Protocol of the Session on October 29, 2009

Wir schlagen Ihnen daher die Einsetzung einer Kommission vor, wie sie bereits im Jahr 2004 der Präsident der Bremischen Bürgerschaft, Christian Weber, vorgeschlagen hat. Damals ist es zur Einsetzung dieser Kommission aus welchen Gründen auch immer nicht gekommen.

(Lachen bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich weiß, Sie werden gleich sagen, es habe an der CDU gelegen. Nun kann man lange darüber streiten, ob die Lage damals mit der heutigen vergleichbar ist oder nicht. Ich möchte nur an dieser Stelle daran erinnern, dass sich der Senat damals mit der Unterstützung des gesamten Parlaments auf den Weg gemacht hat, auf eine einmalige Entschuldungshilfe beim Bundesverfassungsgericht zu klagen, und ich möchte daran erinnern, dass zeitnah die Einsetzung der Föderalismusreformkommission diskutiert worden ist, über deren Ergebnisse wir heute miteinander reden wollen. Aber auch wenn ich Ihnen zugestehen will, um darüber nicht zu streiten, dass das Verhalten der CDU-Fraktion damals vielleicht nicht richtig war, frage ich Sie, Herr Dr. Güldner, ist das ein Grund, heute einen an sich richtigen Vorschlag mit den Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD abzulehnen?

(Abg. W o l t e m a t h (FDP): Nein!)

Was damals richtig war, Herr Dr. Güldner, kann doch heute nicht falsch sein.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen möchte ich Sie bitten, sich einen Ruck zu geben und Ihre spontane Ablehnung unseres Vorstoßes noch einmal zu überdenken, denn dieser Vorstoß ist auch eine Reaktion auf das, was der ehe

malige SPD-Fraktionsvorsitzende Herr Dr. Sieling im Frühjahr dieses Jahres in der Debatte über die Auswirkungen der Föderalismusreformkommission II hier im Parlament gesagt hat. Auf das Angebot der CDUFraktion, ähnlich wie beim Bildungskonsens einen parteiübergreifenden Konsens zur Notwendigkeit des Sparens in Bremen zu formulieren, hat Herr Dr. Sieling geantwortet, das wollen wir nicht außerhalb des Parlaments machen, das wollen wir innerhalb des Parlaments machen, und ich finde, Herr Dr. Sieling hat recht. Die Debatte, wie und wo wir in Bremen strukturell sparen, gehört in die Mitte dieses Parlaments, und deswegen schlagen wir Ihnen diesen Weg heute vor.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte zitieren: „Es ist gut, wenn über Bremens Lage und Perspektive eine möglichst große Öffentlichkeit hergestellt wird. Dazu kann die vom Parlamentspräsidenten vorgeschlagene Enquetekommission einen wichtigen Beitrag leisten. Wir unterstützen daher diese Initiative.“ Meine Damen und Herren, was meinen Sie, von wem stammt dieses Zitat? Es stammt von dem damaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Herrn Böhrnsen.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Sind Sie jetzt auch ein Fan von ihm geworden? Das freut uns!)

Warum soll das, was damals Herr Böhrnsen als Fraktionsvorsitzender hier im Parlament gesagt hat, nicht heute für Herrn Böhrnsen gelten, nur weil er heute im Senat sitzt? Er hat recht, wir brauchen eine solche Enquetekommission hier für Bremen und Bremerhaven.

(Beifall bei der CDU)

Er war aber nicht der Einzige, der die Einsetzung einer solchen Kommission begrüßt hat. Ich möchte ein weiteres Zitat liefern: „Es wird Zeit, dass auch die politisch Verantwortlichen endlich den Tatsachen ins Auge sehen. Viel zu lange hat die Große Koalition die Lage schöngeredet und den Kanzlerbrief als Lösung aller Probleme dargestellt. Aufgabe der Enquetekommission wird es sein, schonungslos das Finanzdesaster zu offenbaren.“ Dieses Zitat stammt von der damaligen Vorsitzenden der Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen, Frau Linnert, und deswegen sage ich, was damals für die Fraktionsvorsitzende der Grünen gegolten hat, Herr Dr. Güldner, warum soll das heute eigentlich nicht für die Finanzsenatorin gelten?

(Beifall bei der CDU)

Frau Linnert hat recht, wir brauchen eine solche Kommission für unser Bundesland. Nun höre ich natürlich neben der spontanen Ablehnung auch Kritik an den von mir in diesem Zusammenhang geäußer

ten Beispielen für mögliche Sparvorschläge. Ich will noch einmal ausdrücklich betonen, es handelt sich um Beispiele, weder um eine abschließende Aufzählung dessen, was Bremen und Bremerhaven leisten müssen, um der gewaltigen Haushaltsnotlage zu begegnen, noch sind alle darin enthaltenen Vorschläge für die CDU-Bürgerschaftsfraktion bereits gesetzt. Sie können es auch daran erkennen, dass es einen lebhaften Widerspruch dagegen gegeben hat, nicht nur von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD-Bürgerschaftsfraktion, auch von meiner eigenen Fraktion bin ich teilweise für die von mir geäußerten Sparvorschläge kritisiert worden.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Das war auch richtig so!)

Aber es soll nicht mehr sein als ein Anstoß zu einer Spardebatte!

Ich habe gestern aus dem Debattenbeitrag von Bürgermeister Böhrnsen den Eindruck gewonnen, dass es keine besonderen Sparanstrengungen geben soll, sondern dass man einfach so sparen will wie bisher. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind uns doch alle einig, mit den bisher von allen Regierungen ergriffenen Sparmaßnahmen werden wir die gravierenden Probleme unseres Bundeslandes nicht lösen. Wir müssen an die Strukturen innerhalb unseres Bundeslandes gehen, um dieses gewaltige Sparvolumen tatsächlich auch gemeinsam zu schultern!

(Beifall bei der CDU)

Deswegen möchte ich an Sie appellieren, geben Sie sich einen Ruck, und haben Sie Mut dazu, mit der CDU-Bürgerschaftsfraktion über konkrete strukturelle Sparmaßnahmen zu reden, und haben Sie auch das Vertrauen in eine Enquetekommission, in der nicht die politischen Entscheidungsträger, sondern Sachverständige die Mehrheit haben, haben Sie den Mut dazu, auch solche Sparvorschläge entgegenzunehmen und sie zu debattieren, die unbequem und anstrengend sind! Ich persönlich und die CDU-Bürgerschaftsfraktion insgesamt glauben, dass die letzte große Chance, unsere überschuldeten Haushalte in den beiden Gemeinden unseres Landes und im Land aus eigener Kraft mit Gestaltungsmöglichkeiten in den Griff zu bekommen, eine solche überparteiliche Verständigung ist, und deswegen möchte ich Sie herzlich bitten, stimmen Sie dem Antrag der CDU-Fraktion zu! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CDU stellt den

Antrag auf Einsetzung einer Enquetekommission, die FDP hat diesen Antrag durch die Ausweitung ihrer Aufgaben und die Forderung, die Ergebnisse sollten dazu bitte schön in einem halben Jahr vorliegen, noch schön zugespitzt. In diesem Grundsatzkatalog fehlt überhaupt gar kein Grundsatzthema, und, Herr Röwekamp, Sie haben das so zusammengefasst, man müsse über Strukturen nachdenken. Das ist ein Allerweltswort, das nichts belegt, nichts erklärt, sondern Sie bauen einen großen Popanz von Problemen, von Strukturfragen auf, die Sie dort angeblich behandeln und lösen wollen. Die eigentliche Agenda kommt, glaube ich, schon in Ihrer Rede vor der Handelskammer zustande, sowohl Ihre Begründungen als auch das, was Sie da aufgemacht haben, von A wie AWO bis Z wie Zuwendungen.

Ich habe in den letzten Tagen die Berichterstatterblätter für die Haushaltsberatungen gelesen, und in der Tat, in keinem dieser Berichte habe ich vonseiten der CDU-Abgeordneten Forderungen nach weniger, sondern ganz allein nach mehr Ausgaben für den kommenden Haushalt gefunden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich interpretiere die Idee von Herrn Röwekamp deshalb als Angebot, eine Art geschützten Raum für Diskussionen zu schaffen, die er offensichtlich schon allein mit seinen eigenen Fachabgeordneten nicht führen mag, einen Raum, in dem er irgendwie mitregieren kann. Wir sehen gegenwärtig keinen Anlass, einen solchen Raum herzurichten, und ich werde das auch Schritt für Schritt begründen, will aber auch auf dieses Gesamtsetting, das wir auch gestern in der Debatte hatten, zurückkommen.

Sie haben gestern lang und breit erklärt, Herr Röwekamp, unsere bremische Haushaltsnotlage sei kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem. Ich möchte wirklich ganz herzlich darum bitten, dass wir von solch einem stupiden Entweder-oder und SchwarzerPeter-Spiel wegkommen. Wer wollte denn ernsthaft leugnen, dass beides, Einnahmeverbesserung und Ausgabendisziplin, zusammengehört?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Auch die CDU hat es doch auf den Schriftsätzen nach Karlsruhe unterschrieben, die Auffassung, dass es zu Einnahmeverbesserungen und nicht noch zu Einnahmeverschlechterungen kommen darf. Halten Sie die CDU-Ministerpräsidenten, die sich jetzt gegen die Steuersenkungen aussprechen, allesamt für Drückeberger und Deppen? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich glaube, in diesem Haus hätte vor einem halben Jahr niemand der Schuldenbremse zugestimmt ohne die Zusicherung von 300 Millionen Euro Zinshilfen jährlich. Drei Viertel davon würden uns aber an Einnahmen wieder wegfallen, wenn alle Steuersenkungen kämen, sowohl die noch von der Großen Koalition beschlossenen als auch die jetzt versprochenen. Ich weiß nicht, ob sie kommen. Wir haben darüber gesprochen, und Sie stellen das ein bisschen anders dar. Egal worüber wir sonst streiten, meine Damen und Herren, wir sollten uns doch einig sein: Wir geben deshalb jetzt unser Konsolidierungsziel bis 2019 nicht auf, sondern wir suchen Bündnisse, um solche immensen Einnahmenverluste noch zu verhindern. Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich, für diese politische Schlussfolgerung brauchen wir keine Enquetekommission.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Herr Röwekamp hat behauptet, Rot-Grün in Bremen sei eine Ausgabenkoalition. Da reibe ich mir doch die Augen! Im Jahr 2008, für das wir erstmals die volle Verantwortung als Koalition tragen, sind die Primärausgaben um gerade 1,26 Prozent gestiegen.

(Zuruf des Abg. P e r s c h a u [CDU])

Nein, die Ausgaben sind vollkommen unabhängig! Ich spreche von den Ausgaben, Herr Perschau, hören Sie erst einmal zu! Die sind um 1,26 Prozent gestiegen, erheblich weniger als in allen anderen Ländern. Der Durchschnitt liegt bei 3,9 Prozent, und viele Länder liegen erheblich darüber, gerade die Stadtstaaten.

Wir setzen das immer schwieriger werdende Sparen auch mit dem nächsten Haushalt fort, zum Beispiel im Personalbereich, trotz verständlicher öffentlicher Kritik, die Beschäftigten kritisieren das natürlich, sie wehren sich dagegen. Bisher habe ich die CDU immer nur so erlebt, dass sie sich auf solche Proteste setzt und sie verstärkt, Meine Damen und Herren, so läuft es doch!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

In diesem Jahr 2009 werden allerdings die Ausgaben stärker steigen. Ja, wir geben mit dem Konjunkturprogramm mehr aus als alle anderen Länder und der Bund. Wir geben mehr aus für Gehälter im öffentlichen Dienst, Angestellte und Beamte. Ist das falsch, Herr Röwekamp? Ist das falsch, Herr Kollege Hinners? Wir werden diese höheren Tarife übrigens auch 2010 weiter bezahlen. Wir geben mehr Geld für Sozialleistungen aus, wie zum Beispiel für das Wohngeld. In Berlin rühmt sich die CDU für diesen sozialen Fortschritt. Wenn Bremen dann seinen Teil davon

zahlt, ist das ein Skandal, Herr Röwekamp? Diese Darstellung kann doch nicht sein!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir geben 2009 mehr Geld aus, auf Pump, jawohl, wie der Bund und die anderen Länder, um die Krise zu mindern und die Konjunktur zu stützen, und wir werden das auch 2010 nicht abrupt ändern. Das ist eine ganz klare Ansage. Wir sollten das auch nicht tun. Frau Merkel hat am Montag den Kurs ihrer Regierung so erklärt: Wachstum, Wachstum, mit vollem Risiko. Ich darf zitieren: „Bei Sparen, Sparen, Sparen sehe ich keinerlei Chance, dass wir es schaffen!“ Darüber kann man angesichts der unsicheren Konjunkturlage durchaus diskutieren. Dass diese Berliner Regierung allerdings dann 2011, weil dann die Konjunktur anzieht, die Schulden durch Steuersenkung drastisch erhöhen will, ist mit Sicherheit falsch. Nicht wir, Herr Röwekamp, sondern Berlin verabschiedet sich so von den Verabredungen der Föderalismuskommission und droht, sie zu einem wertlosen Stück Papier zu machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

DIE LINKE freut sich schon, ich höre das. Herr Seehofer und Herr Lafontaine unterscheiden sich da wirklich nur noch in Nuancen.

Ich komme zur Debatte um unseren bremischen Beitrag zur Konsolidierung und die Wortmeldung der CDU dazu. Ich möchte wiederholen, was der Bürgermeister hier gestern gesagt hat, dass es falsch und unverantwortlich ist, die bisherigen bremischen Anstrengungen kleinzureden, wie das die CDU gestern getan hat. Richtig ist aber natürlich auch in der Tat, dass es nicht ausreichend ist und alles auf den Prüfstand muss. Da haben Sie recht, aber offen gestanden ist das nicht so ganz neu. Sie haben jetzt einen bunten Haufen von Stichpunkten ausgestreut, von Vermögensverkäufen über die Öffnungszeiten von Polizeirevieren bis zur Abschaffung der hauptamtlichen Ortsamtsleiter. Viele dieser Stichpunkte kennen wir von früheren Prüflisten vieler früherer Senate. An einigen arbeitet die Regierung gerade unter heftigem Protest, wie das natürlich bei solchen Fragen ist, ich nenne einmal die Polizeireviere.

Ich möchte Ihnen für die Grünen grundsätzlich sagen: Sie haben Stichworte geliefert. Die Ideen und Vorschläge, die möglicherweise hinter diesen Stichworten stehen, sind für uns nicht deshalb falsch, weil sie schon früher einmal geprüft und verworfen wurden. Sie sind nicht schon deshalb falsch, weil Sie sie äußern, natürlich nicht. Sie werden selbst dadurch nicht falsch, dass Herr Röwekamp sie selbst noch vor Kurzem verhindert hat, wie zum Beispiel die Frage der einheitlichen Landespolizei. Ich muss allerdings

auch gestehen, Herr Röwekamp, ich finde es ein bisschen unglaubwürdig, mit welcher anmaßenden Geste Sie dann Dinge für vollkommen unverzichtbar halten, die Sie gestern noch verhindert haben, wie etwa die weitergehende Verkleinerung des Parlaments. Das finde ich ein bisschen unangenehm und unangemessen in dieser Diskussion.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es kann durchaus sein, dass Dinge, die gestern richtig waren, heute nicht mehr stimmen und umgekehrt. Von der Vorgeschichte sollten wir uns da gar nicht groß beeindrucken lassen. Sie können sicher sein, wir Grünen haben eine genaue Vorstellung von der Größe und Schwere der Aufgabe, die das kommende Jahrzehnt bringt. Wir bereiten uns darauf vor, wir prüfen jeden Vorschlag, ob der von uns kommt, von Fachleuten oder von Ihnen. Bei uns gibt es mit Sicherheit keine naturgemäße Ablehnung, um an die berüchtigte Formulierung aus Zeiten Großer Koalition zu erinnern.