DIE LINKE hat, auch darauf wurde hingewiesen, schon sehr früh – ich habe noch einmal nachgesehen, es war im Jahr 2008 – einen Antrag eingereicht, einen Masterplan zur Armutsbekämpfung zu beschließen, der neben den sicherlich wichtigen materiellen Maßnahmen vor allem aber auch die ressortübergreifende Arbeit in den Fokus gestellt hat. Die vom Pa
ritätischen, von kirchlichen Organisationen und auch von der Angestelltenkammer vor wenigen Monaten veranstaltete Armutskonferenz hat uns da eigentlich auch recht gegeben und starke Kritik daran geäußert, dass es im Grunde genommen strukturelle Defizite gerade in der Koordination, in der Kommunikation und auch in der Bündelung von Armutsbekämpfungsmaßnahmen oder -mitteln in dieser Stadt gibt und die Ressortgrenzen eben nicht durchlässig sind. Deshalb haben wir diese Kritik der ersten Bremer Armutskonferenz auch aufgenommen und gesagt, in Ordnung, das ist für uns jetzt auch noch einmal ein Grund, dass wir die Einsetzung dieses Ausschusses begrüßen, weil wir sagen, dort gibt es entsprechende Möglichkeiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, DIE LINKE glaubt eben deshalb, dass es auch hier mit so einer gemeinsamen Arbeitsgruppe, auf einer zunächst formal erscheinenden Ebene – ohne jetzt gleich die riesigen Summen bewegen zu müssen, die immer vermutet werden, wenn wir ans Rednerpult gehen – Möglichkeiten gibt, mit denen wir den Menschen in dieser Stadt ganz konkret helfen können. Auch als LINKE, das muss man deutlich sagen, sehen wir uns hier ganz in der Tradition von August Bebel, um, wie er einmal gesagt hat, alles zu tun, die Lage der Arbeiter und Arbeiterinnen und der Arbeitslosen zu heben und zu verbessern, soweit dies in dieser bürgerlichen Gesellschaft überhaupt möglich ist.
DIE LINKE, um das auch deutlich zu sagen, wäre natürlich nicht DIE LINKE, wenn sie bei der Analyse und Formulierung von Lösungsversuchen dieses Armutsproblems nicht auch radikal wäre, also versuchen würde, an die gesellschaftlichen Wurzeln dieser Armut heranzugehen. Da, meine sehr geehrten Damen und Herren, sagen wir ganz deutlich: Wer von Armutsbekämpfung redet, der muss Reichtumsminderung ganz praktisch wollen! Die Armut der großen Mehrheit in einer auf Privateigentum und Profitmaximierung basierenden Gesellschaft ist immer auch Voraussetzung für den Reichtum. Armut und Reichtum sind – und ich glaube, das sollte man auch nicht unbedingt wegdiskutieren, jedenfalls wir als LINKE wollen das auch nicht – die beiden Seiten einer Medaille, und die Medaille heißt Kapitalismus.
Seit der Banken- und Systemkrise in den Jahren 2008 und 2009 wissen wir ja zumindest, dass der Kapitalismus nicht das letzte Wort der Geschichte ist, wie immer wieder behauptet wurde. Wir müssen, und das glauben wir durchaus sehr ernsthaft, neue gesamtgesellschaftlich orientierte Formen des Wirtschaftens und des Lebens jenseits der Profitlogik finden. Das ist eine Aufgabe, die auch etwas mit Armutsbekämpfung zu tun hat, aber, meine Damen und Herren, das muss man deutlich sagen, Armut kann nicht
in Bremen allein gelöst werden. Bundeseinheitliche Besteuerungen, zum Beispiel von großen Vermögen, Unternehmensgewinnen und Spekulationsgeschäften, sind Grundvoraussetzung dafür, auch daran sollte man denken, und wenn dies auch nur ein Ergebnis einer gemeinsamen Arbeit ist – dazu kann ja auch die CDU kommen und die Koalition sowieso –, das sind Voraussetzungen, damit Länder und Kommunen wenigstens in der Lage sind, die groben Armutsfolgen dieses Systems sozial abzufedern.
Damit sind auch, das möchte ich noch einmal sagen, die Grenzen der Arbeit dieses Ausschusses klar benannt. Diese Grenzen liegen nämlich zum Beispiel darin – wir haben darüber diskutiert –, dass es noch keine politische Bereitschaft, will ich einmal sagen, gegeben hat, Haushaltsmittel bei möglichen Maßnahmen, die wir dort finden, bereitzustellen. Wir haben nicht gesagt, dass automatisch am Ende immer viel Geld herauskommen muss. Deshalb möchte ich damit schließen: Armut, meine Damen und Herren, ist kein Schicksal, Armut ist keine Gottesfügung, sondern sie ist von Menschen gemacht und deshalb auch wiederum von Menschenhand zu verändern! DIE LINKE, um das auch deutlich zu sagen, möchte Veränderungen, auch radikale Veränderungen. – Vielen Dank!
Bei aller Skepsis gegenüber diesem Ausschuss, ich bin ja nun nicht einfach ein begeisterter Befürworter solcher Veranstaltungen, sondern ich habe mir lange überlegt, und auch die SPD-Fraktion hat lange überlegt, was könnte dabei eigentlich herauskommen, und das ist ja tatsächlich die Frage, ich weiß auch – ich bin jetzt seit 15 oder 16 Jahren Parlamentarier –, dass jede Partei natürlich ihre eigenen Konturen darstellen will, völlig in Ordnung, auch das ist mir klar: Was wir aber brauchen, ist, wenn überhaupt, dann die eine oder andere vielleicht auch einmal neue Idee, die ich nicht schon in irgendeinem dieser Parteiprogramme finden kann.
Mit Verlaub, Herr Erlanson, dass Sie jetzt sagen, Sie wissen genau, wie Sozialpolitik geht, dann kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch! Die SPD
macht seit 150 Jahren Sozialpolitik, verstehen Sie, da sind andere schon ganz lange dabei, auch über Armut nachzudenken und über die Gesellschaft, aber an dieser Stelle jetzt der Aufruf zur irgendwie gearteten Revolution, der macht mich, ehrlich gesagt, ein wenig fassungslos!
Um das noch einmal zu betonen: Ich glaube, der einzige Sinn dieses Ausschusses kann darin liegen, eben nicht die Parteigrenzen so wichtig zu nehmen und zu sagen, wir haben immer schon gewusst, wie es richtig geht – das richte ich an alle Fraktionen –, sondern einfach zuzulassen, dass es vielleicht Ideen gibt, an die man bisher noch nicht gedacht hat. Das kann es geben, das soll ja vorkommen in dieser Welt, und in dem Sinne wünsche ich dem Ausschuss sehr viel Erfolg, weil es nicht schaden kann, tatsächlich ein paar ganz neue Ideen in die Waagschale zu werfen, um dem Problem Armut zu begegnen, nicht um sich als Partei zu profilieren. Das macht wenig Sinn an dieser Stelle. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich fand das vergleichsweise mutlos und ein bisschen schade, Herr Erlanson, denn wenn man sich selbst die Falle stellt und sagt, na ja, wenn man da etwas Vernünftiges machen möchte, dann kostet das umso mehr Geld, das haben wir nicht, also was soll dann dabei herauskommen, das ist wirklich mutlos!
Ich will Ihnen einmal sagen, dass bei manchen der Dinge, über die ich gern reden würde, das Gegenteil der Fall ist: Wenn wir es uns nicht leisten würden, Flüchtlingen per Arbeitsverbot zu verbieten, sich selbst ernähren zu können, dann würde das dem Staat Geld ersparen,
es würde die Autonomie der Menschen und ihre Fähigkeit erhöhen, selbst für sich zu sorgen. Das ist eine Maßnahme, die nichts kostet, sondern etwas einspart.
Wenn wir die vielen öffentlichen Gebäude, wie Schulen, die am Nachmittag oder Abend leer stehen, als Quartierszentren anders nutzen und wenn wir Dinge mehr miteinander vernetzen würden, könnte das Geld einsparen, aber den Menschen in dem be
treffenden Stadtteil viel bringen und auch in dem Sinne des Ausschusses, den wir hier einsetzen wollen, einen Schritt vorangehen.
Das Sozialressort allein hat in einem Haushaltsjahr zurzeit 772 Millionen Euro im Etat, dazu haben wir ein Bildungsressort mit einem ziemlich hohen Etat, mehrere hundert Millionen Euro, wir betreiben Arbeitsförderung, Stadtentwicklung, es kommen insgesamt weit über eine Milliarde Euro zusammen, die wir Jahr für Jahr ausgeben. Es kann doch im Lande Bremen mit seinen 650 000 Einwohnern nicht das Problem sein, dass das grundsätzlich zu wenig ist, sondern wir sollten uns noch einmal alle gemeinsam anschauen – und dazu habe ich jetzt leider von Ihnen ganz wenig gehört, von allen anderen Kollegen aber umso mehr, dafür vielen Dank! –, ob wir nicht gemeinsam herausfinden, wie mit diesem Geld am Ende mehr für die Menschen herauskommen kann, etwa durch solche Maßnahmen, wie ich sie am Beispiel des Ausländerrechts und anderer Dinge benannt habe.
Das von vornherein immer auf die Frage zu schieben, ob es wirklich daran hängt, dass ich jetzt noch 10 Millionen Euro mehr hinzugebe oder nicht, ist einfach eine sehr mutlose, eine sehr wenig inhaltsbezogene, eine sehr wenig nach vorn gerichtete Haltung. Die haben Sie in gewisser Weise, so verstehe ich das, in Ihren Änderungsantrag verlagert. Weil Sie ja auch wissen, dass wir den ablehnen – die Begründung haben wir gegeben –, haben Sie gesagt, dass Sie gleichwohl dann am Ende diesen nicht geänderten Antrag so einbringen, Sie haben ihn ja auch unterschrieben. Daher bin ich hoffnungsvoll, dass das jetzt noch eine Schleife ist, die Ihnen wichtig war, das ist ja auch in Ordnung, dass wir dann aber gemeinsam ans Werk gehen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Herrn Röwekamp möchte ich sagen, ich bin optimistisch oder habe das deutliche Ziel, dass wir uns über alle Parteigrenzen, ideologischen Grenzen und Vorstellungen hinweg wirklich eine Reihe konkreter Maßnahmen anschauen, beschließen und umsetzen. Ich finde, das ist unsere Aufgabe, und ich bin relativ sicher, dass wir im Detail eine ganze Reihe von Maßnahmen finden werden, die dann auch wirksam sind. Deswegen finden wir diesen Ausschuss gut.
Zweitens: Sie mögen uns verzeihen, wenn wir in diesen Ausschuss auch einen systemkritischen Ansatz einbringen, weil wir der Überzeugung sind, dass wir in einer Systematik und in einem System leben
und arbeiten, das Armut produziert. Deswegen finden wir es nicht falsch, systemkritische Ansätze zu machen, und wir haben jetzt in unserem Änderungsantrag ja nicht gesagt, wir brauchen 100 Millionen oder 10 Millionen oder 20 Millionen Euro mehr für Armutsbekämpfung, wir haben nur gesagt, dass die Maßnahmen, die wir dort beschließen, auch im Haushalt abgesichert sein müssen. Das bedeutet zunächst überhaupt nicht, dass es mehr ist. Das bedeutet möglicherweise Umverteilung zwischen unterschiedlichen Haushaltspositionen, das bedeutet unter Umständen einen anderen Einsatz der Mittel.
Ich habe aber auch gesagt, ich bin davon überzeugt, wenn wir Armut in Bremen wirksam bekämpfen wollen, dann werden wir ohne mehr Mittel nicht auskommen. Das bedeutet überhaupt nicht, und dagegen wehre ich mich auch, dass wir behaupten, wenn wir mehr Mittel ausgeben, klappt es auch besser. Das ist überhaupt nicht die Frage. Natürlich braucht man vernünftige Konzepte, natürlich muss man gute Ideen haben, natürlich muss man schauen, an welcher Stelle man möglicherweise das Geld falsch ausgegeben hat, weil man es möglicherweise anders ausgeben muss. Unter dem Strich wäre es aber, glaube ich, falsch zu sagen, alles, was bisher passiert ist, war so, dass man das alles umverteilen muss, und dann klappt das schon.
Nein, ich bin der Meinung, dass wir da auch mehr einsetzen müssen, und daher, denke ich, ist unser Ansatz zu sagen, wir brauchen sowohl einen Bericht als auch im Endeffekt eine Vorstellung, wie wir die Maßnahmen, die wir beschließen, auch mit Geld hinterlegen. Diesen Ansatz finden wir richtig, und ich bin relativ sicher, dass am Ende der Arbeit dieses Ausschusses, wenn ein Bericht vorgelegt wird, dann auch ein solcher Teil, wie das im Haushalt umgesetzt wird, darin enthalten sein wird, auch wenn wir das heute nicht beschließen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Senat möchte ich gern sagen – und insbesondere für Frau Senatorin Stahmann und für mich –, dass wir uns über die breite Übereinstimmung und den Willen zur Zusammenarbeit freuen. Das entspricht dem Gedanken eines Bündnisses, das auf ein wichtiges Ziel in unserer Stadt, in unserer Gesellschaft gerichtet ist, nämlich eines Bündnisses für sozialen Zusammenhalt.
Das bedeutet zugleich, dass es ein Bündnis sein muss, das weit über den Bereich der Politik, des Staates und der Verwaltung hinausgeht, denn – und das möchte ich an dieser Stelle noch einmal sagen – ich habe einen Riesenrespekt vor der ersten Bremer Ar
mutskonferenz und den vielen, die damals mitgewirkt haben. Das sind ja Menschen, Akteure aus der Gesellschaft, die sich an den unterschiedlichsten Plätzen in unseren beiden Städten konkret für Menschen einsetzen. Die haben sich zusammengetan, die haben uns aufgerufen, mit ihnen gemeinsam etwas zu machen, und das wollen wir auch tun.
Ich habe gemeinsam mit Frau Senatorin Stahmann und den Initiatoren der Armutskonferenz zusammengesessen. Wir haben auch in den letzten Wochen mit ganz vielen anderen, mit den Kammern in Bremen, mit Kirchen, mit sozialen Organisationen zusammengesessen, und sie alle haben den gemeinsamen Willen, mit uns etwas Neues, mehr Rückenwind in diese Armutsbekämpfung, in das Ziel einer Gesellschaft, die zusammenhält, zu bringen.
Das Besondere ist ja, wir haben an bestimmten Stellen, wie ich das nenne, eine einzigartige historische Situation, wenn wir zum Beispiel die Frage anschauen, ob Kinder und Jugendliche mit einer guten Ausbildung auch in Arbeit gelangen. Heute können wir uns nicht nur aus ethischen und humanitären Gründen nicht erlauben, dass Kinder und Jugendliche keine Zukunft in der Gesellschaft haben, wir können es uns auch aus ökonomischen Gründen nicht erlauben, und deswegen gibt es Schnittmengen, die es in der Vergangenheit noch gar nicht so gegeben hat. Das habe ich in vielen Gesprächen mit Handelskammer und Handwerkskammer erlebt.
Wenn der Präses der Handwerkskammer mir sagt, wir können Ideen beisteuern, zum Beispiel dass Flüchtlinge, die nach Bremen kommen, trotz Arbeitsverbots in den ersten Monaten etwas Sinnvolles tun, da will die Handwerkerschaft ihren Beitrag leisten – vielleicht kann man Schulungen oder Praktika anbieten –, dann ist das toll, so etwas müssen wir mit aufnehmen.
Wenn die Handelskammer uns sagt, wir wollen unsere Anstrengungen, mit den Schulen zusammenzuarbeiten, verbessern, wir wollen – und das war das letzte Wort, das ich von der Handelskammer gehört habe – anbieten, dass bis zu 30 Unternehmen konkrete Verbindungen zu Schulen aufbauen, nicht im Sinne von Sponsoring, sondern um die Verbindung zwischen Schule und dem Berufs- und Erwerbsleben zu verbessern, wir wollen in die Schulen gehen, die in sozial schwierigen Stadtteilen liegen, dann ist das, finde ich, ein gutes Zeichen, das sollten wir mit aufnehmen. Wir sollten das im Ausschuss tun, und das tun wir auch in den Gesprächen, die wir vonseiten des Senats führen.
Armut ist vor allem eines nicht, es ist kein Problem der Statistik, sondern Armut ist konkret. Wer mit offenen Augen und Ohren durch unsere Stadtteile geht, der weiß, dass Armut nicht nur heißt, wenig Geld im Portemonnaie zu haben, sondern Armut heißt auch, dass die Chance, für gute Gesundheit, die Lebenschancen, die Bildungschancen, die Chancen für gutes Wohnen und häufig auch die Teilnahme am sozialen Leben schlechter sind. Das zeigt, dass wir umfassend mehr tun müssen. Mir geht es so wie in dieser Woche der Inneren Mission, die sich zur Feier ihres 165. Geburtstags zum Motto gemacht hat: Hingucken und Handeln! Das ist das Entscheidende, und man merkt ja bei einem Glas Rotwein in einem Salon über die Fragen der Systemgerechtigkeit sprechend – darüber diskutiere ich auch gern –, dass es in Bremen und Bremerhaven konkret darauf ankommt, etwas zu tun.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, wie das gelingen kann. Ich nenne das Bündnis für Wohnen. Es haben viele nicht für möglich gehalten, wir haben tatsächlich in einer Verständigung zwischen der Wohnungswirtschaft, den Immobilieneigentümern, den Mieterverbänden, dem Bündnis Menschenrecht auf Wohnen und vielen weiteren Beteiligten einen neuen Anschub für die Schaffung bezahlbarer Wohnungen erreicht, indem wir jetzt sagen, dort, wo Bremen neues Baurecht schafft oder eigene Grundstücke veräußert, sollen 25 Prozent bezahlbare Wohnungen entstehen und davon 20 Prozent für Menschen, die konkret von Obdachlosigkeit betroffen sind. Dass alle bereit sind mitzumachen, ist doch ein wunderbares Zeichen, und so etwas müssen wir fortsetzen!