Das passiert dann um den Preis, dass möglicher weise bessere Arbeitsbedingungen, wie sie jetzt auf Schiffen vorhanden sind, die von deutschen Reedern betrieben werden, ersetzt werden durch schlechtere Bedingungen. Ich habe noch einmal nachgerechnet, wir diskutieren dabei über sechsstellige Eurobeträge, wenn wir diskutieren, was billiger ist, ein ausgeflagg tes Schiff oder ein Schiff unter deutscher Flagge. Dieser Kostenvorteil entsteht nicht dadurch, dass sie schneller fahren, besser im Wasser liegen oder we niger Treibstoff verbrauchen, sondern einfach durch die Tatsache, dass die Menschen, die dort arbeiten, viel zu wenig Geld für ihre Arbeit bekommen.
Ich finde, man kann darüber nachdenken, dass man das eigentlich nicht will. Man will das auch nicht für amerikanische Seeleute, denn wenn es für sie nicht gilt, heißt das noch lange nicht, dass wir etwas davon haben, sondern für uns bleibt es eher genauso wie vorher. Deswegen finde ich einen Ansatz, den „Jones Act“ zu streichen, völlig falsch, und ich unterstütze meinen Vorredner, Herrn Tsartilidis, sehr deutlich
darin, dass wir sorgfältig überlegen müssen, ab wann es Protektionismus ist und ab wann Arbeitnehmerin nen- und Arbeitnehmerrechte betroffen sind, die wir verteidigen.
An dem Punkt ist es so, dass wir mit den USA gern – übrigens getrennt von TTIP, das würde ich besser finden – darüber reden können, unter welchen Bedin gungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eigentlich Seehandelsverkehr stattfindet, und dann kann man schauen, ob man zu einem Austausch kommt und sagt „Passt einmal auf, reparieren könnt ihr eure Schiffe hier in Bremerhaven!“, darüber kann man gern reden, aber stumpf zu verlangen, den „Jones Act“ abzuschaffen, das finde ich schon deswegen dumm, weil es mit Sicherheit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schadet.
Es gibt einen zweiten Punkt, den man in dem Zu sammenhang, glaube ich, nicht bedacht hat: Wenn wir von den Amerikanern fordern, ihren „Jones Act“ abzuschaffen, dann könnten möglicherweise die Amerikaner fordern, den Lohnsteuereinbehalt oder die Tonnagesteuer hier abzuschaffen. Wir betreiben ja auch eine Form von Protektionismus, indem wir jährlich mit ungefähr 60 Millionen Euro sozusagen subventionieren, damit es weiterhin Schiffe unter deutscher Flagge gibt, deutsche Kapitäne und Men schen, die in Deutschland ausgebildet wurden, um auf diesen Schiffen fahren zu können. Ich bin sicher, dass die Amerikaner das wissen, und ich bin auch ganz sicher, dass sie, wenn sie aufgefordert werden, den „Jones Act“ abzuschaffen, ihrerseits dazu auffordern, den Lohnsteuereinbehalt und die Tonnagesteuer auch abzuschaffen. Dann haben wir eine Situation, die Sie, glaube ich, nicht wollen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Ich kann mich Herrn Rupp anschlie ßen, auch ich habe durch diesen Antrag viel Neues gelernt. Sie sind also nicht der einzige Abgeordnete.
Wir Grünen sind auch zu dem Schluss gekommen, beide Anträge heute abzulehnen. Lassen Sie mich das kurz begründen!
Am 14. Juni 2013 erteilte der EU-Ministerrat der Europäischen Kommission das Mandat für die Auf nahme der Verhandlungen mit den USA über ein bilaterales Freihandelsabkommen. Das Abkommen soll den Marktzugang für Güter, Dienstleistungen, Investitionen und die öffentlichen Auftragsvergaben regeln und vor allem vermeintliche regulatorische
Handelsabkommen zwischen der EU und Drittstaaten bieten aber nur dann eine Grundlage für wirtschaft liche Erfolge und faires, nachhaltiges Wirtschaften, wenn die Rahmenbedingungen klar benannt sind und auch transparent verhandelt werden. Grundlegende Prinzipien wie das Vorsorgeprinzip dürfen dabei nicht als Verhandlungsmasse gelten.
Die Kritik der Grünen an TTIP richtet sich vor allem gegen die Intransparenz der Verhandlungen und den Abbau sogenannter nicht tarifärer Handelshemmnisse, weil dies einen Abbau von Umwelt-, Verbraucher schutz- und anderen Standards bedeuten könnte.
Um es noch einmal deutlich zu sagen, meine Damen und Herren: Wir Grünen wollen TTIP nicht, deswegen kann man auch den „Jones Act“ nicht im Paket – wie Sie es in Ihren Anträgen formulieren – mitverhandeln.
Ich möchte keine Zwischenfrage zulassen, Herr Professor Dr. Hilz. Bitte haben Sie Verständnis dafür!
Dass man über die Abschaffung des „Jones Act“ reden muss, ist für uns Grüne klar. Auch in den USA gibt es im Übrigen immer wieder Diskussionen über den Fortbestand des „Jones Act“. Kritiker bemängeln zum Beispiel, dass dieser zu einer großen Innovationskrise der US-Schiffbauer geführt hat.
Ich glaube, wenn diskutiert wird – und Diskussions bedarf besteht ja auf beiden Seiten –, ist das eine gute Voraussetzung, um zu verhandeln, nur können und müssen die Verhandlungen unserer Ansicht nach an anderer Stelle geführt werden, nämlich unabhängig vom Freihandelsabkommen.
Aus diesen von mir genannten Gründen werden wir beide Anträge ablehnen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal wäre es gut gewesen, wenn man das Thema vielleicht doch im Vorfeld noch einmal intensiver diskutiert hätte, denn der „Jones Act“ war hier ja offenbar bis vor ein paar Wochen oder Monaten relativ unbekannt.
Ich habe das Vergnügen gehabt, in den letzten Jahren in den USA unter anderem auch zu diesem Thema zu sprechen, weil der „Jones Act“ natürlich auch im Offshore-Windbereich ein enormes Problem darstellt. Die amerikanischen Werften haben gar keine Schiffe gebaut, um zum Beispiel große Offshore-Windparks vor der Küste der USA zu errichten. Schiffe, die zum Beispiel in Polen oder in anderen Ländern gebaut worden sind, dürfen aber nicht eingesetzt werden beziehungsweise dürfen nur unter der Voraussetzung von Umgehungstatbeständen des „Jones Act“ in den USA verwendet werden.
Man sucht dort im Moment nach Ausnahmemög lichkeiten, zum Beispiel per Feeder Barge, die Parks vor den Küsten der USA zu beliefern. Das Schiff würde dann aus Europa kommen, niemals einen amerikanischen Hafen anlaufen, um dann wieder zurück nach Europa zu fahren, und man würde diese Feedertätigkeiten auf anderen Schiffen vornehmen. Dies führt zu erheblichen Kostensteigerungen beim Aufbau etwa von Offshore-Windparks. Wer weiß, dass die Logistikkosten etwa 30 Prozent der Kosten für Windparks ausmachen, der weiß auch, dass dies für alle amerikanischen Stromkunden bedeutet, dass der Offshore-Wind in den USA teurer wird, und zwar aufgrund des „Jones Act“.
Man kann aber noch Weiteres anführen. Als Deep water Horizon explodierte, hat die norwegische Regierung angeboten, mit Spezialschiffen bei den Löscharbeiten und den Arbeiten am Leck zu helfen. Das wurde nicht genehmigt! Wochenlang floss Öl in den Golf von Mexiko, und den Norwegern, die aufgrund ihrer Erfahrungen im Öl- und Gasgeschäft über ein sehr hohes Know-how verfügen, war es nicht gestattet, ihre Schiffe dorthin zu schicken, um dieses Leck zu beseitigen.
Die amerikanischen Werften sind in aller Regel völlig veraltet. Die Schiffe, die dort gebaut werden, sind weit von europäischen Standards entfernt. Dies sind Folgen des „Jones Act“. Natürlich kann man sagen, es ist toll, dass auf diesen verrotteten Werften der Werftarbeiter 60 Dollar Stundenlohn bekommt, weil der Markt in den USA geschützt ist. Ich habe dazu, ehrlich gesagt, eine ganz andere Auffassung, meine Damen und Herren von der Koalition und von der LINKEN. Ich glaube, dass das nicht weiterhilft.
Wozu hat es geführt? In amerikanische Werften wurde in den letzten Jahren kaum noch investiert. Im Golf von Mexiko wird fast der gesamte Service nicht aus den USA betrieben, sondern mit Billigarbeitern aus Mexiko oder aus Karibikstaaten, weil sich natürlich auch die amerikanischen Unternehmer überlegt haben, da, wo es Sinn ergibt, Serviceeinheiten in Mexiko zu stellen. Sie versorgen den Golf dann von den mexikanischen Häfen aus, weil der „Jones Act“ dort nicht greift.
Weil ja auch Bremerhaven hier eine wichtige Rolle spielt: Dazu gibt es eine schöne Geschichte, es ist
ja einmal die „Pride Of America“ im Dock so halb gesunken und so halb fertig gebaut worden. Sie wird mittlerweile als Kreuzfahrtschiff vor Hawaii einge setzt. Es musste in den zuständigen Ausschüssen des US-Repräsentantenhauses und den entsprechen den Ministerien darüber beraten werden, ob sie das überhaupt darf! War das ein Schiff, das aufgrund der Tätigkeiten, die in Bremerhaven ausgeübt wurden, nach dem „Jones Act“ überhaupt diese Route fahren durfte? Andere amerikanische Kreuzfahrtschiffe ma chen häufig einen Service Stopp – so nennt sich das dann – für zwei Stunden in Tijuana, Mexiko, um dann überhaupt wieder amerikanische Häfen anzufahren.
Also, meine Damen und Herren: Der „Jones Act“ ist wirklich veraltet, er ist abstrus. Er hat dazu ge führt, dass die amerikanischen Werften veraltet sind, und das hat nicht nur etwas mit den Löhnen zu tun, sondern das hat auch etwas mit technologischen Entwicklungen zu tun.
Wenn zum Beispiel Hillary Clinton gewählt wird, hat sie ein großes Problem, weil die Infrastruktur gar nicht vorhanden ist, um die Energiewende in den USA voranzutreiben.
Deshalb wäre es für uns eine riesige Chance, wenn der „Jones Act“ abgeschafft würde, nicht nur für die Handelsschifffahrt, sondern auch für Spezialschiffe. Ehrlich gesagt, mir liegt der Arbeitnehmer auf den Bremerhavener Werften deutlich näher als der auf Werften in Louisiana oder in Texas! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bremen profitiert als Hafen- und Handelsstandort mit einer sehr intensiven internationalen Vernetzung von einem freien und liberalen Handel.
Dementsprechend befürwortet der Senat auch stets die Bemühungen zum Abschluss der sogenannten Doha-Runde. Die Doha-Runde beschäftigt sich näm lich damit, den internationalen Welthandel insgesamt zu fairen und gleichen Bedingungen zu ermöglichen. Diese Bemühungen kommen immer wieder ins Sto cken, es gibt sie seit vielen Jahren. Sie wären für das Lösen des Knotens hilfreich, und sie wären auch für uns gut, weil sie nämlich dazu führen, dass man zu fairen und einheitlichen Bedingungen Welthandel betreiben darf. Wir kämen damit weg von solch einem Protektionismus.
Ich muss zugeben, ich bin ein bisschen überrascht über die Debatte, weil diese klare Form des Protek
tionismus, wie sie beim „Jones Act“ deutlich wird, tatsächlich verhindert, einen schnellen, fairen und freien Handel zu ermöglichen.
Das tut mir leid! Das Problem ist: Sobald ein Hafen angelaufen wurde, darf kein zweiter Hafen mehr angelaufen werden. Das ist für uns als Schifffahrts standort natürlich eine schwierige Debatte.
Gleichwohl beinhaltet dieser Act auch die Sicherung von Arbeitnehmerrechten, das ist ein Punkt, den wir natürlich sehr ernst nehmen wollen und müs sen. Deswegen ist es auch aus unserer Sicht umso wichtiger, und dafür setzt sich der Senat auch ein, dass multilaterale und multinationale Abkommen ermöglicht werden. Eines davon ist zum Beispiel TTIP, über das lang verhandelt wurde und immer noch verhandelt wird. Ob TTIP jemals zum Abschluss kommt? Das scheint im Moment tatsächlich ausge sprochen schwierig zu sein. Das hat verschiedenste Ursachen.
Wir müssen vor allem anerkennen, dass wir bei den Hauptforderungen im Moment noch nicht in der Si tuation sind, überhaupt genau zu wissen, was darin steht, das betrifft die Transparenz, die Schiedsge richte, die Standards. Es ist nicht ganz richtig, dass kein Mensch das wüsste, beispielsweise können alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages sehr wohl alle Papiere ansehen.
Dennoch, der Zeitrahmen, den man sich ursprünglich gesetzt hat, wird aktuell nicht eingehalten. Die Wahlen in den USA stehen bevor. Dass man vor den Wahlen noch zu einem Abschluss kommt, ist wahrscheinlich rein technisch gar nicht mehr möglich. Inwieweit sich im Anschluss noch weitere Verzögerungen ergeben, wird man sehen.
Ich will aber auch noch einmal betonen, dass der Senat sehr wohl soweit unterstützt, wie es seine Möglichkeiten zulassen, dass wir bei solchen Handels abkommen insgesamt weiterkommen, zum Beispiel im Bundesrat, bei den Fachministerkonferenzen, mit dem Bundeswirtschaftsministerium et cetera. Das gilt gleichermaßen auch für CETA, das Abkommen, das mit Kanada vereinbart werden soll.
Ich will neben dem „Jones Act“ auch noch einmal einen Erfolg ansprechen, den wir im Hinblick auf das Containerscanning erzielt haben. Die USA hatten eine Richtlinie herausgegeben, nach der jeder Con tainer, der nicht aus den USA kam, am Abfahrtsort gescannt werden musste, um sicherzustellen, dass darin keine illegalen Inhalte waren. Das ist ebenfalls ein Problem, ein echtes Handelshindernis, weil das kaum leistbar ist. Gerade an einem solchen Standort wie Bremerhaven, der für das USA-Geschäft im Con tainerbereich von so eklatanter Bedeutung ist, ist das kaum leistbar. Wir haben immerhin erreicht – das hat nicht Bremen allein erreicht, sondern das haben viele
gemeinsam erreicht, aber Bremen hat das natürlich sehr unterstützt –, dass wir hier weitergekommen sind und beim Thema Containerscannen mehr Luft gewonnen haben.
Meine Damen und Herren, dementsprechend glaube ich, die Abschaffung des „Jones Act“ zu fordern, wird uns an der Stelle überhaupt nicht weiterbringen. Bremen wird da die geringsten Einflussmöglichkeiten haben, überhaupt ein Stück weiterzukommen. Wir treten sehr dafür ein, weltweit faire, vernünftige Han delsbedingungen zu haben, damit unsere wichtige Bedeutung als Hafen- und Handelsstandort erhalten bleibt. – Vielen Dank!