Protocol of the Session on November 9, 2016

Ich frage mich also, was Rot-Grün denn bisher ei gentlich unter Bildung versteht. Anscheinend etwas anderes als wir Freie Demokraten; und wir reden nicht von der weltbesten Bildung. Wir erfahren hier durch die IQB-Bildungsstudie, dass die Politik in Bremen nicht einmal die Mindeststandards erreicht hat.

(Abg. Güngör [SPD]: Geben Sie uns einmal ein Bei spiel, was wir versprochen und nicht erfüllt haben!)

Die Wahlplakate habe ich sehr genau vor Augen! Ich weiß, dass ich fassungslos davorstand, und es stand

„Gute Bildung für Bremen“ darauf. Ich finde nicht, dass diese Studie Bremen gute Bildung attestiert!

(Beifall FDP, CDU, ALFA – Abg. Güngör [SPD]: Das war jetzt überzeugend konkret, Frau Kollegin!)

Bremer Schülerinnen und Schüler landeten in fast allen geprüften Kategorien auf dem letzten Platz und weit unter dem Bundesdurchschnitt. Mich hat besonders das schlechte Abschneiden der vermeint lich starken Schülerinnen und Schüler erschreckt, ja, erschüttert. Trotz diverser Bemühungen bleibt Bremen das Schlusslicht, egal ob Bürgermeister Dr. Sieling, der leider heute bei diesem wichtigen Thema nicht dabei ist, wieder sagt, mit der Arbeit des Ressorts für Kinder und Bildung sei er zufrieden, nicht aber mit dem Ergebnis.

Die Schwachstellen sind bekannt: Beim Umbau des Ressorts ist bisher vieles auf der Strecke geblie ben. Die übereilte Umsetzung der Inklusion hat die Schulen vor eine Herkulesaufgabe gestellt, und die Großbaustellen an den Schulen werden nicht richtig angepackt. Jetzt versucht man wieder einmal, das schlechte Ergebnis auf den hohen Anteil von Migran ten und den sozioökonomischen Status der Bremer Schülerinnen und Schüler zu schieben. Das ist nun wirklich zu einfach. Kristina Vogt hat uns dazu ja auch einiges gesagt.

(Beifall FDP – Abg. Güngör [SPD]: Das ist nicht so einfach! Das sagt die Studie doch selbst! – Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Ja, aber man darf sich nicht darauf ausruhen! – Abg. Güngör [SPD]: Es ruht sich auch keiner darauf aus!)

Wir sind der Meinung, dass gute Bildung grundsätz lich keine Frage der Herkunft, sondern eine Frage der Ausstattung ist, und die ist in Bremen zum Teil katastrophal.

(Beifall FDP)

Wir haben zu wenige Lehrer, Sekretärinnen und Sozialpädagogen. Die materielle Ausstattung der Schulen ist schlecht, und die Gebäude sind oft in einem katastrophalen Zustand. Geld ist aber natür lich nicht der einzige Faktor, der im Bildungsbereich ausschlaggebend für gute Ergebnisse ist. Rufen Sie sich ins Gedächtnis, dass hinter Schule immer auch Menschen stehen! Lehrer und Schulleitungen leisten sehr viel außer der Reihe, und das verdient Aner kennung.

(Beifall FDP, CDU, DIE LINKE)

Ich persönlich habe diese Anerkennung immer ver misst. Ich habe nie erlebt, dass maßgebliche Politiker bei uns in der Schule waren, um zu sehen, warum wir Erfolge erreichten. Der einzige Bildungspolitiker – –.

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Frau Kohlrausch, das stimmt nicht!)

Ich rede von Bildungspolitikern, entschuldigen Sie! Gut, Senator Lemke war da, das muss ich sagen.

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Die Anerkennung ha ben Sie sehr wohl durch den Bildungssenator auch erhalten!)

Bei Senator Lemke, ja!

(Zuruf Abg. Frau Grotheer [SPD] – Abg. Frau Ahrens [CDU]: Klärt das doch außerhalb!)

Gerade das Personal an Schulen schafft die Atmosphä re, die Schülerinnen und Schüler für ein erfolgreiches Bildungsleben brauchen. Ich war über 20 Jahre lang Schulleiterin. Oft genug war ich daneben auch Se kretärin, Konrektorin, jahrelang sogar, pädagogische Mitarbeiterin und manchmal auch Hausmeisterin. Ich kann also den Unmut der Schulleiter voll und ganz verstehen, und ich möchte darauf hinweisen, wie wichtig die Schulleitungen für die Schulentwicklung sind. Ich bitte darum, dass man sie unbedingt einbe zieht, sich gerade auch Leuchtturmschulen wie zum Beispiel die Gesamtschule Bremen-Ost oder andere Schulen anschaut, mit den Schulen spricht und gute Beispiele übernimmt.

(Beifall FDP)

Mein Rat an Sie ist: Lassen Sie die Schulen in Ruhe und ermöglichen Sie den Lehrkräften, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren! Um den Schülerinnen und Schülern in Bremen die bestmöglichen Voraus setzungen für eine erfolgreiche Bildungsbiografie zu ermöglichen, denken Sie bitte daran, es kommt auf den Anfang an. Wir fordern einen Bildungsplan für den Übergang von der Kita zur Grundschule. Hier ist eine bessere Verzahnung dringend notwendig.

(Beifall FDP)

In der Grundschule ist der Fokus auf die Kernkom petenzen zu legen. Lesen, Schreiben und Rechnen sollte jedes Kind nach der Grundschule können.

(Beifall FDP)

Schreiben, wie man spricht, und die schleichende Abschaffung der Schreibschrift helfen den Schüle rinnen und Schüler hierbei nicht.

(Beifall FDP)

Weiter würde ich es sehr begrüßen, wenn es eine bessere Verzahnung des Englischunterrichts zwischen

der vierten und fünften Klasse gäbe. Hier wird viel Potenzial verschenkt. Ich fordere Sie außerdem auf, endlich auf überflüssige unterrichtsfremde Aktivitäten, wie zum Beispiel „Bremen räumt auf“, zugunsten von Unterricht zu verzichten. Diesen Luxus leisten wir uns auf Kosten unserer Kinder.

(Beifall FDP)

Bei der kommenden Evaluation des Schulsystems sollte auch die Qualität des Unterrichts und nicht nur das Schulsystem selbst beachtet werden.

Seit 70 Jahren tanzt die SPD in Bremen bildungspoli tischen Leistungslimbo. Wie tief soll denn die Stange noch gesetzt werden?

(Abg. Güngör [SPD]: Das ist ja wie an der Waldorf schule!)

Damit ist den Schülerinnen und Schülern nicht gehol fen. Viel zu lange wurde das Kerngeschäft, nämlich der Unterricht, vernachlässigt.

(Beifall FDP, ALFA)

Ich habe das Gefühl, dass die Schülerinnen und Schü ler im Land Bremen oft auch nicht genug gefordert werden. Das wirkt auf Schülerinnen und Schüler völlig demotivierend. An Schulen und auch in Be hörden und in der Politik sollte wieder klar werden, dass Leistung etwas Tolles und nichts Negatives ist.

(Beifall FDP, ALFA)

Herr Dr. vom Bruch hat ja ausführlich dazu gespro chen, und ich kann dem nur zustimmen.

Letztens hatte ich einen Kaffeebecher von Werder Bremen in der Hand. Auf dem stand:

(Abg. Frau Sprehe [SPD]: Bayern München!)

„Nicht die Mittel entscheiden über den Erfolg – es ist die Einstellung!“

Ich gebe dem nur eingeschränkt recht. Ich bin der Meinung, die Mischung macht es; denn auch eine motivierte Mannschaft aus der Kreisliga wird kaum gegen die Bayern ein Fußballspiel gewinnen. So ist es auch im Bildungsbereich.

(Unruhe – Glocke)

Unser Ziel ist die weltbeste Bildung für die Schülerin nen und Schüler im Lande Bremen. Daher fordern wir mehr Investitionen in Bildung, um den Unterrichts ausfall zu reduzieren, um mehr Lehrer und Personal einstellen zu können, um den fachfremden Unterricht durch Unterricht bei Fachlehrern zu ersetzen – dazu

zählt auch, dass niemand ohne Referendariat eine Klasse übernehmen sollte –, und die Inklusion so umzusetzen, dass sie allen gerecht wird. So kann die Schule auch wieder zu dem werden, was sie sein sollte: eine Institution, in der jede Schülerin und jeder Schüler die Chance bekommt, alles zu werden außer dumm. – Vielen Dank!

(Beifall FDP, ALFA)

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, begrüße ich recht herzlich auf der Besuchertribüne Herrn Professor Johannes Heil. Er ist Professor an der Universität Bremen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind jüdische Geschichte am Übergang von der Antike zum Mittelalter, die Ge schichte, Religion und Kultur der Juden in Europa in Mittelalter und früher Neuzeit, die ältere und moderne Historiografie zur jüdischen Geschichte sowie die politischen, kulturellen und religiösen Aspekte der jüdisch-christlichen Beziehungen. Er wird heute die Rede zur Reichsprogromnacht am Dechanatsmahn mal in der Dechanatstraße halten. – Seien Sie ganz herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ich muss festhalten, dass in bildungspolitischen Debatten ein deutlich anderer Zungenschlag vorherrscht als noch vor zwei, drei Jahren. Interessant finde ich insbesondere, wie unterschiedlich die beiden Redner der Koalition gesprochen haben. Herr Güngör hat eben etwas sehr Bemerkenswertes gesagt. Wenn man nämlich, worauf wir schon seit Jahren abstellen, sagt, man will den Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg entkoppeln, dann heißt das natürlich, dass man andere Unterstützungssysteme in Schulen bieten muss, in denen die Eltern kein Einkommen, keine Arbeit oder niedrig bezahlte Arbeit haben, in denen es multiple Herausforderungen gibt. Es ist völlig klar, dass diese Schulen ein ganz anderes System und Unterstützung in Pädagogik und Di daktik brauchen als Schulen in einem Stadtteil, in dem die Schülerschaft eher homogen ist und nicht 47 verschiedene Sprachen sprechen.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Wo gibt es das denn noch?)

Es gibt ganz große Unterschiede, selbst in Stadtteilen! In Gröpelingen gibt es Schulen, in denen die Schüler überwiegend entweder aus deutschen, aus türkischkurdischen oder arabischen Familien kommen, und eine Straße weiter, über die Heerstraße, sind es 47 Eingangssprachen. Das ist ein riesengroßer Unter