Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Für DIE LINKE will ich vorab sagen, wir haben es sehr begrüßt, dass die CDU diese Anfrage gestellt hat und ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
heute auch den Antrag. Wir hatten eigentlich auch vor, dem Antrag zuzustimmen. Wir müssen jetzt zu dem Ergebnis sagen, ihn zu überweisen, finden wir eigentlich auch nicht falsch. Dies werden wir auch unterstützen, weil ich glaube, dadurch sind die Forderungen ja jetzt nicht vom Tisch oder so etwas.
Wenn ich das richtig sehe, hat die Fraktion der CDU diesen Antrag am 22. Mai 2012 eingereicht. Es ist ganz interessant, wir haben bei der LINKEN oder speziell ich, da kommt es ein bisschen auf mich an, da ich als Frankfurter noch immer ein fleißiger Leser der „Frankfurter Rundschau“ bin, einen Artikel entdeckt. Am 12. April 2012 ist dort ein Artikel erschienen, und daraus möchte ich einen kleinen Abschnitt zitieren. Da heißt es:
„Mindestens sechs Prozent aller behinderten Frauen, die in deutschen Heimen betreut werden, wurden sexuell missbraucht. Die Betroffenen sind ihren Peinigern oft hilflos ausgeliefert, Experten sprechen von einem ,Skandal’. Tausende geistig behinderte Frauen sollen in deutschen Heimen und Werkstätten missbraucht worden sein. Das geht aus einer Studie der Universität Bielefeld hervor“ – Herr Schmidtmann hat gerade darauf hingewiesen –, „über die das ARD-Politmagazin ‚Report Mainz’ am Dienstag berichtet hat. Die repräsentative Untersuchung im Auftrag des Bundesfamilienministeriums trägt den Titel ‚Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland’. Die Bielefelder Forschergruppe um Monika Schröttle kommt zu dem Ergebnis, dass sechs Prozent der Frauen mit geistigen Behinderungen, die in Heimen oder anderen Einrichtungen leben, sexuelle Gewalt erfahren haben. Auf jeden Fall mehrere Tausend Frauen, so Projektleiterin Schröttle, seien sexuell missbraucht worden. Das Gravierende sei, dass die Frauen in den Einrichtungen nicht einfach heraus könnten und dass es viel schwerer sei, Zugang und Hilfe zu bekommen.“
Ich fand das relativ erschütternd, denn wenn man sich die Situation vorstellt, es sind ja eigentlich Schutzbefohlene, die aber in der Tat, wie hier so plastisch geschildert wurde, nicht heraus können und sich dementsprechend nicht einfach entziehen können, wie man das normalerweise kann. Daher fanden wir, ist auch eine Forderung der CDU, nämlich die Ziffer 4, die Wohnsituation in den Einrichtungen der Behindertenhilfe so zu gestalten, dass jeder bei Bedarf seinen eigenen geschützten Bereich ungestört in Anspruch nehmen kann, ein sehr wichtiger Punkt. Ich glaube, das ist so, wenn man diese Studie dazu daneben legt.
Wobei, und das sage ich auch, ich weiß nicht so genau, wie man jetzt, wie von der CDU gefordert, in den Behinderteneinrichtungen qualifizierte Ansprech
partner finden soll! Wie das gemacht werden soll, da bin ich mir nicht so sicher. Daher finde ich eine Überweisung in diesem Fall auch in Ordnung. Ich denke aber, es ist ein sehr wichtiges Problem, auch gerade die Frage der Heime. Daher würde ich auch vorschlagen, es müsste eigentlich eine Überweisung in die Sozialdeputation stattfinden – nicht nur in diese Arbeitsgruppe, das finde ich auch sehr richtig, keine Frage, in beide, würde ich vorschlagen –, denn ich glaube, jedem, der sich ein bisschen damit beschäftigt hat, ist eigentlich klar, dass dann, wenn wir über Sexualität reden, wenn wir über Sexualität von Behinderten oder auch geistig Behinderten reden, zu einer selbstbestimmten Sexualität immer auch eine Intimsphäre gehört, eine Intimsphäre, die gewahrt werden kann. Ich sage, es gibt nach wie vor – da haben wir ein bisschen recherchiert – nur wenige Institutionen, in denen die Bewohnerinnen ihre Zimmer abschließen dürfen. Daran scheitert es also manchmal mit dem wohlgemeinten Argument, es könnte ja irgendetwas passieren und die Pflegekräfte müssten jederzeit Zutritt haben. Das stimmt auf der einen Seite auch, aber auf der anderen Seite hat das natürlich mit Intimsphäre nicht unbedingt viel zu tun. Ich denke, es muss auch noch einmal klargestellt werden, und deshalb finde ich es auch gut, dass wir das auch hier im Parlament überhaupt diskutieren, dass auch Behinderte, welcher Art auch immer, ein Recht auf eine eigene Sexualität haben.
Das ist ein Bestandteil des Grundrechts der persönlichen Freiheit jedes Menschen, und da gehört aber auch, und ich glaube, auch das haben die Beiträge hier gezeigt, immer noch ein bisschen mehr dazu. Dazu gehört, wie ich gesagt habe, das Recht auf Intimsphäre, das Recht auf Unversehrtheit, das Recht auch auf so etwas wie Sexualaufklärung, auch das ist nicht selbstverständlich, das Recht auf sexuelle Dienstleistungen, auch das ist ein ganz heikler Punkt, gerade auch in Heimen – ich habe als Zivildienstleistender selbst da auch einmal gearbeitet und kenne das daher –, das Recht auf eigene Kinder und natürlich auch das Recht auf Eigensinn, das haben Behinderte genauso wie alle anderen Menschen auch, und das, glaube ich, ist nach wie vor noch eine große Herausforderung. – Danke!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, liebe Frau Schmidtke, ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
meine Bauchschmerzen sind eher etwas größer geworden, weil ich davon ausgehe, dass der Arbeitskreis, der den Aktionsplan erarbeitet, schon ein ganz straffes, ehrgeiziges Programm hat. Die Verlagerung in den Arbeitskreis verursacht bei mir eben die Bauchschmerzen, weil ich nicht glaube, dass sich dort irgendwie umfassend damit beschäftigt werden kann. Im Übrigen wollte ich noch anmerken: Ich habe das Konzept noch nicht fertig in der Tasche. Insofern habe ich im Antrag eigentlich auch nur einige Details aufgezählt. Das ging auch gar nicht anders, weil ich da sonst seitenweise Material hätte vorlegen müssen, denn es gibt natürlich noch viele Dinge zu bedenken, die nicht in dem Antrag stehen. Wir haben einige Dinge hineingeschrieben, einige Anliegen, die uns besonders wichtig waren, und ich denke, das ist auch in Ordnung so. Diejenigen aber, die das Konzept erarbeiten, haben nachher natürlich das Problem zu schauen: Was muss noch alles bedacht werden, was muss ich noch mit hineinnehmen, an welche Menschen in welchen Situationen muss ich noch denken? Zusätzlich kam gerade noch der Wunsch aus meiner Fraktion, dass der Antrag bitte auch mit in den Rechtsausschuss überwiesen wird und nicht nur in die Sozialdeputation. Nehmen Sie das bitte mit auf? – Danke schön! (Beifall bei der CDU)
Das nehmen wir mit auf, natürlich! Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schmidtke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht habe ich das missverständlich formuliert: Unser Antrag kann keine Überweisung in den Arbeitskreis zur UN-Behindertenrechtskonvention sein. Das dürfen wir als Parlament gar nicht. Unser Antrag lautet Überweisung an die Sozialdeputation. Wenn Sie, Frau Grönert, als Vertreterin der CDU den Wunsch haben, dies auch im Rechtsausschuss zu behandeln, dann ist das überhaupt kein Widerspruch zu unserem Antrag, sondern dann ist es eine Ergänzung, die mir selbstverständlich recht ist.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, es eint alle das Ziel, gezielt etwas zu tun, damit Menschen mit Behinderung vor Gewalt geschützt werden und sexueller Missbrauch nicht stattfindet, egal ob die Menschen im Heim wohnen oder sich in ihrem normalen Umfeld befinden. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Ich halte eine Überweisung in die Sozialdeputation für sehr gut. Das bietet uns auch die Möglichkeit, die Fragen, wie vorgeschlagen, im Ausschuss zu vertiefen, der sich mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention für Bremen beschäftigt. Eine Befassung im Rechtsausschuss ist sicherlich auch noch einmal gut, um andere rechtliche Aspekte mit aufzugreifen. Aus unserer Sicht ist es ein sehr wichtiges Thema.
Ich möchte mich auch noch einmal dafür bedanken, dass ein sogenanntes Randthema aufgegriffen wird. (Beifall)
Ich finde, dabei beweisen die Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitiker der Fraktionen, die hier im Haus vertreten sind, immer wieder auch ein ganz gutes Gespür dafür, diese Themen hier in die Diskussion einzubringen. Wir haben in den letzten Monaten eine Reihe von sehr wichtigen Themen, wie ich finde, hier miteinander besprochen, die sonst nicht immer so im Fokus der Medienöffentlichkeit stehen, und auch dafür möchte ich mich als Sozialsenatorin bei Ihnen bedanken.
Die Bremische Landesverfassung formuliert ja auch in ihren Zielen den Schutz vor Gewalt, insbesondere für Kinder. Ich glaube auch, wenn man sich noch einmal die Bremische Landesverfassung anschaut, dass sich einige Ziele, die wir in diesem Zusammenhang diskutieren, dort auch schon wiederfinden. Ich glaube, man muss es einfach noch einmal mit Leben füllen, man muss es konkret benennen. Man muss Betroffenen auch die Hinweise geben, wo sie Hilfe finden. Das muss, wie hier schon häufiger diskutiert, in leichter Sprache stattfinden, und es muss vielleicht auch eine Angelegenheit sein, die wir bekannt machen. Das Thema ist angekommen, ich glaube, auch in den Einrichtungen und in den Heimen. Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die Hilfe brauchen, diese Hilfe auch finden. – Danke schön!
Es ist Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Kinder und Jugend, federführend, und an den Rechtsausschuss beantragt worden.
Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/421 zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Kinder und Jugend, federführend, und an den Rechtsausschuss seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt einen deutlichen Rückgang der Tarifbindung. Bezogen auf die Ursprungstarifverträge sind heute nur noch 1,5 Prozent der Tarifverträge allgemein verbindlich im Vergleich zu 5,4 Prozent Anfang der Neunzigerjahre. Das ist ein Rückgang um ungefähr vier Prozent. Die Zahl der Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben ist ebenfalls zurückgegangen. Die Folgen sind bekannt, wir haben erhebliche soziale Verwerfungen, wir haben den größten Niedriglohnsektor in Europa, die Alimentierung von Niedriglöhnen und damit die Subventionierung ganzer Branchen durch unsere Sozialkassen.
Die Ursachen sind vielfältig. Klar ist uns, mit einer Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung lösen wir nicht alles, aber einen wichtigen Teil. Die von uns geforderten Erleichterungen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung sind daher für dieses Ziel sachgerecht und möglich. Sie müssen sein, weil wir einen Anwendungsstau haben in Sachen Allgemeinverbindlichkeitserklärung, verursacht unter anderem durch eine Blockadehaltung der Arbeitgeberdachverbände, durch ein zu hohes Quorum und durch eine Verbandsflucht von Arbeitgebern. Sie sind in der Tat parteiisch, weil wir eine Stärkung der Position der Arbeitnehmer wollen. Wir wissen aber auch, dass viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ein sehr hohes Interesse daran haben, saubere Verhältnisse in ihren Branchen zu bekommen.
Die Tarifautonomie, das Tarifvertragssystem, tarifgestützte Branchenmindestlöhne und starke Tarifbindungen sind Kernstücke fairer Arbeits- und Entgeltbedingungen. Vereinigungsfreiheit und Tarifautonomie sind von der Verfassung garantiert. Sie bilden die Basis für leistungsgerechte und solidarische Vereinbarungen und schaffen die Voraussetzungen für eine Teilhabe von Beschäftigten an der wirtschaftlichen Entwicklung. Das sind wesentliche Grundlagen für den sozialen Konsens in Deutschland.
Wir Sozialdemokraten stehen zur Tarifautonomie. Wir stehen dazu, dass Politik den Gewerkschaften und Arbeitgebern nicht in die Tariffindung hineinredet und sich schon gar nicht in Konflikte der Parteien einmischt. Das ist völlig klar. Insofern sind wir deutliche Anhänger der Tarifautonomie. Gleichwohl ist aber klar: Es gibt politische Verantwortung für den sozialen Ausgleich in der Gesellschaft. Ich freue mich, dass die hier zur Debatte und Abstimmung stehenden Anträge von der SPD und den Grünen und auch der von der CDU von dieser gemeinsamen Grundlage ausgehen. Es ist ein Ausdruck davon, dass Politik dann korrigierend eingreifen muss, wenn es Fehlentwicklungen gibt, und das ist im Übrigen auch gewollt. Tarifverträge zu verhandeln setzt gleiche Augenhöhe voraus, soweit das in solch asymmetrischen Systemen wie dem Wirtschaftsleben überhaupt möglich ist.
Das Argument, der Staat möge sich bitte heraushalten, müssen wir einmal unter dem Gesichtspunkt betrachten, dass der Staat ja auch an vielen anderen Punkten in Arbeitsmärkte eingreift über zum Beispiel die ungewollte oder gewollte, zumindest aber hingenommene Ausweitung eines Niedriglohnsektors, über das gegenwärtige Fehlen eines allgemeingültigen Mindestlohns, über eine Ausweitung von prekärer Beschäftigung, die sogenannte Normalarbeitsverhältnisse zerstört, oder auch über die Ausgestaltung der Arbeitslosenversicherung. Insofern gibt es auch keine Tarifpolitik, die völlig unabhängig von politischen Rahmensetzungen funktioniert.
Das Bundesarbeitsgericht, BAG, hat bereits im Jahr 1977 in einem Grundsatzurteil zur Allgemeinverbindlichkeit sehr deutlich herausgehoben, dass der Staat durchaus die Aufgabe habe, über die Allgemeinverbindlichkeitserklärung regulierend in Verhältnisse einzugreifen, die sozusagen aus dem Ruder laufen. Das BAG hat damals sehr deutlich gesagt, dass man das gerade in Wirtschaftszweigen tun muss, in denen man einen schwach ausgeprägten Organisationsgrad von Arbeitgebern und Arbeitnehmern hat, und dann, wenn unangemessene Arbeitsbedingungen entstehen.
Im Übrigen war die Grundsatzentscheidung des BAG im Jahr 1977 zu einer Zeit – da gab es im Jahr 1968 158 Tarifverträge und im Jahr 1973 bereits 479 Ta