Protocol of the Session on April 21, 2016

können auch nicht ausschließen, dass wir nicht alles Notwendige unternehmen könnten, um gegen solche Anschläge gefeit zu sein. Wir werden aus Anlass des Berichts des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Anti-Terror-Einsatz vom Frühjahr letzten Jahres sicher hier noch einmal ausführlicher darüber reden, aber eines kann ich für mich und meine Fraktion schon einmal sagen: Ich denke, dass es auf jeden Fall falsch ist, wenn unsere Behörden ihre Erkenntnisse nicht einmal untereinander austauschen und offen verwertbar darüber sprechen: Was wissen wir eigentlich in unseren Sicherheitsbehörden, in 16 Ländern, in den Verfassungsschutzämtern, den Bundes- und Landeskriminalämtern? – Wenn die schon nicht den Mut haben, sich untereinander die Wahrheit zu sagen, meine Damen und Herren, dann kann das System die Sicherheit unserer Menschen eben nicht mehr gewährleisten.

(Beifall CDU, SPD)

Allein das ist ein Anlass, darüber neu nachzudenken.

Die zweite Bedrohungslage, mit der wir umgehen müssen und auf die wir auch noch nicht die richtige Antwort haben, ist, dass organisierte Kriminalität kein Phänomen bei „exklusiven“ Delikten wie Betäubungsmittel- und Waffendelikten mehr ist, sondern dass sie ihre Kreise zwischenzeitlich bis in den privaten Lebensbereich der in Bremen und Bremerhaven lebenden Menschen gezogen hat. Selbst Wohnungseinbrüche und Straßendiebstahl weisen teilweise Strukturen auf, die auf organisierte Kriminalität zurückgehen. Auch für diese Herausforderung sind unsere Sicherheitsbehörden nach Auffassung der CDU-Fraktion nicht richtig aufgestellt. Organisierte Kriminalität bekämpft man eben nicht mit KOPs und Bereitschaftspolizei, sondern für deren Bekämpfung braucht es auch bei der Polizei neue organisierte Strukturen, die in die Lage versetzt werden, mit diesen Institutionen, die organisierte Kriminalität betreiben, technisch und personell Schritt zu halten. Wir dürfen uns die Geschwindigkeit nicht von den Straftätern vorgeben lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Der dritte Punkt ist aus meiner Sicht jener, an dem wir auch darüber nachdenken müssen, welchen Stellenwert wir der Gewährleistung der inneren Sicherheit in unserer Gesellschaft eigentlich einräumen. Ja, es stimmt, im letzten Jahr sind über eine Million Menschen zu uns gekommen. Ich wehre mich auch in Anbetracht der Veröffentlichung von Polizeistatistiken aber entschieden dagegen, zu sagen – wie das zumindest die AfD in Deutschland macht –, dass wir deswegen ein neues Phänomen der Ausländerkriminalität in Deutschland hätten. Wer diese schlichte Antwort gibt, reagiert völlig oberflächlich und falsch auf das, was tatsächlich stattgefunden hat.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Erst einmal reden wir nur über Tatverdächtige. Zweitens ist es so, dass man sagen muss: Wenn mehr Menschen aus Gründen der Migration zu uns kommen und wir dadurch insgesamt mehr Einwohner haben, ist es unwahrscheinlich, dass die Straftaten deswegen zurückgehen. Natürlich werden sich unter denen, die im letzten Jahr zu uns gekommen sind, welche befinden, die sich in unserem Rechtssystem noch zurechtfinden müssen. Nichtsdestotrotz will ich umgekehrt sagen, dass wir eines aus diesem Anlass auf jeden Fall lernen sollten: Wenn so viele Menschen neu in unser System kommen, müssen wir ihnen schon sagen, wie unser System funktioniert. – Dabei ist es eben so, dass die Anforderungen, die wir an unseren Rechtsstaat stellen, der Schutz, den wir unserer Bevölkerung bieten wollen, die Befugnisse, die unsere Polizeien haben, vielleicht alle demokratischer sind, aber sie sind eben auch strukturierter und geben die ernsthafteren Antworten. Deshalb muss für jemanden, von dem wir erwarten, dass er sich an unser Rechtssystem hält, auch klar sein, dass er unser Rechtssystem kennt. Das ist der wichtigste Schlüssel, um zu erreichen, dass sich die Menschen, die zu uns kommen, auch in unsere Rechtsordnung einfügen. Wir müssen ihnen von Anfang an zeigen, was bei uns Recht und Gesetz ist und was unsere demokratisch verfassten Sicherheitsbehörden dürfen, aber was sie eben auch tun, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das halte ich für die richtige Antwort.

(Beifall CDU)

Ich werbe deshalb dafür, dass wir gemeinsam versuchen, einen Weg zu finden, um diese Fragen zu beantworten. Den Weg kann Bremen nicht allein finden; das sage ich Ihnen auch. Die Phänomene, die ich eben beschrieben habe, betreffen nicht nur Bremen. Ich finde es völlig unerträglich, dass nicht nur gefühlt, sondern auch statistisch ein Mensch in Bayern sicherer lebt als in Bremen. Darauf will ich nicht die einfache Antwort geben: Die haben eben eine bessere Regierung, sondern man muss sagen – ich komme zum Schluss –, die Lebenssituation in Bayern ist eben auch eine ganz andere als in Bremen. Aber unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe muss es doch sein, dass der Staat allen Menschen, unabhängig davon, woher sie kommen und wo sie wohnen, überall im Staatsgebiet die gleiche Sicherheit gewährt. Das muss unsere gemeinsame Aufgabe und Anstrengung sein, und daher würde ich mich freuen, wenn es eine möglichst große Zustimmung zu unserem Antrag gibt. – Vielen Dank!

(Beifall CDU, ALFA)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Senkal.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist der Sozialdemokratie ein Kernanliegen, denn Unsicherheit bedeutet immer auch Unfreiheit, Ungleichheit und fehlende Solidarität mit denen, die auf den Staat zur Garantie ihrer persönlichen Sicherheit angewiesen sind. Wir wollen, dass die Menschen in Bremen und Bremerhaven sicherer sind und sich sicherer fühlen, sei es vor Terrorismus oder anderen Formen der Kriminalität.

Zum Antrag der CDU-Fraktion: Sie sprechen von einem Gefühl der Verunsicherung, hervorgerufen unter anderem durch islamistischen Terror. Glücklicherweise herrscht bei den allermeisten kein tägliches Gefühl der Angst oder Verunsicherung vor. Anders, als es der eine oder andere hier vor einigen Wochen verkündet hat, traue ich mich auch bedenkenlos auf die Straßen von Bremen und Bremerhaven, und das auch sehr gerne. Aber genau das soll auch so bleiben, meine Damen und Herren. Das soll eine Selbstverständlichkeit bleiben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Genau dafür halte ich die bedenkenlose, angstlose Bewegungs- und Handlungsfreiheit: für eine Selbstverständlichkeit.

Liebe CDU-Fraktion, Sie haben auch recht damit, dass wir dieses Feld nicht den Falschen mit den einfachen und vermeintlich richtigen Antworten überlassen wollen. Diesen Nährboden rechten Gedankenguts lassen wir gar nicht erst entstehen, meine Damen und Herren. Es ist mir sehr wichtig, das an dieser Stelle und besonders in diesem Hause zu betonen. Deswegen widmet sich die SPD-Bürgerschaftsfraktion nachdrücklich einer Politik der öffentlichen Sicherheit, die die Bürgerrechte wahrt und der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger dient. Gerade dem Einleitungstext des hier vorliegenden Antrags können wir weitestgehend – mit ein paar Ausnahmen – zustimmen. Etwas zurückhaltender bin ich aber zum Beispiel an der Stelle, an der Sie die finanzielle Aufstockung der inneren Sicherheit vor die Klammer ziehen wollen. Innere Sicherheit wird schnell ausschließlich mit Polizei gleichgesetzt. Sie ist aber viel mehr als das. Damit möchte ich nicht sagen, dass die Polizei nicht den größten Anteil übernimmt und eben genau für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sorgt und verantwortlich ist. Es ist aber auch so, dass vor allem durch wirksame vorbeugende Maßnahmen ein erheblicher Beitrag zur inneren Sicherheit geleistet werden kann und wird.

Natürlich muss man in veränderten Sicherheitslagen reagieren. Das wollen und werden wir auch tun. Aber das ist nicht alles: Ein harmonisches gesellschaftliches Zusammenleben ist eben auch auf mehr begründet als nur darauf. Im Brüsseler Stadtteil Molenbeek hat man gesehen, wie ein über Jahrzehnte vernachlässigtes Viertel, vernachlässigte Integration und nicht vorhan

dene Teilhabe ebenfalls zu einer massiven Gefahr für die öffentliche Sicherheit werden kann. Integration ist daher für mich und die SPD-Bürgerschaftsfraktion das oberste Ziel bei der Zuwanderung.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Was das von Ihnen im Beschlussteil unter Punkt 3 angesprochene Integrationsgesetz betrifft, so ist der Stand der Dinge, dass die Koalition auf Bundesebene ein wie von Ihnen gefordertes Gesetz vorlegen wird. In einem Eckpunktepapier heißt es dazu, dass sich dieses Gesetz an den Grundsätzen des Förderns und Forderns orientiert. Dies wird auch von uns ausdrücklich unterstützt.

(Beifall SPD, CDU)

Ziel des Gesetzes sei es, die Integration der zu uns kommenden Menschen in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt durch staatliche Maßnahmen zu fördern und zugleich von ihnen auch Eigenbemühungen einzufordern. Die Eckpunkte eines Integrationsgesetzes werden am 22. April 2016 im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz erörtert werden. Die Bundesregierung beabsichtigt, den Gesetzentwurf am 24. Mai auf ihrer Klausurtagung in Meseberg – wo auch immer das ist – zu beschließen.

(Heiterkeit)

Bremen bietet sich also die Gelegenheit, sich in diesen Prozess einzubringen, und das fordern wir auch.

Nun zum Thema Terrorismus und wie das Sicherheitsgefühl dadurch beeinträchtigt wird: Es sind doch gerade die fundamentalistischen Attentäter, die die Menschen einschüchtern und ein Klima der Angst und Bedrohung schaffen wollen. Die schrecklichen Attentate, die jüngst in unserer Nähe stattfanden, abgesagte Umzüge und Fußballspiele sowie die Terrorwarnungen hier in Bremen zeigen, dass wir in Europa erklärtes Angriffsziel sind. Deshalb muss alles getan werden, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger bestmöglich zu gewährleisten. Nur dadurch kann der Erfolg verhindert werden, der hinter diesen perfiden Angriffen eigentlich steckt: Menschen zu verängstigen und sie in ihrem Lebensraum zu verunsichern und einzuschränken. Dem müssen wir entschieden entgegentreten.

(Beifall SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was sich aus den Attentaten in Belgien und Frankreich ablesen lässt, ist, dass die Täter für die Sicherheitsbehörden kein unbeschriebenes Blatt waren. Leider hat sich zu spät gezeigt, dass die Attentäter bereits polizeibekannt waren und trotzdem durch das Raster gefallen sind. Hier zeigt sich auch, wie wichtig eine gute Vernet

zung zwischen den inländischen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Bundesländer, aber auch eine Vernetzung mit ausländischen Diensten und Behörden ist. Auf diesem Gebiet gibt es keinen Raum für Irrtümer. Zwar gibt es auch verwirrte Einzeltäter, in den allermeisten Fällen handelt es sich jedoch um organisierte Kriminalität – Herr Röwekamp hat das schon angesprochen – mit einer festen Organisationsstruktur. Daher ist es hier, aber auch in anderen Bereichen der organisierten Kriminalität dringend erforderlich, neben einer verbesserten internationalen Zusammenarbeit die Trockenlegung von Finanzquellen anzugehen. Kriminell erworbene Vermögen müssen konsequent eingezogen werden und auch die Geldwäsche muss erschwert werden.

(Beifall SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei gefühlter Sicherheit geht es aber um mehr als nur um die Angst vor Terrorismus und Anschlägen. Wir haben uns in der Bürgerschaft schon oft mit dem Wohnungseinbruchsdiebstahl beschäftigt und werden das voraussichtlich auch weiter tun müssen. Es handelt sich um einen massiven Eingriff in die Privat- und Intimsphäre, wenn jemand Fremdes in das eigene Zuhause eindringt, dieses verwüstet und Liebgewonnenes oder hart Erarbeitetes stiehlt. Der Kampf gegen Wohnungseinbruchsdiebstahl wird daher weiterhin ein Schwerpunkt bleiben.

Alltagskriminalität wie Einbruch in den privaten Wohnraum und Taschendiebstahl betrifft die Menschen in ihrer persönlichen Sicherheit. Diese Kriminalitätsformen können jeden treffen, insbesondere auch alte und schwache Menschen. Oft rufen sie bei den Opfern eine tiefe Traumatisierung hervor. Häufig sind diese Delikte auch Teil der organisierten Kriminalität – Herr Röwekamp hat es angesprochen –, die Milliardenschäden für unsere Gesellschaft verursacht. Die SPD-Bundestagsfraktion will sich daher dafür einsetzen, das BKA in seiner zentralen Stellung und Funktion zu stärken und durch die Expertise, Ladenanalysen und technische Unterstützung den zuständigen Bundesländern bei der Bekämpfung und Aufklärung zur Seite zu stehen. Ebenso soll der Ausbau der erfolgreich zusammenarbeitenden Bund-Länder-Ermittlungsgruppen weiter vorangebracht werden. Nachdem die Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses nun bald zum Abschluss kommen wird, kann ich bestätigen, dass dies auch meine Einschätzung für nötige Verbesserung bezüglich der bundesländerübergreifenden Zusammenarbeit widerspiegelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für einen möglichen Pakt für die innere Sicherheit auf Bundesebene, aber auch für die tägliche Arbeit bedarf es natürlich auch der angemessenen Ausstattung der Polizei. Gerade an dieser Stelle muss man aber auch die Frage der Finanzierung stellen, und lassen Sie

mich sagen: Dies wird ein enormer Kraftakt werden angesichts der Haushaltsnotlage, in der wir uns befinden. Es muss jedem klar sein, dass wir das, was wir in diesem Bereich aufstocken, aus einem anderen Bereich nehmen müssen. Das wird kein leichter Weg werden, und wir werden viel rechnen müssen, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen. Darüber sollten wir zu gegebener Zeit in der Innendeputation sprechen.

Die Ausbildung unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ist mir immer ein hohes Anliegen gewesen und sollte, soweit erforderlich, der ständigen Anpassung unterliegen. Bisher hatte ich immer das Gefühl und durch entsprechende Vorlagen, Gespräche und Nachfragen die Sicherheit, dass die Aus- und Fortbildung im praktischen Teil, aber auch an der Hochschule für öffentliche Verwaltung hervorragend abläuft. Diesen guten Standard müssen wir halten.

Neben den rechtlichen, psychologischen, soziologischen, einsatztaktischen und vielen weiteren Teilen der Ausbildung widmen sich die Polizeikommissaranwärterinnen und -anwärter auch der interkulturellen Kompetenz. Das muss ein fester und verpflichtender Bestandteil der Polizeiausbildung sein, damit Polizistinnen und Polizisten in einer vielfältigen Gesellschaft auch in angespannten Situationen eine zutreffende Lageeinschätzung vornehmen können. Es liegt also auch an uns als Parlament, den Polizistinnen und Polizisten das entsprechende Handwerkszeug zur Verfügung zu stellen, Rechtsgrundlagen zu schaffen, zu streichen oder anzupassen, wo es nötig ist, und für ihren Schutz zu sorgen. Der Senator für Inneres und der Senator für Justiz und Verfassung haben sich schon vor einiger Zeit dafür ausgesprochen, den strafrechtlichen Schutz der Polizistinnen und Polizisten und der Rettungskräfte zu verbessern.

Sie als CDU-Fraktion haben es in Ihrem Antrag schon richtig erfasst, nämlich unter Punkt 2 a), den Sie in der Innendeputation noch weiter präzisieren müssten, bevor er für uns zustimmungsfähig wird.

Ich denke, ich bin in weiten Teilen auf die Punkte des Antrags eingegangen, die mir wichtig waren. Dabei ist sicherlich deutlich geworden, dass es ein mehr als umfassendes Thema ist, dem wir uns in der Innendeputation näher widmen müssen und sollten. Wir als SPD-Bürgerschaftsfraktion hätten uns durchaus schon vorstellen können, diesem Antrag in weiten Teilen zuzustimmen, möchten an dieser Stelle aber auch auf weiteren berechtigten Gesprächsbedarf Rücksicht nehmen. Wir beantragen daher, den Antrag zur weiteren Diskussion und Behandlung in die Innendeputation zu überweisen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, Abg. Ravens [parteilos])

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach den Terroranschlägen in Paris und den massenhaften sexuellen Übergriffen in Köln hat jeder sechste Bundesbürger sein Verhalten im Alltag geändert. Das ergab kürzlich eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Die Menschen in unserem Land fühlen sich zunehmend unsicher, und das Vertrauen in die uneingeschränkte Handlungsfähigkeit des Staates schwindet. Allein in Köln wurden in den ersten drei Januarwochen mehr als 1 200 sogenannte Kleine Waffenscheine beantragt. Aus anderen Städten sind ähnliche Zahlen bekannt. Diese Entwicklung ist erschreckend, kommt aber nicht von ungefähr, denn die Sicherheitslage in Deutschland hat sich insbesondere in den letzten 15 Jahren stark verändert. Die anhaltende Zuwanderung sowie die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität, steigende Einbruchszahlen, Rockerkriminalität und Fankrawalle bis in die unteren Fußball-Ligen stellen die Polizei vor Ort vor neue Herausforderungen.

Durch die Globalisierung und die fortschreitende Technologisierung sind zudem neue Deliktsfelder, insbesondere im Bereich der Wirtschaftskriminalität oder Internetkriminalität entstanden, die nur mit hohem personellem Aufwand bewältigt werden können. Anstatt dieser veränderten Sicherheitslage Rechnung zu tragen und die Polizeien und Justizbehörden in Bund und Ländern personell und materiell besser auszustatten, sind bundesweit im selben Zeitraum – also in den letzten 15 Jahren – mehr als 16 000 Stellen bei der Polizei weggefallen. Meine Damen und Herren, das entspricht der Größenordnung der gesamten Berliner Polizei.

Der massive Abbau von Polizeistellen in den einzelnen Bundesländern hat natürlich Spuren hinterlassen. Wenn immer mehr Straftaten von immer weniger Beamten verfolgt werden, dann bleibt das natürlich nicht ohne Folgen. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass die Polizei in manchen Kriminalitätsbereichen kaum noch Erfolge vorweisen kann. Die Aufklärungsquote beispielsweise beim Wohnungseinbruch liegt in Bremen gerade einmal bei 5,4 Prozent, meine Damen und Herren. Das bedeutet nicht nur, dass statistisch gesehen nur jeder 20. Wohnungseinbrecher überhaupt überführt wird, sondern gleichzeitig auch, dass nur jedes 20. Opfer eines Einbruchs überhaupt die Chance hat, sein Hab und Gut wiederzuerlangen.

Die niedrige Aufklärungsquote in Bremen – im Bundesdurchschnitt liegt sie bei etwa 15 Prozent – hat natürlich etwas mit der Personalsituation bei der Polizei zu tun. Wenn Kriminalität aus Personalmangel nicht mehr bekämpft, sondern nur noch verwaltet wird, muss man sich nicht wundern, dass Straftaten nicht mehr aufgeklärt werden. Deshalb unterstütze ich heute ausdrücklich den hier vorliegenden Antrag, zwischen Bund und Ländern einen Pakt für die innere Sicherheit zu schließen. Wir brauchen die in dem Antrag geforderte Aufstockung des Personals bei

Polizei und Justiz von fünf Prozent in den kommenden vier Jahren, damit die Strafverfolgungsbehörden in die Lage versetzt werden, auf die veränderte Sicherheitslage angemessen zu reagieren.

Auch die im Antrag geforderte Überprüfung der gesetzlichen Regelungen im Bereich des Strafrechts, des Strafprozessrechts, des Ausländerrechts, des Polizeirechts und des Jugendrechts ist sinnvoll und wird von mir unterstützt. Die Strafprozessordnung beispielsweise, die die Durchführung des Strafverfahrens regelt, stammt aus dem Jahr 1879. Sie wurde zwar regelmäßig modifiziert, dennoch muss natürlich immer wieder hinterfragt werden, ob diese Vorschriften noch den Anforderungen des 21. Jahrhunderts genügen und nicht eher die Durchführung des Strafverfahrens behindern als fördern.

Selbstverständlich muss man auch im Rahmen dieses Paktes für die innere Sicherheit auch über Strafverschärfungen nachdenken, insbesondere bei Delikten, die massiv in die persönliche Freiheit der Bürgerinnen und Bürger eingreifen, bis hin zur Intimität. Dabei komme ich noch einmal auf die Wohnungseinbrüche zu sprechen, die in den letzten bundesweit kontinuierlich zugenommen haben, allein im letzten Jahr um 10 Prozent auf 167 000 Taten. Das ist der höchste Wert seit 15 Jahren. Studien zufolge leiden die Opfer noch Monate und teilweise Jahre unter den Folgen, denn die Einbrüche bedeuten einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre. Beinahe jedes vierte Opfer gab in den Studien an, mindestens zwölf Monate nach einem Einbruch noch unter Stress und Anspannung zu leiden, viele klagen über Angstgefühle und Schlafstörungen. Fast 25 Prozent der Betroffenen würden deshalb am liebsten ihren Wohnort wechseln, und 10 Prozent – das ist eine ganz traurige Zahl – tun das auch.

Deshalb reicht es eben nicht aus, dass wir den Menschen nur empfehlen, sie sollen ihre Wohnungen besser sichern. Hier ist auch der Staat in der Pflicht, auf die Zunahme von Wohnungseinbrüchen mit Gesetzesverschärfungen zu reagieren. Deshalb muss auch der Wohnungseinbruch zukünftig in jedem Fall mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren geahndet werden, und nicht wie bisher in minder schweren Fällen von drei Monaten bis fünf Jahren.

Ich kann also den Ziffern 1 und 2 des Antrags uneingeschränkt zustimmen, Ziffer 3 lehne ich allerdings ab. Darin wird eine konstruktive Beteiligung an der Schaffung eines Integrationsgesetzes gefordert. Nun hat sich die Regierungskoalition auf Bundesebene aus Union und SPD genau heute vor einer Woche auf ein Integrationsgesetz geeinigt. Ausgehend vom Prinzip „fördern und fordern“ will man Flüchtlinge zukünftig zügig in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt integrieren. Das Integrationsgesetz der Bundesregierung stellt also darauf ab, aus Flüchtlingen Einwanderer zu machen,

(Glocke)

ich komme gleich zum Schluss! – doch diese Zielsetzung steht im Widerspruch zu den ausländerrechtlichen Bestimmungen; denn anders als ein Einwanderer darf sich ein anerkannter Asylbewerber nur vorübergehend, für die Dauer der Bedrohung, die in seinem Herkunftsland herrscht, bei uns aufhalten. Ist die Gefährdung nicht mehr gegeben, hat der Betroffene in seine Heimat zurückzukehren. Das Integrationsgesetz stellt dagegen auf einen dauerhaften Verbleib von Flüchtlingen in Deutschland ab, vorausgesetzt, sie sind zur Integration bereit.