Protocol of the Session on March 19, 2015

Wir sprechen oft von einer Willkommenskultur. Diese drückt sich natürlich auch durch eine vernünftige Versorgung, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen aus. Bremen – das muss ich vorwegsagen – tut einiges dafür, aber es geht auch nicht alles so, wie wir uns das gern wünschten, vor allem nicht in diesem Tempo. Es ist so, dass Flüchtlinge bei uns – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – zum Glück nicht in Zelten schlafen müssen, aber eben in

überfüllten Massenunterkünften, in Billighotels, in Containern oder in Sporthallen.

Ich werde einmal versuchen, eine Reise durch die Bremer Unterkünfte ein wenig nachzuvollziehen – wahrscheinlich weniger für Sie, Ihnen ist das bekannt –, aber vielleicht für die Menschen draußen, die uns zuhören.

Als Erstes werden ankommende Flüchtlinge in der ZASt untergebracht. Das ist per Bundesgesetz vorgeschrieben. Die ZASt, also die Zentrale Aufnahmestelle, ist seit mindestens drei Jahren überbelegt. Deshalb wird derzeit – das muss man sich einmal klarmachen – ein Drittel der Erstantragsteller scheinbar auf den Sofas ihrer Bekannten untergebracht und das eigentlich unentgeltlich. Sie wohnen dort, obwohl sie in der ZASt gemeldet sind. Das trifft im Moment – im Dezember hatten wir das angefragt – auf 89 Personen zu. Wie viele es derzeit sind, weiß ich nicht. Ich glaube, diese Antwort könnte uns vielleicht der Staatsrat geben.

Problematisch finden wir an dieser Stelle: Diesen 89 Personen, die die ZASt nicht noch weiter überbelegen und bei Bekannten auf dem Sofa schlafen, werden nur die gekürzten Leistungen von 143 Euro ausgezahlt. Die Leistungskürzung wird damit begründet, dass Flüchtlinge in der Erstaufnahme Verpflegung, Unterkunft und Hygieneartikel aus Sachleistungen gestellt bekommen. Diese Sachleistungen bekommen diese Sofa-Schläferinnen und Sofa-Schläfer aber nicht und der Geldausgleich wird ihnen verweigert. Das finde ich problematisch, weil, wenn alle diese Menschen, die auf die Hilfe von Bekannten setzen, auch noch in der Erstaufnahme schlafen würden, diese aus allen Nähten platzen würde.

(Glocke)

Ich komme in der ersten Runde zum Schluss. Ich finde, hier muss Bremen nachsteuern. Wenn Flüchtlinge keine Sachleistungen bekommen, aber die Hilfe anderer Menschen in Anspruch nehmen, sollte man auch die Leistungen nach dem Asyl-BLG in entsprechender Höhe auszahlen. Die Personen, die freundlicherweise ihren geflüchteten Freunden und Verwandten Unterkunft zur Verfügung stellen, sollte man nicht noch zusätzlich belasten. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Möhle, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Große Anfragen sind manchmal auch ganz groß. Diese Anfrage hat nun 52 Fragen. Man kann, wenn man darüber diskutieren will, natürlich nicht auf allen Fragen und Antworten im Detail eingehen. Dafür sind fünf Minuten Re

dezeit, auch wenn es zweimal fünf Minuten sind, nicht ausreichend. Die Antworten des Senats zeigen aber, dass dieser sehr transparent damit umgeht.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss aber auch sagen, dass wir im Grunde genommen einmal im Monat in der Deputationssitzung einen ausführlichen Bericht über die aktuelle Lage der Flüchtlinge erhalten.

Mir sagen viele dieser Antworten, dass wir inzwischen eine Menge geleistet haben, was die Unterbringung und die Betreuung von Flüchtlingen betrifft, dass es aber noch eine riesige Aufgabe ist, die wir vor uns haben. Ich habe schon vor gut anderthalb Jahren gesagt, dass wir ganz dringend – gerade was die Zahl der Flüchtlinge betrifft – ein Wohnungsbauprogramm brauchen, das dem Rechnung trägt.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir davon ausgehen – alle derzeitigen Schätzungen über die Flüchtlingszahlen sind eindeutig so, dass diese zunehmen werden –, dass wir möglicherweise in den nächsten fünf bis sechs Jahren bis zu 20 000 Neubürger in Bremen haben werden, dann muss man sich die Dimension dessen, was diesbezüglich auf die Stadtgemeinde, auf das Bundesland Bremen, zukommt, einmal klarmachen. Das ist im Prinzip so, als wenn man einen komplett neuen Stadtteil bauen würde.

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: Dafür brau- chen wir auch Fläche!)

Richtig, Jürgen Pohlmann! Dafür braucht man auch Land, auf dem man bauen kann.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe damals gesagt: Lasst uns doch versuchen, mit diesen KAMPA-Häusern – das ist eigentlich das Synonym für Fertighäuser – möglichst rasch für Wohnraum zu sorgen, damit die Flüchtlinge ganz schnell in die Normalität des Alltags entlassen werden können. „Normalität des Alltags“ heißt, dass Mann/dass Frau eine eigene Wohnung hat, dass Mann/dass Frau einen Arbeitsplatz hat und sich sozusagen in dieser Stadt integrieren kann. Das sind die Grundvoraussetzungen.

Wir haben viel getan. Frau Vogt, Sie haben die Zahlen der ZASt genannt. Sie haben recht, die ZASt ist permanent überbelegt. Wir haben jetzt in der Alfred-Faust-Straße eine Immobilie – sie wird Ende April hergerichtet sein –, sodass sich in diesem Bereich die Situation, so hoffe ich jedenfalls, einigermaßen entlastet.

Wir haben aber auch Probleme damit, dass wir sagen, die Wohnungsbaugesellschaften sollten sich daran beteiligen, Flüchtlinge unterzubringen, und das machen die Wohnungsbaugesellschaften auch. Nun ist es aber so, dass die GEWOBA zum Beispiel einen großen Wohnungsbestand in der Neuen Vahr hat. Das führt automatisch dazu, dass man natürlich auch eine gewisse „Ballung“ von Flüchtlingen in der Vahr hat. Das ist alles nicht weiter tragisch, wenn man darüber nachdenkt und es vor allen Dingen auch für sehr wichtig hält, dass eben nicht nur die Wohnungen zur Verfügung gestellt werden, sondern danach auch noch eine weitere Betreuung stattfindet.

(Beifall bei der SPD – Vizepräsident R a - v e n s übernimmt den Vorsitz.)

Ich habe sowohl mit der GEWOBA als auch mit der Bremischen Gespräche geführt. Alle sagen unisono, dass es ein Problem ist, dass es keine ausreichende Betreuung gibt, und deswegen glaube ich, es ist eine der ganz wichtigen dringenden und aktuellen Aufgaben, zu organisieren, dass diese sichergestellt wird.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Akzeptanz in der Stadt nur dann aufrechterhalten können, wenn uns eine möglichst stadtteilgerechte Unterbringung von Flüchtlingen gelingt. Stadtteilgerecht heißt, dass man sie eben nicht immer nur in denselben Stadtteilen unterbringt, weil es dort sozusagen der Mietspiegel hergibt, weil die Wohnungen da billig sind, dass man es eben nicht nur immer in den Stadtteilen versucht, sondern dass wir in der gesamten Stadt nach geeigneten Flächen, nach geeigneten Immobilien suchen und eine vernünftige Verteilung in Bremen und Bremerhaven erreichen.

Der zweite Punkt ist, dass wir Stadtteilakzeptanz nur dann erreichen, wenn es einvernehmlich mit den Beiräten geschieht. Ich finde, dass wir nach anfänglichem Zögern in den Beiräten mittlerweile aber eine ganz gute Informationskultur entwickelt haben, dass das Ressort sorgfältig vor Ort die Diskussionen führt, auch Anregungen annimmt und Kritik berücksichtigt. Das ist, glaube ich, inzwischen auf einem sehr guten Weg.

(Glocke)

Dann höre ich an dieser Stelle erst einmal auf und komme vielleicht nachher noch einmal wieder. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion der LINKEN beschäftigt den Senat mit 52 Fragen, die sich weitgehend mit anderen Problemen als mit dem Wohnen

beschäftigen, obwohl die Große Anfrage mit „Unterkünfte und Wohnraum für Geflüchtete“ überschrieben ist. Ich war, ehrlich gesagt, schon kurz davor, bei der LINKEN anzurufen, um nachzufragen, über welche Themen wir denn heute konkret diskutieren wollen: vielleicht über die Kinderbetreuung oder über die Gesundheitsversorgung, das Sachleistungsprinzip –

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Hat die Schule nichts mit der Unterbringung zu tun?)

das hat zumindest wenig mit Wohnraum zu tun, würde ich sagen! –,

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Wollen Sie sie einfach nur in Wohnungen stecken?)

den Platzmangel in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung, der ZASt, in der Steinsetzerstraße, die Sprachkurse oder eben doch lieber über die Überprüfung von Sicherheitsdiensten und die ambulante sozialpädagogische Betreuung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge? Das sind alles Themen, die DIE LINKE in der Großen Anfrage anreißt, und Frau Vogt hat ja eben noch neue Aspekte eingebracht.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Das ist auch mein gutes Recht!)

Die Beantwortung dieser Großen Anfrage war sicher für den Senat eine logistische Meisterleistung, und trotzdem sind viele Antworten schon wieder veraltet, zum Beispiel das vom Senat erklärte Ziel, in neu zu schaffenden Einrichtungen 70 bis höchstens 180 Plätze einzurichten. Wir haben inzwischen wohl alle mitbekommen, dass aktuell von einer Verdoppelung von Plätzen an Standorten wie zum Beispiel Arbergen die Rede ist. Dort sollen zukünftig 240 statt 120 Flüchtlinge untergebracht werden, also weit mehr als die angedachten oder angestrebten 180 Flüchtlinge.

Es gibt aber auch teils sehr widersprüchliche Aussagen in der Antwort: In der ZASt, so sagt der Senat, gebe es 220 Plätze, bis vor ein paar Monaten hieß es aber immer, die ZASt sei für höchstens 180 Plätze ausgelegt. Im Dezember waren dort sogar 312 Personen gemeldet, und ich will, ehrlich gesagt, gar nicht wissen, wie es dort im Januar aussah.

Ein Abschnitt in der Antwort des Senats beschäftigt sich dann aber doch mit Wohnraum für Flüchtlinge. Dieser Teil betrifft aber auch viele andere Menschen in unserer Stadt, die günstigen Wohnraum suchen. Konkurrenzbildung sowie eine Verdrängung an die Stadtränder soll laut Antwort des Senats vermieden werden. Zudem sollen alle zentral, also mitten in der Stadt, wohnen können. Zur Erreichung dieses Ziels will der Senat bis zum Jahr 2020 durch Innenentwicklung 1 300 neue Wohnungen bauen lassen.

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: Sehr gut!)

Diese Zielzahlen setzte er sich aber bereits, bevor die Flüchtlingszahlen stiegen. Das reicht jedoch mittlerweile nie und nimmer aus, und ich bin mir sicher, dass ein Blick auf die Stadtränder, wo angeblich niemand wohnen will, sehr geboten ist, zum Beispiel ziehen die Familien, die in Bremen keine Möglichkeit für ein Eigenheim für sich sehen, doch schon alle lange ins niedersächsische Umland und kommen von dort dann zum arbeiten nach Bremen.

(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen: Alle?)

Alle nicht! Nein, okay, das stimmt nicht! Das nehme ich zurück, also viele der Familien!

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: Die kommen alle wieder zurück!)

Wer aber ein Haus bauen will, wird es wohl kaum in der Innenstadt können.

Es ist jedenfalls ein unbestritten großer Erfolg, dass im letzten Jahr fast 1 000 Flüchtlinge in günstige Wohnungen vermittelt werden konnten. Wie will der Senat aber, wenn er jährlich nur 1 300 neue Wohnungen bauen lassen will, die Konkurrenzbildung und Verdrängung auf Dauer verhindern?

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: Weil wir han- deln!)

Zumindest die Konkurrenzbildung ist schon jetzt ein riesiges Problem. Die geplanten jährlichen 1 300 Neubauten können die Nachfrage nach Wohnraum in den nächsten Jahren niemals decken, und sie sind schon jetzt noch weniger als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen jährlich sicher mehr als 2 000 neue Wohnungen in Bremen – wie viele, weiß ich nicht genau, das können die Baupolitiker vielleicht ausrechnen! –,