahlen muss. Einige Länder tun das.

Bremen wird bis zum Jahr 2020 nicht in der Lage sein, Schulden zurückzuführen, anders als andere Länder und der Bund, sondern Bremen wird bis zum Jahr 2020 weitere Schulden aufnehmen. Nach der mittelfristigen Finanzplanung werden wir im Jahr 2020 über 21 Milliarden Euro Schulden haben. Das ist das, was die Zukunft unseres Landes in der Vergangenheit am meisten bedroht hat, und wenn man eine Bilanz ziehen will über das, worauf sich verständigt worden ist, muss man sagen: Für dieses Problem gibt es leider keine Lösung. Alle auch in Bremen entwickelten Ideen, dass es Bremen durch eine bundesweite Poollösung für die Schulden, durch eine Altschuldenregelung erleichtert werden kann, waren eigentlich von Beginn der Verhandlungen an vom Tisch. Außer Bremen hat es nicht viele Mitstreiter für eine solche Lösung gegeben. Das bedeutet bei aller Freude über die erzielten Verständigungen: Für das größte unserer Probleme gibt es leider kei ne Lösung, die der Bund oder die anderen Länder solidarisch finanzieren.

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommt es ganz entscheidend auf uns an. Für die Lösung der Altschulden werden wir keine Hilfen zur Tilgung bekommen. Deswegen ist es unsere Pflicht als Abgeordnete, die sich aus der Verpflichtung zur Gerechtigkeit auch künftigen Generationen gegen über ergibt, dass wir die Spielräume, die jetzt viel leicht im Jahr 2020 neu entstehen, dazu nutzen, um diesen riesigen Schuldenberg aus eigenen Kräften zurückzuführen. Unser Land wird nur dann dauer haft selbstständig und frei sein können, wenn wir von dieser enormen Last unserer Altschulden befreit werden, und das ist jetzt unsere Aufgabe. Deswegen sage ich für die CDU-Fraktion etwas deutlicher als Sie, Herr Bürgermeister: Wir erwarten, dass die 400 Millionen Euro Sanierungshilfe ab dem Jahr 2020 bis auf den letzten Cent zur Tilgung unserer Altschul den eingesetzt und nicht im laufenden Haushalt verschwendet werden!

(Unruhe SPD, DIE LINKE – Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Verschwendet?)