Ich will zum Ende dieses Debattenbeitrags einen Punkt noch einmal deutlich nennen: Wir reden hier nicht nur über Wissen, Herr Dr. Kuhn. Man kann alles theoretisch, wissenschaftlich ausdrücken. Religion hat auch etwas mit Glauben zu tun, und man sollte sich hüten – und das haben Sie gegenüber Frau Motschmann hier in Teilen getan, und das war schäbig –, den Glauben des Anderen herabzusetzen!
Glaube authentisch vermittelt wird, und das können nur Lehrerinnen und Lehrer, die dieses Fach im selben Glauben entsprechend vermitteln. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihre Redebeiträge haben mich dazu bewogen, noch einmal nach vorn zu kommen.
Gleich vorweg: Ich schätze, achte und akzeptiere jede Religion, die in Deutschland vertreten ist, und ich gebe der Rede von Frau Motschmann völlig recht. Was ich in Ihren Redebeiträgen vermisst habe, ist, dass Sie nicht einmal dazu Stellung bezogen haben, was Frau Motschmann als Zitat ausländischer Jugendlicher hier ausgeführt hat. Dazu haben Sie nichts gesagt, aber es sollte Sie zumindest zum Nachdenken bewegen, was diese ausländischen Jugendlichen da geäußert haben, ihnen würde Deutschland gehören und so weiter! Selbstverständlich leben wir in Deutschland noch – ich betone, noch! – im christlichen Abendland, wo denn sonst? Es wäre traurig, wenn das nicht so wäre.
Selbstverständlich brauchen wir in Deutschland biblischen Geschichtsunterricht, das ist doch ganz klar! Peter Scholl-Latour hat es auch schon völlig zu Recht erwähnt, welche Gefahr in dieser Frage steckt, und ich sage es noch einmal, ich betone noch einmal, ich habe nichts gegen Muslime, überhaupt nichts!
Sie wachen ja erst dann auf, wenn wir in Deutschland, und es ist bald so weit, mehr Moscheen als Kirchen haben, es ist bald so weit! Nur, dann ist es für einen Biblischen Unterricht an deutschen Schulen in Deutschland zu spät! Frau Motschmann hier als christliche Fundamentalistin zu bezeichnen, ist eine Frechheit sondergleichen!
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Von Ihnen gelobt zu werden, hat überhaupt niemand verdient!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte etwas versöhnlicher anfangen, aber man merkt, welches Potenzial in dieser Debatte steckt.
Das konnte man auch in Berlin sehen, und deshalb sollten wir auch sehr nachdenklich mit einer solchen Frage umgehen, meine ich.
Wir haben in der schon genannten Arbeitsgruppe so entschieden, dass wir allen, auch denen, die hier jetzt so engagiert diskutieren, ein Forum bieten wollen, indem wir eine große Fachtagung durchführen, und ich hoffe, dass ich die Hamburger Kollegen dafür gewinnen kann. Dort gibt es bekanntermaßen eine schwarz-grüne Konstellation, was in diesem Zusammenhang vielleicht ganz interessant ist. Es gibt die Grundlage des Artikels 7, also nicht einer besonderen bremischen Klausel, sondern die Grundlage des Artikels 7, Religionsunterricht nach Grundgesetz. Er heißt „kooperativ“ und bezieht alle Religionsgemeinschaften mit ein. Ob wir das hier auch mit dieser Verfassungslage schaffen, werden wir sehen, aber eines ist auch klar, und da kann jetzt jede Fraktion diskutieren: Wir leben in der Bundesrepublik in einer demokratischen Ordnung, und die hat ein Grundgesetz, und das Fach Religion hat Verfassungsrang, und das Fach Biblischer Geschichtsunterricht hat bremischen Verfassungsrang. Das haben wir als Erstes zu beachten!
Ich wusste, dass ich den Beifall von der falschen Seite bekomme, wenn ich das sage. Ich mache auch noch etwas, damit ich ihn von der anderen Seite bekomme!
Wir müssen uns allerdings auch mit der Tatsache auseinandersetzen, dass diese Bundesrepublik und auch das Land Bremen keine laizistische Verfassung haben. Das kann einem passen oder nicht, aber wir haben eine Verfassung, die eine gewisse Vermischung von Kirche und Staat darstellt. Das zeigt übrigens auch die bremische Verfassung. Dort sind damals Grenzen überwunden worden, die wahrscheinlich heute
niemand mehr beschreiben könnte. Ich weiß nicht, ob hier jemand aus dem Stand in der Lage ist zu beschreiben, was Reformierte und Lutheraner unterscheidet, oder manche Jugendlichen können auch nicht mehr beschreiben, was katholische Menschen von evangelischen unterscheidet. Das war der Sprung, der damals gemacht worden ist, mehr nicht!
Wir müssen jetzt natürlich, wenn wir weiter wollen, wenn wir ein Stück vorankommen wollen, den Herausforderungen, die doch jetzt in dieser Gesellschaft sind, gerecht werden wollen. Insofern, Frau Motschmann, haben Sie ein Bild beschrieben, das diese Gesellschaft nicht mehr widerspiegelt, das kann man nicht so sagen!
Wir haben inzwischen viele Menschen, die sich humanistisch verpflichtet fühlen. Wir haben Menschen, die aus ganz bewussten Gründen Atheisten sind, und wir haben Menschen, die in anderen Religionsgemeinschaften als der christlichen sind. Das ist einfach zu registrieren, und deshalb ist es auch richtig, dass sich Schule weitgehend neutral verhält, das ist ein wichtiger Auftrag, und dass Schule natürlich deshalb auch Werte vermittelt – das ist schon gesagt worden –, die nicht unbedingt und auch nicht bedingt durch Christen zustande kommen, sondern auch Humanisten haben ihr Wertesystem. Die Menschenrechte sind ein Wertesystem, das eigentlich völlig ausreicht.
ist das eine gewagte Interpretation. Die bremische Landesverfassung, wie gesagt von 1947, und dann die bremische Klausel, die im Grundgesetz entstanden ist, hat zunächst einmal den Biblischen Geschichtsunterricht auf allgemein christlicher Grundlage festgelegt.
Ich habe schon gesagt, wenn man tatsächlich sagt, was für Religionsunterricht oder für BGU konstitutiv ist, ist das in der Tat etwas, das hier vorhin falsch dargestellt worden ist: Dieser Unterricht ist abwählbar, es ist kein verpflichtender Unterricht, und auch Lehrer müssen diesen Unterricht, auch wenn sie ihn studiert haben, nicht geben. Das ist konstitutiv in der Verfassung festgelegt. Das heißt, wir können sie auch nicht bestrafen, wenn sie diesen Unterricht nicht geben. Es ist vielleicht zu kritisieren, das gebe ich durchaus zu, wenn man über diese Art und Weise eingestellt wird und anschließend sagt, ich will es nicht mehr unterrichten, aber es ist konstitutiv.
Wir müssen deshalb auch ein Ersatzfach schaffen, und in der Realität ist Philosophie vielleicht nicht wirk
lich das Pendant zum Religionsunterricht. Man muss, finde ich, auch noch einmal nachdenken, was eigentlich das richtige Ersatzfach ist. Es ist aber auch nicht konsequent, wenn man schon, wie Sie eben gesagt haben, für Religionsunterricht ist, dann Islamkunde zu fordern. Das ist ein kundlicher Unterricht. Übrigens: Unterweisung findet im Augenblick in keinem der Religionsunterrichte statt. Das lehnen auch Religionslehrer völlig ab.
Wir haben hohe Anteile von Religionskunde, insofern ist dieser Graben, den Sie da geöffnet haben, gar nicht vorhanden. Wir haben sehr hohe Anteile von Religionskunde im BGU, Sie haben es gesagt, Frau Motschmann. Es ist für Religionslehrer selbstverständlich, dass man einerseits die eigene Identität feststellen können muss, um sich auch selbst zu finden, und andererseits andere Religionen kennenlernen muss, sonst kann man sich auch gar nicht abgrenzen oder Gemeinsamkeiten entdecken. Insofern haben wir in der Schule keine religiöse Unterweisung und auch keinen Gesinnungs- oder Bekenntnisunterricht, der gehört dann in der Tat in die Religionsgemeinschaften hinein.
Es ist nicht einfach, eine Lösung zu finden, es gibt auch keine einfachen Wahrheiten, und wir merken das in der Arbeitsgruppe. Ich bin aufgefordert worden, etwas dazu zu sagen. Es entstehen zarte Pflänzchen, wie wir weiterkommen, insbesondere natürlich die anderen Religionsgemeinschaften einzubinden, aber wir mussten uns am Anfang erst einmal klar werden, wie eigentlich die Spielräume bei den christlichen – bei den katholischen, bei den evangelischen – Religionsgemeinschaften sind. Wir sind uns klar, dass der Name antiquiert ist, dass er abstößt, dass er einen Alleinanspruch signalisiert, bei dem es für andere Religionsgemeinschaften schwierig ist, noch dazuzukommen. Insofern sind wir erst noch in der Diskussion. Wir wollen nach der Sommerpause, wie gesagt, mit einer Fachtagung weitermachen und auch in andere Länder schauen. Die helfen uns bei unserer speziellen Verfassungslage aber nicht, sondern wir müssen vor allem auch in Stadtstaaten schauen und auch nach Hamburg – das ist ein interessantes Modell, das da entstanden ist –, und wir haben uns verabredet, selbstverständlich muss die Praxis eine andere werden.
Ich habe Ihnen das hier, glaube ich, wirklich sehr realistisch dargestellt, auch nichts beschönigt, weil auch an der Stelle nichts zu beschönigen ist. Ich meine, dass der erste Schritt der Verbesserung – das haben die Kirchen auch sehr begrüßt – die Stundentafel ist, dass wir dieses merkwürdige Leck, das es im achten und neunten Jahrgang gibt, erst einmal beseitigen und in der Stundentafel dort die Stunden zur Verfügung stellen. Nur, Herr Dr. Buhlert, leider ist in diesem Fall bei BGU die Untergrenze zugleich die Obergrenze. Wir haben eine besondere bremische Spezialität, wir haben eben nur die eine Stunde, und
im Augenblick ist finanziell an dieser Stelle auch nicht viel mehr, das muss ich ehrlich sagen. Wir werden versuchen, die Praxis zu verbessern. Das ist aber nicht der Teil, den wir hier heute eigentlich in den Vordergrund gestellt haben, sondern wir müssen auch versuchen, die Herausforderungen dieser Gesellschaft, die eine sprachliche, kulturelle und religiöse Vielfalt hat, widerzuspiegeln, sonst kommen wir nicht voran.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Der Beifall von der anderen Seite hat nicht geklappt!)
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 17/815, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.
Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Rosenkötter, ihr beigeordnet Herr Staatsrat Dr. Schulte-Sasse.