Protocol of the Session on October 17, 2007

Ich füge in dieser Deutlichkeit hinzu: Das dafür aufgewendete Geld wäre häufig in der Investition für die Bildung der davon betroffenen Kinder besser aufgehoben als bei ihren Eltern, das ist meine feste innerliche Überzeugung.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen will ich mit Ihnen nicht streiten über Regelsatzanpassung, sondern ich will mit Ihnen über ein für Bremen und Bremerhaven und für die hier lebenden Kinder optimales Schulsystem reden. Wir haben Ihnen die Hand gereicht mit unserem Antrag auf Einrichtung einer Enquetekommission, und ich will noch einmal kurz begründen, warum wir diesen Weg für richtig halten und nicht den Weg, den die Bildungssenatorin vorgeschlagen hat und den die Koalition jetzt in das Parlament eingebracht hat, einen Unterausschuss der Bildungsdeputation einzurichten.

Erstens glaube ich, dass dieses Thema von so erheblicher gesamtgesellschaftlicher Bedeutung ist, dass es in einem Unterausschuss einer Deputation nicht zu bewältigen und nicht zu bearbeiten ist, meine Damen und Herren. Es muss ganz nach oben auf die Tagesordnung, und das können wir durch die Aufwertung einer Enquetekommission gemeinsam erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Der zweite Grund ist der, dass ich glaube, es ist richtig, dass wir nicht im eigenen Saft schmoren, sondern dass wir uns Sachverstand von außen holen und uns beraten lassen, dass wir Brücken bauen zwischen dem unverändert ja Bestehenden, auch Ideologischen, das uns trennt. Aber ich bin sicher, es gibt Wege, die diese Gräben, die es immer noch gibt, miteinander überwinden können.

Gibt es da etwas Besseres, als den Rat von Sachverständigen einzuholen? Ich lege Wert darauf, dass wir über die künftige Bildungsinfrastruktur nicht anhand unserer Parteiprogramme diskutieren, sondern dass wir mit externem Sachverstand versuchen, zu einer gemeinsamen und gerechten Lösung zu kommen, die wir auch alle gemeinsam tragen können.

(Beifall bei der CDU)

Dafür gibt es aus meiner Sicht einige grundsätzliche Voraussetzungen. Einen Punkt will ich noch ansprechen, der für die Enquetekommission spricht. Ich glaube, dass es auch ein Signal wäre, dass nicht die durch den Koalitionsvertrag in eine Richtung bereits gebundene Bildungssenatorin den Vorsitz einer solchen Kommission hat. Frau Jürgens-Pieper hat ja schon in mehreren Interviews in der Zeitung ihre bildungspolitische Idealvorstellung bekannt gegeben. Es ist doch ausgeschlossen, dass wir mit dieser Senatorin als Vorsitzende dieses Unterausschusses eine offene Diskussion darüber führen können, wie es in Bremen mit der Bildungsinfrastruktur und -landschaft weitergehen soll.

(Beifall bei der CDU)

Sie ist doch ideologisch festgelegt, sie ist gebunden durch den Koalitionsvertrag, den Sie miteinander verabredet haben. Sie ist nicht frei in ihrer Entscheidung darüber, welche Struktur wir in Zukunft in Bremen den Eltern in erster Linie vorschlagen wollen. Deswegen sage ich, den Vorsitz einer solchen Kommission, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss ein unabhängig gewählter Parlamentarier haben! Deswegen sage ich, das ist ein wichtiger weiterer Grund dafür, eine Enquetekommission in Bremen zu der Bildungsinfrastruktur einzurichten.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine Sache, die uns neben dem Weg trennt, ob wir einen Ausschuss oder eine Enquetekommission einrichten. Ich habe im Übrigen bis heute nicht gehört, warum es keine Enquetekommission geben soll. Aber ich bin gespannt auf die Debatte aus den anderen Fraktionen.

Es gab auch in den letzten Tagen Verhandlungen darüber, was passiert, wenn die CDU – was ja offensichtlich erkennbar ist – sich in dieser Debatte nicht mit dieser aus meiner Sicht idealen Einrichtung einer Enquetekommission durchsetzt. Was passiert dann eigentlich mit der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Meinungsbildung zur Bildungsinfrastruktur?

Wir haben, Herr Dr. Sieling – ich will es offen sagen –, in den letzten Tagen miteinander kommuniziert, ob es einen Weg gibt, wie wir einen gemeinsamen Weg finden, wenn wir uns sozusagen auf Plan A der CDU, gemeinsame Enquetekommission mit externem Sachverstand, nicht verständigen können. Wir haben, wie ich finde, sehr konstruktiv miteinander beraten. Wir hatten uns auch fast geeinigt.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Stimmt! – Glocke)

Es hat am Ende – ich bin gleich fertig, Herr Präsident!

(Abg. Frau T r o e d e l [Die Linke]: Frau Präsidentin!)

Frau Präsidentin, Entschuldigung! – an einem Punkt gelegen, den wir seit der Regierungsbildung bei den Sozialdemokraten vermissen und von den Grünen gar nicht erst erwartet haben,

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Aber alle anderen Fraktionen sehen es auch so!)

das will ich an dieser Stelle sagen, dass Sie, sehr geehrter Herr Dr. Sieling, nämlich bis heute kein klares Bekenntnis dazu abgegeben haben, dass es auch in Zukunft in Bremen und Bremerhaven die Möglichkeit geben soll, leistungsbegabte Kinder im durchgängigen Gymnasium zu bester schulischer Bildung auszubilden! Dieses Bekenntnis fehlt von Ihnen bis heute, Herr Dr. Sieling!

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie in dem jetzt geänderten, mit unseren Vorschlägen teilweise übernommenen Antrag auch an Gymnasien schreiben – ich will noch einmal sagen, auch in Richtung FDP –, dann lässt der von Ihnen vorgesehene Formulierungsvorschlag ausdrücklich zu, dass es in Zukunft in Bremen einen gemeinsamen Unterricht verpflichtend für alle Kinder bis Klasse 10, die klassische Gesamtschule der Siebzigerjahre der Sozialdemokraten, geben wird, sodass das Gymna

sium nur noch aus der gymnasialen Oberstufe der Jahrgangsstufen 11 bis 13 besteht. Dazu sage ich ganz klar für die CDU: So lange Sie an dieser ideologischen Schiene festhalten, sind wir – –.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Haben wir nie gesagt!)

Frau Jürgens-Pieper hat gesagt, das Modell der Zweigliedrigkeit könne nur ein Übergang sein. Wir wollen am Ende einen zehnjährigen gemeinsamen Unterricht und dann eine gymnasiale Oberstufe, meine Damen und Herren. Das ist der Weg, den mag die FDP mitgehen, aber für die CDU erkläre ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich: Das ist nicht der Weg, den wir gemeinsam gehen können! Das ist unsere Bedingung!

(Beifall bei der CDU)

Da hätte ich mir auch entsprechend mehr Offenheit erwartet.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. B u h - l e r t [FDP] meldet sich zu einer Zwischen- frage.)

Herr Dr. Buhlert, ich nehme an, Sie melden sich, dann können wir darüber debattieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will mit einem weiteren Zitat schließen, in diesem Fall von Alfred Herrhausen, der gesagt hat: „Es ist kein Luxus, Begabte zu fördern. Es ist ein Luxus, und zwar ein sträflicher, dies nicht zu tun.“ In dem Sinne, glaube ich, müssen wir eine Grundlage dafür schaffen, dass wir eine Bildungsinfrastruktur finden, die allen Schülerinnen und Schülern eine gerechte und faire Chance auf einen guten und qualifizierten Bildungsabschluss in Bremen und Bremerhaven gibt. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Güngör.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Präsident des Senats, Bürgermeister Jens Böhrnsen, hat am 10. Juli 2007 in seiner Regierungserklärung schon angekündigt, dass ein Schulentwicklungsplan vorgelegt wird.

Bildung ist eine Investition in die Zukunft, und eine gute Schulausbildung ist in der heutigen Gesellschaft von großer Bedeutung. Daher würde ich mir wünschen, dass künftig Bildung in den öffentlichen Haushalten nicht mehr als Kosten, sondern als Investition eingestuft wird.

Zurückgehende Zahlen, zum Beispiel als Folge des demografischen Wandels, werden unter unserer Regierung nicht für eine Sparpolitik dienen, sondern müssen zur Verbesserung des Schulwesens genutzt werden, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Ich bin etwas erstaunt, Herr Röwekamp, wie Sie im Augenblick über die Große Koalition gesprochen haben. Ich finde, die Große Koalition hat während der vergangenen Legislaturperioden einiges zur Weiterentwicklung des Schulsystems in Bremen auf den Weg gebracht.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Das wissen wir!)

Trotz der schwierigen Haushaltslage wurden umfangreiche Fördermaßnahmen umgesetzt; es wurde viel in die Sanierung der Bremer Schulen investiert, auch die Anzahl der Ganztagsschulen wurde in den vergangenen Jahren erhöht, Haupt- und Realschule wurden zur Sekundarschule zusammengefasst, und darüber hinaus führten gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Schulqualität, so zum Beispiel Englisch ab Klasse drei. Wir haben uns auch beim „Vera“-Test im Schuljahr 2003/2004 auf einen Mittelfeldplatz verbessert. Die Einführung der Möglichkeit, das Abitur nach 12 Schuljahren abzulegen, bietet Schülerinnen und Schülern die Chance, früh eine Ausbildung oder ein Studium zu beginnen.

Es ist aber auch allen hier im Hause bewusst, dass wir das bremische Bildungssystem weiterentwickeln müssen. Die nach dem Bekanntwerden der ersten für Bremen nicht besonders erfreulichen PISA-Ergebnisse eingeleiteten Maßnahmenbündel waren ein guter Anfang auf dem Weg zur Besserung. Diese und weitere Maßnahmen wollen wir mit dem Schulentwicklungsplan weiter ausbauen. In dieser Planung sollen Entwicklungsaufträge zusammengeführt werden, die bildungs- und schulpolitische Reaktionen auf die bremischen Ergebnisse internationaler Vergleichsuntersuchungen, insbesondere der PISA-Studien, darstellen. Vorrangig soll aber die kritische Kopplung von Sozial- und Migrationsstatus und Bildungserfolg verringert werden.

Der aktuelle OECD-Bericht, meine Damen und Herren, belegt auch noch einmal die hohe Abhängigkeit vom Bildungserfolg und sozialer Herkunft. In keinem anderen Industriestaat ist die Korrelation so hoch. Dafür ist laut OECD-Bericht im Übrigen auch die frühe Aufteilung von Zehnjährigen mitverantwortlich.

Es ist unser Ziel, gemeinsam mit den Eltern, den Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen und Lehrern, aber auch externen Experten, Herr Röwekamp, Leitlinien, Vorschläge und ganz konkrete Maßnahmen zu entwickeln, um eine zügige Verbesserung des bremischen Schulsystems voranzubringen. Die Ver

besserung soll zudem unter Einbeziehung aller Schularten erfolgen, damit jedes schulpflichtige Kind eine Chance auf eine gute Schulbildung bekommt. Sinnvoll ist dafür ein überparteilicher, transparenter und offener Prozess, dessen Fundament wir heute mit unserem Antrag legen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir müssen es schaffen, die Abhängigkeit von sozialer Herkunft und Schulerfolg zu entkoppeln, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

So muss die Beteiligung aller Kinder, egal, aus welchem Elternhaus oder Stadtteil, an sämtlichen Bildungsangeboten gesteigert werden. Darüber hinaus müssen wir die Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit unseres Schulangebotes verbessern, es gilt der Grundsatz: Anschluss statt Ausschluss, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir müssen es auch schaffen, die Anzahl der Wiederholer, Schulabbrecher und der Schulverweigerer zu reduzieren. Aber auch die Verbesserung der Qualität von Schule und Unterricht gehört zu unseren zentralen Zielen. Bürokratie muss an den Schulen abgebaut und der Fokus mehr auf die Qualität und den Unterricht gelenkt werden!

Gestützt auf Daten zur Leistungsfähigkeit und zur Situation der bremischen Schulen sowie auf aktuelle Ergebnisse der Unterrichts- und Schulforschung ist die Leistungsfähigkeit der Schulen und des Schulsystems zu verbessern. Die Leistungsfähigkeit bemisst sich zum Beispiel an der Quote erfolgreich abgeschlossener kontinuierlicher Schullaufbahnen und gelingender Abschlüsse in der akademischen oder beruflichen Ausbildung. Sie bemisst sich weiter am Grad der Bildungsbeteiligung, also am Maß der Verringerung sozialer Kopplung und Erhöhung qualifizierter Abschlüsse.