Protocol of the Session on February 18, 2009

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist entsprechend.

(Einstimmig)

Gesetz zur Sicherung der Chancengleichheit von Jungen und Männern und zur Umsetzung des Gender-Mainstreaming

Antrag der Fraktion der FDP vom 14. Januar 2009 (Drucksache 17/665) 1. Lesung

Dazu als Vertreterinnen des Senats Frau Senatorin Rosenkötter und Frau Senatorin Jürgens-Pieper, ihnen beigeordnet Staatsrat Othmer.

Wir kommen zur ersten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema hängt ein wenig mit dem Thema der Bildungsbenachteiligung, über das wir eben debattiert hatten, zusammen. Die Herstellung von Chancengleichheit von Männern erfordert über Maßnahmen zur Bekämpfung der Bildungsbenachteiligung hinaus aus unserer Sicht eine umfassende Umsetzung des Konzepts Gender-Mainstreaming in seinem eigentlichen Sinn. Gender-Mainstreaming unterscheidet sich bekanntlich von expliziter Frauenförderung dadurch, dass beide Geschlechter gleichermaßen in die Konzeptgestaltung einbezogen werden sollen.

Die FDP-Fraktion legt mit ihrem Antrag erstmals den Entwurf für ein Gesetz zur Sicherung der Chancengleichheit von Jungen und Männern und zur Umsetzung des Gender-Mainstreaming vor. Bisher verfolgt die rot-grüne Koalition und der Senat die Politik der sogenannten Doppelstrategie, auf Deutsch: Förderung erfahren zum überwiegenden Teil Frauen, und damit das nicht zu einseitig und ungerecht klingt, wird dies mit reichlich Wortgeklingel hinter dem Konzept des Gender-Mainstreaming verborgen. Dieser Weg der Geschlechterpolitik folgt aus unserer Sicht einem reichlich tradierten Frauenbild und der Vorstellung, ausschließlich Frauen seien Opfer von Geschlechterkonflikten und Diskriminierung.

(Beifall bei der FDP)

Wenn man es mit der Herstellung von Chancen für beide Geschlechter ernst meint, dann muss das Ziel eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses in den Mittelpunkt einer modernen Geschlechterpolitik treten. Das heißt, in den Bereichen des öffentlichen Dienstes, in denen Männer unterrepräsentiert sind, muss das Ziel eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses genauso offensiv verfolgt werden wie in den übrigen Bereichen. Dies ist übrigens kein Selbstzweck, ich denke, das ist auch in der Debatte zuvor deutlich geworden, Schulen und Kitas könnten enorm von einem ausgewogeneren Geschlechterverhältnis profitieren.

(Beifall bei der FDP)

Neue Problemfelder rücken in den Fokus der Geschlechterpolitik. Ich will nur einige nennen: Über die Bildungsbenachteiligung von Jungen haben wir gerade debattiert. Zu diesen neuen Problemfeldern zählen aber auch die Diskriminierung von Männern mit Behinderungen in Rehabilitationseinrichtungen, die Benachteiligung erziehender Männer, der nach wie ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

vor existierende Männerzwangsdienst, die Ausgrenzung von Männern aus dem Gleichstellungsprozess bis hin zu der Frage von Genitalverstümmelungen bei Jungen und Männern. Wussten Sie eigentlich das Männer sechs Mal so häufig Opfer von Genitalverstümmelungen werden wie Mädchen und Frauen? Ich fand es eine reichlich beeindruckende Zahl. Weil diese neuen Problemfelder ganz überwiegend eine Bearbeitung im Kontext beider Geschlechter erfordern, halten wir es für sinnvoll, dass der Auftrag der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau dahingehend präzisiert und erweitert wird, dass Auftrag der Zentralstelle die Gleichberechtigung von Frau und Mann ist, darüber zu wachen und darauf hinzuwirken, dass das Gebot der Gleichberechtigung von Frau und Mann erfüllt wird.

(Beifall bei der FDP)

Im Übrigen spricht hierfür auch die Wortwahl der Bremischen Landesverfassung. Der Artikel 2 der Bremischen Landesverfassung sagt ausdrücklich, Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Wir fordern die Koalition auf, stoßen Sie die Tür auf für ein neues Kapitel in der Geschlechterpolitik im Land Bre-men und stimmen Sie unserem Antrag zu! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Herren Kollegen von der FDP legen uns hier einen Gesetzentwurf vor, der zum Ziel hat, das Landesgleichstellungsgesetz zu ändern. Die FDP hat jetzt die Männer als Verlierer ausgemacht und möchte unter anderem, dass zukünftig Förderpläne zur Sicherung der Chancengleichheit für Männer erstellt werden.

Meine Herren, ich denke, Sie surfen da inhaltlich auf einer Welle mit, die auch in den Medien mit dem Tenor, Frauenförderung haben wir nun lang genug gehabt, jetzt sind einmal wieder die Männer an der Reihe, immer wieder zu hören ist. Ich kann Ihnen sagen, wir surfen da nicht mit.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte Ihnen auch noch sagen, von Männerförderung verstehen Sie etwas. Auf dem Gebiet sind Sie erfolgreich, da kennen Sie sich aus, das möchten Sie ausbauen. Das kann ich menschlich alles verstehen, aber Ihre politische Botschaft in Sachen Gleichstellung und gleichberechtigter Teilhabe, die kann ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ich überhaupt nicht verstehen. Ich finde sie sogar erschreckend, muss ich sagen, und ich sage bewusst erschreckend. Sie malen hier ein Bild, als wäre die Gleichberechtigung erreicht und als würde es keine strukturelle Benachteiligung von Frauen mehr geben.

(Abg. E l l a [FDP]: Nein!)

Sie negieren alle Berichte auf EU-Ebene, auf Bundes- und auf Landesebene, die deutlich machen, dass es immer noch eine strukturelle Benachteiligung von Frauen gibt! Deutschland hat sogar nach dem letzten Bericht des Weltwirtschaftsforums den sogenannten Gender Gap. In Sachen Gleichstellung ist Deutschland von Platz fünf auf Platz elf abgerutscht. Ich finde das beschämend.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Bei dem Thema „gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ verdienen Frauen immer noch im Durchschnitt 26 Prozent weniger als Männer. Das kann man doch nicht einfach unter den Tisch fallen lassen, wenn man über Gleichberechtigung redet, und auch in Bremen stellt sich die Situation nicht viel besser dar, sondern sogar schlechter. In Bremen sind wir mit 28 Prozent Lohnunterschied dabei. Das alles haben wir auch diskutiert, als wir den Controllingbericht über die Durchsetzung des Landesgleichstellungsberichts im Gleichstellungsausschuss debattiert haben. Natürlich wurde da auch deutlich, dass es in gewissen Bereichen eine Überrepräsentation des Frauenanteils gibt, dass der sogar sehr hoch war. Wunderbar, Herr Dr. Möllenstädt, das haben Sie richtig erkannt! Das war aber nicht in den höheren Besoldungsgruppen, das war auch nicht in den Führungspositionen, das war zum Teil zum Beispiel beim Reinigungsdienst, da war der über 90 Prozent. Wenn Sie hier eine Idee haben, wie wir hier die Männerquote erhöhen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

und die Benachteiligung abbauen können, bin ich garantiert an Ihrer Seite. Aber Sie möchten gern, dass wir im öffentlichen Dienst die überholte Praxis der Frauenförderung durch eine Förderung eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses ersetzen. Sie halten die Frauenförderung für überholt. Ich kann Ihnen sagen, wir nicht! Solange es keine Geschlechterparität gibt, solange werden wir auch an der Förderung von Frauen festhalten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Deshalb wurde auch damals das Landesgleichstellungsgesetz gemacht, weil es im Grundgesetz steht,

dass die Frauen und Männer gleichberechtigt sind und dass es hier auch auf Landesebene umgesetzt werden kann. Das war damals das Ziel dieses Gesetzes. Was Sie mit einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis meinen, das kann ich gar nicht nachvollziehen. Ich meine, auch im Landesgleichstellungsgesetz steht, wenn die Unterrepräsentation der Frauen abgebaut ist, dann gibt es keine weitere Förderung. Das mit der Ausgewogenheit, das müssen Sie mir noch einmal erklären.

Zum Schluss möchte ich noch einmal ein paar Anmerkungen zum Gender-Mainstreaming machen, weil Sie den Aspekt auch in Ihrem Gesetzesantrag haben. Für die Umsetzung des Gender-Mainstreaming brauchen wir kein Gesetz, dafür gibt es Beschlüsse der Bürgerschaft, des Senats. Natürlich gibt es da in manchen Bereichen Probleme, und es wird nicht so umgesetzt, wie wir es wollen. Aber deshalb ist GenderMainstreaming auch so konzipiert, dass es ein TopDown-Prinzip ist, es ist eine Verwaltungsanweisung, und die Ressortspitze ist dafür verantwortlich, das ist bewusst so gemacht. Diese Methode hat gerade zum Ziel, dass beide Geschlechter in den Blick genommen werden, aber – und das möchte ich hier ganz deutlich sagen – Gender-Mainstreaming ersetzt nicht die Frauenförderung, sondern sie ergänzt sie nur.

Als wir damals die Debatte über Gender-Mainstreaming geführt haben, haben wir Frauenpolitikerinnen immer wieder erwähnt, dass Gender-Mainstreaming und Frauenförderung sich ergänzen, das haben wir immer wieder deutlich gemacht, und wir haben auch die Gefahr gesehen, dass Frauenförderung abgeschafft werden sollte, und das versuchen Sie gerade mit Ihrem Gesetz durch die Hintertür.

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP]: Woran machen Sie das fest?)

Das mache ich an Ihren Ausführungen fest, die ich jetzt aufgrund von mangelnder Zeit nicht wiederholen kann. Doch ich sage Ihnen, Ihre ausgemachte Benachteiligung der Männer halte ich für nur gefühlt. Im Einzelfall mag es sie geben, das gebe ich zu, aber mehrheitlich gibt es keine strukturelle Benachteiligung von Männern.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss. Unser Ziel ist die gleichberechtigte Teilhabe und mehr nicht. Der Abbau der Unterrepräsentation von Frauen, ich denke, das ist auch unser gemeinsames Ziel, bis es zu einer richtigen Gleichberechtigung kommt. Ich gehe sogar soweit: Die Hälfte der Macht den Männern! – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Arnold-Cramer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der von Herrn Dr. Möllenstädt schon angesprochenen Doppelstrategie, bestehend aus einer eigenständigen Frauenpolitik und der Implementierung von Gender-Mainstreaming, hat Bremen seit 2003 einen richtigen und auch erfolgreichen Weg zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und von Männern sowie der Umsetzung des Ziels der Geschlechtergerechtigkeit beschritten.

(Beifall bei der SPD)

Auf den ersten Blick erscheint es widersprüchlich, die beiden Querschnittsaufgaben in zwei Säulen nebeneinander bestehen zu lassen, aber wie gesagt, nur auf den ersten Blick. Gender-Mainstreaming verlagert die Verantwortung für chancengleichheitsorientiertes Handeln in die jeweiligen Fachzuständigkeiten, macht dabei aber gezielte Frauenpolitik und deren Strukturen nicht überflüssig. Ziel der Frauenpolitik ist es, so zu handeln, Maßnahmen zur Problemlösung zu finden und damit die Benachteiligung von Frauen zu beheben. Gender-Mainstreaming verstärkt viel mehr, in der Kombination ist Frauenförderpolitik die Wirksamkeit einer Gleichstellungspolitik, und genau das hat die Erfahrung in Bremen mit den dokumentierten Ergebnissen in den uns im Parlament zugeleiteten Berichten hinlänglich bewiesen.

(Beifall bei der SPD)

Um Frauenförderung verlässlich und mit der nötigen Durchsetzung leisten zu können, ist ein wirksames Landesgleichstellungsgesetz Voraussetzung,

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

ein Gesetz mit dem Ziel, strukturelle Nachteile abzubauen, und nicht, wie oft immer wieder vorgeworfen wird, Vorteile für Frauen zu schaffen. Es kommt eben nicht darauf an, die jeweiligen Frauen- und Männeranteile in den jeweiligen Dienststellen abzufragen, wie die FDP das im Herbst mit einer Kleinen Anfrage gemacht hat. Nein, es kommt darauf an, wie die Daten analysiert werden. Wir haben das im Personalcontrollingbericht hinlänglich gemacht, auch hier in der Bürgerschaft. Ich darf da noch einmal an einen Punkt erinnern, das ist die ach so hoch gejubelte Teilzeitquote. Was steckt hinter dieser Teilzeitquote? Gewollte Teilzeit? Verordnete Teilzeit? Weil es viele Stellen gibt, die wirklich nur in Teilzeit angeboten werden? Das sind doch die Fragen, die es hier zu hinterfragen gilt, und nicht die Punkte Quote hier, Quote da. Das genau ist falsch!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. (A) (C)

Daraus abgeleitet ergibt sich ganz deutlich für uns als erste Schlussfolgerung des FDP-Antrags, die Doppelstrategie in Bremen hat sich bewährt und muss weitergeführt werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)