Wer dem Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der DrucksachenNummer 19/503 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich auf der Besuchertribüne recht herzlich unsere ehemalige Kollegin Doris Hoch aus Bremerhaven begrüßen. – Seien Sie herzlich willkommen!
DGE-Standards in Schulen in Bremen und Bremerhaven etablieren Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 16. Februar 2016 (Drucksache 19/277)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst kurz ein paar Sätze darüber verlieren, was die DGE, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, eigentlich ist und wie es zu den DGE-Standards Schulverpflegung gekommen ist. Die DGE gibt es seit 1953. Es ist ein Verein. Ziele und Aufgaben sind es, über gesunde und ausgewogene Ernährung zu unterrichten, Schriften dazu herauszubringen und Beratung zu Essensthemen zu leisten. Zu den Qualitätsstandards Schulverpflegung kam es, als Anfang bis Mitte der Zweitausenderjahre das Verbraucherschutz- und Gesundheitsministerium feststellten,
dass viele Kinder durch Fehl- oder Mangelernährung verstärkt an Krankheiten wie Adipositas, Herz- und Kreislaufproblemen oder Diabetes litten. Untersuchungen ergaben zudem, dass dadurch Krankheitskosten in Milliardenhöhe entstanden sind. Auch die Auswirkungen der Ernährung auf Leistungsvermögen und ‑bereitschaft, Konzentrationsvermögen sowie Entwicklung spielen eine Rolle.
2007 wurden dann unter dem damaligen Agrarminister Horst Seehofer die DGE- Qualitätsstandards Schulverpflegung herausgebracht. Sie fordern und empfehlen den Verantwortlichen in den Schulmensen ausgewogenes Essen, sind Leitfaden und Orientierung bei der Zusammenstellung und Gestaltung der Speisepläne. Seit 2010 sind die DGE-Standards Grundlagen bei Ausschreibungen für Nutzungskonzessionen für Bremer und Bremerhavener Schulmensen. Sie sind auch Bestandteil unseres Koalitionsvertrages.
Was sind die wesentlichen Inhalte der DGE-Standards? Beispielsweise fordern sie das Schließen der Schulkioske während der Mittagszeit oder eine Essatmosphäre in der Mensa, die Lust macht, sich dort aufzuhalten und zu essen und nicht zum nächsten Supermarkt oder Imbiss zu laufen. Unser Antrag richtet den Blick besonders auf den Speiseplan. Hier geben die DGEQualitätsstandards einen ausgewogenen Mix vor: jeden Tag Gemüse und Salat, zweimal pro Woche Molkereiprodukte und maximal zweimal Fleisch pro Woche, täglich ein vegetarisches Gericht. Außerdem muss jederzeit Trinkwasser kostenlos zur Verfügung stehen. Auch das ist wichtig für Gesundheit, Konzentration und Leistungsvermögen.
Trinkwasser ist übrigens auch in Klassenzimmern erlaubt und erwünscht. Wir wollen unter anderem erreichen, dass sich alle Mensabetreiber, deren Verträge von vor 2010 datieren, an die Standards halten sollen. Hier soll der Senat entsprechend aktiv werden und sich mit diesen Mensabetreibern ins Benehmen setzen.
Natürlich muss auch die Einhaltung folgen. Das geschieht am besten durch Kontrollen, was derzeit nicht der Fall ist. Letzte Woche haben in der Anhörung zum Bürgerantrag Billigfleisch die Fachleute mehrfach betont, dass die Kontrollen zentral sind. Ohne sie kann man ganz viel von der Einhaltung eigentlich vergessen. Wir denken dabei nicht an eine Art Mensa-Polizei, die regelmäßig in den Mensen zum Kontrollessen auftaucht, vielleicht ab und zu einmal einen Blick auf den Speiseplan wirft – die müssen ja im Internet
veröffentlicht werden –, gegebenenfalls einen Anruf tätigen nach dem Motto: Wir haben gesehen, dass es von dem zu viel und von dem zu wenig gibt, schraubt doch einmal ein wenig am Speiseplan und macht ihn DGE-gemäß.
Das kann man tun. Ab und zu kann ein Besuch vor Ort in der Mensa sehr nützlich sein. Ich selbst habe das gemacht, habe in verschiedenen Mensen gegessen, mir die Wochenspeisepläne angeschaut. Häufig werden die Standards nicht eingehalten. Das hat auch die Vernetzungsstelle Schulverpflegung bestätigt.
Ich nenne ein paar Beispiele. In einer Schule in der Neustadt gab es fünfmal Fleisch in der Woche, drei- bis viermal Fleisch habe ich verschiedentlich gesehen. Manchmal gab es kein vegetarisches Gericht. In einer Schule, in der die Mensa vier Tage in der Woche in Betrieb ist, gab es zweimal kein Gemüse, zweimal keinen Salat, dreimal kein vegetarisches Gericht. Da müssen wir heran. Es gibt aber auch positive, vorbildliche Beispiele, beispielsweise die elf Schulmensen, die von der Schulküche Bremen e. V. betrieben werden. Die machen das ganz toll. Sie übererfüllen die DGE-Standards. Es gibt maximal einmal Fleisch in der Woche. Vor Ort wird zu 100 Prozent frisch gekocht. Zu 80 Prozent wird Bio verwendet. Die Kinder essen das. Ich hab einmal einen Speiseplan mitgebracht. Es gab Auflauf mit Spinat und Bärlauch, Möhrencremesuppe, Steckrübeneintopf mit Gartenkresse und Wirsingeintopf.
Das zeigt, dass es geht! Ich bin vor Ort gewesen. Ich wollte sehen, ob es eigentlich stimmt. Ja, die Kinder putzen das Gemüse weg, sie putzen den Salat weg. Von wegen, es muss immer nur Pizza, Pommes, Pasta sein. Das stimmt nicht.
Das funktioniert nicht nur in Peterswerder, in der Hamburger Straße, oder in Kippenberg, in Schwachhausen. Der gleiche Speiseplan gilt auch in der TamiOelfken-Schule, in Lüssum, am Lüssumer Ring. Auch dort bin ich gewesen. Auch dort putzen die Schüler das Gemüse weg. Es kommt nur darauf an, wie man es macht. Das Personal muss natürlich geschult und qualifiziert sein. Das ist entscheidend.
Neben einem ausgewogenen Speiseplan ist wichtig, dass Ernährung und ihre Erzeugung im Unterricht adäquat behandelt werden. Das habe ich hier schon mehrfach vorgetragen. Ich denke nicht nur an Unterricht im Klassenraum. Besuche auf Höfen müssen Kindern ermöglicht werden, damit sie vor Ort lernen, wie die Lebensmittel eigentlich entstehen und ein
Feeling dafür bekommen, was das ist. Abschließend möchte ich sagen, Essen arbeitet und wirkt in uns, in die eine oder andere Richtung. Das kann Folgen haben. Hier müssen die Weichen frühzeitig entsprechend richtig gestellt werden. Das gilt auch für den Geschmack. Häufig ist der Geschmackssinn, ich sage es einfach einmal, durch Zusatzstoffe, Geschmacksverstärker regelrecht versaut,
darf ich das nicht sagen, versaut? – weil er an die Bedürfnisse der industriellen Nahrungsmittelproduktion angepasst werden soll. Da ist die Kommune in der Verantwortung, etwas zu tun. Die Einhaltung der DGE-Standards kann dabei helfen.
Ich sehe das Ganze nicht nur als ein ernährungspolitisches Thema. Es ist auch von gesundheitspolitischer, sozial- und bildungspolitischer Relevanz. Das muss uns angehen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Um den Spannungsbogen nicht so aufrechtzuerhalten, wie man ihn könnte, nehme ich vorweg, dass wir dem Antrag zustimmen werden, obwohl wir in der Fraktion durchaus auch diskutiert haben, ob wir uns enthalten. Wir haben gesagt, dass der Antrag in die richtige Richtung geht. Es ist vielleicht aus unserer Sicht noch nicht alles, was man tun könnte, aber zumindest ist es ein notwendiger Schritt. Daher tragen wir ihn selbstverständlich mit.
Die DGE hat Mindeststandards festgesetzt. Das hat der Kollege Saffe eben schon ausreichend dargelegt. Es ist wichtig und richtig, diese in der Bremer Schulversorgung umzusetzen. Diesen Grundsatz teilen wir. Auf der einen Seite ist es insbesondere dort, wo diese Standards aufgrund von veralteten oder alten Verträgen noch nicht Teil der Vereinbarung mit den Cateringunternehmen sind, wichtig, diese Standards nachträglich aufzunehmen und somit ein Mindestniveau an Essensversorgung aufgrund der DGE-Standards sicherzustellen. Auf der anderen Seite gehen diese Standards eigentlich noch nicht weit genug, denn diese Standards definiert die DGEDimension der Nachhaltigkeit. Diese enthalten jedoch nur Empfehlungen und keine verpflichtenden Mindeststandards, liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch wenn ich es jetzt hier in Gänze nicht so richtig zu interessieren scheint. Ich finde es doch ein relativ wichtiges Thema.
Das Schulessen würde durch die Umsetzung der Standards gesünder, aber – das ist der Haken an der ganzen Geschichte – nicht zwingend nachhaltiger hergestellt. Parallel zu diesem Antrag diskutieren wir in den Gremien der Bürgerschaft den Bürgerantrag zur Reduzierung von Billigfleisch. Wir hatten die Debatte hier im Januar. Über 5 800 Bürgerinnen und Bürger hatten in dem Bürgerantrag gefordert, dass in öffentlichen Kantinen zunehmend Fleisch aus artgerechter Haltung verwendet wird. Letzte Woche gab es eine Anhörung, an der meine Kollegin Frau Bernhard teilgenommen hat. In dieser Anhörung wurde deutlich, dass die Umsetzung des Bürgerantrags durchaus machbar ist und auch in einem Haushaltsnotlageland mit vertretbaren Mehrkosten verbunden wäre.
(Abg. Imhoff [CDU]: Das ist allerdings eine Inter- pretation Ihrerseits! – Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Wenn überhaupt!)
Wir als LINKE unterstützen diesen Bürgerantrag ausdrücklich, das haben wir schon einmal erklärt, und fänden es auch sinnvoll, die bessere Fleischqualität schon beim Neuverhandeln von Verträgen in das Schulcatering aufzunehmen.
(Abg. Imhoff [CDU]: So ein Quatsch! Das ist ja nicht einmal bessere Fleischqualität! Erzählen Sie doch nicht so einen Quatsch jetzt hier!)