Protocol of the Session on February 24, 2010

Siebtens: Die beste Sozialpolitik ist eine gute Bildungspolitik. Diesen Ansatz habe ich in dieser Debatte übrigens ziemlich vermisst.

(Beifall bei der FDP – Abg. Frau G a r l i n g [SPD]: Machen Sie sich doch nicht lächer- lich!)

Da hätte man auch durchaus, liebe Frau Garling, zu Recht einmal würdigen können, dass es die neue Bundesregierung aus Union und FDP ist, die sich bis zum Jahr 2013 das ambitionierte Ziel gesetzt hat, zwölf Milliarden Euro mehr für Bildung und Forschung in die Hand zu nehmen als zu Ihrer Regierungszeit im Bund.

Das sind Anstrengungen, die tatsächlich unternommen werden. Wenn Sie sich an diesen Thesen, die ich eben vorgetragen habe – es sind die Thesen, die mein Parteivorsitzender formuliert hat –, orientieren würden und uns auch vielleicht einmal im Ansatz einmal beschreiben könnten, wo Sie da nicht einer Meinung sind und wo Ihr Problem damit ist, statt ständig neue Dinge in die Welt zu setzen, die so niemand gesagt hat und die von niemandem so gemeint sind, dann wäre dieser Debatte sicherlich mehr gedient als durch Ihren Auftritt, Frau Garling!

(Beifall bei der FDP)

Im Übrigen kann ich Ihnen sagen: Das, was Ihnen als SPD abhandengekommen ist, nämlich das Verständnis für die arbeitenden Menschen in diesem Land, ist bei uns vorhanden. Wir sind die Schutzmacht der kleinen Leute!

(Lachen bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Das ist etwas, das Sie ganz offensichtlich nicht vertragen und offensichtlich nicht ertragen können. Fragen Sie einmal die älteren Parteimitglieder in Ihrer SPD, was sie von dieser Art Ihrer Debattenführung halten! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Mit solch einer Schutzmacht ist man verloren!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Frehe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst die Schutzmacht der kleinen Leute ansprechen. Es geht ja im Augenblick der Witz durch die Gegend, dass man keinen FDP-Wähler auf der Straße trifft, weil die alle beim Finanzamt sind, um ihre Steuersünden anzuzeigen. Wenn Sie diese kleinen Leute meinen, dann kann ich sagen: Ja, das ist die Schutzmacht dieser Art von Leuten. Das Zweite: Sie haben hier Demut angemahnt, weil SPD und Grüne die Hartz-IV-Gesetzgebung auf den Weg gebracht haben. Ja, ich finde es richtig, dass man sagt, wir haben mit dieser Gesetzgebung auch Fehler gemacht. Die Kritik des Bundesverfassungsgerichts trifft auch die Grünen, und es trifft auch die SPD, betrifft unsere gemeinsame Koalition in Berlin, das muss man eingestehen. Aber wir haben auch Konsequenzen daraus gezogen, und wir ziehen jetzt die Konsequenzen daraus, und das nicht willkürlich mit irgendeinem Regelsatz von 420 Euro, den wir uns erdacht haben, oder 500 Euro, weil DIE LINKE immer noch einen drauflegen muss, 20 Prozent mehr, sondern wir haben mehrere Gutachten des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zugrunde gelegt und als Übergangslösung vorgeschlagen, eine solche Erhöhung vorzunehmen. Grundsätzlich ist es richtig, dass wir es exakt berechnen wollen, dass die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht gestellt hat, jetzt auch umgesetzt werden müssen und nicht ein gegriffener Betrag für die Regelsätze genommen werden darf. Sie haben gesagt, ja, wir hätten ein Hartz-IV-System geschaffen, das Sie auf den Prüfstand stellen wollen. Ich würde gern wissen, in welche Richtung diese Prüfung geht.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Genau! – Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Er hat sieben The- sen genannt! Ich weiß nicht, wo Sie waren!)

Das finde ich schon spannend. Man kann das eine sicherlich auf den Prüfstand stellen, ich habe ja ein paar Andeutungen gemacht, dass ich auch meine, dass manche Sanktionen zu weit gehen. Ich meine auch, dass wir überlegen müssen, wie die Struktur ist, ob wir tatsächlich so viel pauschalieren sollten, wie es in diesem System gemacht wird. Das sind vorsichtige Eingriffe.

Was aber richtig war, war, die Sozialhilfe und die Arbeitslosenhilfe zusammenzuführen. Ich habe immer wieder erlebt, dass Leute von der Arbeitslosenhilfe nicht leben konnten und zusätzlich Sozialhilfe beantragen mussten. Dieses System, mit Sozialhilfe, mit zwei Ämtern kooperieren zu müssen und dann eine gewisse Aufstockung zu haben, war unglücklich. Deswegen ist der Weg, das zusammenzuführen, richtig gewesen.

Das Wort von dem „Deppen der Nation“! Ich weiß nicht, welche Zeitung Sie meinen, die den Grünen nahe sein soll, aber wenn Sie die „taz“ meinen, kann ich nur sagen, dieses Wort ist ein Zitat Ihres Vorsitzenden. Er hat das verwandt, indem er gesagt hat: „Es kann doch nicht sein, dass die Arbeitenden sich wie die Deppen der Nation vorkommen.“ Das war das Zitat von Herrn Westerwelle!

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP]: Aber was daraus gemacht worden ist!)

Ich bitte Sie! Wer damit arbeitet, wer im Grunde genommen eine Konkurrenz von Arbeitslosen auf der einen Seite und denen, die beschäftigt sind, auf der anderen Seite auf diese Art und Weise aufbauen will, betreibt Volksverhetzung!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Nur noch ein Satz zum Lohnabstandsgebot! Ich finde es immer spannend, wenn alle möglichen Leute darüber reden, die wahrscheinlich noch nie ins Gesetz geschaut und einmal überlegt haben, was dort steht. Ich will es nur für diejenigen, die das Gesetz nicht kennen, kurz erwähnen! Einmal die Fundstelle, das ist Paragraf 28 Absatz 4 SGB XII, es steht also nichts im Sozialgesetzbuch II dazu! Dort wird eine fünfköpfige Familie, die Leistungen bezieht, verglichen mit einer arbeitenden Familie, die ein Nettoeinkommen hat, mit einer Erwerbsperson und zusätzlichen Wohn- und Kindergeldleistungen.

Da hat doch Frau Garling völlig recht, wenn sie sagt, dass sich jetzt hier wegen der Niedrigeinkommen das Problem ergibt, dass eine fünfköpfige Familie ein Einkommen erzielt, von dem sie nicht leben kann. Dann kann es doch nicht sein, dass die Regelsätze unter eine menschenwürdige Qualität gedrückt werden. Das ist doch völlig richtig! Das muss doch andersherum gehen! Es muss doch dafür gesorgt werden, dass die

Einkommen angemessen über den Sozialleistungen bleiben und dass wir dafür sorgen, dass die Niedrigeinkommen nicht so absinken können. Das muss das Ziel sein!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das heißt, wir brauchen ein Lohnabstandsgebot, aber eines nach oben und nicht nach unten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Mir ist wichtig, dass die FDP sich vielleicht noch einmal überlegt, was sie mit dieser Kampagne auslöst. Ich habe vernommen, dass sie zunächst einmal einige Prozentpunkte in Nordrhein-Westfalen dazugewinnen konnte, was ihre Popularität angeht. Ich glaube aber, was Sie damit zerstören, ist unverantwortlich. – Danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Garling.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mensch, Herr Dr. Möllenstädt, da sind Sie ja einmal richtig aus der Deckung gekommen, das begrüße ich sehr! Herr Bartels, was ich wirklich nicht verstehen kann: Warum sind Sie eigentlich gegen gesetzliche Mindestlöhne? An einer Stelle hat sogar Herr Dr. Möllenstädt recht: Es muss so sein, dass derjenige, der arbeitet – Herr Frehe hat es gerade gesagt –, mehr Geld haben muss als jemand, der im Hartz-IV-Bezug ist. Das ist doch wohl völlig klar! Um diesen Zustand herzustellen, denn freiwillig passiert da gar nichts, braucht es gesetzliche Mindestlöhne. Anders geht es einfach nicht!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich würde gern einmal wissen, wo eigentlich da Ihr großes Problem ist. Dass Löhne durch den Staat subventioniert werden, halte ich nicht für eine kluge Lösung. Ich frage mich auch: Wie soll das eigentlich langfristig gehen, wenn es darum geht, Renten zu bezahlen? Irgendwie ist das doch ein Problem, das man langfristig mit sich herumträgt. Das muss man irgendwie einer Lösung zuführen. Ich halte das wirklich für sehr unklug.

Frau Nitz, man muss Ihnen recht geben: Die Festsetzung der Regelsätze hat sich in der Tat überhaupt ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

nicht an dem wirklichen Bedarf der Menschen orientiert. Das ist völlig richtig! Wir haben hier in Bremen schon vor mehreren Jahren – damals noch zusammen mit der CDU auch auf Bundesratsebene – den Finger in die Wunde gelegt. Leider ist es so, dass dieses Mal das Gericht entscheiden musste, das hätte ich mir auch anders gewünscht. Was die Mietobergrenzen betrifft, das haben wir schon selbst gemacht.

(Abg. Frau T r o e d e l [DIE LINKE]: Das ist jetzt auch egal! Hauptsache es kommt den kleinen Leuten zugute!)

Die FDP ist jetzt die Schutzmacht der kleinen Leute. Super! Herr Dr. Möllenstädt sagt, wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet. Darin sind wir uns völlig einig. Das Verlogene daran ist aber – und da sind wir uns nämlich nicht einig –, dass Sie keinen Weg aufzeigen können, wie Sie das eigentlich erreichen wollen. Auch hier stellt sich wieder die Frage nach gesetzlichen Mindestlöhnen. Uns hier zu unterstellen, wir würden uns nicht für Bildung, Ganztagsbetreuung und individuelle Förderung einsetzen, ist völliger Blödsinn. Gerade hier in Bremen können Sie wirklich ablesen, wie wir uns auch unter schwierigen Bedingungen mit unserer Haushaltslage bemühen, an der Stelle schneller voranzukommen.

(Beifall bei der SPD)

Auch da sind Sie verlogen! Ich habe es in meiner Rede schon gesagt: Einerseits individuelle Ganztagsbetreuung und Beschulung zu fordern und andererseits Steuersenkungen zu wollen, ist ein Widerspruch. Damit können Sie die Menschen nicht veralbern!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wie Sie meinen Redebeitrag nun bewerten, Herr Dr. Möllenstädt, ist mir nun wirklich völlig egal.

(Beifall bei der SPD)

Was die Menschen in Bremen betrifft, wie sie diese Debatten bewerten, dass kann man ihnen getrost selbst überlassen, Sie haben es ja noch hinzugefügt, die gebildeten Menschen, wie die es bewerten. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

(Abg. D e n n h a r d t [SPD]: Eben konn- ten wir das mit den kleinen Leuten noch bes- ser begreifen!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist immer wieder erstaunlich, dass Sie behaupten, dass wir keine Konzepte hätten, wie wir denn die Einkommenssicherung von Menschen, die selbst nicht so viel verdienen, regeln wollen. Wir haben das an vielen Stellen vorgetragen, man kann es in unserem Wahlprogramm zur Bundestagswahl nachlesen. Viele Leute haben uns deswegen gewählt, auch deshalb, weil wir für ein Mindesteinkommen statt für einen Mindestlohn eintreten.

Das ist eine Geschichte, die wir immer wieder vortragen, die ich hier auch immer wieder vorgetragen habe und die ich gern noch einmal vortrage: Wir nennen das System Bürgergeld. Es geht darum, dass die Menschen, die arbeiten, mehr haben sollen als die, die nicht arbeiten. Das heißt, die Anreizsysteme sollen da sein. Das heißt beispielsweise für einen Einzelnen – in der Tat muss man die Bedarfssätze neu berechnen, das gilt auch für die Zahl, die ich jetzt sage – 662 Euro, was wir zusammengefasst diesem Menschen geben wollen. Das ist das, was ihnen jetzt bundesdurchschnittlich auch gegeben wird. Wenn sie dann 400 Euro dazuverdienen, haben sie 822 Euro nach Hartz IV und nach unserem Modell 882 Euro. Bei 600 Euro Zuverdienst geht das schon weiter auseinander, da wären es nach Hartz IV 892 Euro, nach unserem Modell 962 Euro – und so weiter und so fort.

Das heißt, wir wollen mehr Zuverdienstmöglichkeiten als bisher in Hartz IV, einem rot-grünen Gesetz, das den Menschen am 24. Dezember 2003 – ich habe es eben noch einmal im Bundesverfassungsgerichtsurteil nachgelesen – unter den Weihnachtsbaum gelegt worden ist, ein Gesetz, das wirklich kein Geschenk für diese Menschen war und das deswegen auch abgeschafft und ersetzt werden muss durch ein faireres und gerechteres System. Ich bin davon überzeugt, dass ein solches Bürgergeldsystem mit entsprechenden Abständen ein System ist, das ein Mindesteinkommen garantiert, das berücksichtigt, dass es Menschen gibt, die nicht leisten können. Ihnen wollen wir nichts nehmen. Aber bei denen, die leisten können und nicht leisten wollen, müssen wir doch als Staat sagen, dass Arbeit und Fleiß eine wirkliche Grundlage unserer Gesellschaft sind.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben in unserer Landesverfassung einen Artikel, in dem steht, es gibt eine sittliche Pflicht zur Arbeit. Jeder hat eine sittliche Pflicht zur Arbeit! Ich halte das auch erst einmal für einen richtigen Ansatz und einen richtigen Anspruch unserer Gesellschaft, dass jeder versuchen und sich anstrengen soll, sich einzubringen. Dass das nicht immer geht, weiß ich auch, und dass wir momentan nicht für alle Arbeitsplätze haben, weiß ich auch. Trotzdem, deswegen reden wir von Leistungsbereiten, gibt es einige, die wollen Arbeit, und es gibt einige wenige, bei denen

man das in Zweifel ziehen darf. Bei diesen wenigen muss man auch einmal fragen, ob man da die richtigen Instrumente hat. Deswegen wollen wir einen höheren Anreiz, denn was hier im „Handelsblatt“ von heute steht, dass bei einer Vollzeitstelle, die mit wenigen, aber immerhin mit 1 300 Euro brutto bezahlt ist, 1,59 Euro pro Stunde bleiben, ist zu wenig. Das kann nicht der Zuverdienst sein, das ist nicht sozial gerecht, weil es den Menschen gegenüber nicht fair ist.

Es ist eine Fairnessdebatte, die wir führen, eine Debatte darüber, was wir als Mindesteinkommen geben können, wie das gegenüber denjenigen wirkt, die Steuern zahlen, und wie das gegenüber denjenigen wirkt, die sagen, ich möchte nicht vom Staat leben, ich arbeite, strenge mich an, auch wenn es gering bezahlt ist, weil es für mich zu meinem persönlichen Stolz dazugehört, mein Geld selbst zu erarbeiten und nicht anderen auf der Tasche zu liegen, weil ich das zu Hause so mitbekommen habe. Eine Haltung, die nur zu schätzen ist, die man auch anerkennen muss und bei der man sich auch die Frage stellen muss: Was ist das, was bei diesem Menschen dann als Signal ankommt?

Wir als FDP sind insofern gern bereit, über eine akkurate Berechnung von Mindesteinkommen, von Bedarfssätzen zu reden. Wir haben das schon mehrfach gefordert. Wir haben Sie unterstützt und auch aufgefordert. Man hätte auch zumindest die Kinderbedarfssätze schon längst berechnet haben können, das sage ich auch. Damit hätte schon die Große Koalition anfangen können, weil damals schon klar war, wie das Verfassungsgerichtsurteil ausgeht, uns als FDP jedenfalls. Wir haben dann ja auch noch einmal den Senat gebeten, weitere Vorstöße zu unternehmen. An anderen Stellen haben wir öfter gesagt, wir müssen die Zuverdienstregelungen ändern, beispielsweise mit unserem Antrag „Zuverdienstmöglichkeiten für Jugendliche verbessern“.