Protocol of the Session on February 22, 2012

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ein Untersuchungsausschuss muss doch, um ein scharfes Schwert des Parlaments sein zu können, tagen können und muss arbeiten können, muss Zeugen vernehmen und muss richtig herangehen können. Das ist doch wohl mindestens so sehr im Interesse der Opposition wie der Regierung, dass ein Untersuchungsausschuss tatsächlich auch seine Arbeit machen kann.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Dann muss man dieses Halbtagsparlament offenbar in- frage stellen!)

Jetzt legen Sie einen Gesetzentwurf vor, in dem steht: Ein Untersuchungsausschuss tagt dienstags und donnerstags von 14.30 Uhr bis 18.00 Uhr. Wenn das im Interesse der Opposition oder des Parlaments oder von irgendetwas sein soll, dann glaube ich, verstehe ich überhaupt nicht mehr, was Sie hier machen. Das Gegenteil, sehr verehrte Frau Vogt, ist der Fall. Dieses Instrument eines Untersuchungsausschusses, das zum Königsrecht des Parlaments gehört, in jedes Parlament gehört, das natürlich sowohl für die Opposition als auch für Regieringsfraktionen ein absolut wichtiges Instrument im parlamentarischen Alltag ist, so zu schwächen, halte ich für keine gute Idee, vor allen Dingen nicht, wenn sie von einer Oppositionsfraktion kommt.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Dann kom- men Sie doch einmal zum Punkt! Sind wir ein Halbtagsparlament, oder sind wir das nicht?)

Jetzt gibt es das Problem, dass wir die Parlamentsreform haben, die gewisse Umstellungen in der Art und Weise, wie wir tagen, gebracht hat. Es ist doch aber vollkommen klar – vielleicht können Sie da dann wieder mitgehen –, wir müssen klären, dass der Untersuchungsausschuss an sich von dieser Regelung ausgenommen ist, und wir müssen kompatible, pragmatische, vernünftige Regelungen für einen Untersuchungsausschuss finden. Wir können ihn nicht einfach über einen Kamm scheren mit allen anderen Ausschüssen und Deputationen, die wir haben, sondern wir müssen für Untersuchungsausschüsse eine Regelung finden, die all diesen Interessen nachkommt. Das kann aber nicht heißen, dass ich nur noch zweimal in der Woche von 14.30 Uhr bis 14.35 Uhr tage, sondern es muss heißen, hier müssen besondere Bedingungen für Untersuchungsausschüsse formuliert werden. Es muss klar sein, dass für diese Art von nichtständigen Ausschüssen, vor allen Dingen für einen Untersuchungsausschuss, eine Regelung des Parlaments, wie Sie sie vorschlagen, eben gerade nicht gelten kann, die so die Arbeit eines Untersuchungsausschusses behindern und beschränken und die Dauer des Ausschusses endlos in die Länge ziehen würde, bis er jegliche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und bis er jegliches parlamentarisches Durchschlagsvermögen verlieren würde, bis jegliche Zeugenvernehmung einfach durch die dadurch entstehende Länge der Arbeit eines solchen Ausschusses ad absurdum geführt wäre. Das sind die Gründe, die unsere Fraktion bewogen haben, Ihrem Antrag nicht zuzustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in meiner politischen Karriere auch schon manche politische Spreizung vornehmen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Der Sprung ist aber jetzt doch ziemlich heftig. In der Debatte vorher noch über das Schicksal der Menschen zu debattieren, die in sozialer Armut leben müssen, und jetzt gleichzeitig die Forderung aufzustellen, dass ein Abgeordneter, der 4 700 Euro im Monat verdient, nicht flexibel mit seiner Arbeitszeit umgehen kann, finde ich, ist schon eine Spreizung, die ungewöhnlich für dieses Parlament ist.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Wir gehören also zu den Spitzenverdienern, und da muss man so etwas auch lösen können, will ich einmal sagen.

Das Zweite ist, ich glaube, es ist grundsätzlich falsch, wenn man aus einem aktuellen Problem nunmehr sagt, deswegen müssen wir die Hand an das Untersuchungsausschussgesetz legen.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Nein, das ist ein strukturelles!)

Ich glaube, dass das falsch ist, weil das Gesetz nur einen Rahmen für eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Sachverhalte vorgeben kann. Es kann zum Beispiel auch sinnvoll sein, wie wir es auch schon hatten, wenn die Zeit zum Ende einer Legislaturperiode außerordentlich eng wird, wir aber aus dringendem aktuellen Anlass zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse gleichzeitig haben, dass dieser Untersuchungsausschuss auch übereinkommt zu sagen, wir wollen ganztags tagen, weil wir bis zum Ende der Legislaturperiode noch fertig werden wollen. Wenn wir Ihrem Vorschlag folgen würden, dann wären solche Ausschüsse kurz vor Ende der Legislaturperiode völlig ausgeschlossen, weil man es gar nicht mehr schaffen würde, innerhalb von drei oder vier Monaten einen komplexen Sachverhalt untersuchungsausschussreif aufzuarbeiten. Deswegen nehmen Sie genau das Gegenteil von dem wahr, woran Sie eigentlich als Opposition ein Interesse haben sollten, nämlich das Instrument des Untersuchungsausschusses zu stärken und es nicht zu schwächen. Das ist nämlich die große Gefahr Ihres Antrags.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ehrlich gesagt, ich habe auch schon in dem einen oder anderen Untersuchungsausschuss mitarbeiten können. Ich will Ihnen einmal sagen, wer da hineingeht, muss wissen, dass die Tätigkeit im Moment das Wichtigste ist, was er in seiner parlamentarischen Tätigkeit zu tun hat. Ich kann für unsere Fraktion sagen, dass wir auch sagen, dieser Ausschuss hat absolute Priorität, das bedeutet, alles andere rückt an die zweite Stelle. Da muss eine Fraktion auch solidarisch sein und aushelfen und Vertretungen organisieren. Wer sich aber bereit erklärt, in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss mitzuarbeiten, der weiß, dass das zeitaufwendig ist, der weiß, dass das anstrengend ist, und er weiß, dass das eine ganz wichtige Aufgabe ist, die er da wahrzunehmen hat. Da finde ich es einfach falsch zu beschränken, das darf man nur von 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr. Das halte ich einfach für systemwidrig. So funktioniert ein Untersuchungsausschuss eben in ganz Deutschland nicht.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das nächste Argument, was Sie völlig außer Acht lassen, ist: Es steht nirgendwo im Abgeordnetenge

setz und in den Beratungen auch nicht, dass ein Untersuchungsausschuss nur zweimal in der Woche tagen und Beweise erheben darf. Wir haben uns verabredet, dass wir im Prinzip jeden Tag von 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr Sitzungen haben. Der Untersuchungsausschuss stellt uns auch frei zu sagen, wir vernehmen von montags bis freitags von 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr. Wäre das denn besser, als es jetzt so zu machen, wie der Untersuchungsausschuss es verabredet hat? Ich finde, man muss so flexibel mit einem Untersuchungsausschuss umgehen können, dass er der jeweiligen Systematik, aber eben auch der inhaltlichen Aufgabenstellung tatsächlich noch gerecht wird. Sie sitzen heute doch auch den ganzen Tag hier, Frau Vogt, und beschweren sich nicht darüber, dass wir nicht nur nachmittags als Landtag tagen.

(Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])

Dafür haben wir auch pragmatische Gründe gefunden zu sagen, die Landtagssitzungen finden in Zukunft auch ganztätig statt, weil es natürlich sinnvoll ist, es auch so und nicht nur von 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr zu machen. Deswegen ist das nie eine starre Regelung gewesen zu sagen, wir dürfen nur zweimal in der Woche von 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr zusammenkommen. Eine solche Arbeitszeitregelung für 4 700 Euro kann man sich auch durch ein Gesetz in der Bremischen Bürgerschaft nicht erkaufen, Frau Vogt, das funktioniert eben einfach nicht!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])

Ehrlich gesagt, wenn man dann schon so viel Wert auf Gründlichkeit legt, dann sollte man die Gesetze auch so schreiben, dass, selbst wenn sie eine Mehrheit finden würden, sie wenigstens rechtmäßig zustande kommen würden. Das Gesetz ist schon deswegen nicht zustimmungsfähig, weil Sie das falsche Gesetz ändern. Das Gesetz über parlamentarische Untersuchungsausschüsse ist zuletzt durch das Gesetz vom 18. Oktober 2005 geändert worden und nicht von 1988 oder 1998, wie es in Ihrem Antrag heißt. Wenn man also schon gründlich arbeiten will, dann sollte man auch das richtige Gesetz ändern. Auch dieser formale Mangel hindert uns daran, das heute so zu beschließen. Unabhängig davon bleibt es dabei, ich halte es auch für falsch. Untersuchungsausschüsse müssen flexibel sein.

Ich sage einmal, dass jemand aus der Opposition sagt, wir wollen in Zukunft ein Einstimmigkeitsprinzip! Ein Einstimmigkeitsprinzip, wo parlamentarische Untersuchungsausschüsse Minderheitenrechte sind! Das muss man gedanklich erst einmal hinbekommen, dass dann in Zukunft eine Person im Ausschuss verhindern kann, dass eine Minderheit aufklärt. Das widerspricht dem Sinn und Wesen von parlamentarischen

Untersuchungsausschüssen so fundamental, dass es schon deswegen ausscheidet!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ist schwer, jetzt als Dritter noch etwas zu finden, was diesen Antrag für nicht zustimmungsfähig erklärt. Der Kollege Dr. Güldner aber sagte, dieses Einstimmigkeitsprinzip würde uns in der SPD ja wahrscheinlich nichts ausmachen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Weil Sie Opposition nicht kennen! Wir kennen das!)

Ich stelle mir aber in der Tat vor – Frau Vogt, vielleicht müssen Sie dieses Gesetz dann auch wirklich einmal im Laufen erleben –: Dann tagt so ein Untersuchungsausschuss acht Stunden in der Woche, mehr darf er nicht tagen, weil dann ein Vertreter der Regierung da sitzt und sagt, das mache ich nicht. Wie lange hätte der Untersuchungsausschuss Klinikverbund, den wir in der letzten Legislaturperiode hatten, oder der Untersuchungsausschuss Kevin, dauern können, wenn wir acht Stunden in der Woche getagt hätten? Dann wären wir vermutlich – ich meine, der fällt dann ja der Diskontinuität anheim – in dieser Legislaturperiode immer noch nicht fertig, weil wir da schlicht und ergreifend vier Tage in der Woche getagt haben, und das über Monate!

Ein parlamentarisches Aufklärungsbedürfnis, das reflektiert, dass es ein gesellschaftliches Aufklärungsbedürfnis gibt, verträgt sich überhaupt nicht mit einer gewerkschaftlich orientierten Schichtarbeit. Deshalb kann ich nur sagen, diesen Antrag müssen alle, die sich irgendwie darüber Gedanken machen, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse ein wirksames Schwert des Parlaments bleiben sollen, definitiv ablehnen. Vielleicht überlegen Sie sich auch noch einmal, ob Sie diesen Antrag nicht zurückziehen! – Danke!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will nur ganz kurz auf Herrn Röwekamp antworten! Natürlich wäre es eine Verbesserung, wenn dieser Ausschuss wie alle ande––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ren Ausschüsse auch, nachmittags tagen würde, von mir aus dann auch fünfmal in der Woche, darum geht es gar nicht.

(Abg. Frau G r o t h e e r [SPD]: Das hat Ihre Kollegin im Untersuchungsausschuss abgelehnt!)

Wir haben hier aber offiziell ein Halbtagsparlament, und es ist so, dass mit den Arbeitgebern abgestimmt ist, dass man halbtags arbeitet!

Das Problem ist, dass die Ausschüsse zum Teil mit ihren ganzen Unterausschüssen überhaupt keine Termine mehr vereinbaren können, weil natürlich alle Ausschüsse nachmittags tagen, aber genau das kann man vom Untersuchungsausschuss natürlich auch erwarten. Wenn man einer Arbeit nachgeht, hat man mit seinem Arbeitgeber auch eine gewisse Verlässlichkeit abgesprochen. Die Bürgerschaftssitzungen sind für zwei Jahre bekannt, die kann man mit seinem Arbeitgeber ganztags vereinbaren, das ist überhaupt kein Problem.

Die andere Sache ist, was Sie zur Solidarität gesagt haben: Für kleinere Fraktionen ist das insbesondere ein Problem, weil Sie alle wissen, dass wir mit fünf Abgeordneten inklusive aller Unterausschüsse pro Person ungefähr zehn bis 14 Ausschüsse zu besetzen haben. Da wird es mit dem Aufteilen manchmal etwas schwierig. Das ist für Sie mit 20 Abgeordneten natürlich kein so großes Problem, das ist eine ganz andere Sache. Ich finde es jedoch zynisch, darüber hinwegzugehen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN – Abg. Frau G r o t h e e r [SPD]: Ich habe ab März nur Zeugen, die Frau Bernhard nicht unbedingt sehen muss! – Zuruf des Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen])

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte darauf noch einmal eingehen. Es ist richtig, wir haben jetzt eine Art Kompromiss errungen. Trotzdem sind wir zu einer gewissen, wie soll ich es sagen, Ausschließlichkeit oder Inkompatibilität gekommen. Mein aktuelles Stundenvolumen in der Woche umfasst 60 Stunden, wenn ich dem gerecht werden will, was ich an Terminen habe, inklusive der Tatsache, dass wir ein Halbtagsparlament sind. Es heißt dann auf der einen Seite, Sie werden doch irgendwie mit Ihren 4 700 Euro zurechtkommen, selbstverständlich, das ist doch gar nicht der Punkt. Die Frage ist hier die Ungleichbehandlung! ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Eines möchte ich einmal festhalten: Einen zweiten Untersuchungsausschuss, selbst wenn er aktuell nötig wäre, würden wir nicht bewältigen können, das ist faktisch unmöglich, jedenfalls nicht so, dass DIE LINKE in irgendeiner Weise noch eine Chance hätte, sich daran zu beteiligen. Das finde ich bezüglich der parlamentarischen Demokratie nicht in Ordnung.

Jetzt ein ganz anderes Argument! Im Haushaltsausschuss hat die stärkste Oppositionsfraktion den Vorsitz, ich halte so etwas auch für einen Untersuchungsausschuss für durchaus überlegenswert.

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Wir diskutieren ja darüber, wie wir es praktisch in irgendeiner Weise bewältigen!

Momentan ist es tatsächlich so, dass Untersuchungsausschüsse eine zusätzliche Belastung sind, die fast nicht zu bewältigen sind, wenn man sie verantwortlich wahrnehmen möchte. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich sitze in einem und halte diese Tätigkeit momentan im Rahmen meiner parlamentarischen Arbeit für absolut prioritär, daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Gut!)

Es gibt aber trotzdem noch andere Ausschüsse, wie zum Beispiel den Gleichstellungsausschuss, in dem ich zufälligerweise den Vorsitz habe. Es gibt natürlich einen verantwortlichen Job, den ich auch mache. Ich habe zum Beispiel auch so etwas wie Familie, man glaubt es kaum!