Protocol of the Session on November 22, 2012

(Glocke)

Mir bereitet Sorge – das ergibt sich aus der Großen Anfrage –, dass die unterschiedlichen Organisationen, die sich mit der Antidiskriminierungsarbeit befassen, relativ schlecht koordiniert sind und dass ein Gesamtüberblick fehlt. Ich denke – da möchte ich unsere Idee eines Opferschutzbeauftragten durchaus noch einmal aufgreifen –, hier wäre es nicht schlecht gewesen, wenn wir einen solchen Opferschutzbeauftragten hätten, dieser hätte auch Opfern rechtsextremer Gewalt helfen können.

Ich hätte noch einiges mehr zu sagen, vieles ist schon gesagt worden. Das Netzwerk „pro aktiv gegen rechts“ finde ich auch gut, es wird im Übrigen aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt. So viel nur dazu! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Hasskriminalität ist ein schwieriges Thema, wie wir es bei der bisherigen Debatte schon feststellen konnten, es ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ist wahrscheinlich ein verzwicktes juristisches Problem. Es ist die Frage, ob man das Strafgesetzbuch ändern oder ob man andere Dinge ändern soll. Das ist sicherlich eine Frage. Ich glaube aber – ich habe mich auch einmal bei unserer Bundestagsfraktion erkundigt, es gab im Rechtausschuss des Bundestags auch eine Anhörung dazu –, so wie ich das verstanden habe, sind viele Experten durchaus der Meinung, dass man genügend Vorschriften im Strafgesetzbuch hat, um diese bei so etwas wie der Hasskriminalität strafverschärfend anzuwenden, darum geht es im Grunde genommen.

Es scheint so zu sein – und zumindest Frau Piontkowski hat das hier zuletzt noch einmal erwähnt –, es gibt sicherlich ein Problem dabei, dass natürlich in allen Gliederungen der Justiz, aber auch bei der Polizei eine Sensibilität dafür vorhanden sein muss. Dieses Beispiel – Menschen werden rassistisch beschimpft, möglicherweise auch angegriffen, dann stellt die Polizei fest, die betreffende Person ist gar nicht in der NPD oder in irgendeiner freien Kameradschaft oder wo auch immer, und weil man diesen organisatorischen Zusammenhang nicht findet, sagt man dann, dies ist aber auch kein Rechtsextremismus – zeigt aus meiner Sicht ganz deutlich, dass es eher eine Frage der Sensibilität ist, denn jemand kann rechts, er kann faschistisch oder rechtsextremistisch sein, ohne dass er Mitglied in irgendeiner Partei oder einer Organisation ist. Das schließt sich gegenseitig nicht aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb glaube ich, an der Stelle kann man gut erkennen, wir müssen es irgendwie erreichen – und ich denke, zumindest kleinere Teile der Anfrage haben das auch so thematisiert –, dass Richter und Staatsanwälte, aber auch die Polizei auf diesem Gebiet einfach sensibler werden. Ich glaube, das ist erst einmal das Hauptanliegen, bis sich die Juristen geeinigt und etwas Sinnvolles gefunden haben, was ich momentan so noch nicht sehe. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Professor Stauch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier wurde die Frage aufgeworfen: Welche Möglichkeiten gibt es für den Staat, auf Hasskriminalität zu reagieren? Frau Piontkowski, ich muss deutlich sagen, ich denke, es gibt andere Möglichkeiten. Es gibt eine aktuelle Studie von Human Rights Watch, und in dieser aktuellen Studie wird ausdrücklich die Auffassung vertreten, eine Verschärfung der Strafzumessungsgründe wäre vernünftig.

Ich kann Ihnen sagen, ich habe es in den Beratungen zwischen den Ländern erlebt, dass die Länder Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und andere ostdeutsche Länder eine Verschärfung bei den Strafzumessungsgründen haben, in Übereinstimmung mit Human Rights Watch. Wir haben damals in Bremen gegen engstirnige Bedenken gesagt, dass wir diese Initiative von Sachsen-Anhalt unterstützen und wir sie damit nicht alleinlassen. Es hat eine größere Initiative gegeben, das haben wir ausgeweitet. Wir haben das Thema in der Justizministerkonferenz eingehend gemeinsam beraten. Es gibt eine große, breite Mehrheit der Länder im Bundesrat, die gesagt hat, ja, das ist der richtige Ansatz, sie zu verschärfen. Hier geht es um Motive von Straftaten, und solche Motive von Straftaten erfasst man nicht bei den Straftatbeständen, sondern bei den Zumessungsgründen, und da ist eindeutig gesagt worden, wir wollen eine Verschärfung der Strafzumessungsgründe.

Es gibt eine von einer breiten Mehrheit getragene Bundesratsinitiative, die jetzt gerade am 18. Oktober 2012 von Ihrer Bundesregierung mit der großen Mehrheit in zweiter Lesung im Bundestag abgelehnt worden ist, und ich glaube, aus falschen Gründen, denn die Verschärfung der Strafzumessungsgründe hätte eine höhere Beachtung im Strafprozess herbeigeführt. Den Richtern wäre noch einmal deutlich geworden, dass sie bei der Strafzumessung solche Motive besonders berücksichtigen müssen, das ist sinnvoll.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Piontkowski?

Ja, bitte!

Bitte, Frau Abgeordnete!

Herr Staatsrat, stimmen Sie mit mir überein, dass in Paragraf 46 Strafgesetzbuch Strafzumessungsgründe genannt sind, die sowohl für als auch gegen den Beschuldigten sprechen, während es unter den speziellen Straftatbeständen im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs solche Strafzumessungstatbestände gibt, die zulasten des Täters sprechen?

Das ist richtig, gleichwohl, denke ich, ist es vernünftig, bei den allgemeinen Strafzumessungsgründen noch einmal besonders darauf hinzuweisen, dass solche Motive besonders hervorgehoben werden können und berücksichtigt werden sollen. Das ist im Übrigen sowohl in der Justizministerkonferenz als auch unter den Fachleuten auch ganz breite Auffassung gewesen. Ich glaube, dies ist ein vernünftiger Ansatz gewesen. Leider ist es abgelehnt worden, das muss man noch einmal deutlich sagen.

Ich möchte auch noch zu den weiteren Handlungsmöglichkeiten etwas sagen! Wir haben in der Antwort ausführlich dargestellt, welche Institutionen wir haben und welche Aufmerksamkeit stattfindet. Die konkreten Fälle, die hier in Bremen angesprochen wurden, sind nach den Kriterien von Human Rights Watch mit großer Aufmerksamkeit verfolgt worden. Wir hatten Gruppen, die zunächst nicht mit der Polizei zusammenarbeiten wollten, und dort ist der Staatsanwalt hingegangen und hat sie dazu bewegt, auch daran mitzuwirken. Das sind wesentliche Kriterien, das muss erfolgen. Es muss eine Sensibilität vorhanden sein, und die haben wir hier in Bremen gehabt. Ich finde es schade, dass wir dort nicht für die Justiz noch einmal den klaren Hinweis in der Strafprozessordnung bei den Strafzumessungsgründen hatten.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Wäre ja auch sinnvoll gewesen!)

Das ist das Strafgesetzbuch, das ist unglücklich. Es wäre gut gewesen, wenn das noch zusätzlich betont worden wäre.

Sie haben den Opferschutzbeauftragten wieder angesprochen, Frau Piontkowski, wie Sie es schon häufig gemacht haben. Wir haben eine große Anhörung im Rechtausschuss zu der Frage gehabt, ob wir eine besondere bürokratische Organisation mit einem Opferschutzbeauftragten brauchen. Das haben die Verbände, die in dem Bereich tätig sind, mit Verve und durchgängig abgelehnt. Sie haben gesagt, das machen wir selbst, wir wollen diese Tätigkeit übernehmen, wir brauchen keine zusätzliche staatliche Stelle. Das ist ausdrücklich abgelehnt worden, dieser Frage sind wir nachgegangen. Ich glaube, wir machen hier eine Menge, schade, dass wir bundesgesetzlich nicht noch mehr erreicht haben. Das bedauere ich, aber das haben wir nicht durchsetzen können. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/612, auf die Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD Kenntnis.

Budget für Arbeit in Bremen einführen

Antrag der Fraktion der CDU vom 11. September 2012 (Drucksache 18/569)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Frehe.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um die Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu stärken, wurde im Jahr 2008 das Recht, das persönliche Budget zu nutzen, im Sozialgesetzbuch verankert. Das ist inzwischen auch schon etwas bekannter als das Budget für Arbeit, da es auch in Bremen vereinzelt Nutzer des persönlichen Budgets gibt. Menschen mit Behinderung, die selbst bestimmen wollen, wann, von wem und wie sie Unterstützung möchten, lassen sich das persönliche Budget von den Leistungsträgern wie zum Beispiel der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, den Integrationskassen, Pflegekassen und so weiter auszahlen. Dafür kaufen sie selbstständig Leistungen wie zum Beispiel die der persönlichen Assistenz ein.

Obwohl es diese Möglichkeit in Bremen bereits seit einigen Jahren gibt, wird sie nur selten genutzt. Hier nur fehlendes Interesse der Betroffenen zu vermuten, wäre zu einfach, denn ganz wesentlich trägt zum Beispiel Unwissenheit, mangelhafte Aufklärung und mangelnde Unterstützung dazu bei, dass das Angebot nicht wie gehofft angenommen wird. Es bringt auch keinen Gewinn, wenn Budgetnehmer, die Beratung und Unterstützung zur Nutzung des Budgets brauchen, diese von dem Geld, das sie zum selbstbestimmteren Leben nutzen wollen, bezahlen müssen, denn dann bleibt für das eigentliche Anliegen nichts mehr übrig. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein.

Menschen, die bisher weitestgehend eher umsorgt wurden, als dass sie selbst für sich gesorgt haben, konnten manchmal nur wenig bis keine Erfahrung im selbstständigen Umgang mit Behörden und mit der dazugehörigen Bürokratie sammeln. Wenn sie nun den Mut finden, selbst aktiv zu werden, dann brauchen sie an den entscheidenden Stellen fachliche, detaillierte und unterstützende Beratung von geschultem Personal. Das Budget für Arbeit ist eine Möglichkeit, das persönliche Budget zu nutzen. Die bisherigen Kosten für einen Werkstattplatz können zu einem Arbeitgeber, der ein normales sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis anbietet, mitgenommen werden. Bisherige Beschäftigte einer Werkstatt können so mit diesem Betrag ihren Lohn im ersten Arbeitsmarkt subventionieren.

Das Land Bremen hat sich in den letzten Jahren an einem Bundesmodellprojekt beteiligt, das mit „JobBudget“ einen ähnlichen Namen trägt und einen ähnlichen Ansatz verfolgt. Hier ist der Schwerpunkt darauf gelegt, mit Hilfe einer persönlichen Assistenz Erfahrungen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu sammeln. Meistens handelt es sich um Plätze, die ähn––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

lich wie bei einem Praktikum befristet zur Verfügung gestellt werden. Im Rahmen dieses Modells haben zehn Menschen mit Behinderung die Chance, bis Ende 2014 einen Versuch auf dem ersten Arbeitsmarkt zu machen. Entweder gelingt es den Projektteilnehmern, eine Anstellung zu bekommen, oder sie kehren dann wieder in die Werkstatt zurück. Einen Anreiz für den Arbeitgeber durch eine Lohnsubventionierung gibt es hier nicht, deshalb deckt die Möglichkeit des Budgets für Arbeit mit der Subventionierung einen ganz anderen Aspekt ab. Es ist nämlich nicht jeder Arbeitgeber bereit, jemanden sozialversicherungspflichtig anzustellen, wenn schon von Anfang an klar ist, dass diese Person auf Dauer nur mit halber Kraft arbeiten kann.

Meiner Meinung nach sollte auch Bremen ein klares Ja zum Budget für Arbeit sagen, am besten in Ergänzung zum bestehenden JobBudget. Über die Möglichkeiten, die das Budget für Arbeit mit sich bringt, muss in Bremer Unternehmen aufgeklärt werden. Alle am Prozess Beteiligten brauchen ein solides Fachwissen, damit solch ein positives Instrument der Teilhabe nicht an mangelnder Beratung und falscher Aufklärung scheitert.

Ich hoffe auf Unterstützung für unseren Antrag, die sich nun wohl darin zeigt, dass Sie ihn in die Sozialdeputation überweisen wollen. Von unseren Nachbarn in Niedersachsen wurde das Budget für Arbeit übrigens schon erfolgreich eingeführt. Ein solches Instrument für Menschen mit Behinderung kann nur ein Angebot von vielen sein. Es wird immer nur von einigen genutzt werden, doch für sie ebnet es dann den Weg in ein selbstbestimmteres Leben. Wir brauchen viele Angebote, um die Wahlfreiheit zu ermöglichen. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Grönert hat ja eben schon erklärt, worum es bei dem Budget für Arbeit geht, und sie hat sich gewünscht, wenn ich es richtig verstanden habe, dass die Bremer Regierung, der Senat, es auch so sieht wie sie. Ich kann nur sagen, im Koalitionsvertrag der rot-grünen Regierung steht genau darin, dass wir das tun wollen, und wir sind auch dabei, es zu tun. Dass sich das nur für einen ganz bestimmten Personenkreis eignet, ist völlig klar, aber für diejenigen, die dadurch mehr Freiheit, mehr Eigenverantwortung und mehr Eigenbestimmung erreichen können, ist das außerordentlich wichtig, ich kann es an dieser Stelle wirklich sehr kurz machen: Wir unterstützen den Antrag. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Wir werden ihn aber auch schon deswegen überweisen, weil Sie unter Punkt vier – –. Ist das Punkt vier?

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Haben Sie die Zahl gefunden?)

Sie wollen den Antrag an das Wirtschaftsressort überweisen, es handelt sich aber eigentlich ausschließlich um Sozialleistungen, und deswegen ist es ohnehin schon einmal richtig, dass das auch beim Sozialressort bleibt. An dem Punkt haben Sie sich meiner Meinung nach geirrt. Das hat aber auch nichts damit zu tun, dass wir jetzt sagen, wir haben einmal einen Punkt gefunden.

Ich habe gerade gesagt, wir finden den Antrag gut und richtig und tragen ihn auch mit. Wir wollen ihn aber in der Deputation noch weiter behandeln und diskutieren, um zu schauen, welche konkreteren Maßnahmen auch zur Beschleunigung und zur Verbesserung in dem Bereich möglich sind. Ich möchte das gern in der Deputation noch einmal diskutieren, und ich gehe davon aus, dass der Senat diese Entwicklung auch genau so mitträgt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Willmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Grönert, ja, Sie haben mit Ihrem Antrag im Wesentlichen recht. Ich freue mich, dass die Formulierung unseres Koalitionsvertrags bei Ihnen solch einen Anklang gefunden hat. Es muss ja auch nicht immer ein Gegensatz formuliert sein. Auch wir können Dinge formulieren, die Sie richtig finden, oder andersherum finden Sie Dinge bei uns, die auch Sie richtig finden. Das ist ein schönes Einerlei. Es sei mir vielleicht noch der Hinweis gestattet, dass auch wir es für falsch halten, diesen Antrag an die Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen zu überweisen, sondern er gehört, weil es sich hier um den Rechtskreis des SGB XII handelt, bei dem in erster Linie Leistungen der Sozialhilfeträger verwendet werden, somit auch in die Deputation für Soziales, Kinder und Jugend.