Protocol of the Session on May 26, 2016

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Hilz. – Entschuldigung, ich habe Sie nicht gesehen! Das tut mir leid. Sie können sich zu einer Kurzintervention melden.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielleicht versuche ich noch einmal, mit zwei Ansätzen etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Offensichtlich ist nicht klar, was hier zur Abstimmung steht. Frau Grönert, wir stimmen nie über den Prosatext, sondern immer über den Beschlussvorschlag ab. Den wollen wir mit unserem Änderungsantrag etwas differenzieren, auf eine rechtsstaatliche Basis stellen. Wir wollen hinsichtlich der Einschränkung sozialer Grundrechte, wie Sie schreiben, und weiterer Spekulationen, die Sie mit der Obdachlosigkeit und Verelendung anführen, auf eine rechtsstaatliche Basis kommen.

Zu den Ansprüchen nach SGB II und SGB XII, die Sie, meine Damen und Herren von der Koalition und den LINKEN, im Einzelfall geprüft haben wollen! Natürlich ist eine Einzelfallprüfung möglich, aber immer auf Antrag dessen, der das auch geprüft haben will. Eine pauschale Prüfung aller Einzelfälle in diesem Fall halten wir für falsch. Deswegen haben wir das herausgestrichen.

(Zuruf Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen])

Aus unserer Sicht ist aber der größte Punkt, nicht wie Sie zu fordern, dass sich der Senat gegenüber dem Magistrat „nachdrücklich dafür einsetzen soll, dass“, sondern wir halten es für wichtig, dass der Senat den Magistrat dabei unterstützt. Der Magistrat ist ein souveränes Organ einer Kommune. Das soll er auch bleiben. Bisher haben wir nicht den Eindruck, dass der nachdrückliche Einsatz des Senats für die Aufklärung notwendig ist. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Herr Kollege Timke, ich gebe Ihnen das Wort zu einer Kurzintervention.

Herr Präsident! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil Frau Böschen eben mitgeteilt hat, dass sie es sehr stringent findet, dass man sich in Bremerhaven jetzt um Aufklärung bemüht. Frau Böschen, ich finde es überhaupt nicht stringent, wenn der Magistrat über ein Jahr lang von diesen Vorfällen Kenntnis hatte und die Stadtverordnetenversammlung sowie die anderen Gremien, die entsprechenden Ausschüsse, beispielsweise den Sozialausschuss, nicht über diese Vorfälle informiert hat. Das ist für mich keine Aufklärung. – Vielen Dank!

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Stahmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! Einigkeit besteht darüber, dass die Vorgänge in Bremerhaven aufgeklärt werden müssen. Ich habe auch allen Redebeiträgen entnommen, dass es um eine lückenlose Aufklärung gehen muss, auch um für die Zukunft daraus zu lernen, wie die öffentliche Hand um Gelder durch solche Konstrukte, wie sie in Bremerhaven gewählt wurden, betrogen werden kann. Vor allen Dingen ist es deswegen so wichtig, um Menschen in Europa – wir stehen zur Freizügigkeit – davor zu schützen, Opfer von solchen Betrügern – Halunken, auf gut Deutsch – zu werden.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Der Ausdruck „moderner Menschenhandel“ ist gefallen. Es fallen einem selbst im Kopf noch andere Begriffe ein, wenn man hört, dass es um Prostitution

und Zwangsprostitution, auch um das wissentliche Erschleichen von Sozialleistungen geht. Ich sehe es so, das ist jetzt meine Beobachtung aus Sicht von Bremen, dass wir es mit der freiesten Kommune Deutschlands, mit Bremerhaven, zu tun haben. Es ist auch Teil dieser Debatte, wie weit die Befugnisse des Senats gehen, wo das Heft des Handelns für Bremerhaven beginnt. Ich erlebe es so, dass die Bremerhavener Kolleginnen und Kollegen dabei sind, die Vorkommnisse aufzuarbeiten.

Die Fraktion der LINKEN hat an den Senat eine Große Anfrage gerichtet, die in der kommenden Woche beantwortet wird. Dort wird detailliert nach den hier aufgetauchten Punkten nachgefragt, wer wann informiert war, was beim Jobcenter aufgefallen ist, welche Folgen es für die Innenrevisionen in Behörden haben muss. Wir werden alles in der nächsten Bürgerschaftssitzung ausführlich miteinander debattieren und diskutieren, auch darüber, an welchen Stellen vielleicht geschlafen, wo aber vielleicht auch genau hingeschaut wurde und Leute genau das Richtige gemacht haben. Man sollte sich hier nicht hinstellen und sagen – das wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht –, dass in Bremen oder anderen Kommunen solche Fehler nie passieren können. Unsere Erfahrung ist, dass wir immer wieder Systeme brauchen, die nach dem Vier-Augen-Prinzip arbeiten. Wir brauchen Innenrevisionen. Wir brauchen Systeme, die Dinge hinterfragen, die sich Prozesse anschauen. Das ist da wichtig, wo wir Geld bewegen, und da, wo es um Menschen geht. So sollten wir das auch mit aller Ernsthaftigkeit handhaben.

Der Senat wird aufgefordert, die Bremerhavener Kollegen, den Magistrat, dabei zu unterstützen. Das werden wir im Rahmen unserer Möglichkeiten gern tun. Ich möchte aber auch an andere Debatten erinnern. Ich wünsche mir manchmal als Fachsenatorin, auch einmal in Richtung Bremerhaven sagen zu können: „Bitte macht doch einmal das und das.“ Ich wünsche mir manchmal geradezu, auch Dinge anweisen zu können. Ich kann es aber nicht. Dazu müsste die Verfassung in Bremerhaven anders aufgestellt sein. Das ist sie aber nicht. Vielleicht wird das auch noch einmal Teil einer zukünftigen Debatte werden. Das weiß man nicht. Wir haben keine Durchgriffsrechte zu sagen: „Wir wissen es aber besser, und soundso müsst ihr das machen.“ Der Magistrat hat hoheitliche Aufgaben. Ich habe es bisher auch immer so verstanden, dass wir stolz darauf sind, dass Bremerhaven ein solches eigenständiges Wesen mit einer eigenen Verfassung ist. Mit dieser Eigenständigkeit geht auch eine hohe Verantwortung einher. Da erwarte ich einfach, dass das dort auch gelebt und ausgefüllt wird.

Die Aufklärung wird jetzt in den nächsten Wochen weiter voranschreiten. Ich gehe auch davon aus, dass da, wo Straftaten verübt wurden, Straftäter herangezogen werden. Zu der Frage, die hier auch noch einmal aufgeworfen wurde, was zu tun ist, wenn Menschen ohne Wohnung sind, das Geld zu Ende ist, die Kinder Hunger haben, man zum Arzt gehen musst, lautet die

Antwort, dass geholfen werden muss. Wir tun das. In Bremen wird das in den Sozialzentren so entschieden, auch wenn die rechtliche Lage manchmal nicht so eindeutig ist. Ich gehe davon aus, dass das auch Bestandteil wird. Das ist auch eine Frage der Fraktionen in der Großen Anfrage gewesen, über die wir in der kommenden Bürgerschaft reden, wie das Jugendamt in Bremerhaven damit umgeht, wenn Kindeswohlgefährdungen angezeigt werden. An der Stelle hören wir, dass dem nachgegangen wird, so wie bei jedem Kind, das in Bremen und Bremerhaven geboren worden ist. Es ist auch richtig, dass es so gemacht wird. Es geht an dieser Stelle um die Menschen.

(Beifall SPD)

In Bremerhaven gibt es zahlreiche Hilfsorganisationen. Herr Janßen hat auch noch einmal darauf hingewiesen. Es gibt die Tafel, die aufgesucht wird, es gibt verschiedene Beratungsangebote. Ich möchte auch Frau Grönert beruhigen: Auch um die Wohnungslosen in Bremen kümmert man sich. Die Innenrevisionen, viele kirchlichen Träger arbeiten mit Wohnungslosen zusammen. Wenn wir gemeinsam feststellen, dass wir diese Bemühungen intensivieren müssen, dass noch mehr Geld in die Hand genommen werden muss, müssen wir uns das gemeinsam anschauen. Das ist aber vielleicht eine andere Diskussion.

Der Senat unterstützt den Magistrat bei der Aufklärung. Die Aufklärung liegt jetzt in den Händen der Staatsanwaltschaft. Wir unterstützen die Bemühungen, die sagen, dass Menschen geholfen werden muss, die Opfer von Straftätern geworden sind. Das ist unser Beitrag des Senats in dieser Debatte.

Frau Senatorin, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Professor Dr. Hilz?

Bitte!

Ich habe die Nachfrage, ob es aus Ihrer Sicht noch erforderlich ist, dass Sie sich nachdrücklich für diese Punkte einsetzen?

Die Bürgermeister haben den Magistrat, den Oberbürgermeister von Bremerhaven, Melf Grantz, angeschrieben. Melf Grantz hat auch im Senat innerhalb einer Senatsrunde berichtet, als das in der Presse thematisiert wurde. Ich habe den Eindruck, dass die Bremerhavener Kolleginnen und Kollegen erkannt haben, wo die Aufgaben liegen, und auch beherzt dabei sind. Sie brauchen keinen Nachhilfeunterricht durch uns, wenn Sie das meinen. Da wird ordentlich gearbeitet. –

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Vielen Dank!)

Danke schön!

(Beifall SPD)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur – –.

(Zuruf: Moment!)

Eine Kurzintervention? – Ich gebe das Wort an Frau Vogt zu einer Kurzintervention.

Es ist eine sehr kurze Kurzintervention! Ich möchte kurz auf Frau Grönert antworten. Es ist mir völlig klar, dass die CDU dieses Bundessozialgerichtsurteil vom 3. Dezember gern rechtlich ändern möchte. Derzeit ist es aber gültige Rechtsgrundlage.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Daran halten wir uns auch!)

Davon können Sie nicht abweichen,

(Beifall DIE LINKE)

auch wenn Sie Anträge stellen oder Gesetzesänderungen in Umlauf bringen wollen. Das ist im Moment nicht möglich. Im Moment ist die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Grundlage. Deshalb gilt sie auch für die betroffenen Menschen in Bremerhaven.

(Beifall DIE LINKE – Abg. Röwekamp [CDU]: Das mag so sein!)

Es liegen nun keine weiteren Wortmeldungen vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Gemäß Paragraf 51 Absatz 7 unserer Geschäftsordnung lasse ich zunächst über den Änderungsantrag Drucksache 19/543 der Fraktion der FDP abstimmen.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachen-Nummer 19/543 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(FDP)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, ALFA, Abg. Ravens [parteilos], Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Änderungsantrag ab.

Ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der DrucksachenNummer 19/503 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!