Protocol of the Session on May 12, 2011

Für uns als Sozialdemokraten ist soziale Gerechtigkeit Ausgangspunkt und Ziel unseres Handelns, und aus unserer Sicht ist das Thema Integration zu einem großen Teil eine Frage nach sozialer Gerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Wir alle wissen, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland statistisch ein größeres Armutsrisiko haben als Menschen ohne Migrationshintergrund. Dieses Problem sind wir angegangen, und wir wollen es weiterhin angehen. Wir wissen, dass ein Mehmet statistisch betrachtet schlechtere Chancen hat, eine Gymnasialempfehlung zu bekommen als ein Moritz. Deshalb haben wir unter anderem in dieser Legislaturperiode eine wirklich durchgreifende Schulreform durchgeführt, mit der wir die Vielgliedrigkeit des Schulsystems, das die enorme soziale Ausdifferenzierung gefördert und verstärkt hat, aufgehoben haben zugunsten eines Schulsystems, wo man gemeinsam miteinander lernen kann und es nicht verschiedene Schulreformen gibt, denen sich unsere Kinder anpassen müssen, sondern eine Schulreform, die der Vielfalt der Bremer Kinder gerecht wird.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben in die Sprachförderung im Vorschulbereich und in den Schulen investiert, und in den Ressorts wurde ein Konzept zur Mehrsprachigkeit entwickelt, und wir haben in der Bürgerschaft mehr Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund an den Bremer Schulen gefordert,

(Beifall bei der SPD)

denn noch immer entspricht der Anteil der Studierenden mit Migrationshintergrund nicht ihrem Anteil an der Bevölkerung. Deshalb haben wir den Senat aufgefordert, in Kooperation mit den Hochschulen ein Konzept zu entwickeln, wie wir mehr Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund gewinnen können.

Wir haben in dieser Legislaturperiode ferner gefordert, dass sich der öffentliche Dienst in Bremen interkulturell öffnet, dass für Migrantinnen und Migranten nicht nur in Bezug auf Ausbildungsplätze ge

worben wird, sondern auf allen beruflichen Ebenen, und weil wir wissen, dass die Erfolgsaussichten, eingestellt zu werden, für Menschen mit Migrationshintergrund dennoch schlechter sind als für die Menschen ohne, haben wir gleichzeitig gefordert, Mehrsprachigkeit und interkulturelle Erfahrungen bei den Auswahlkriterien stärker zu berücksichtigen und überhaupt Interkulturalität zum regelmäßigen Bestandteil für Aus- und Fortbildung für alle öffentlich Bediensteten zu machen.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir haben eine Initiative zur Verbesserung der Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen gemacht. Wir haben mit einem Antrag gefordert, die Potenziale von Unternehmerinnen und Unternehmern mit Migrationshintergrund stärker zu nutzen und dafür Sorge zu tragen, dass in allen Richtungen der Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung interkulturell kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Unternehmerinnen und Unternehmer und Gründerinnen und Gründer mit Migrationshintergrund bereitstehen.

Schließlich haben wir den Senat aufgefordert, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, den sogenannten Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht aufzuheben, damit Menschen, die in Deutschland leben und bleiben und das auch wollen, die doppelte Staatsangehörigkeit führen können, und wir haben uns bei der Reform des Wahlrechts darum bemüht, in Bremen das Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger einzuführen, aber auch dafür brauchen wir auf Bundesebene andere Verhältnisse.

(Beifall bei der SPD)

Das heißt, die SPD-Fraktion hat in dieser Legislaturperiode einiges auf den Weg gebracht, um die gesellschaftlichen Teilhabechancen und Möglichkeiten für Bremerinnen und Bremer mit Migrationshintergrund zu verbessern, für mehr soziale Gerechtigkeit in Bremen, gegen soziale Spaltung und für ein besseres Miteinander. Herr Strohmann, wenn auch Sie mir zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass wir eine Menge erreicht haben. Ich frage mich, inwiefern Ihre Fraktion überhaupt dazu beigetragen hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie da sehr nützlich waren.

(Abg. B ö d e k e r [CDU]: Das ist Ge- schwätz!)

Der Senat hat seine Arbeit gemacht, das zeigt die aktuelle Mitteilung des Senats zur Integration von Zuwanderinnen und Zuwanderern im Lande Bremen

2007 bis 2011, die den Abschlussbericht zur Umsetzung der Handlungsziele dieser Legislaturperiode enthält; ein Bericht von mehr als 150 Seiten, auf den wir alle stolz sein können.

(Beifall bei der SPD)

Dennoch wollen wir den Senat und die Verwaltungen heute nicht nur zu ihrer erfolgreichen Arbeit beglückwünschen, sondern wir wollen sie auch auffordern, weiterzumachen, weil Integration nicht einfach aufhört oder fertig ist, sondern weil sie ein Prozess ist, den wir alle gemeinsam immer weiter aktiv gestalten müssen. Deshalb fordern wir heute den Senat auf, weiterhin alle notwendigen Maßnahmen für ein besseres soziales und kulturelles Miteinander im Land Bremen zu ergreifen und die erfolgreiche bremische Integrationspolitik weiterzuentwickeln, denn wir wollen eine Integrationspolitik, die die Gesellschaft zusammenführt, die Demokratie stärkt und die Potenziale der kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Vielfalt im Sinne und im Interesse aller Bremerinnen und Bremer nutzt. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bartels.

Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bremen ist in der Tat ein Bundesland, welches aus vielfältigen Nationen Zuwanderungen erhalten hat, und das ist auch gut so. Die unterschiedlichen Kulturen und Vertreter der Länder sind uns hier sehr willkommen. Wir brauchen aber eine aktivierende und aktive Einwanderungspolitik für unsere beiden Städte Bremen und Bremerhaven mit dem klaren Ziel der Integration. Hauptaufgabe muss es sein, jene Familien konsequent zu integrieren, die schon vor Jahrzehnten in Deutschland eingewandert, aber immer noch nicht in unserer Gesellschaft angekommen sind. Die Fehler der vergangenen Jahrzehnte dürfen nicht wiederholt werden. Eine zielgerichtete Integrationspolitik hat es nämlich in der Vergangenheit in der Form nicht gegeben.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Wer hat denn das behauptet? – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Wir!)

Die Vision von Multikulturalität über eine problemlose Integration ist von der Realität eingeholt worden. In den vergangenen fünf Jahren hat die Union auf Bundesebene unter der Kanzlerschaft von Frau Dr. Merkel viele Akzente gesetzt, so zum Beispiel den Nationalen Integrationsplan, den Integrationsgipfel und auch die Deutsche Islamkonferenz. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Wir diskutieren heute den Abschlussbericht über die Konzeption zur Integration für Zuwanderinnen und Zuwanderern in Bremen. Das positive Bild, das hier seitens des Senats gezeichnet wurde, können wir in dieser Form nicht teilen. Natürlich sind viele Handlungsziele benannt worden, und davon sind auch viele Ziele weitestgehend erreicht. Die Frage ist aber immer, wie hoch man die Messlatte legt. Wir als CDU-Fraktion sind der Meinung, dass eben nicht alles positiv und erledigt ist. Vielmehr ist das Thema Integration das gesellschaftspolitische Thema unserer Zeit, und wir befinden uns mitten in einem Prozess, der wahrscheinlich nie enden wird.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: So ist es!)

Auch der Antrag von Grün-Rot, der hier eingebracht wurde, ist in der Einleitung weitestgehend eine Rechtfertigung über das, was in dieser Legislaturperiode gemacht wurde. Wir können dem Antrag zwar zustimmen, aber wir werden hier in der Debatte auch klar benennen, was wir konkreter haben wollen. Ich darf mich in dem Zusammenhang auch für die Zusammenarbeit im Unterausschuss sehr herzlich bedanken, und ich denke, Frau Cakici, wir hatten da doch die eine oder andere gute Diskussion, wenn Sie da waren.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe mich sehr über Frau Dr. Mohammadzadeh gefreut, die ich auch immer wieder gern bei ihrem Drängen, das Ressort weiter nach vorn zu bringen, unterstützt habe. Die Integration ist eben kein einseitiges Angebot, sondern erfordert die Bereitschaft und den Willen, sich in die bestehende Gesellschaft auch einzufügen, und die CDU-Bürgerschaftsfraktion sieht darin eine Verpflichtung zur Integration. Grundlage für eine erfolgreiche Integration ist das Erlernen der deutschen Sprache, und wir haben eine ganze Reihe an Integrations- und Sprachkursen. Die Frage ist aber immer, wie sehr diese Kurse auch tatsächlich als Integrationskurse benannt werden können. Ich glaube, dass wir da nicht stehen bleiben dürfen, sondern diese Kurse weiterentwickeln müssen.

Auch die Anerkennung der ausländischen Berufsabschlüsse muss erleichtert und beschleunigt werden. Wir unterstützen die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse im Land Bremen und fordern die Beschleunigung der Anerkennungsverfahren. Uns ist klar, Deutschland braucht den verstärkten Zuzug von Facharbeitern. Wir haben auch bundespolitisch schon den Zugang für qualifizierte Arbeitskräfte, wie zum Beispiel Ingenieure, in den vergangenen Jahren erleichtert, und hier muss es weitergehen.

(Beifall bei der CDU)

Die jüngste Debatte über Integration hat die Unzufriedenheit vieler Menschen mit den Ergebnissen der bisherigen Integrationsbemühungen deutlich gemacht. Weite Teile der Bevölkerung beurteilen die Integrationsarbeit vollkommen anders als wir politisch Handelnde. Das muss uns mahnen und darf uns eben nicht träge werden lassen. Zu viel hängt von einem Erfolg bei der Integrationspolitik ab.

Konkret zu Bremen! Laut Statistik leben in Bremen und Bremerhaven mehr als 80 000 Ausländer. Viele hier lebende Deutsche haben darüber hinaus einen Migrationshintergrund, das heißt, mindestens ein Elternteil wurde im Ausland geboren oder hat nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Schon heute hat jedes zweite Kind bis sechs Jahre in der Stadt Bremen ausländische Wurzeln.

Ein zu großer Teil der Menschen mit Migrationshintergrund ist noch nicht in der Mitte unserer Gesellschaft integriert. Wir können und dürfen es uns weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich und schon gar nicht vor dem Hintergrund unseres christlichen Menschenbildes leisten, ganze Bevölkerungsgruppen aufzugeben und von Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe auszuschließen. Jeder Einzelne ist es wert, dass wir uns um ihn kümmern und ihm eine individuelle Entwicklungschance geben. Integration ist kein einseitiges Angebot, sondern erfordert die Bereitschaft und den Willen, sich in die bestehende Gesellschaft einzufügen, und wir als CDU bestehen darauf! Es gibt eine Verpflichtung zur Integration. Das bedeutet eben auch, dass wir Integrationsverweigerer sanktionieren.

Eine erfolgreiche Integration zeichnet sich durch die Teilhabe in allen Lebensbereichen aus. Wir erwarten, dass Zuwanderinnen und Zuwanderer ebenso wie Deutsche ihren Lebensunterhalt mit eigener Arbeit verdienen und ihren Kindern Bildungsehrgeiz vermitteln. Dabei wollen wir sie gern unterstützen, denn der Sozialstaat basiert auf dem Grundgedanken einer funktionierenden Solidargemeinschaft. Diese ist keine Einbahnstraße ohne Verpflichtung zur Gegenleistung.

Die unterstützenden Maßnahmen kosten heute sicherlich Geld und erfordern eine Umsteuerung vorhandener Ressourcen. Langfristig werden sich diese Ausgaben aber auszahlen. Wir eröffnen den Betroffenen so die Chance auf einen Arbeitsplatz, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und sozialen Zusammenhalt. Dies ist der Kern gelungener Integration. Wir reichen den Menschen aus anderen Nationen und mit Migrationshintergrund die Hand und unterstützen sie im Aufbau ihres Lebens in Bremen und Bremerhaven. Im Gegenzug erwarten wir eben, dass ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie solche mit Migrationshintergrund, die hier dauerhaft leben wollen, unsere Rechts- und Werteordnungen akzeptieren, ohne dabei ihre eigenen Wurzeln und Kultur aufgeben zu müssen. Noch kann von einer Chancengerechtigkeit für Migrantinnen und

Migranten keine Rede sein, wir setzen jedoch auf die Vorbildfunktion erfolgreicher Integration. Davon gibt es ja auch in diesem Haus einige leuchtende Beispiele.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Ich darf mich an dieser Stelle von Ihnen sehr herzlich verabschieden, denn dies ist meine letzte Debatte in diesem Haus. Ich habe es immer als eine Ehre empfunden, hier als Abgeordneter dienen zu dürfen. Ich wünsche Ihnen allen persönlich viel Gesundheit, wir sehen uns bestimmt in unseren beiden Städten irgendwo wieder. Das Gemeinwesen Bremen ist ja nicht allzu groß. In diesem Sinn – –.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Sie werden ja immer auf der Besuchertribüne sitzen!)

Ich werde nicht immer auf der Besuchertribüne sitzen können, aber ich bleibe trotzdem sehr interessiert hier bei der Sache. Ich wünsche Ihnen, dass Sie hier weiterhin so engagiert kämpfen und streiten für unsere beiden Städte Bremen und Bremerhaven, und vergessen Sie mir nicht meine schöne Region BremenNord, aus der ich komme. – Vielen Dank!

(Beifall)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Cakici, ich weiß nicht, was Ihr Genosse Sarrazin zu Ihrer Rede gesagt hätte, ich weiß es nicht!

Ich bin auch für eine effektive realistische Integrationspolitik, wohlgemerkt für integrationswillige Migranten! Tatsache ist aber auch, dass es unzählige integrationsunwillige Migranten gibt, die sich nachweislich gar nicht integrieren lassen wollen. Es kann nicht angehen, dass Migranten, die vielleicht schon 10 bis 20 Jahre hier in Deutschland leben, immer noch kein Wort Deutsch sprechen können. Da können Sie noch so viele sehr teure Integrationskonzepte und -programme beschließen und auf den Weg bringen, es nützt Ihnen gar nichts, wenn diese teuren Programme von sehr vielen Migranten nicht angenommen werden. Dabei kann Integration so einfach sein, und es muss auch nicht viele Millionen Euro kosten und finanziert werden.

Integration fängt innerhalb der Familie an. Wenn die Eltern vorbildlich dafür sorgen, dass ihre Kinder Deutsch lernen, zur Schule gehen und sich gesetzestreu zu verhalten haben, ist doch alles in Ordnung. Migranten haben gerade hier in Deutschland alle Möglichkeiten, mit gleichen Chancen, nur sie müssen sie auch annehmen. Das ist eine realistische Familienintegration, die einfach selbstverständlich sein sollte. Da braucht man keine Milliarden Euro für eine

zum Teil unsinnige Integrationspolitik auf Kosten der Steuerzahler zu bezahlen und zu verschwenden. Wenn man sich einmal das circa 100-seitige Konzept zur Integration durchliest oder die Maßnahmen zur Integration des Bundes anschaut und die Kosten solcher zum Teil unsinnigen und nichts bringenden Maßnahmen durchrechnet, weil sie eben nicht angenommen werden, dann könnte man auch durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass die Integrationspolitik mittlerweile zu einer reinen Integrationsindustrie verkommen ist.

Ich sage Ja zu einer vernünftigen Integrationspolitik für integrationswillige Migranten, aber alle integrationsunwilligen Migranten können, wenn es ihnen in Deutschland nicht passt und nicht gefällt, gern jederzeit in ihre Heimatländer zurückgehen! Wer sich in Deutschland nicht an Recht, Gesetz und Ordnung hält, hat in Deutschland schon gar nichts zu suchen, so einfach ist Integration! Das ist auch zum Schutz der vielen hier lebenden anständigen Ausländer, das betone ich immer wieder.

Im Übrigen muss ich mich schon sehr darüber wundern, dass gerade Ihr SPD-Genosse Sarrazin bei den gemachten Aussagen zur Integration, zur Quotenregelung für Migranten und so weiter – ob er damit recht hat oder nicht, das will ich hier nicht diskutieren, das ist eine ganz andere Sache! – immer noch nicht im Verfassungsschutzbericht auftaucht. Nun ja, vielleicht liegt es auch daran, dass er ein altes SPD-Mitglied ist, der die SPD langsam an der Nase herumführt!