Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Juli letzten Jahres hat die Bremische Bürgerschaft einhellig beschlossen, Überfischung zu stoppen und Wettbewerbsverzerrung in der Hochseefischerei zu beseitigen. Wir haben in der Debatte im letzten Jahr darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung unter maßgeblicher Beteiligung der Kuttergenossenschaft Cuxhaven und der Firma Deutsche See in Bremerhaven ein Pilotprojekt gestartet hat, das den unerwünschten Beifang deutlich vermindern und Discard verhindern soll. Das wissenschaftlich begleitete Projekt sollte die ökonomischen und ökologischen Vorteile grobmaschiger Netze und der verminderten Anlandung von Beifang nachweisen.
Was ist nun seitdem geschehen? Das Pilotprojekt hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Von Februar bis Dezember 2008 verringerten sich die Beifangquote und der Discardanteil drastisch. Seelachskutter fingen maximal drei Prozent Beifang und nur 0,1 Prozent Discard, den Kabeljau-Kuttern gingen höchstens 15 Prozent Beifang und nur 0,3 Prozent Discard ins Netz. Die Verwertung war optimal, codierte Fischarten konnten gut vermarktet werden und nicht marktfähige Arten wurden zu Fischmehl verarbeitet. Trotz dieser ökologisch und ökonomisch überzeugenden Bilanz wurde der im Dezember gestellte Verlängerungsantrag bislang nicht genehmigt. Das können wir nicht verstehen und appellieren an die im Bund Verantwortlichen, rasch die Weichen zur Verlängerung des erfolgreichen Projektes zu stellen.
Wie wichtig die Fortsetzung ist, zeigen diese Hinweise. Discard ist unverändert eine wesentliche Ursache der weltweiten Überfischung. International werden jährlich rund 20 Millionen Tonnen Fisch aus ungewollten oder verbotenen Beifängen ungenutzt über Bord geworfen; das entspricht durchschnittlich 20 bis 30 Prozent des Fangs, bei manchen Arten sind es sogar bis zu 80 Prozent. Schon diese wenigen Zahlen zeigen die unglaubliche Dimension dieser unverantwortlichen Verschwendung. Dies ist zudem überflüssiger Raubbau an Ressourcen.
Mit dieser Auffassung, dass hier unverzüglich gehandelt werden muss, stehe ich nicht allein. Ausweislich der „Nordsee-Zeitung“ vom 17. März 2009, also dieser Woche, hat auch die Bundesregierung konstatiert, dass es verboten werden soll, Fische nach dem ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Fang einfach wieder ins Meer zu werfen. Wir erwarten, dass dieser Erkenntnis kurzfristig Taten folgen.
Die Zeit drängt, deswegen fordern wir den Senat auf, bei der Bundesregierung auf eine rasche Fortsetzung und Ausweitung der sehr erfolgreichen Pilotprojekte zu drängen, darüber hinaus muss aus dem Discardgebot ein Discardverbot werden. Es wäre nicht zu akzeptieren, wenn angesichts der vorliegenden Ergebnisse die Verpflichtung beibehalten würde, verwertbaren Beifang wieder ins Meer zu kippen. Im Gegenteil, die Fischerei muss verpflichtet werden, allen Beifang anzulanden, um ihn ökologisch und ökonomisch sinnvoll zu verwenden. Daher bitten wir den Senat nachdrücklich, über Bundesrat und Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass die EU-Fischereiregeln auf Basis der Ergebnisse des Pilotprojekts möglichst bald so novelliert werden, dass den Fischereibedingungen in den nördlichen Meeren Rechnung getragen wird. Wenn weiterhin die Bedingungen in den südlichen EU-Gewässern Maßstab für die Fischereiregeln der Gemeinschaft bleiben, werden wir auch künftig unnötigen Raubbau an den knappen Ressourcen unserer Fischgründe betreiben müssen.
Ich sage es einmal ganz überspitzt: Wenn die letzte Gräte auf dem Teller liegt, ist es zu spät! Ich bitte Sie alle um Zustimmung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Ihnen vorliegenden Antrag reagiert dieses Haus erfreulich einheitlich auf die Entwicklung der Meeresfischerei der EU seit dem Sommer letzten Jahres. Im Meer zählt die Fischerei derzeit zu den Nutzungen mit den stärksten Auswirkungen auf die Lebensräume und die Arten. Durch Überfischung und schädliche Fischereipraktiken werden die Meeresökosysteme stark beeinträchtigt. Weltweit sind knapp 24 Prozent der genutzten Fischbestände erschöpft oder befinden sich im Wiederaufbau. Weitere 21 Prozent sind überfischt oder am Limit, also voll befischt.
Reproduktion ersetzt werden. Die Überfischung hat bereits jetzt schon konkrete wirtschaftliche Einbußen zur Folge. In Neufundland sind zum Beispiel nach dem völligen Zusammenbruch der Kabeljaubestände, die sich bis heute auch nicht mehr erholt haben, Anfang der Neunzigerjahre 30 000 Fischer arbeitslos geworden. Wer Kabeljau fangen will, muss sich im Nordost-Atlantik ziemlich genau auskennen – denn es steht sehr schlecht um diese Fischart – und muss wissen, dass er weder auf der Färöer-Bank noch auf dem Färöer Plateau noch in der irischen See, noch vor Grönland, noch vor der norwegischen Küste, Westschottland oder dem Kattegat auch nur irgendeinen Kabeljau in sein Netz bekommt.
Im Nordost-Atlantik befinden sich 40 der 60 wichtigsten kommerziellen Fischbestände außerhalb sicherer biologischer Grenzen, in Nord- und Ostsee sind es sogar drei Viertel aller Fischbestände. Viele der für die deutsche Meeresfischerei wichtigen Fischbestände – darunter Kabeljau, Schellfisch, Scholle in der Nordsee, Dorsch in der Ostsee, Rotbarsch und Seehecht im Nordatlantik – befinden sich außerhalb sicherer biologischer Grenzen, das heißt, sie sind schlicht überfischt, und das zu Zeiten, in denen wir über unsere geliebte Maischolle nach Hausfrauenart nachdenken! Wenn wir hier nicht endlich mehr für die Scholle tun, dann brauchen wir uns keine Gedanken mehr darüber machen, ob wir sie nach Hausmänneroder Hausfrauenart zubereiten.
Was also tun? Neben der Einrichtung dauerhafter maritimer Schutzgebiete und fischereilicher Beschränkungen ist die Festlegung temporärer Schutzgebiete nach dem Verfahren der sogenannten Echtzeitschließung ein angemessenes Schutzinstrument. Dabei wird ein bestimmtes Meeresgebiet, wenn der Anteil an gefangenen Jungfischen darin sehr hoch ist, innerhalb einer kurzen Frist von bis zu vier Wochen für jegliche Fischerei geschlossen. Island und Norwegen machen dies übrigens drastisch vor und zeigen damit, dass eine Komplettsperrung auch eine einfache Kontrolle nach sich zieht.
Das wohl ökologisch und ökonomisch Verwerflichste in der Fischereipraxis ist allerdings der Beifang oder der sogenannte Discard, wie er auch von der EU akzeptiert wird und im Moment von der gemeinsamen Fischereipolitik, soweit man sie so nennen kann, ge-billigt und leider somit auch gefördert wird. Diese gehört aus Sicht von Bündnis 90/Die Grünen sofort gestoppt, denn zu den Hauptursachen der Überfischung gehört, dass nicht die tatsächlichen Fänge, sondern nur die Anlandungen in den Häfen registriert und gegen die gebilligte Quote angerechnet werden. In der Nordsee werden zum Beispiel jährlich etwa eine Million Tonnen Konsumfisch und 1,2 Millionen Tonnen Industriefisch angelandet; außerdem werden
knapp 550 000 Tonnen Meerestiere als Beifang gefangen und dann überwiegend tot ins Meer zurückgekippt. Dies sind vor allem Jungfische kommerzieller Arten, aber eben auch Meeressäuger, Seevögel, Haie und Rochen. Sie werden zum größten Teil – und das legal! – in das Meer zurückgeworfen, also als Discard behandelt. 90 Prozent der Fische überleben diesen Rückwurf nicht, und die EU kann sich nicht einigen, denn das Schlimmste ist, dass sie derzeit nach dem Scheitern der gemeinsamen Fischereipolitik einen Einigungsprozess auch bis zum Jahr 2012 aufgegeben hat. Zur Vermeidung von Beifängen sollte möglichst das Ergebnis und nicht die Maßnahme vorgeschrieben werden, um die Fischereiwirtschaft weiter zu ermuntern, Innovationen bei selektiven Fangmethoden zu entwickeln und anzuwenden.
Dies wird am besten gewährleistet, wenn der Rückwurf der Beifänge auf offenem Meer verboten wird, also ein Discardverbot erlassen wird, und stattdessen die Beifänge registriert angelandet und auf die Quoten angerechnet werden. Zu einem Discardverbot gehört auch ein Verwertungsgebot für Beifänge, weil Fänge, die nicht verwertet, sondern entsorgt werden, nicht mit dem Prinzip von Nachhaltigkeit und ökologischem Fischfang vereinbar sind.
Ich will nur noch zwei Gedanken anfügen! Ein Rückwurfverbot zieht ein verändertes System von Fangquoten nach sich. Nullquoten wären dann nicht mehr angebracht, und in Verbindung mit einem Discardverbot benötigt man zunächst einmal Gesamtquoten, auf die man sich dringend einigen muss. Insofern unterstützen wir sämtliche Maßnahmen, die dazu führen, zu intelligenten Fischereisystemen zu kommen, die es den jungen Fischen und den Fischbeständen ermöglichen, sich in angemessener Weise zu erholen und weiterhin Fisch in unserer geliebten Nordsee zulassen. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Nach dem Mittag wünschte man sich manchmal Netze mit ein bisschen kleineren Maschengröße, damit auch alle Kollegen erst einmal wieder ins Parlament kommen.
Hochseefischerei ökologisch und ökonomisch gestalten, darüber sprechen wir. Doch was heißt das eigentlich? Fischbestände müssen zukunftsorientiert und nachhaltig bewirtschaftet werden. Dass Fisch lecker und gesund ist, brauche ich wahrscheinlich kurz nach Mittag sowieso niemanden mehr erzählen, und dass wir heute die Verantwortung haben, diese Ressource für den Genuss, das ökologische Gleichgewicht und natürlich auch als Existenzgrundlage der Fischfangindustrie, der Fisch verarbeitenden Industrie und handelnden Industrie für die Zukunft zu erhalten, ist sicherlich auch kein Thema mehr.
Ein großes Thema bei diesem Ziel ist natürlich das Beifangproblem, Frau Marken hat die Zahlen dazu schon genannt, damit möchte ich Sie gar nicht überfrachten. Das Projekt „Stopp Discard“ in der Nordsee hat sich diesem Problem gewidmet. Es gibt übrigens auch ein Projekt für die Ostsee, das FLOS-Projekt, mit einem ähnlich gelagerten Ziel; es sollen nämlich die tatsächlichen Beifänge in verschiedenen Fischereien festgestellt werden, um damit dann auch etwas realistischere Fangquoten auf wissenschaftlicher Datengrundlage errechnen zu können und auch die Eigenverantwortung der Fischer zu stärken. Das Zielführende in diesem Projekt ist nämlich auch hier, dass alle Beteiligten mit in einem Boot sitzen, das heißt, die Fischer mit der Erzeugergemeinschaft der Hochsee- und Kutterfischer, die Wirtschaft mit der Deutschen See – ansässig in Bremerhaven – und die Wissenschaft mit der Bundesforschungsanstalt Fischerei und natürlich wir als Politik im Land, im Bund und in Europa.
Die Ergebnisse dieses Projekts liegen vor, es wurde schon von den Vorrednern genannt, es spricht für sich. Daher also unser gemeinsamer Antrag, den Senat aufzufordern, sich in Bundesrat und Bundesregierung für die Verlängerung und Erweiterung des Projekts einzusetzen, aber auch für die Novellierung der oftmals ökonomisch und ökologisch sehr unsinnigen EUVorschriften, die es derzeit noch gibt.
Ich sprach vorhin darüber, dass alle in einem Boot sitzen. Lassen Sie mich noch ein paar Worte zur Überfischung sagen! Es gibt schon einen Unterschied zwischen Arten und Beständen, und wir sprechen hier natürlich nicht von bedrohten Arten, sondern von bedrohten Beständen, Herr Willmann führte das schon aus. Das sind dann aber auch gerade die Bestände, in denen sich gezielte Fischerei aus ökonomischen Gründen nicht mehr lohnt. Die Welternährungsorganisation prüft seit Jahren und immer mit relativ konstanten Zahlen die Bestände, und da ist es eben so, wie Sie gesagt haben, 25 Prozent gelten als derzeit überfischt, 50 Prozent sind nicht mehr steigerungsfähig, aber bei ordentlicher Befischung die nächsten Jahre noch weiter befischbar, und 25 Prozent sind theoretisch noch ausbaufähig.
Nicht hilfreich in der Sache sind manchmal Schlagzeilen, die da lauten, 75 Prozent der Bestände sind überfischt oder bedroht. Denn einen Keil zwischen ökologische und ökonomische Interessen zu treiben, ist sicherlich nicht sehr hilfreich, wenn man gemeinsam nach einem Weg suchen will, wie man denn in Zukunft die gemeinsame europäische Fischereipolitik gestalten will. Dazu tragen natürlich Pilotprojekte wie „Stopp Discard“ bei, aber eine vernünftige und zukunftsorientierte Fischpolitik muss meiner Ansicht nach auf vier Säulen stehen.
Erst einmal müssen natürlich die Beifänge zum Beispiel mit selektiven Fanggeräten reduziert werden, der Discard gehört verboten. Damit einhergehen muss natürlich auch ein Anlandegebot. Ein flexibles Fangquotenmanagement geht damit einher, denn die Fänge, die angelandet werden müssen, müssen dann auf die Quote angerechnet werden. Wie macht man das? Hält sich der Fischer vielleicht eine Quote in Reserve vor oder werden sie für das nächste Jahr angerechnet? Also, auch da kann man schon die Eigenverantwortung von Fischern fordern.
Zweitens müssen die Vorgaben der Wissenschaft auch wirklich bezogen auf die Gesamtfischfangmengen berücksichtigt werden. Zurzeit ist es immer noch so, dass durch politische Rücksichtnahme ungefähr 48 Prozent der Gesamtfischfangmengen über den wissenschaftlichen Empfehlungen liegen. Die Fangvorschriften müssen drittens natürlich auch auf die verschiedenen Fanggebiete abgestimmt werden, und last, not least muss die illegale Fischerei bekämpft werden.
Vorreiter in einer sehr vorbildlichen Fischereipolitik sind inzwischen Norwegen und Island, das wurde schon erwähnt. Dort gibt es ein Discardverbot, und es erfolgt eine Anrechnung auf Quoten im nächsten Jahr. Es gibt strenge Sanktionen, wenn dort zum Beispiel ein Schiff gegen diese Vorschriften verstößt, dann wird es entweder an die Kette gelegt oder es kostet 200 000 Euro Strafe. Wenn in europäischen Gewässern ein Schiff Fische fängt, die aufgrund der Quote bereits erschöpft sind, dann kostet das 2000 Euro Strafe. Wenn man einmal von meinetwegen zwei Tonnen Seezunge ausgeht, ist das, habe ich mir sagen lassen, ein Warenwert von ungefähr 35 000 Euro, da lacht natürlich manch ein Fischer über diese 2000 Euro Strafe.
Ein Punkt, der dabei aber auch sehr stark berücksichtigt werden muss, ist, dass man EU-weit auch die Sanktionen harmonisieren kann, auf einem hohen Niveau natürlich, damit man dann keine Wettbewerbsverzerrungen hat.
Ich komme zum Schluss, mit einem kleinen Zitat von Herrn Senator Nagel aus der letzten Debatte vom 3. Juli zu einem ähnlichen Thema. Da haben Sie gesagt: „Wir müssen ganz viel von unten drücken,
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Hauptproblem dieses Dringlichkeitsantrags ist eigentlich, dass gar keine Dringlichkeit vorliegt. Diesen Antrag hätten Sie ganz normal in die nächste Bürgerschaftssitzung einbringen können. Mit Ihrem Dringlichkeitsantrag haben Sie eigentlich nur die Verwaltung der Bürgerschaft auf das Äußerste belastet. Meine Damen und Herren, hier liegt keine Dringlichkeit vor, das hätten Sie auch über die Senatsdienststelle in Auftrag geben können.
Werter Herr, wenn wir jetzt hier einen Dringlichkeitsantrag bekommen hätten, der die Senatsdienststelle von Herrn Mäurer dazu aufgefordert hätte, die Waffenrichtlinien Bremens aufgrund der letzten Tötungsdelikte zu überprüfen, dann wäre es ein Dringlichkeitsantrag gewesen, aber dies hier ist keiner.
Fakt ist jedoch, dass über die EU-Regelungen ein extremer Bestand an Beifang vorliegt, das heißt, bis zu 90 Prozent der Fische müssen dann wieder ins Meer geworfen werden und sind zum großen Teil nicht mehr überlebensfähig. Daraufhin wurde ein Pilotprojekt entwickelt, an dem Bremerhavener Fisch- und Fischerreibetriebe maßgeblich beteiligt waren. Mit diesem Projekt, wie von Herrn Willmann schon dargestellt, war es dann möglich, den Beifang drastisch zu senken, das heißt, bei Seelachs-Kuttern haben wir nur noch einen Beifang von 3 Prozent und bei KabeljauKuttern von 15 Prozent. Ich denke, das ist ein sehr gutes Ergebnis des Pilotprojektes. Wir, die LINKEN, werden diesem Antrag dementsprechend zustimmen. – Vielen Dank!