Es gibt ganz große Unterschiede, selbst in Stadtteilen! In Gröpelingen gibt es Schulen, in denen die Schüler überwiegend entweder aus deutschen, aus türkischkurdischen oder arabischen Familien kommen, und eine Straße weiter, über die Heerstraße, sind es 47 Eingangssprachen. Das ist ein riesengroßer Unter
schied, weil man natürlich im Bereich Förderung in einer Klasse, in der nur drei verschiedene Sprachen gesprochen werden, ganz andere Maßnahmen ma chen kann als in einer Klasse, in der vielleicht zehn verschiedene Sprachen gesprochen werden. Da muss man schulscharf hinschauen.
Herr Güngör hat eben etwas gesagt, das DIE LINKE immer gefordert hat, nämlich die Doppelbesetzung in diesen Stadtteilen und in diesen Ortsteilen. Manchmal sind es gar keine Ortsteile, sondern Quartiere in den Stadtteilen. Ich finde das sehr bemerkenswert, denn wir sind damit bei der letzten Haushaltsberatung noch gescheitert; und uns wurde im Armutsausschuss durch den Redner der Grünen, Herrn Dr. Güldner, gesagt, dass das eine schöne Forderung sei, aber leider nicht finanzierbar. Ich habe das sehr genau zur Kenntnis genommen – auch die Forderung, die Sie eben er hoben haben, dass wir endlich den Anschluss an die anderen beiden Stadtstaaten schaffen müssen. Das ist auch eine Forderung, die wir schon lange stellen. Ich bin insofern sehr erstaunt. Ja, das ist von dem Redner der CDU nicht genügend gewürdigt worden, weil es durchaus eine ganz neue Aussage ist, die ich hier von einem Redner einer Regierungsfraktion gehört habe. Ich hoffe natürlich auch, dass sich das in den nächsten Haushaltsberatungen tatsächlich niederschlägt.
Interessant fand ich auch, dass Herr Dr. Güldner das gemacht hat, was er immer macht: mir irgendwelche Sachen unterstellen, die ich nicht gesagt habe und die auch nicht gesagt worden sind!
(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Oh, wir erinnern uns an sehr viele Reden, Frau Vogt!)
Sie haben eben etwas ganz Gefährliches gemacht. Sie haben nämlich als einziger das Wort „bildungsfern“ in den Mund genommen, was aus gutem Grund, wahrscheinlich weder Herr Dr. vom Bruch, noch Herr Güngör, noch ich, noch Frau Kohlrausch in den Mund genommen haben, denn ich finde das eine unerträg liche Stigmatisierung von Kindern und deren Eltern. Ich hasse dieses Wort. Ich habe es in dieser soziologi schen Zuschreibung schon immer gehasst. Niemand von uns hat dieses Wort in den Mund genommen, insbesondere nicht im Zusammenhang mit Migration. Das haben Sie eben gemacht, und ich fand den Dreh, den Sie versucht haben, da hineinzubekommen, dass man Kindern mit Migrationshintergrund nur mehr Leistung abfordern muss und sie nicht entschuldigen darf, sehr bedenklich.
(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Mir war klar, dass Sie das nicht verstehen wollen! – Unruhe Bündnis 90/Die Grünen)
Das muss ich sagen, Herr Dr. Güldner. Genau das haben Sie eben gesagt. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen: Ja, wir haben ganz viele Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, deren Eltern selbst aus Elternhäusern kommen, in denen auf Bil dung sehr viel Wert gelegt wird, oder die zum Beispiel hier hingekommen sind, weil sie eben diese Bildung zu Hause nicht bekommen und ihren Kindern nicht gewährleisten können.
Das habe ich immer gesagt, Herr Dr. Güldner! Es gibt nämlich ganz große unterschiedliche Gruppen. Wir haben aber auch eine Armutsmigration. Wir haben zum Beispiel eine Migration aus Südosteuropa. Da haben die Kinder teilweise noch nicht einmal eine Schule besucht, wenn sie zehn Jahre alt sind, und das wissen Sie auch. Davor kann man doch nicht die Augen verschließen.
Dass diese Kinder eine andere Unterstützung brau chen und man ihnen nicht einfach nur sagen kann: „Ihr müsst ein bisschen mehr Leistungsbereitschaft zeigen, und dann klappt das schon“, das ist doch auch völlig klar, Herr Dr. Güldner.
(Beifall DIE LINKE – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das hat er überhaupt nicht gesagt! – Weitere Zurufe Bündnis 90/Die Grünen)
Das hat er schon gesagt. Er hat gesagt, der Migrati onshintergrund darf nicht als Entschuldigung dienen.
Ja, aber ich sage auch, Migrationshintergrund heißt doch etwas völlig Unterschiedliches und etwas ganz Differenziertes. Wo die Kinder von zu Hause aus – –.
(Unruhe Bündnis 90/Die Grünen – Glocke – Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Da sind wir wieder beim Hörverständnis!)
Wo Kinder und Jugendliche von zu Hause aus nicht die Möglichkeit hatten, eine Schule zu besuchen – das betrifft zum Beispiel viele Kinder aus Rumänien und Bulgarien –, brauchen wir natürlich eine ganz andere
staatliche Unterstützung. Das kann das Elternhaus doch gar nicht leisten! Das ist doch völlig unstrittig.
(Beifall DIE LINKE – Zurufe Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen] und Abg. Frau Dr. Kappert- Gonther [Bündnis 90/Die Grünen])
Da bin ich bei der Sprachförderung. Da geht es durch aus auch um den Mitteleinsatz, Herr Dr. Güldner. Wir haben im letzten oder vorletzten Jahr einen Modellver such an fünf Standorten durch die Deputation gehen lassen: Bessere Verzahnung von Kita und Grundschule, Sprachförderung. Ich kenne die ersten Entwürfe, die nicht uns als Bildungsdeputierten zugegangen sind, aber Ihnen als Deputierten der Regierungsfraktionen. In den ersten Entwürfen waren diese fünf Modell standorte noch mit zusätzlichen Mitteln hinterlegt, damit aus diesem Modellversuch überhaupt etwas Vernünftiges wird. Verabschiedet wurde dann aber eine Light-Version ohne zusätzliche finanzielle Mittel. Da kann man sich wieder überlegen, was bei diesem Modellversuch herumkommt. Natürlich geht es um Qualität, Herr Dr. Güldner. Aber man kann sie nicht zum Nulltarif erwarten, und die Leute arbeiten auch nicht ehrenamtlich.
(Beifall DIE LINKE – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das hat er auch nicht gesagt! Ihm das jetzt vorzuwerfen, ist schon unverschämt!)
In den letzten Jahren hatten wir es nun öfter, dass ich Vorlagen kenne, die das Ressort ursprünglich herausgegeben hat. Wenn ich mir anschaue, wie sie verändert wurden, wenn es um den Mittelein satz ging, dann frage ich mich, wie wir denn mit der durchgängig implementierten Sprachförderung vom Fleck kommen wollen, wenn man sie nicht ver nünftig finanziell hinterlegt, und zwar genau weil es inzwischen bessere Konzepte gibt, weil wir mit den Menschen aus der Praxis geredet haben und weil wir uns die Mühe gemacht haben, hinzuschauen: Was ist denn Best Practice? Welche Schule ist denn in welchem Bereich erfolgreich? Muss man vielleicht für eine Schule mit 40 Eingangssprachen andere Unterstützungssysteme haben als für eine Schule, an der nur drei unterschiedliche Eingangssprachen gesprochen werden? Damit haben wir uns doch jah relang beschäftigt.
Wenn es aber zum Schwur kommt, dass das dann umgesetzt wird, dann gibt es Deputationsvorlagen, die fünfmal durch Ihre Fraktion gingen – damals war noch Herr Kuhn Mitglied Ihrer Fraktion –, bis dieser Punkt „Mitteleinsatz“ herausgestrichen worden ist. Da sage ich: Qualität ja, aber nicht zum Nulltarif, sonst haben wir keine Qualität. Wir brauchen natürlich beides, wir brauchen Qualität und Quantität.
(Beifall DIE LINKE – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bünd nis 90/Die Grünen]: Das ist doch absurd, was Sie behaupten! – Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist aber eine starke Behauptung!)
Ich mache einen ganz konkreten Vorschlag. Vor zwei Tagen beziehungsweise gestern ging noch einmal durch die Medien, dass wir wieder einmal Mehreinnahmen in Höhe von 100 Millionen Euro haben. Es ging sofort der Streit darum los. Mir ist völlig klar, dass wir eine Sanierungsvereinbarung geschlossen haben, die wirklich schwierig ist, weil sie auf der Mai-Steuerschätzung basiert. Das wür de dazu führen, dass diese 100 Millionen Euro in diesem Haushalt nicht mehr zum Tragen kommen. Mein Vorschlag ist: Wenn wir es ernst meinen – ich habe Herrn Güngör so verstanden, dass er das ernst meint –, dass wir sagen, wir haben es nötig, uns um aufholende Entwicklung in den armen Stadtteilen zu kümmern, dann nehmen wir diese 100 Millionen Euro und schieben sie noch in diesem Jahr zumindest zu Immobilien Bremen, damit davon die Schulneu bauten bezahlt werden können. Ich finde, das Geld darf nicht in die Konsolidierung, sondern es muss in Bildung investiert werden, und es ist möglich, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich nehme Sie ernst. Sie haben heute wichtige Sachen gesagt, Herr Güngör. Ich nehme Sie ernst. Diese 100 Millionen Euro müssen noch in diesem Haushaltsjahr zumindest da investiert werden, wo es geht.
Wir haben gestern die Debatte um die fehlenden Grundschulen gehabt. Sagen wir schlicht und er greifend: Nehmen wir das Geld als Planungsmittel, damit wir vielleicht die sechs Grundschulen angehen können, die wir nötig haben! – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit einem solchen Ergebnis kann man nicht zufrieden sein, das muss man auch so scho nungslos sagen. Wenn wir feststellen, dass Bremens Schüler in den entscheidenden Kompetenzbereichen den letzten Platz haben, dann können wir nicht zu frieden sein, sondern wir müssen sagen: Das spornt uns an! Es muss uns anspornen.
Ich will aber auch noch etwas dazu sagen, wie diese Studie einzuordnen ist, weil es in der Debatte, vor allem als Frau Vogt das eingeführt hat, eine gewisse Schieflage gab. Es handelt sich um einen „Bildungs trend“. Der Bildungstrend versucht zu beschreiben,
Wenn man sich die Entwicklung anschaut, ist ja die Ursache dafür, dass es eine solche Studie gegeben hat, die PISA-Studie gewesen, in der man festgestellt hat, dass die Bundesrepublik Deutschland insgesamt und die Vielzahl der Länder innerhalb der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich besonders schlecht aussehen. Dann ist dieser „Bildungstrend“ entwickelt worden, um zu zeigen, in welcher Dynamik sich die Länder weiter fortentwickeln. Wenn man sich dann anschaut, wie die Ergebnisse sind, muss man feststellen: Ja, Bremen hat immer noch Leistungen, mit denen wir nicht zufrieden sind. Wir sind in vielen Kompetenzbereichen im Ländervergleich auf dem letzten Platz.
Ich will das nicht schönreden, aber wir müssen auch sagen, es gibt durchaus, wie bei vielen anderen Län dern auch, einen Entwicklungstrend nach vorn. Die Länder entwickeln sich nach vorn und verbessern sich. So auch Bremen! Das heißt, wir sitzen zwar immer noch im letzten Wagon, aber der Zug der Verbesserung der Leistungen der Schüler hat sich in allen Ländern in Deutschland in Bewegung gesetzt. Das ist wichtig, um das anzuerkennen, was in Bremen insgesamt schon geleistet worden ist.
Wenn man die Ergebnisse bewerten will, muss man natürlich klar sagen, die durchschnittlichen Kompe tenzwerte in den einzelnen Bereichen betrachtet sind außer im Hörverstehen Englisch jeweils im niedrigsten Bereich. Im Bereich Lesen haben wir aber gegenüber dem Bundesmittelwert zugelegt. Man muss der Wahr heit aber auch Rechnung tragen: Wir haben gerade beim Lesen insgesamt in der Bundesrepublik eine negative Entwicklung. Das ist sozusagen ein ganz herausragendes Phänomen bei dieser Studie. Das Lesen ist insgesamt schlechter geworden, so auch in Bremen.
Im Bereich Englisch können wir durchaus von einer Leistungszunahme sprechen. Da gibt es durchaus Verbesserungen, die anerkannt werden müssen. Klar ist aber, und das sagt auch diese Studie, die sozialen Risikolagen sind maßgebliche Ursachen dafür, warum wir zu solchen Ergebnissen gekommen sind. In dieser Studie selbst kommt dieser Begriff der „Bildungsferne“ zum Ausdruck, und darauf hat sich, glaube ich, auch Dr. Güldner in seiner Rede bezogen. Da haben wir in Bremen eben einen besonders hohen Wert. Sie können die Soziologen kritisieren oder das auch methodisch kritisieren, aber zunächst einmal debattieren wir hier eine Studie, die diesen Begriff eingeführt hat.
Bremen hat ebenso im Hinblick auf die Erwerbslosig keit und den Armutsfaktor besonders herausragende
Werte, das ist eine wichtige Ursache. Herr Dr. Güldner, natürlich wird auch der Faktor Migration in der Studie erwähnt. Migration ist ein Faktor, der in seiner logi schen Konsequenz – nach deren Beurteilung – dazu führt, dass es zu negativen Ergebnissen kommt. Die Studie wird aber noch differenzierter und sagt dann nämlich, dass man, so haben Sie das, glaube ich, auch ausdrücken wollen, bei den unterschiedlichen Herkunftsländern sehr unterschiedliche Ergebnisse feststellen kann.
(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Zum Beispiel in Englisch ist das sogar in einem positiven Zusammenhang!)
Es ist schon bemerkenswert, dass man feststellt, dass verschiedene Herkunftsländer ganz unterschiedliche Leistungsergebnisse haben und dass die Studie darauf hinweist, dass Bremen besonders viele Schülerinnen und Schüler aus Herkunftsländern hat, bei denen es besonders schwierig zu sein scheint, die Kompetenz werte zu erzielen.
Unser Problem ist also: Wir haben eine große Grup pe von leistungsschwachen Schülern und eine sehr kleine Gruppe im oberen Leistungssegment, und die Lernrückstände gegenüber den Erstplatzierten liegen dabei zum Teil bei über zwei Jahren. Das muss man so auch sagen. Letztlich müssen wir uns darüber Ge danken machen, welche Konsequenzen wir ziehen. Ich glaube, dass durch den Schulkonsens schon eine ganz wichtige Grundlage geschaffen worden ist, um das hinzubekommen.
Wir haben in Bremen seit vielen Jahren nicht mehr diese ideologischen Grundsatzdebatten über die Weiterentwicklung des schulischen Systems und haben damit auch mein Ressort in die Lage versetzt, kontinuierlich in eine bestimmte Richtung weiterzu arbeiten. Das muss man der Bremischen Bürgerschaft erst einmal zugutehalten. Ich finde, dass das schon eine gute Grundlage ist, um das weiterzuentwickeln.
Wir haben bereits eine ganze Menge an Qualitäts maßnahmen entwickelt, auf deren Grundlage wir weiterarbeiten müssen, und die Koalition hat sich damit beschäftigt, wie man mit Ressourcen umgehen will. Wir haben für Vertretungslehrer zusätzliche Ressourcen bereitgestellt, wir haben im Bereich der Inklusion zusätzliche Ressourcen bereitgestellt, und wenn es in einzelnen Handlungsfeldern noch Bedarfe gibt, muss auch darüber geredet werden.