Protocol of the Session on August 25, 2016

Herr Präsident, herz lichen Dank dafür! Ich hatte mich ziemlich zeitgleich mit Herrn Tsartilidis gemeldet und dachte, es wäre die Gepflogenheit, dann den Antragsteller zuerst zu Wort kommen zu lassen. Danke, dass das jetzt auch so erfolgen kann!

Meine Damen und Herren, wir haben es hier mit einem Thema zu tun, das den maritimen Standort Bremen und Bremerhaven stärken kann. Deswegen freue ich mich, dass die Gruppe ALFA das Thema mit ihrem Antrag auf die Agenda gesetzt hat, denn es ist wichtig, auch einmal die positiven Seiten und das, was diese Verhandlungen über das Freihandels abkommen bewirken könnten, exakt auf Bremen herunterzubrechen.

Wir haben uns immer für Verhandlungen über das Freihandelsabkommen ausgesprochen. Es ist noch nicht fertig. Falls Sie uns gemeint haben, wir haben nie gesagt, komme, was wolle, wir stimmen dem immer zu, sondern wir haben gesagt, wir brauchen Freihandel mit Amerika, ansonsten machen die Amerikaner das mit jemandem anderes und setzen weltweit Standards.

In diesem Fall können wir etwas Konkretes schaf fen, nämlich eine Marktöffnung des abgeriegelten amerikanischen Marktes der Schifffahrt inklusive der Reparaturbetriebe, und das stärkt nicht nur die Reeder in Bremen und Bremerhaven, sondern eben auch die Werften, die insbesondere in Bremerhaven angesiedelt sind.

Gerade hier können wir gemeinsam ein Zeichen setzen und sagen, wir wollen eine Marktöffnung und einen Wettbewerbsvorteil zugunsten amerikanischer Werften und amerikanischer Reeder entfernen und dafür einen gesunden Wettbewerb zwischen Europa und Amerika gewährleisten.

Wir werden uns zu Ihrem Antrag enthalten, denn Sie sprechen immer von einer Bremer Verhandlungspositi on. Bremen verhandelt nicht über TTIP, das macht die Europäische Kommission für die Europäische Union. Das Abkommen soll dann später, wenn es fertig ist, vielleicht noch in diesem Jahr oder auch nicht, je nachdem, aus welcher Warte man es betrachtet – –. Herr Gabriel bezweifelt es, aber vielleicht schafft die Europäische Kommission es ja in diesem Jahr, es für Deutschland zu verhandeln.

Wir müssen uns in Europa, in Brüssel, dafür einset zen und dort den Einfluss geltend machen für eine gemeinsame Verhandlungsposition der Europäischen Union und dann nicht nur mit den Bundesländern an der norddeutschen Küste, sondern mit allen eu ropäischen Ländern gemeinsam hier dafür streiten, dass dieses protektionistische Gesetz im Rahmen der TTIP-Verhandlungen abgeschafft wird.

Wir hoffen, erfolgreich zu sein. Wir bitten um Ihre Zustimmung! – Vielen Dank!

(Beifall FDP, SPD)

Damit es jetzt nicht zu Irritatio nen kommt: Vom anderen Antragsteller, der CDU, hat sich noch niemand zu Wort gemeldet, und deswegen erhält jetzt der Abgeordnete Tsartilidis das Wort.

(Abg. Eckhoff [CDU]: Das war sehr aufmerksam von Ihnen, Herr Präsident!)

Gern!

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir werden beide Anträge ablehnen, und ich möchte das auch gern begründen. Zum einen ist es so, dass die Abschaffung des „Jones Act“ schon Gegenstand der TTIP-Verhandlungen der Kommission und auch der Bundesregierung ist.

Zum anderen ist es so: Herr Professor Dr. Hilz, ich bin Ihnen ganz dankbar, dass Sie mir die Stichworte ge ben. Sie sagen ja, es handele sich um die Abschaffung eines protektionistischen Ansatzes und auch um die Chance, den Markt zu deregulieren, und das sei eine ganz großartige Chance. Ich bin seit der Finanzkrise in Bezug auf die Deregulierung von Märkten immer ein bisschen kritisch. Wenn ich mir einmal anschaue, wie meine eigene Partei zu den TTIP-Verhandlungen steht, dann muss ich sagen, wir haben eine kluge Position. Ich glaube, daraus lässt sich dann auch ableiten, warum man Ihren Antrag ablehnen muss.

(Beifall SPD)

Die SPD hat auf ihrem Konvent zum Punkt TTIP be schlossen, dieses Handelsabkommen nur mitzutragen, wenn es keine ökologischen Verschlechterungen, keine Verschlechterungen der Verbraucherrechte, keine Verschlechterungen der Rechte der Arbeit nehmerinnen und Arbeitnehmer geben würde, und die Frage der Schiedsgerichte ist auch ein großes Thema gewesen, um einige zu nennen. Auch in der Diskussion bei uns gibt es immer die Argumentation, es dürfe keine Verschlechterung geben. Nun kann ich aber auch ein Stück weit die amerikanische Seite und auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der amerikanischen Seite verstehen, denn sie müssten jetzt sozusagen ihre Situation verschlechtern.

Jetzt denken wir einmal kurz nach: Was kommt denn für die amerikanischen Werften im Gegenzug als Garantie, dass sich ihre Bedingungen nicht ver schlechtern, zu denen sie im Moment arbeiten? Sie bekommen nichts, und sie bekommen von Ihnen die Antwort „Wir brauchen einfach einen deregulierten Markt!“. Ich glaube, das ist keine gute Antwort, denn ich finde, wenn wir der Auffassung sind, dass dieses Freihandelsabkommen nicht nur abstrakte wirtschaftliche Vorteile hat, sondern auch Vorteile für die Menschen, dann müssen wir uns gemeinsam darauf einigen, welche Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, welchen Schutz wir eigentlich haben wollen.

Ich möchte Ihnen ein anderes Beispiel nennen, auch da haben Sie eine andere Position: Die Schiffsbeset zungsverordnung, über die wir gesprochen haben! Wir haben hier im Parlament dafür gestritten und gesagt, wir wollen nicht, dass deutsche Schiffe unter deutscher Flagge mit weniger deutschen Kapitänen, Ingenieuren, Technikern und so weiter ausgestattet werden.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Wir finden das richtig, weil es darum geht, unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter ver nünftigen Bedingungen arbeiten zu lassen.

(Glocke)

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Dr. Hilz zulassen?

Wenn ich gleich noch Zeit habe, einen kleinen Moment noch, ich bin auch gleich am Schluss!

Wir müssen uns also darauf einigen, dass wir insge samt eine Angleichung der Verhältnisse auf einer Ebene bekommen, aber uns nicht sozusagen die guten Parts aussuchen, die wir dort weghaben wollen, und umgekehrt. Wir müssen zusehen, dass sich die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die protektionistischen Elemente auf beiden Seiten eben auch in allen Fragen angleichen. Dazu wäre es vielleicht ganz sinnvoll, wenn man einmal die Vorstellungen der Gewerkschaften, auch die Vorstellungen der ILO, berücksichtigen würde. Dann könnte daraus vielleicht auch ein Schuh werden.

Stellen Sie doch bitte Ihre Frage, Herr Professor Dr. Hilz!

(Heiterkeit)

Herr Professor, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Tsartilidis, sind Sie denn der Mei nung, und verstehe ich Sie richtig, dass die Arbeiter in den Werften und den Hafengebieten in Amerika bessere Arbeitsbedingungen vorfinden als die deut schen Kollegen?

Das kann ich erst einmal nicht beurteilen, aber wenn wir die Situation bei uns in Bremerhaven, gerade in der Lloyd Werft, sehen, dann stellen wir ja fest, wie wichtig es ist, eine gleich mäßige Auftragslage zu haben. Wenn Sie jetzt von einer Deregulierung der Märkte sprechen, dann ist

es für die amerikanischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer garantiert eine Verschlechterung, da ihnen die bisher sicheren Aufträge wegfallen würden.

(Abg. Schäfer [ALFA] meldet sich zu einer Zwi schenfrage.)

Ich finde es auch nicht gut, dass sie sich vielleicht auf diese Position zurückziehen, dennoch kann ich deren Position verstehen und bin für eine generelle Angleichung der Bedingungen.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Danke schön!)

Insofern werden wir beide Anträge ablehnen, und ich freue mich auf die Begründung der CDU. – Vie len Dank!

(Beifall SPD)

Herr Schäfer zur Kurzinter vention!

Es war eigentlich keine Kurzin tervention, es wäre nur eine Zwischenfrage gewesen, ob der geschätzte Kollege ernsthaft meint, dass die Interessen der amerikanischen Arbeitnehmer im Zweifelsfall denen der Bremerhavener Arbeitnehmer vorzuziehen sind.

(Abg. Tsartilidis [SPD]: Wir nennen das internati onale Arbeiterbewegung! Ich weiß nicht, wie Sie das nennen!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich gestehe freimütig, dass diese beiden Anträge auch mir zu mehr Bildung verholfen haben, weil ich natürlich auch erst einmal nachsehen musste: Was, zum Teufel, ist eigentlich der „Jones Act“?

(Heiterkeit – Abg. Frau Grotheer [SPD]: Das haben wir alle gemacht!)

Das ist klar! Ich wusste es vorher wirklich nicht, und dann habe ich es mir durchgelesen. Es steht da, dass die Amerikaner seit dem Jahr 1920 sagen, erstens: Wir wollen sozusagen eine eigene Schiffsindustrie und eigenes Know-how im Schiffbau behalten. Das haben sie damals gemacht, weil sie davon ausgegangen sind, in Zukunft weitere Kriege zu führen. Ich finde diesen Begründungszusammenhang eigentlich eher nicht so richtig. Nur die Tatsache, dass man als Land

ein gewisses technisches Know-how und so weiter behalten will, finde ich in Ordnung.

Dann haben sie gesagt, okay, wir reden über den Handel zwischen amerikanischen Häfen, also nicht etwa zwischen Europa und Amerika, sondern über die amerikanischen Häfen, Binnenhäfen und Seehäfen. Das soll durch amerikanische Schiffe erfolgen, also Schiffe, die in Amerika gebaut worden sind, Schiffe, die von amerikanischen Kapitänen gefahren werden und deren Besatzungsmitglieder maximal 25 Prozent Nichtamerikaner sein sollen.

Jetzt kommt jemand und sagt, dass es, wenn man das abschafft, sozusagen deutsche Reedereien be günstigt werden, und in Bremerhaven werden dann Arbeitsplätze geschaffen.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Hoffen wir! Hoffen wir!)

Ja, eben! Ein bisschen ist die Frage: Wie soll das gehen?

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Schiff herein, Schiff reparieren, Schiff heraus!)

Erstens gehe ich davon aus, dass dann in Amerika etwas Ähnliches passiert wie in Deutschland, dass nämlich kaum noch ein deutsches Schiff unter deut scher Flagge fährt und wir sehr handfest darum rin gen müssen, wenigstens einen kleinen Teil der dort vorhandenen Arbeitsplätze irgendwie für deutsche Matrosen zu sichern. Darüber reden wir die ganze Zeit, und es wird dort einen ähnlichen Effekt geben. Ich bin relativ sicher, dass bei der Frage, wo wir eigent lich reparieren lassen und welche Schiffe da fahren, zumindest deutsche Reedereien nicht zwingend an erster Stelle genannt werden, aber selbst wenn das so wäre: Um welchen Preis passiert das dann?

Das passiert dann um den Preis, dass möglicher weise bessere Arbeitsbedingungen, wie sie jetzt auf Schiffen vorhanden sind, die von deutschen Reedern betrieben werden, ersetzt werden durch schlechtere Bedingungen. Ich habe noch einmal nachgerechnet, wir diskutieren dabei über sechsstellige Eurobeträge, wenn wir diskutieren, was billiger ist, ein ausgeflagg tes Schiff oder ein Schiff unter deutscher Flagge. Dieser Kostenvorteil entsteht nicht dadurch, dass sie schneller fahren, besser im Wasser liegen oder we niger Treibstoff verbrauchen, sondern einfach durch die Tatsache, dass die Menschen, die dort arbeiten, viel zu wenig Geld für ihre Arbeit bekommen.