Protocol of the Session on August 24, 2010

An dieser Stelle ist es besonders wichtig, dass die zuständige Verwaltung für den Einsatz des persönlichen Budgets umfassend geschult wird, um potenzielle Budgetnehmer und Leistungserbringer vor und bei der Beantragung eines persönlichen Budgets kompetent beraten und unterstützen zu können. Auch bei der Entgeltstruktur müssen wir eine größere Transparenz herstellen, da es noch erhebliche Unterschiede bei den Entgelten gibt, die von den verschiedenen Eingliederungseinrichtungen für ihre Leistungen erhoben werden. Insgesamt müssen diese Unterschiede verringert und dem Kostenanstieg in der Eingliederungshilfe muss entgegengewirkt werden.

Die rot-grüne Koalition fordert deshalb unter anderem, konkrete Schritte zur professionellen Ambulantisierung von Eingliederungshilfeleistungen im Bereich des stationären Wohnens zu unternehmen. Zu diesem Zweck sollen Zielvereinbarungen mit den Leistungserbringern abgeschlossen werden. Wir brauchen auch verstärkt Alternativen zur teilstationären Beschäftigung behinderter Menschen in der Werkstatt für behinderte Menschen, um die Wahlmöglichkeiten zu erhöhen. Hierzu müssen die Instrumente zur Förderung des Übergangs in den allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschöpft werden. Dazu gehört auch eine umfassende Beratung und Begleitung. An dieser Stelle ist auch die Bundesebene gefordert, die Eingliederungshilfe zu einer personenbezogenen Leistungsform weiterzuentwickeln, die sich nach den individuellen Möglichkeiten und Bedürfnissen richtet.

Ich komme nun zum Antrag der FDP! Er weist im Grundsatz durchaus in die richtige Richtung – darüber sind wir uns, glaube ich, einig –, ist aber in einigen Punkten zu kurz gesprungen. Zum Punkt eins Ihres Antrags ist zu erwähnen, dass es sich dabei um einen gesetzlichen Auftrag handelt, der durch den Rahmenvertrag von 2006 in einem ständigen Prozess er

füllt wird. Die zahlreichen Einzelverhandlungen mit den jeweiligen Einrichtungsträgern werden auf den gewachsenen Strukturen und Standards der Einrichtungen aufgesetzt und diese mit dem Ziel verändert, Wirtschaftlichkeit und Transparenz der Vergütung auf der Grundlage definierter Leistungs- und Kostenstandards, die entsprechend der Ausrichtung für alle vergleichbaren Einrichtungen gleichermaßen gelten, zu schaffen beziehungsweise zu verbessern. Dabei ist natürlich die Einrichtungsgröße und Bewohnerstruktur zu berücksichtigen. Ihren Antrag werden wir ablehnen, aber ich glaube, dass wir uns insgesamt darüber einig sind, dass wir die Selbstbestimmungsmöglichkeiten und Teilhabechancen von Menschen mit Behinderungen gemeinsam stärken wollen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bartels.

Sehr verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch für die CDU-Bürgerschaftsfraktion ist es wichtig, dass wir hier bei dem Thema Eingliederungshilfe vorankommen und sie weiterentwickeln. Wir sehen Reformbedarf, um eine moderne und teilhabeorientierte Behindertenpolitik zu ermöglichen. Ich glaube, in diesem Punkt sind wir uns hier heute fraktionsübergreifend einig, und das ist gut und richtig. Wir haben erheblichen Herausforderungen der zukünftigen Entwicklung der Eingliederungshilfe Rechnung zu tragen und auch in Bremen und Bremerhaven die Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention einzubeziehen. Ich würde mir wünschen, dass wir da gemeinsam mehr tun und auch die berechtigte Forderung unseres Landesbehindertenbeauftragten – er ist heute auf der Tribüne bei uns, herzlich willkommen, Herr Dr. Steinbrück! –,

(Beifall)

dass wir auch ressortübergreifende Ziele für Bremen und Bremerhaven entwickeln und erarbeiten, berücksichtigen. Es geht bei der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen um den Perspektivenwechsel von der Fürsorge zur Selbstbestimmung, vom Objekt- zum Subjektstatus, vom Problemfall zum Träger von Rechten. Es ist deshalb richtig, dass wir mit diesen Anträgen heute diese Debatte führen. Eine Ausweitung der Werkstattplätze ist, wo immer möglich, zukünftig zu vermeiden. Die exzellente Arbeit unserer Werkstätten möchte ich gar nicht in Abrede stellen, aber der Trend muss – das ist auch schon in den Vorreden angeklungen – zu teilstationären Plätzen gehen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Es geht darum, Plätze zur Verfügung zu stellen, sodass Menschen mit Behinderungen nach einer angemessenen Förderung der Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht nur ermöglicht, sondern dieser auch konkret gefördert wird. Der Antrag der Koalition greift dies insofern auch richtig auf. Es geht auch darum, dass abstrakte Begriffe verstärkt mit Leben gefüllt werden müssen, zum Beispiel die in diesem Zusammenhang häufig genannte Formulierung Teilhabe oder auch das Wort Selbstbestimmung. In der Diskussion wurde bislang von allen Seiten verdeutlicht, dass es ein unumstrittenes Ziel ist, Menschen mit Behinderungen genauso wie Menschen ohne Behinderungen eine uneingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Wir glauben, wir brauchen eine konsequentere Steuerung des Zugangs zu den Werkstätten für behinderte Menschen. Wir wollen den Weg in den regulären Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen aktiv unterstützen.

Zur Teilhabe und Selbstbestimmung gehört ebenso die Förderung des trägerübergreifenden persönlichen Budgets. Wir haben als CDU-Fraktion schon des Öfteren darauf hingewiesen, dass wir hier mehr Engagement des Senats einfordern. Bislang ist die Zahl der Anträge für ein persönliches Budget nicht ausreichend. Hier muss das Land mehr tun. Der Schulungsbedarf im Verwaltungsbereich ist auch im Antrag der Koalition richtigerweise aufgegriffen worden, besser, als es der Antrag der FDP getan hat. Deshalb werden wir auch heute dem Antrag der Koalition zustimmen. Wichtigster Grundsatz bei der Reform der Eingliederungshilfe ist, dass der Mensch mit Behinderung in den Mittelpunkt gerückt wird.

(Beifall bei der CDU)

Die Betroffenen müssen selbst entscheiden können, wo sie wohnen und arbeiten wollen. Leistungen müssen dem Menschen mit Behinderung folgen und nicht der Mensch den Leistungen. Der FDP-Antrag hat sicherlich den Anstoß für die heutige Plenardebatte gegeben. Beide Anträge befassen sich in unterschiedlicher Weise mit der Zukunft der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfen. Ich habe durchaus mit beiden Anträgen Sympathien, allerdings ist die größere Übereinstimmung wiederum beim Antrag der Koalition.

Die enthaltene Kritik über die Trägerstrukturen im FDP-Antrag möchte ich noch kurz bewerten. Ich glaube, dass die Strukturen, sofern sie sich bewährt haben, auch beibehalten werden sollten. Wir sollten sehr genau hinschauen, was wir zukünftig in der Trägerstruktur verändern. Wichtig ist, dass die Leistung bei dem Menschen ankommt. Ich finde, man sollte die Debatte darüber sehr transparent führen und aufpassen, dass man keinen Missgriff tut und sich zu sehr dem Bericht des Rechnungshofs anschließt und sagt, es ist alles zu überprüfen. Ich glaube, wir haben hier

eine gute Leistung bei unseren Trägern in Bremen und Bremerhaven. Ich finde, das muss in einer solchen Debatte auch bei aller Kritik gesagt werden können. Last, not least möchte ich sagen, der Fachkräftemangel, wie wir ihn auch schon hier in diesem Haus diskutiert haben, ist sicherlich ein dringendes Problem. Die unterschiedliche Versorgung mit Fachkräften in den Einrichtungen ist eindeutig. Ich glaube, wir müssen hier wirklich mehr tun, als einfach nur zu sagen, dass wir in den Ausbildungsbereichen mehr Plätze organisieren müssen. Nein, wir müssen tatsächlich für die Qualität werben und auch genau auf die Attraktivität dieser Berufe schauen, damit sich auch mehr Menschen im Bereich der Pflege und Betreuung beruflich engagieren. Wir sind gespannt auf den Tätigkeitsbericht des Senats, wenn er dann Ende des Jahres vorliegt, und als CDU-Bürgerschaftsfraktion werden wir das dann auch eng begleiten. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wie schon berichtet, haben wir heute zwei Anträge vorliegen. Den Antrag der FDP finde ich – für die FDP – richtig gut gelungen, weil es auch wirklich ein wirtschaftsliberaler Antrag ist. Man muss nur einmal vergleichen, wie beide Anträge von der Koalition und von der FDP anfangen. Die FDP fängt damit an, dass sie angemessene, gleichartige finanzielle Ausstattung der Einrichtungen und so weiter fordert. Klar finanzpolitisch! Wenn Sie sich den Antrag der Koalition anschauen, dann ist die erste Forderung, Menschen mit Behinderungen mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen. Ich finde, das ist der deutliche Unterschied dieser beiden Anträge. Das sehen wir auch als LINKE so. interjection: (Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nichtsdestoweniger ist es so, und darauf haben die Vorredner auch schon hingewiesen, der Antrag der FDP beinhaltet natürlich auch richtige Punkte. Die Punkte vier und sechs, in denen es einerseits um den Fachkräftemangel geht, andererseits darum, dass die zuständige Verwaltung über den Einsatz dieses persönlichen Budgets noch weiter geschult werden sollte. Das finde ich völlig in Ordnung, und dass die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe auf Bundesebene vorangetrieben wird, auch das ist eine richtige Forderung der FDP. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Dennoch werden auch wir als LINKE den FDPAntrag ablehnen. Wir finden den Antrag der Koalition im Großen und Ganzen eigentlich gut, ich glaube, das ist schon dabei herausgekommen. Ich finde, er setzt an dem richtigen Punkt an. Das einzige, das ich trotzdem bemängeln muss, ist für uns der Punkt fünf. Es gefällt uns natürlich nicht, dass da schon eine Vorabfestlegung enthalten ist, die da heißt, die Umsetzung dieser Forderung kostenneutral zu gestalten oder sogar Einsparungen zu erzielen. Das ist für mich nicht das primäre Ziel dieser Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe, sondern man soll erst einmal die Eingliederungshilfe entwickeln und so auf den Weg bringen und nicht gleich wieder sagen, wir machen das alles, um Einsparungen zu generieren. Es ist von der LINKEN auch bei diesem ganzen Konzept der viel größeren Selbstbestimmung durch Module und so weiter schon immer eine gewisse Angst gewesen, die wir häufig in der Diskussion artikuliert haben, dass es dadurch möglicherweise einfach nur zu einem neoliberalen Angebotsladen kommt, der für die Betroffenen dann aber letztendlich doch möglicherweise nur Kürzungen beinhaltet. Um dem vorzubeugen, würden wir als LINKE bei dem Antrag der Koalition Einzelabstimmung für die ersten vier Punkte sowie die Punkte sechs und sieben beantragen, weil wir sie sehr gut finden, aber dem Punkt fünf würden wir nicht zustimmen. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Debatte deutlich geworden, dass es eine ganze Reihe von Schnittmengen gibt, die Anträge in ihrem Forderungsgehalt nahezu übereinstimmen. Ich will die Gelegenheit nutzen, um einige Bedenken gegen unseren Antrag zu zerstreuen. Herr Kollege Frehe, natürlich geht es uns ganz am Anfang auch primär um eine fachlich gute Leistung, aber das vermag eben nicht so gut zu begründen, warum Sie sich an dieser Stelle etwa gegen eine Kontrolle von Heimen aussprechen – zumindest ist es aus Ihrem Antrag nicht ersichtlich – und warum Sie nicht anerkennen, dass die Ausstattung mit Fachkräften, mit für diese Tätigkeit qualifizierten Personen nicht ein wichtiger Indikator dafür sein kann, dass die Tätigkeit, die dort verübt wird, auch fachlich angemessen und gut ausgeübt wird. Insofern lasse ich diese Argumente an dieser Stelle nicht gegen unseren Antrag gelten. interjection: (Beifall bei der FDP)

Im Übrigen kann man natürlich sehr unterschiedlicher Meinung sein. Ich glaube, wir stimmen überein, dass das Vergütungsverfahren intransparent ist und dies auch ein wesentlicher Punkt in dem jetzi

gen System ist. Ich denke ebenfalls, Sie machen es sich als Koalition auch ein bisschen leicht, wenn Sie sagen, wir werfen einmal einige Begriffe hinein, Modularisierung, Ambulantisierung, durchaus auch die Stärkung des persönlichen Budgets, die ja nun in die Zukunft gerichtet ist, die heute nicht voll umfänglich ausgeprägt ist und wahrgenommen wird. Wenn Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir nur ganz wenige Budgetnehmer bisher im Land Bremen haben – ich glaube, Ende des vergangenen Jahres war es ein Fall in Bremen und einer in Bremerhaven –, finde ich, springt es zu kurz, wenn man sagt, man belässt das jetzt vorhandene System in dem Zustand und schaut sich das nicht genau an, führt dort keine Kontrollen durch, verbessert es nicht, sondern versteckt sich hinter anderen Begrifflichkeiten und sagt, das ist eigentlich das, wohin wir möchten, und deshalb lohnt es gar nicht, die Ist-Situation in Augenschein zu nehmen.

Deshalb hat der Rechnungshof nicht ganz unrecht, wenn er darauf hinweist, dass es eben nicht zu mehr Gerechtigkeit auch gerade für die betroffenen Personen führt, wenn nicht klar ist, nach welchen Maßstäben die Mittel verteilt werden. Herr Bartels, natürlich kann man aus einer konservativen Sichtweise sagen, das war schon immer so, und das wird dann schon alles seine Richtigkeit haben. Das unterscheidet uns. Ich glaube, es muss auch schon um ein faires Miteinander mit den Einrichtungen gehen, die in einem Wettbewerb zueinander stehen. Das heißt, sie müssen auch gegenseitig davon ausgehen können, dass ihnen für gleiche Aufgaben auch eine gleiche Ausstattung zuteilwird.

Dementsprechend, glaube ich, ist es schon sehr sinnvoll, dass wir auch darüber nachdenken, Schulkapazitäten etwa in der beruflichen Ausbildung zu erhöhen. Herr Kollege Frehe, Sie haben das Problem Fachkräftemangel ja gar nicht bestritten. Ich frage mich nur, wo Sie das in Ihrem Antrag aufgenommen haben, denn ich habe es dort nicht gefunden. Ich bin der Auffassung, es gehört unmittelbar zu dem Thema, und es wäre auch gut, wenn es auch nachher in Ihrem Beschluss stünde.

Bei vielen anderen Punkten, die Sie angesprochen haben, haben Sie uns völlig auf Ihrer Seite. Wir sind auch sehr engagiert dafür, wenn es darum geht, Werkstattvermeidung zu betreiben, auch eine Ambulantisierung der stationären Wohnformen voranzutreiben, das ist alles sehr richtig, auch das unterstützen wir.

Wir glauben allerdings, dass der Antrag, den die Koalition vorgelegt hat, an den entscheidenden Punkten nicht weit genug geht, nicht konsequent genug damit umgeht, dass es sich bei dem Angebot, das Menschen mit Behinderung in unserem Land erfahren und wahrnehmen sollen und können, auch eben um ein Geschehen des Marktes handelt und dementsprechend auch eine Gerechtigkeit zwischen den einzelnen Trägern und ihren finanziellen Ausstattungen not

wendig ist. Da würden wir uns in der Tat mehr Konsequenz und mehr Mut im Interesse derjenigen wünschen, die diese Leistungen am Ende empfangen und diese Dienstleistungen auch in Anspruch nehmen. Darum geht es, und ich glaube, dieses Anliegen ist ein sehr berechtigtes, gerade in einem Land mit knappen Haushaltsmitteln. – Vielen herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Frehe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei der Fraktion der CDU und bei der Fraktion der LINKEN bedanken. Ich freue mich, dass wir auch in Ihren Fraktionen Unterstützung für unseren Antrag gefunden haben. Ich möchte dann noch einmal auf das eingehen, was Sie, Herr Dr. Möllenstädt, dargelegt haben, und unsere Bedenken weiter ausführen. Sie fordern in Ihrem ersten Punkt unter a), dass eine einheitliche Fachkraftquote differenziert nach Hilfebedarfsgruppen für alle Träger gelten soll. Dies halte ich, mit Verlaub, für Unsinn, da im Grunde genommen in den verschiedenen Einrichtungen so unterschiedliche Angebote gemacht werden, dass sie auch unterschiedliche Fachkräfte dort einsetzen müssen. Eine Eingliederungshilfeeinrichtung der Psychiatrie ist ein völlig anderes Angebot als eine Einrichtung für Körperbehinderte oder für geistig Behinderte. Alle sind Eingliederungshilfeeinrichtungen, da brauchen wir auch unterschiedliche Arten von Fachkräften: Wir müssten dann eine lange Diskussion darüber führen, welche Fachkräfte dort eingesetzt werden sollen. Wir brauchen insbesondere, wenn wir die Individualisierung der Hilfen wollen, die Sie hier vorhin oder auch in Ihrem Antrag mit gefordert haben, eine Vielfalt von beruflichen Kenntnissen und beruflichen Qualifikationen, die an dem Geschehen in den einzelnen Einrichtungen mitwirken. Das lässt sich nicht in eine einheitliche Fachkraftquote hineininterpretieren, und das kann dann auch kein Maßstab für Vergütung sein. Das Zweite ist, Sie fordern eine Marktanalyse! Das klingt natürlich für Ihre Partei erst einmal sehr nahe liegend – Sie sind doch Ökonom, so wie ich, und wir haben uns beide mit Preistheorie beschäftigt –, zum Markt gehört die Vergleichbarkeit von Angeboten. Wir haben aber gerade hier ein so ausdifferenziertes System von unterschiedlichen Angeboten, dass es schwierig sein wird, einheitliche Preise festzulegen beziehungsweise zu vergleichen.

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP]: Ja, deshalb differenziert!)

Wir können im Grunde genommen nur bei jedem Einzelfall schauen, ob für bestimmte Leistungsmodule, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Leistungskomplexe die Preise angemessen sind in dieser Einrichtung oder nicht. Sowohl was die bauliche Ausstattung als auch die einzelnen personellen Förderangebote angeht, sind die Einrichtungen so unterschiedlich, dass sich eine solche Markanalyse verbietet oder zumindest keine sinnvolle Maßnahme wäre.

Schließlich auch zum dritten Punkt, Fachkräftemangel! Ja, ich sehe, dass wir – gerade wenn wir weiter differenzieren – auch bei bestimmten Angeboten mehr Fachkräfte brauchen. Es ist aber nicht so einfach für die Zukunft zu beantworten, welche Fachkräfte wir da haben wollen, weil wir zum Beispiel im Bereich der Sprachförderung viel mehr Logopäden gebrauchen könnten. Wir werden sicherlich künftig Leute haben, die mit sozialpädagogischen Qualifikationen ausgestattet sind. Im Augenblick wird da ausreichend ausgebildet, aber es differenziert sich. Wir werden auch Hilfskräfte brauchen, die keine besondere Qualifikation haben, da wir – wenn wir das so weiter entwickeln, wie wir es uns vorstellen – das Assistenzmodell auch stärker realisieren. Da gibt es viele Hilfestellungen, die heute von einer ausgebildeten Kraft ausgeführt werden, die auch eine nicht ausgebildete Kraft verrichten kann. Wir brauchen einerseits sehr wohl Fachkräfte, um bestimmte Förderleistungen zu erbringen, wir können aber andererseits sehr wohl auch mit Laienhelfern in diesem Bereich arbeiten, vielleicht mehr, als wir es bisher tun. Daher wäre ein Anheben der Fachkraftquote nicht unbedingt eine Qualitätssteigerung. Herr Erlanson, ich kann verstehen, dass Sie eine getrennte Abstimmung wollen, weil Sie dem Punkt fünf nicht zustimmen können, aber sehen Sie, wir haben steigende Kosten im Bereich der Eingliederungshilfe, und diese steigenden Kosten sind nicht unbedingt einer steigenden Qualität geschuldet. Wenn wir sagen, wir stellen uns die Aufgabe zu versuchen, etwas kostenneutral und gleichzeitig aber auch mit gesteigerten Standards zu verrichten, dann ist das ein Anliegen, das wir uns durchaus setzen sollten, um im Grunde genommen zu verhindern – wenn wir nämlich nichts tun, würde das passieren –, dass in den Einrichtungen die Standards abgesenkt werden. Um die Qualität nicht nur zu halten, sondern weiterzuentwickeln und die Selbstbestimmung der Betroffenen zu verbessern, brauchen wir diesen Umgestaltungsprozess, und ich meine, das geht auch kostenneutral. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Dr. Schuster.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst freut es mich, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

dass wir in vielen Teilen wirklich Einigkeit hier im Haus haben, in welche Grundrichtung es gehen soll. Für die Eingliederungshilfe und Unterstützungsleistung für Menschen mit Behinderung ist es enorm wichtig, dass es eine breite gesellschaftliche und politische Unterstützung gibt. Es wurde genannt, und ich möchte es ganz kurz wiederholen, die Zielpunkte sind in der Tat, Selbstbestimmungsmöglichkeiten zu erhöhen, was nicht immer heißt, dass sie selbstständig und allein leben müssen. Man kann in allen Bereichen und auch allen Wohnformen beispielsweise Elemente der Selbstbestimmung stärken, das ist eine ganz wichtige Sache.

Es geht uns auch darum, dass wir stärker zu personenbezogenen Leistungen kommen. Das ist im Übrigen auch die grobe Richtung, die wir bei unserer Mitarbeit in zahlreichen Arbeitsgruppen auf der Ebene des Bundes verfolgen, um Verbesserungen in der Eingliederungshilfe zu erreichen. Allerdings bedarf es noch ein bisschen Anstrengung, den Bund mit ins Boot zu holen, weil es nämlich sehr häufig auch mit Kostenfragen verbunden ist, und beim Geld hört die Freundschaft häufig bekanntlich auf. Man muss da weiter zusammenkommen, um unter anderem auch manchmal negative Steuerungsleistungen und solche Fehlentwicklungen im Bereich der Eingliederungshilfe abzustellen, die von Bundesinstitutionen vorgenommen werden, wie beispielsweise die Steuerungspolitik der Bundesagentur für Arbeit, die manchmal versucht, Menschen in die Werkstätten zu steuern, die dort eigentlich gar nichts zu suchen haben, weil sie am ersten Arbeitsmarkt nach wie vor tätig werden können und eben nicht werkstattberechtigt im engeren Sinne sind. Das ist aber ein Punkt, über den wir uns alle weitgehend einig sind. Detailfragen muss man sicherlich in der Deputation noch manches Mal diskutieren.

Ich möchte allerdings eine Sache zurückweisen, Herr Dr. Möllenstädt: Es wird nicht dadurch besser, dass man es schreibt und wiederholt. Ich möchte wirklich gern einmal belegt haben, wo in Millionenhöhe hier Steuergelder vergeudet werden. Sie hatten gesagt, dass Hilfen in der Bürokratie zermahlen werden. Das ist harter Tobak, den Sie da einbringen. Ich behaupte nicht, dass jeder Euro in dem Bereich hundertprozentig effizient eingesetzt ist, das wäre sicherlich falsch, aber die Millionen, die hier angeblich vergeudet werden, würde ich gern einmal etwas detaillierter belegt haben.

Zu der Sache, die meines Erachtens richtigerweise angesprochen wurde, dass wir die Effizienz, auch die Vergleichbarkeit zwischen Einrichtungen und die Transparenz stärken müssen: Das ist richtig, da sind wir seit mehreren Jahren auf dem Weg. Das ist im Prinzip der Kern des Umsteuerns in Hilfebedarfsgruppen, und darüber müssen wir dann versuchen, eine Rahmenvereinbarung zu machen, die definiert, bei welchen Hilfebedarfen eigentlich welche Spannbreiten an Leistung möglich sind, die dann finanziert wer

den. Das ist der Grundgedanke dieser ganzen Sache. Das ist ein völlig richtiger Weg, den wir seit Jahren beschreiten. Keine Frage, wir haben da weiter noch einiges zu tun. Bevor man das aber zu einfach in einer politischen Debatte verplättet, muss man nach Rahmenbedingungen schauen. Es gibt Rahmenbedingungen in den Sozialgesetzbüchern, die keineswegs eine reine Marktorientierung voraussetzen, nach dem Motto, der billigste Preis bekommt es dann, und alle möglichst über einen Kamm scheren, sondern es ist das Prinzip, dass man Entgelte verbindet mit entsprechenden Qualitätsstandards der Leistungserbringung. Es müssen immer beide Seiten angeschaut werden. Es ist vom Gesetzgeber gewollt, dass es durchaus unterschiedliche Einrichtungen dabei gibt und nicht alle über einen Kamm zu scheren sind. Wo wir noch mehr weiterarbeiten müssen, ist, das weiter zu verbessern, die Transparenz zu erhöhen. Da brauchen wir auch noch bundesgesetzliche Initiativen, weil es manchmal in Sozialgesetzbüchern nicht immer ganz so leicht ist, Transparenz herzustellen, wie es eigentlich wünschenswert wäre. Aber da haben wir sicherlich Aufgaben, die noch zu erfüllen sind. Wichtig ist für mich allerdings, eine einfache, schlichte Marktorientierung dergestalt, die müssen irgendwie alle im Wettbewerb, in Konkurrenz und dann möglichst preisgünsig die Sachen anbieten, das ist überhaupt nicht gewollt im Bereich der Sozialleistungen, und zwar auch sinnvollerweise nicht gewollt.

(Beifall bei der SPD)

Ein Punkt, den ich auch hervorheben möchte, aber auch da haben wir viele Sachen schon auf den Weg gebracht und hoffen, gemeinsam auch weiterzukommen! Es sind Aspekte benannt worden, die ich aber noch einmal kurz betonen will: Im Bereich Wohnen ist es mit Sicherheit so, dass wir ambulante Wohnformen entsprechend stärken müssen, denn es gibt mehr Möglichkeiten, dass auch Menschen mit vielen oder stärkeren Behinderungen ambulant wohnen können, wenn entsprechende Unterstützungsleistungen bereitgestellt werden. Es muss nicht immer eine stationäre Unterbringung sein. Das entsprechend zu forcieren, die Träger dafür zu gewinnen, die Entgeltsysteme – da steckt der Teufel häufig im Detail – auch derart zu verändern, dass so etwas auch realisierbar wird, ist sicherlich eine wesentliche Aufgabe. Wir haben mit den Trägern über runde Tische einen entsprechenden Dialog aufgenommen und werden das im Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung, gerade auch bei der Entwicklung der Sozialleistungen, sicherlich noch weiter forcieren wollen. Aus unserer Sicht besteht eine Möglichkeit, die Herr Frehe auch schon angedeutet hat: Man kann unter Umständen bessere Leistungen anbieten, die am Ende des Tages sogar preiswerter sind. Der zweite Bereich ist auch wichtig, in dem wir vielfältige Aktivitäten schon entfaltet haben: Die Frage

zur Arbeit, ob Menschen eigentlich immer in Werkstätten für behinderte Menschen untergebracht sein müssen oder ob man sie nicht noch stärker in den ersten Arbeitsmarkt integrieren kann. Auch in dieser Richtung haben wir noch genug zu tun, um weiter voranzukommen. Ich möchte trotzdem noch einmal etwas zu Herrn Erlanson und dann zum Geld sagen, denn ich hatte gerade schon bemerkt, manchmal ist es auch möglich, bessere Leistungen für die betroffenen Menschen kostengünstiger anzubieten, und da ist es fachlich geboten. Wir haben aber auch ein anderes Argument, das wir sehen müssen. Wir werden im Bereich der Eingliederungshilfe steigende Fallzahlen haben. Die Frage ist, wie stark sie steigen, aber nicht, dass sie steigen, weil die demografische Entwicklung und der medizinische Fortschritt dafür sprechen, dass es so ist und in dem Zusammenhang auch dort behinderte Menschen Gott sei Dank, weil wir jetzt fast alle Alterskohorten wieder dabei haben, weil die Wirkung der Euthanasiegesetze der Nazis endlich langsam, aber sicher ausläuft. Das heißt aber, wir haben von daher einen Kosten treibenden Faktor. Da wir als Bundesland Bremen schon ohnehin in der Eingliederungshilfe keinen Vergleich nach oben scheuen müssen, sage ich jetzt etwas zynisch, können wir es uns auf gar keinen Fall leisten zu sagen, wir satteln beliebig oben darauf, sondern wir müssen sehen, dass wir auch hier zu Kostenbegrenzungen kommen. Das Ziel des Senats ist nicht, um das auch in dem Bereich deutlich zu machen, wir kürzen da rabiat ohne Ende, aber wir müssen die Anstiege im Bereich der Sozialleistungen, wozu auch die Eingliederungshilfe zählt, entsprechend begrenzen, und dazu werden wir auch Schritte ergreifen. Das ist keineswegs etwas, das fachlich verwerflich ist, denn es ist nicht auf den ersten Blick einsehbar, weswegen jemand sagt, wir machen jetzt – und solche Ansinnen haben wir teilweise von Trägern – statt stationärer Wohnform ambulante Wohnform, das kostet dann allerdings ein bisschen mehr Geld, sondern da muss man in eine harte politische Auseinandersetzung treten und sagen, dieser Mechanismus geht nicht, ganz langsam. Für das, was wir fachlich wollen, müssen wir uns auch anstrengen, dass das so kostengünstig ist, dass die Kosten nicht nach oben explodieren.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden in diesem Zusammenhang sicherlich noch verschiedenste Diskussionen haben. Es wurde schon angesprochen, das Parlament wird in absehbarer Zeit ein Bericht zur Behindertenrechtskonvention erreichen. Genauso müssen wir zum Gleichstellungsgesetz berichten, und da werden wir dann die Themen sicherlich noch einmal in verschiedensten fachlichen Variationen aufgreifen können. – Vielen Dank! (Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.