Protocol of the Session on October 29, 2009

Es kann durchaus sein, dass Dinge, die gestern richtig waren, heute nicht mehr stimmen und umgekehrt. Von der Vorgeschichte sollten wir uns da gar nicht groß beeindrucken lassen. Sie können sicher sein, wir Grünen haben eine genaue Vorstellung von der Größe und Schwere der Aufgabe, die das kommende Jahrzehnt bringt. Wir bereiten uns darauf vor, wir prüfen jeden Vorschlag, ob der von uns kommt, von Fachleuten oder von Ihnen. Bei uns gibt es mit Sicherheit keine naturgemäße Ablehnung, um an die berüchtigte Formulierung aus Zeiten Großer Koalition zu erinnern.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Das war Tei- ser, das waren nicht wir!)

Ja, natürlich, Sie waren es nie! Sie haben richtig gesagt, Herr Röwekamp, das gehört in die Mitte des Parlaments. Eine Enquetekommission ist immer der Versuch, die Dinge weg vom Parlament, weg von der Parteipolitik – –.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Parlamenta- rische Einrichtung!)

Ja, doch, das ist zwar eine parlamentarische Einrichtung, aber Sie haben es selbst gesagt, Sie suchen den Konsens. Das ist am Ende völlig richtig, der Weg dahin aber, ist nicht richtig, sich das so vorzustellen, dass es weg von Parteipolitik und weg von strittigen Auseinandersetzungen hier im Parlament und seinen Ausschüssen geht. Ich sehe dafür keinen Grund. Es gehört ins Zentrum des politischen Wettbewerbs der Parteien, und das ist hier der Ort, an dem wir gemeinsam und in den Ausschüssen sitzen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte aber schon noch etwas über die Art und Weise dieser Prüfung sagen, die wir dann aus unserer Sicht gemeinsam machen werden. Wir werden vielleicht einige Vorschläge zügiger prüfen, weil wir nämlich schon drei oder vier Mal geprüft haben. Ich nenne als Beispiel die Gewoba. Es ist für die Stadt und für den Haushalt besser, sie zu behalten, als sie zu verkaufen. Das haben Sie selbst schon einmal mitgeprüft, das steht in dem Schriftsatz an Karlsruhe, dass

es die Auffassung des Senats ist. Wenn Sie neue Fakten haben, gern, dann müssen wir das gemeinsam machen. Eine Enquetekommission zur Prüfung der Geschäftslage der Gewoba? Ja, wie müssen wir uns das vorstellen? Was soll in dieser Kommission passieren? Sie nennen zum Beispiel neue Fakten über die Geschäftslage der Gewoba. Wollen Sie das in einer Enquetekommission diskutieren? Mit Sicherheit doch nicht!

Wir werden nicht so überprüfen, wie Sie das bei den Zuwendungen gemacht haben, einen „linken“ Jugendverband, die Arbeiterwohlfahrt, die Arbeitnehmerkammer zusammenrühren. Das soll wohl irgendwie suggerieren: alles rote Traditionsvereine! Ich weiß nicht! Und dann so zu tun, als würde da ein warmer Geldregen für lau und für nothing über sie herabgehen! Ich könnte Ihnen jetzt lange antworten mit Richtigstellungen im Einzelnen, mit der Aufklärung darüber, was die Verbände dafür für die Stadt leisten, mit der Liste von geförderten Jugendeinrichtungen und Organisationen, die so gar nicht rot sind. Ich muss das aber gar nicht tun, denn dieser Teil – und der bestimmt schon die Agenda und die Diskussion darüber, die wir heute führen – ist überhaupt kein seriöser Beitrag, sondern wirklich pure Stimmungsmache.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Mit solchen Beiträgen, Herr Röwekamp, das muss ich Ihnen einfach vorhalten, vergiften Sie die Diskussion, die Sie seriöser machen wollen, wovon ich erst einmal ausgehe. Sie erschweren eine vorurteilsfreie Überprüfung, ob noch heute notwendig ist, was vorgestern oder gestern einmal beschlossen wurde. Natürlich müssen wir das machen, aber nicht mit solchen Sachen, dass wir einmal durchscannen, was nach rot aussieht. Dann prangern Sie das an und sagen in dem Gestus „Wussten Sie eigentlich, dass“. Das bringt der Sache keinen Fortschritt und keinen Nutzen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Schlag- und Stichworte und Fragen allein kann man nicht prüfen. Deswegen beteiligen wir uns jetzt auch nicht an solchem Schlagwortabtausch. Es bringt zum Beispiel nichts, in den Parlamentsdebatten mehr Geld für die Hochschulen zu fordern und dann aus dem Handgelenk einmal diesen oder jenen Studiengang in Frage zu stellen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wenn Sie ernsthafte Prüfung erwarten, müssen Sie schon Ihre Fragen auch mit Antworten versehen und aus Schlagworten begründete Vorschläge machen, die zum Beispiel in diesem Fall die Tatsache berück

sichtigen, dass die Länder sich gerade im Hochschulpakt verpflichtet haben, die Anzahl der Studienplätze zu halten, wenn nicht sogar auszubauen. Es spricht überhaupt nichts dagegen, über das Ausmaß und die Größe und die Fächerung des Studienangebots in Bremen nachzudenken, aber da muss man bitte auch einmal zu Ende denken, bevor man einen Vorschlag auf den Tisch legt.

Dann möchte ich Sie fragen: Wie soll die Behandlung solcher oder 30 anderer fachlicher Fragen, die mit viel Kenntnis und Fachlichkeit unterfüttert werden müssen, in einer einzigen Enquetekommission zusammengefasst werden? Dafür haben wir unsere Ausschüsse, dafür haben wir den Haushaltsausschuss, und dahin gehören die Fragen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich habe noch einen Gedankengang, ich komme zum Schluss, Herr Präsident! Der Gestus des Tabubrechers bringt ein paar Tage Aufmerksamkeit, das wissen wir. Wir brauchen aber begründete und umsetzbare Vorschläge, um beraten und entscheiden zu können. Wenn Sie glauben, Herr Röwekamp, anders als Frau Merkel jetzt sofort, in der gegenwärtigen Konjunkturlage im nächsten Haushalt ab 2010 mit Sparen, Sparen, Sparen beginnen zu sollen, dann erwarte ich das allerdings in Form von klaren und begründeten Haushaltsanträgen. Bisher kenne ich nur das Gegenteil, nämlich die Forderung nach mehr Ausgaben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zusammenfassend: Wir wollen die Frage, wie wir es unter den Bedingungen von Schuldenbremse, Zinshilfen und der neuen Regierungsverschuldungskoalition in Berlin die Konsolidierung unserer Haushalte schaffen wollen, nicht aus dem Parteienstreit und dem Parteienwettbewerb heraushalten und in einen Raum scheinbarer Unabhängigkeit schieben, sondern wir wollen das hier im Zentrum unserer Politik, im Parlament und seinen Ausschüssen haben. Aus diesem Grund lehnen wir den Antrag auf Einsetzung einer Enquetekommission heute ab. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Röwekamp, Ihre vermeintlichen Sparanstrengungen in allen Ehren, ich aber glaube, dass Sie mit Ihren zum Teil unrealistischen Sparvorschlägen sehr,

aber auch sehr über das eigentliche Ziel hinausgeschossen sind. Zum Beispiel im Bezug auf eine einheitliche Landespolizei: Eine geplante Landespolizei ist doch schon vor Jahren durch den massiven Widerstand von Gewerkschaften und politischen Parteien, auch Ihrer Bremerhavener CDU aus guten Gründen gescheitert. Einer der Gründe ist erwiesenermaßen, dass eine zusammengewürfelte Landespolizei keine Einsparungen einbringen würde, von den anderen organisatorischen und personellen Problemen und den effektiven Einsatzmöglichkeiten der Einsatzkräfte einer Landespolizei ganz zu schweigen.

Die gesamte Problematik einer Zusammenlegung der beiden Polizeibehörden von Bremen und Bremerhaven zu einer Landespolizei haben wir in der Stadtverordnetenversammlung wie auch im Landtag schon vor Jahren ausreichend diskutiert, sodass ich darauf heute nicht noch besonders eingehen muss. Das Thema Landespolizei ist bis jetzt eine unendliche Geschichte, die heute ein für alle Mal beendet werden sollte. Das Ergebnis kann also demnach nur heißen, sich endgültig von einer Landespolizei zu verabschieden.

Sicherlich könnte man mit sehr gutem Willen über den einen oder anderen Einsparungsvorschlag von Herrn Röwekamp ernsthaft diskutieren. Dafür aber braucht man ernsthafte Vorschläge, in denen einige wichtige Punkte nicht angetastet werden dürfen. Einer davon ist der Punkt Landespolizei, der auch von der Bremerhavener CDU schon lange beerdigt und ad acta gelegt worden ist.

Das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit: Auch eine geplante Fusion der Theater mit zwei Spielstätten wird nicht den geplanten großartigen finanziellen Erfolg bringen können, ganz im Gegenteil! Wie denn auch? Hier erinnere ich Sie einmal an die dramatischen finanziellen Verluste und Desaster durch das Bremer Musicaltheater und so weiter. Ich könnte das noch fortführen. Meine Damen und Herren, eine Theaterfusion würde meines Erachtens keine Einsparungen erbringen, ganz im Gegenteil vielleicht sogar noch größere Löcher, die den Bremer Haushalt finanziell zusätzlich belasten!

Herr Röwekamp, Ihre Einsparvorschläge sind angesichts der desolaten Haushaltsnotlage des Landes vielleicht sogar gut gemeint, das will ich Ihnen auch nicht absprechen, aber zum Teil sind Ihre Vorschläge unrealistisch und nicht umsetzbar. Mit Sicherheit aber sind sie sehr populistisch und sollen überwiegend sogar auf Kosten und zulasten der Stadt Bremerhaven und ihrer Bevölkerung rücksichtslos umgesetzt werden. Das mache ich als Bremerhavener Abgeordneter nicht mit! Ich nehme mit großer Sorge zu Kenntnis, wie ausgerechnet Sie als Bremerhavener CDU-Abgeordneter mit Ihren Aussagen, Ihrer politischen Arbeit und jetzigen Sparvorschlägen die Interessen und das Wohl der Stadt Bremerhaven und ihrer Bevölkerung schädigen, grob vernachlässigen und missachten. Dafür habe ich als Bremerhavener

Abgeordneter überhaupt kein Verständnis. Es kommt bei mir der leise, ganz leise Verdacht auf, dass in Ihren Einsparvorschlägen vielleicht persönliche politische Machtinteressen stecken.

Als Bremerhavener Abgeordneter werde ich selbstverständlich aus meiner politischen Verantwortung und Verpflichtung gegenüber der Stadt Bremerhaven und ihrer Bevölkerung Ihre Einsparvorschläge ablehnen. Selbstverständlich sind bei der angespannten Haushaltsnotlage des Landes Einsparungen dringend erforderlich. Das ist ganz klar! Da aber, wo sie angebracht sind, wo sie verkraftbar sind, wo sie sozial sind und nicht um jeden Preis und schon gar nicht so weitgehend auf Kosten zulasten der Stadt Bremerhaven und ihrer Bevölkerung gehen, werden wir Bremerhavener – und das sage ich hier in aller Deutlichkeit – schon zu lange von Bremen finanziell benachteiligt und abgezockt.

(Lachen bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Einsetzung einer Kommission wird bei der Stimmmehrheit von RotGrün mit Sicherheit, das wissen Sie ja selbst, nicht zustande kommen. Über eine realistische, vernünftige Einsparung mit vernünftigen Vorschlägen aber, wie zum Beispiel der Abschaffung eines zweiten Staatsrats, der meiner Meinung nach völlig überflüssig, aber dafür sehr teuer ist, habe ich leider nichts gelesen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Welcher denn?)

Darüber kann man auch noch diskutieren! Tatsache ist doch, Herr Röwekamp, dass ein Staatsrat parteibuchmäßig hineingehievt worden ist, um ihn finanziell noch günstig zu versorgen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Welcher denn? – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Mir würde ein Abgeordneter einfallen!)

Darauf kommen wir noch, wir haben das gestern auch schon gehabt. Tatsache ist doch: Bei jeder Regierung gab es mindestens einen oder zwei Staatsräte, und da können wir hier nehmen, wen wir wollen, die überflüssig waren.

(Zuruf des Abgeordneten R ö w e k a m p [CDU])

Herr Röwekamp, seien Sie doch ruhig! Das haben Sie doch gar nicht nötig, Herr Röwekamp, sich so aufzuregen! Ich rege mich auch nicht auf. Das haben Sie doch gar nicht nötig. Es gibt mit Sicherheit einige Einsparvorschläge, für deren vernünftige Umsetzung man mit Sicherheit keine Kommission braucht. Ich lehne den Antrag ab. – Ich danke Ihnen!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Kummer.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin ja jetzt kurz versucht gewesen, die Staatsräte und Herrn Röwekamp gegen die Angriffe von Herrn Tittmann zu verteidigen, das lasse ich, das können sie selbst. Das tut jetzt nicht Not!

(Zuruf des Abg. T i t t m a n n [parteilos] – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Es reicht das Stichwort Waschmaschine!)

Herr Röwekamp, Sie bieten hier einen breit getragenen Konsens, eine breit getragene gesellschaftliche Diskussion via Enquetekommission an. Ich höre die Botschaft wohl, Herr Röwekamp, allein, mir fehlt der Glaube.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es ist ja grundsätzlich nichts gegen Enquetekommissionen einzuwenden, Sie haben ja eingangs die verschiedenen Kommissionen auf Landes- und Bundesebene erwähnt,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Nur, dass wir noch nie eine hatten!)

aber eine solche Art Enquetekommission, wie sie die CDU-Fraktion und jetzt auch via Änderungsantrag die FDP-Fraktion – ja, Herr Woltemath, noch einmal schnell auf den Zug aufspringen! – vorschlägt, lehnen wir ab. Warum lehnen wir sie ab? Ich habe im Lexikon nachgeschaut, wie Enquetekommission definiert ist. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „In der Enquetekommission soll eine gemeinsame Position erarbeitet werden. Ziel ist es, bei Problemen zu einer Lösung zu kommen, die von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, auch von der Minderheit, die sich nicht durch die Mehrheitsfraktion vertreten fühlt, mitgetragen werden kann.“

Wie sieht nun Ihr Vorschlag aus, Herr Röwekamp? Sie kümmern sich einerseits überhaupt nicht um die Einnahmeseite, wir haben das gestern in der Aktuellen Stunde besprochen, und Sie servieren anderseits die von Ihnen gewünschten Ergebnisse auf der Ausgabenseite gleich mit. Beides übrigens im Gegensatz zu dem Vorschlag von Präsident Weber aus dem Jahr 2004! Damit, Herr Röwekamp, entziehen Sie dem gewünschten breit getragenen gesellschaftlichen Konsens, den wir brauchen und auch ohne Frage organisieren müssen, aber jegliche Grundlage!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Die Reaktionen der letzten Woche von der Angestelltenkammer bis zu den Wohlfahrtsverbänden haben das doch gezeigt: Ihre sogenannten Tabubrüche sind eingestaubte Ladenhüter, und sie sind sogar offensichtlich schlicht falsch! Das Beispiel mit dem Schuhpark im Kindergarten war dabei sehr erhellend. Was Sie wollen, ist eine Art Untersuchungsausschuss, wo Sie der rot-grünen Regierung zu jeder Sitzung Ihrer Enquetekommission vorrechnen, wie sie wieder 10 000 oder 100 000 Euro hätte sparen können. An diesem Nasenring werden wir uns nicht herumführen lassen! (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: An welchem denn?)

Was den gesellschaftlichen Konsens angeht, müssen Sie offensichtlich erst einmal Ihre eigene Fraktion mitnehmen. Der Fraktionsvorsitzende macht Vorschläge, Sie haben es selbst gesagt, die von seiner Fraktion nicht wirklich mitgetragen werden.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das ist eine Frage der Demokratie!)