Protocol of the Session on May 26, 2016

Das dürfen Sie mir doch verraten!

(Heiterkeit – Beifall CDU)

Ich habe den Eindruck, dass die FDP zwar in den Beschlusspunkten ein paar Worte geändert hat, was ich aber unwesentlich finde, aber ansonsten dem ganzen Antrag, auch dem Einleitungstext zustimmt.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Nicht alles, was Sie als Eindruck haben, stimmt!)

(Glocke)

Entschuldigung, Frau Kollegin, dass ich unterbreche! Gestatten Sie eine Frage der Abgeordneten Vogt?

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich glaube ja, die FDP stimmt klammheimlich ab!)

Ich muss noch einmal auf die Rechtsgrundlage zurückkommen. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass das Bundessozialgericht am 3. Dezember letzten Jahres geurteilt hat, dass EU-Bürger, auch die, die hier zur Erlangung von Sozialleistungen nach Deutschland gekommen sind, grundsätzlich Anrecht auf Sozialhilfe, sprich auf Leistungen nach dem SGB XII, haben, wenn sie mehr als sechs Monate in Deutschland leben und die Ausländerbehörden nicht früher eingeschritten sind?

Das ist bei den meisten der Fälle, von denen wir hier reden, der Fall. Dieses Bundessozialgerichtsurteil ist bindend, ist höchstrichterliche Rechtsprechung. Man braucht man hier nicht über unterschiedliche Rechtsauffassungen reden.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Abg. Öztürk [Bündnis 90/ Die Grünen])

Dieses Urteil des Bundessozialgerichts wird heute Nachmittag noch Gegenstand der Debatte sein. Das ist in Deutschland noch kein umgesetztes Recht. Es wird auch dagegen gearbeitet, dass es dazu kommen wird.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Sie sind der Meinung, dass ein Urteil – –?)

Frau Kollegin, jetzt bitte keinen Dialog!

Frau Kollegin Grönert, gestatten Sie eine weitere Frage der Abgeordneten Vogt?

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: In Ordnung! Dann nehme ich zur Kenntnis, dass Sie geltendes Recht nicht als geltendes Recht anerkennen! – Abg. Frau Ahrens [CDU]: Das stimmt doch gar nicht! – Abg. Röwekamp [CDU]: Wir nehmen zur Kenntnis, dass geltendes Recht nicht von Frau Vogt formuliert wird!)

Wir werden das heute Nachmittag zu Ende debattieren! Dass sich SPD und Grüne dem Antrag der LINKEN einfach anschließen, verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Wenn Sie wenigstens sagen würden, was sich ab heute endlich konkret an der Verelendung in Bremerhaven und in Bremen ändern würde, könnte ich das nachvollziehen. Aber Fehlanzeige! Das tun Sie nicht. Sie glauben doch selbst nicht, dass sich für die betroffenen EU-Bürger in Bremerhaven in den nächsten Wochen auch nur irgendetwas ändern wird, weil wir hier heute gemeinsam deren Situation bedauert haben. Da müssen Sie Sie grundsätzlich an das Thema heran.

Zum Schluss möchte ich noch den einzigen konkreten, unstrittigen Punkt aufgreifen. Natürlich muss der Sozialhilfebetrug schnellstmöglich umfassend aufgeklärt werden. Kein Täter sollte ungeschoren davonkommen. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr

geehrte Herren! Aus unserer Sicht müssen Maßnahmen ergriffen werden, die die drohende Verelendung der Familien und Kinder verhindert. Es ist eine Tragödie, wenn man mit diesen Menschen spricht, wie sie aufgrund ihrer geringen Bildung ausgenutzt wurden und wie verzweifelt sie sind, was ihnen in Bremerhaven passiert ist. Ich stimme Ihnen zu, Frau Grönert, wenn Sie sagen, dass nicht jeder dieser Menschen nur ein Opfer ist. Nehmen Sie aber bitte zur Kenntnis,

(Zuruf Abg. Frau Schnittker [CDU])

dass es auch sehr viele Opfer gibt, vor allem Frauen, die jetzt zur Prostitution gezwungen werden, das selbständig machen, aber auch Kinder. Das kann man unserer Ansicht nach nicht negieren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Wir wollen und bekennen uns dazu – darum geht es doch hauptsächlich, das hat Herr Röwekamp in der Aktuellen Stunde genauso gesagt –, dass dieser Betrug in diesem Ausmaß auch vollständig aufgeklärt wird.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf Abg. Frau Grönert [CDU])

Dafür benötigen wir die Menschen für Ermittlungsverfahren und so weiter. Oberstes Ziel darf nicht die Ausweisung und Verdrängung dieser Menschen sein. Ziel muss es für uns alle sein, dieses System eines umfassenden organisierten Missbrauchs in Bremerhaven, das über Jahre entstehen und auch funktionieren konnte, zu unterbinden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Für uns ist wichtig, dass aufgeklärt wird, inwiefern Firmen, Vereine und Einzelpersonen mit zum Teil offenbar krimineller Energie und mangelhafter Sicherungssysteme ein Ausmaß an Betrug ermöglichten. All das ist ein Geschäft mit den Ärmsten der Armen. Herr Röwekamp hat in der letzten Aktuellen Stunde auf E-Mails bezüglich der Humanitären Sprechstunde Bezug genommen. Er hat dargestellt, dass die betroffenen Frauen nicht einmal wussten, was in diesen Arbeitsverträgen steht, was sie unterschrieben haben, weil sie Analphabeten sind, nur gutgläubig waren und ihren Dolmetschern, die in diesen Betrugs- und Ermittlungsverfahren involviert waren, geglaubt haben.

Meine Damen und Herren, so einfach kann man es sich nicht machen! Uns alle eint, dass wir dieses Geschehen aufklären müssen. Es gibt so viele Fragen, die beantwortet werden müssen. Wir haben gesehen, die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat aufgrund des Interesses, des Aufklärungswillens eine Kleine Anfrage in den Landtag eingebracht. Der Senat hat sie beantwortet. Zu der Frage zwei, zeitliche Abstände, wann

man bestimmte Kenntnisse hatte, habe ich sehr viele Fragen. Dort wird gesagt, dass bereits 2013 bestimmte Erkenntnisse vorhanden waren, es Dienstbesprechungen und so weiter gegeben hat. Da fragt sich jeder, nicht nur wir als Abgeordnete, sondern jeder Bürger und jede Bürgerin dieses Landes, wie es geschehen konnte, dass der Betrug nicht aufgeklärt worden ist. Wie konnte es geschehen, dass Bildungs- und Teilhabemittel trotz der Ungereimtheiten bis zum Anfang der Ermittlungen ausgezahlt worden sind? All das müssen wir doch erfahren. Dazu müssen wir uns aus meiner Sicht die Geschichten der Opfer anhören.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Deswegen werbe ich bei Ihnen, diesen Antrag zu unterstützen. Bisher habe ich Sie so verstanden, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU, dass Sie diesen Betrug aufklären wollen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen.

Auch ich sage noch einmal, dass wir unisono das gemeinsame Interesse an umfänglicher Aufklärung haben und dass sie möglichst schnell geschieht. Ich möchte aber auch ganz deutlich sagen, dass Bremerhaven bisher ganz klar sehr stringent gehandelt hat. Ich gehe davon aus, dass das auch weiter so passieren wird.

(Beifall SPD)

In Ihrem Debattenbeitrag, Herr Dr. Hilz, hat sich mir, ehrlich gesagt, nicht ganz erschlossen, warum Sie unserem Antrag mit entsprechenden Veränderungen zustimmen wollen. Ihre Rede hat deutlich gemacht, dass Sie das alles für völlig überflüssig und an den Haaren herbeigezogen halten.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Habe ich das so ge- sagt? Nein!)

Deshalb wäre es konsequent, wenn Sie gar keinen Änderungsantrag stellen würden, denn in der Grundsache stimmen Sie uns nicht zu. Deshalb lehnen wir Ihren Änderungsantrag ab.

Frau Grönert, Ihren Debattenbeitrag finde ich wirklich abenteuerlich.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Zu sagen, dass es keine Notwendigkeit gibt, hier humanitäre Leistungen bei den Menschen, für die

das notwendig ist, vorzunehmen, weil das Elend in Bremen sowieso ganz viele Menschen umfasst, ist mehr als zynisch.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Selbstverständlich sind wir in der Verpflichtung, für alle Menschen in Bremen zu sorgen und dafür Sorge zu tragen, dass sie aus den schwierigsten Lebensumständen, die Sie beobachtet haben und in denen sich diese Menschen tatsächlich befinden, herauszukommen. Das hat aber natürlich etwas damit zu tun, dass in unserem Land, und nicht nur in unserem Bundesland, die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und wir es hier mit Entwicklungen zu tun haben, die ganz klar dahin führen, dass sehr viele Menschen in Armut kommen. Wir tun in Bremen mit verschiedenen Mitteln eine Menge dafür, dass dem Einhalt geboten wird. Ich denke an die Einführung des Mindestlohns, ich denke an andere Maßnahmen. Das sind Maßnahmen, die genau dazu führen, dass so etwas nicht passiert. Heute Nachmittag werden wir über die Einrichtung einer Beratungsstelle für mobile Beschäftigte debattieren. Ja, es ist notwendig, dass die Menschen ihre Rechte erfahren, dass sie Unterstützung bei der Einforderung ihrer Rechte bekommen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Lassen Sie mich noch einen Satz sagen, damit hier kein falscher Zungenschlag eintritt. Es ist niemals gefordert worden, diese Menschen in Bremerhaven vonseiten des Magistrats auszuweisen. Es ist nach Lesen der Pressemitteilung deutlich zu erkennen, dass hier beschrieben wird, was in diesem Zusammenhang eine Maßnahme sein kann, ohne dass es einzelne gefordert haben. – Vielen Dank!

(Beifall SPD)