Protocol of the Session on December 8, 2010

In der großen Zielrichtung müssten wir uns an der Stelle, glaube ich, eigentlich alle einig sein. Insofern bitte ich an der Stelle um Beschlussfassung für dieses Gesetz in erster Lesung und um Überweisung zur weiteren Beratung an den Haushaltsausschuss.

Zum Zweiten erweitern wir den Zeithorizont. Wir können einerseits nicht nach dem Haushaltsjahr und nach der Wahlperiode mit dem Denken aufhören, sondern müssen dies auch über den Finanzplanungszeitraum bis zum Jahr 2020 hinaus tun. Andererseits – das ist vielleicht im Beratungsverfahren ein bisschen problematisch gewesen, wie ich finde – zwingt uns der Abrechungsmodus des Länderfinanzausgleichs, auch nach hinten zu schauen, sodass wir manchmal

nachzahlen müssen, und in den Steuerschätzungen, die nach vorn schauen, geht es schon wieder aufwärts. Das ist etwas, was noch in der Verwaltungsvereinbarung geregelt werden muss, vernünftig handhabbar ist das meines Erachtens so noch nicht völlig. Insofern macht der Haushaltsentwurf auf der Einnahmenseite hier vorsichtige Annahmen für das Jahr 2011, sodass wir hier nicht schon einmal das Geld verplanen, das wir dann im Laufe des Jahres in den Länderfinanzausgleich vielleicht wieder zurückzahlen müssen. Zum Dritten nehmen wir neue Ebenen mit hinzu. Wir werden Bremerhaven mit berücksichtigen, das ist gut, nicht nur, weil uns das Grundgesetz dazu zwingt, sondern weil wir damit insgesamt einen Überblick über die drei Haushalte im Land Bremen haben. Die Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven wird den entsprechenden Haushalt in der nächsten Woche beschließen, und das zu den gleichen Bedingungen, wie wir es tun. Im Januar wird uns dann das Finanzressort den Finanzplan des gesamten Stadtstaats vorlegen können. Ich gebe zu, das hatte ich am Anfang nicht ganz so positiv erwartet. Deswegen aber hier trotzdem mein Dank an alle Beteiligten in Bremerhaven, ohne euch würde das mit den 300 Millionen Euro auch nicht funktionieren!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es ist aber auch gut, dass wir als Zwei-Städte-Staat die kommunale Ebene überhaupt mit berücksichtigen. Die Flächenländer brauchen das über den kommunalen Finanzausgleich hinaus nicht zu tun, weswegen sie einerseits einen großen Teil der Ausgaben, insbesondere der Sozialausgaben, nicht auf ihrem Haushalt lasten haben, andererseits vielleicht auch – ich will es vorsichtig formulieren – dazu neigen, und dann die Gefahr besteht, dass das Land die Kosten auf die Kommune abwälzt. Zum Vierten beziehen wir die außerhaushaltsmäßige Finanzierung der Sondervermögen mit ein. Die Wirtschaftspläne der Sondervermögen, die Ihnen ebenfalls vorliegen, sind entsprechend angepasst worden, sodass sie keine eigene Kreditermächtigung mehr haben. Zins und Tilgung werden nur noch über den Bremer Kapitaldienstfonds abgewickelt, die Kreditermächtigungen stehen insgesamt im Haushaltsgesetz und nicht mehr in den verschiedenen Sondervermögen. Dadurch erhöht sich zum einen die Transparenz, zum anderen aber auch – wen wundert es – dann noch die Investitionsquote, die jetzt ungefähr bei 11,8 Prozent im Bundesdurchschnitt liegt. Während wir im beschlossenen Haushalt 2010 noch circa 400 Millionen Euro Investitionen im Kernhaushalt hatten, sind es jetzt mit den Tilgungen und Zinsen der Sondervermögen ungefähr 100 Millionen Euro mehr. Einem Problem werden wir uns in den nächsten Haushaltsjahren stellen müssen: Wie werden wir in

Zukunft große Investitionen finanzieren, wenn wir eigentlich keine Schulden mehr machen dürfen, sondern diese Investitionen quasi nach Rechnungseingang bezahlen werden müssen? Das kann man vielleicht mit einer pfiffigen Liquiditäts- und Mittelabflusssteuerung auch über Ressortgrenzen hinweg tun. Ob das bei so richtig großen Hafeninvestitionen funktioniert, weiß ich nicht, und ob das der Planbarkeit, insbesondere im Parlament von Haushalten, dient, habe ich auch meine Zweifel. Da das aber nicht nur uns, sondern auch allen Ländern und dem Bund so gehen wird, wird es da wohl zu irgendwelchen sinnvollen Regelungen kommen. Soweit zu den strukturellen Veränderungen! Ich finde, Schuldenbremse hin oder her, all diese Dinge, die ich genannt habe, tragen dazu bei, die öffentlichen Haushalte transparenter, nachhaltiger und umfassender aufzustellen, und das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Nun von den allgemeinen Veränderungen zum Konkreten und zum Politischen! Ich sagte es eingangs bereits, der erste Schritt zum Defizitabbau ist getan, wir verringern unser Defizit um 129 Millionen Euro. Dabei helfen uns sicherlich konjunkturell niedrigere Zinsen, aber auch ein kluges Zinsmanagement, konjunkturell bedingt niedrigere Tarifabschlüsse, aber auch das Weiterführen des Stellenabbaus und die Absenkung der Verwaltungsausgaben. Das ist Sparen. Auch die langsam wieder anfahrende Konjunktur hilft uns, also mehr Steuereinnahmen, aber auch selbst erhöhte Steuern, auch das nenne ich Sparen, und die weitere Senkung der Investitionsausgaben jetzt mit den Sondervermögen, auch das ist Sparen.

Jetzt wird die rechte Seite des Hauses wieder fragen: Ja, wo ist denn jetzt das echte und das wirkliche Sparen? Da frage ich zurück: Reichen Ihnen die 129 Millionen Euro Defizitabbau denn nicht, was wollen Sie denn sonst noch? Ich kann Ihnen das jetzt alles wieder aufzählen, was die Koalitionsfraktionen, der Präsident des Senats und die Finanzsenatorin Ihnen immer wieder aufzählen, in jeder Haushaltsdebatte von Neuem, vom Umbau der Wirtschaftsförderung, über das Mieter-Vermieter-System, über die Zentralisierung der inneren Verwaltung, 5 000 eingesparte Stellen, weitere 950 werden folgen, Energieeinsparungen, verschobene Besoldungserhöhungen, zusammengelegte Finanzämter und geschlossene Polizeireviere und so weiter. Es wird Ihnen sowieso nicht reichen.

Wenn wir dann tatsächlich noch mehr sparen, wäre es Ihnen auch nicht recht. Herr Hinners würde den Niedergang der Inneren Sicherheit prophezeien, Frau Ahrens mehr Tagesbetreuungsplätze fordern, Herr Bödeker und Herr Ella mehr Geld für Bremerhaven wollen und Herr Kastendiek mehr für die Wirtschaft, wenn wir das nachher in den fachpolitischen Debat

ten nicht hören sollten, nähme ich das dann aus der Schlussrunde zurück! Ich warte darauf.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zum Antrag der CDU! Der ist im Großen und Ganzen recycelt aus der Debatte von vor einem Jahr, weswegen Sie auch in Ihrem Antrag mit keinem einzigen Wort den vorgenommenen Defizitabbau von 129 Millionen Euro überhaupt auch nur erwähnen, sonst würde es ja nicht passen, logisch. Der Beschlussteil ist wortwörtlich derselbe. Logisch, ablehnen bleibt ablehnen. Im Begründungsteil haben Sie sich zugegebenermaßen mit dem Umformulieren richtig Mühe gegeben. Während es im alten Antrag noch hieß, ich zitiere, „Bremens Sparanstrengungen waren in der Vergangenheit zum Teil sehr erfolgreich“, heißt es jetzt, ich zitiere wieder, „die Sparanstrengungen des Landes Bremen waren in der Vergangenheit teilweise erfolgreich“. Über den Unterschied kann man jetzt länger nachdenken.

Was mich aber wirklich ärgert, ist Ihr neuer Sparvorschlag bei den Reinigungskräften! Super, das einzig Neue, was Ihnen einfällt, ist, bei denen zu sparen, die uns den Dreck hinterherräumen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Einmal abgesehen davon, dass die Zahlen des Rechnungshofs, auf die Sie sich beziehen, aus der Zeit vor der Umstrukturierung stammen, sollten Sie, Herr Dr. Schrörs, bitte nicht außer Acht lassen, was wir, die Große Koalition, damals in dem Bereich getan haben. Wir reden immer von mehreren Tausend Stellen, 4 000 bis 5 000 Stellen, je nachdem, was man zusammenzählt, seit 1993. Wissen Sie, woher die meisten kommen, nämlich 1 600 Köpfe? Das steht im Personalbericht der Finanzsenatorin: Den Großteil der Stellenkürzungen haben wir, die Große Koalition – das ist kein Ruhmesblatt, finde ich –, bei den Frauen vorgenommen, die die öffentlichen Gebäude in Schuss halten. Wissen Sie, welche Personalgruppe mit Abstand den höchsten Altersdurchschnitt mit 53,5 Jahren aufweist? Das steht auch im Personalbericht: Das ist auch das Reinigungspersonal, und das soll nach Ihrer Vorstellung weiterhin der Sparsteinbruch der Christdemokraten sein. Gute Idee!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich finde es stattdessen gut und richtig und lange überfällig, dass sich jetzt die rot-grüne Koalition auf den Weg gemacht hat, die verbliebene Eigenreinigung vernünftig aufzustellen und zu erhalten und endlich auch hier für angemessene Arbeitsbedingungen zu sorgen. Dass die Fremdreinigung natürlich

unserem Vergabegesetz entsprechend bezahlt wird, ergo Mindestlöhne und Tariflöhne zu zahlen sind, setze ich voraus, sonst gibt es schlicht und einfach keine Aufträge.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Tarifgespräche über die Standards und Richtlinien finden zurzeit statt. Ich hoffe, dass die Gesprächspartner zu einem vernünftigen Ergebnis kommen, und dann können wir im Januar anhand der Großen Anfrage der CDU noch einmal ausführlicher über das Thema diskutieren.

Zum Antrag der FDP-Fraktion! Sind Sie noch eine Fraktion oder schon eine Gruppe?

(Heiterkeit – Abg. F r e h e [Bündnis 90/ Die Grünen]: Sparmaßnahmen!)

Mir fehlt jetzt ein bisschen die Redezeit, das versuche ich dann noch einmal in der zweiten Runde aufzunehmen, aber auch diese Textbausteine des brutalstmöglichen Sparens bieten ja nicht so viel Neues.

Zur LINKEN! Sie haben dieses Mal nur einen Antrag vorgelegt: 10 Millionen Euro Erhöhung bei der Arbeitsmarktförderung. Inhaltlich wird meine Kollegin Frau Ziegert dazu noch etwas sagen. 10 Millionen Euro sind ja vergleichsweise wenig. Wenn wir dagegen Ihre Geldausgabevorschläge der Haushaltsberatungen dieser Legislaturperiode insgesamt mitgemacht hätten, würden wir in der Summe 687 Millionen Euro mehr ausgeben. Insgesamt müssten wir also, wenn wir die Zinsen dann noch einmal dazurechnen, unser Defizit um weitere 70 Millionen Euro abbauen. Dass das nicht funktionieren kann, wird jedem einleuchten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sparen oder Geld ausgeben ist jedoch kein Selbstzweck an sich. Sparen dient am Ende dazu, uns politisch handlungsfähig zu machen, handlungsfähig zu erhalten und unsere jeweiligen politischen Schwerpunkte umzusetzen. Unsere rot-grüne Schwerpunktsetzung ist klar und hat sich nicht verändert: Wir investieren in Arbeitsplätze, Bildung, in den sozialen Zusammenhalt und den ökologischen Umbau. RotGrün hat in dieser Legislaturperiode insgesamt 83 Millionen Euro eingeplant für diese Schwerpunkte, für die Sicherung des Kindeswohls, für den Ausbau der Kinderbetreuung, für Schulentwicklung, Ganztagsschulen, Sprachförderung und gegen Jugendgewalt durch das Umschichten in den Haushalten und nicht durch Mehrausgaben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir setzen Prioritäten beim Personal. Lehrerinnen und Lehrer und die Polizei sind mindestens in dieser Legislaturperiode von den Einsparungen ausgenommen. Wir haben mehr Personal im Bereich Kindeswohl und in der Steuerverwaltung eingestellt. Das funktioniert auch nur über Umschichtung, indem andere Bereiche mehr abbauen. Auch diese Zumutungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden nur tragbar sein, wenn wir deren Arbeit ordentlich entlohnen und sie an der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen beteiligen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zu den vorliegenden Änderungen im Personalhaushalt 2011 hat der Berichterstatter etwas gesagt, einschließlich Gesetzentwurf zum Sondervermögen und Versorgungsrücklage wird auch Herr Kollege Dr. Kuhn von den Grünen nachher noch einiges ausführen.

Fazit: Der rot-grünen Regierung ist es gelungen, finde ich, die Balance zwischen nötigem Defizitabbau und dem Setzen politischer Schwerpunkte zu halten. Wir sind erst am Anfang des Weges. Diesen Weg werden wir nur erfolgreich beschreiten, wenn es uns in Bremen und in Deutschland gelingt, die erwarteten Einnahmesteigerungen zu erzielen – bundesweite Steuersenkungen sind da einfach nicht möglich – und die Ausgaben stabil zu halten. Das heißt, wir schöpfen den erwarteten Produktivitätszuwachs ab, um unser Defizit abzubauen. Dass das nicht einfach wird, liegt auf der Hand, und ich wünsche allen Parlamentariern und Parlamentarierinnen der nächsten Legislaturperiode dafür viel Kraft, viel Verstand und auch viel Glück. Sie dürfen sicher sein, dass ich diesen Weg weiter verfolgen werde!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ebenso wie im letzten Jahr empfehle ich Zustimmung zu dem nunmehr ergänzten Haushalt 2011 und den parallel vorgelegten Gesetzentwürfen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Schrörs.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der rot-grüne Senat hat für das erste Sanierungsjahr 2011 den Haushaltsentwurf vorgelegt. Dieser vorgelegte Entwurf ist verantwortungslos, unsolide und eine Bankrotterklärung des rot-grünen Senats.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die steigende Verschuldung lässt sich nicht allein durch unvorhersehbare Einnahmeerwartungen stoppen. Ohne konkrete Sparvorschläge reitet diese Regierung unser Land in den Ruin.

(Beifall bei der CDU)

Mit dieser Politik gefährdet der rot-grüne Senat massiv den Bestand unseres Bundeslandes.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das stimmt doch gar nicht!)

Innerhalb eines Jahres hat die Koalition 1,2 Milliarden Euro zusätzliche Schulden gemacht. Die Ausgaben ab 2011 steigen weiter, wie wir dem Finanzplan 2010 bis 2014 entnehmen können. Der Schuldenstand wird von 16,5 Milliarden Euro 2010 auf dann knapp 20 Milliarden Euro in 2014 ansteigen. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Sie setzen mit Ihrer Politik die Zukunft Bremens weiter aufs Spiel!

(Beifall bei der CDU)

Zu hohe Verschuldung schränkt die Handlungsfähigkeit des Staates und der Politik enorm ein. Bremen muss über 650 Millionen Euro Zinsen zahlen, schon jetzt gibt Bremen jeden sechsten Euro für Zinsen aus. Dieses Geld muss Bremen sich über neue Schulden beschaffen, so fehlt es an anderer Stelle für produktive Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Die hohe Staatsverschuldung belastet zukünftige Generationen, denn auch die Steuerzahler der Zukunft müssen die Zinslast tragen und die Schulden zurückzahlen. Schulden von heute bedeuten immer Steuern von morgen, dies scheint aber die rot-grüne Koalition in Bremen nicht zu interessieren. Es wird einfach weitergemacht wie immer.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine zu hohe Staatsverschuldung hemmt die wirtschaftliche Dynamik eines Landes, bremst Wachstum und kostet Arbeitsplätze, denn durch die hohe Kreditnachfrage des Staates werden die Zinsen auch für die privaten Unternehmen steigen.

Statt aber die in Bremen ansässigen Unternehmen zu pflegen, betreibt insbesondere der Umweltsenator eine ausgesprochen wirtschaftsfeindliche Politik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn der Präses der Handelskammer in seinem Interview in einer großen Bremer Tageszeitung erklärt, „Aber wir vermissen bei ihm“ – nämlich bei Herrn Senator Dr. Loske – „vielfach das grundsätzliche Verständnis für die Position der Wirtschaft“, wirft das ein Licht auf das Verhältnis zwischen Kammer und Senat. Abwanderung von Speditionsunterneh

men als Folge dieser Politik, eine Umweltzone, deren Erfolg zweifelhaft ist, und eine Verkehrspolitik, die den Verkehr bremst, anstatt ihn fließen zu lassen, sind nur einige Beispiele.