Protocol of the Session on January 22, 2009

Aber auch beim Sozialticket ist es ein bisschen komplizierter, wie ich eben schon versucht habe darzustellen. Kollegin Garling hat die Erfahrungen in Dortmund geschildert. Ich habe mir auch noch andere Modellversuche, die es in anderen Städten und Bundesländern gibt, angeschaut. Dort schwankt es zwischen relativ hoch subventionierten Lösungen, die wir uns in Bremen nicht leisten können, bis hin zu Lösungen, die so schlecht sind, dass sie für die Betroffenen keine wirkliche qualitative Verbesserung darstellen. Das heißt, hier kommt es zu einem ganz komplizierten Abwägungsprozess, und dafür brauchen wir Zeit.

Man kann es auch nicht, wie der Kollege Bartels sagt, einfach der BSAG oder den Bremerhavener Verkehrsbetrieben überlassen, was sie für ein Angebot machen wollen, auch wir müssen darauf Einfluss ausüben, weil wir ein Interesse haben, dass möglichst viele ihre Teilhabe realisieren können, wie man daran sehen kann, dass viele einen höheren Betrag, als das, was in ihrer Grundsicherung zur Verfügung steht, dafür aufwenden, um an dieser Mobilität teilzuhaben.

Kollegin Cakici, es ist auch – ich komme zum Schluss – nicht so, dass man Kultur- und Sozialticket nur zusammen denken kann. Natürlich wollen wir die Möglichkeit, das zu kombinieren, realisieren, aber wir müssen erst einmal das eine und dann das an

dere machen, und dann können wir über Kombinationsmöglichkeiten nachdenken. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben hier schon in den diversen Debatten über Sozialtickets deutlich gemacht, dass es uns darauf ankommt, was es kostet, und dass es uns darauf ankommt zu sehen, welche Folgen es wirtschaftlich für die Steuerzahler hat, denn es ist doch ganz klar, ohne Auswirkungen ist das Ganze nicht. Man muss genau hinschauen, was da passiert. Da gibt es eben Kreuzpreiselastizitäten. Es gibt Sozialhilfe-, Transferleistungs- und Hartz-IVEmpfänger, die schon ein Ticket haben und dafür auf anderes verzichten, um sich dies leisten zu können.

All das muss mit berücksichtigt werden, und dafür braucht es viel Sachverstand, damit so etwas wie in Dortmund eben in Bremen und Bremerhaven nicht passiert, damit eben nicht der Steuerzahler am Ende die Lücke mit Geld auffüllen muss, das nicht vorhanden ist und am Ende dann an anderer Stelle fehlt. Wir haben klar gesagt, und dazu stehen wir als FDP: Es gibt einen Rahmen, der nach Karlsruhe gemeldet ist, und der kann nicht ausgeweitet werden. Das heißt, das Geld fehlt dann an einer anderen Stelle für Schulen, Schulbücher oder anderes. Das kann niemand verantworten, das kann niemand ernsthaft wollen!

(Beifall bei der FDP)

Deswegen wollen wir das erst einmal deutlich vorgerechnet bekommen, und deswegen sind wir auch sehr gespannt darauf, was der Senat hier vorlegt. Wenn es darum geht, dass Sozialhilfe-, Hartz-IV- und Transferleistungsempfänger zu wenig Geld bekommen, dann gibt es dazu andere Wege. Dazu gibt es Vorschläge von uns, die heißen Bürgergeld und mehr Zuverdienstmöglichkeiten. Diese Vorschläge haben wir deutlich gemacht und die liegen klar auf dem Tisch. Insofern können wir über die Höhe von Transferleistungen gern reden, Frau Cakici, aber bitte nicht so in der Art, dass wir hier schlichtweg einmal eben, ohne eine vernünftige Finanzierung, eine Umverteilung von oben nach unten über Sozialtickets beschließen sollen. Das kann nicht sein, das ist ein falscher Weg, da bedarf es schon genauerer Erläutungen!

Dann möchte ich doch noch einmal ein paar Sachen geraderücken, bei denen Sie so schön auf die Tränendrüse gedrückt haben: Dass es Eltern gibt, die nicht zum Elternabend kommen, weil sie kein Ticket haben, ist ein so seltener Fall, weil viele gerade in dieser Gruppe so nahe an den Schulen wohnen und

dort mit dem Fahrrad hinfahren oder hinlaufen können, dass das wirklich ein an den Haaren herbeigezogenes Beispiel ist. Wenn Sie dann noch einmal schauen, dass es auch im kulturellen Bereich Ermäßigungen gibt, dass es Tage gibt, an denen freier Eintritt in den Museen gewährt wird, die dann übrigens nicht überlaufen sind, sondern wo man durchaus etwas mitbekommen kann, und dass Sie beispielsweise für acht Euro in das Theater Bremen gehen können, für einen Preis, der vergleichbar ist mit einem Kinoticket, muss man sagen, das sind Dinge, die alle nicht so skandalisiert werden müssen.

Es ist schwierig, für diese Menschen Teilhabe zu verwirklichen, das will ich überhaupt nicht bestreiten, aber dass es hier der Untergang des Abendlandes ist, den Sie uns glauben machen wollen, das ist es nicht. Insofern bitte ich doch um eine ordentliche und sachliche Diskussion und nicht um eine Diskussion, die hier einen Popanz aufbaut, der nicht da ist, um damit am Ende Ihren permanenten Dauerwahlkampf im Parlament fortzusetzen! Das ist der falsche Weg, das wird dem Thema nicht gerecht, und das wird am Ende des Tages auch dem Problem der Menschen nicht gerecht, denn so beheben Sie es nicht.

Wir wollen deutliche Zahlen vom Senat, und dann werden wir sagen, richtiger oder falscher Weg, aber hier nicht so aus der Hüfte schießen wie Sie! Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab!

(Beifall bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Nitz.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Garling, kann ein Land, oder können unsere beiden Städte, während sie sich in der Haushaltskonsolidierung befinden, sich überhaupt ein Sozialticket leisten? Das ist die Frage, die hier nicht nur von Ihnen, sondern von vielen Fraktionen aufgeworfen wird. Wir meinen ja, denn die sich eigentlich zu stellende Frage lautet nämlich: Wofür werden die Steuermittel ausgegeben und welche kurz-, mittel- und langfristige Wirkungen werden dadurch erzielt? Diese Frage stellt sich unserer Meinung nach auch unabhängig davon, ob sich das Land in der Haushaltskonsolidierung befindet oder nicht.

Herr Bartels, die Gewährung des Rechts auf uneingeschränkte Mobilität als Voraussetzung zur Wahrnehmung sozialer Beziehungen, zur Überwindung von Ausgrenzung und als Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit findet in der konkreten Forderung nach der Einführung eines Sozialtickets immer breitere Unterstützung. Diese Tatsache, so konnte ich zumindest Ihrem Redebeitrag entnehmen, wird ja mittlerweile auch von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von

der CDU-Fraktion, nicht mehr negiert. Eine weitere Begründung, weshalb Sie den Antrag jetzt ablehnen, konnten Sie aber nicht vorbringen. Dann lassen Sie uns doch endlich ein parlamentarisches Zeichen einer solidarischen Mitmenschlichkeit setzen! Die Ablehnung unseres Antrages gehört gerade nicht dazu und konterkariert vielmehr Ihre oder jedwede Redebeiträge, die Sie zu diesem Thema halten und die im Grunde positiv der Einführung eines Sozialtickets gegenüberstehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Frehe, Sie haben auch die Frage nach dem Zuschussbetrieb aufgeworfen. Diese Frage ist unserer Ansicht nach berechtigt, aber klar ist auch, dass eine höhere Inanspruchnahme auch zu höheren Einnahmen führt, und wie mein Kollege Rupp vorhin schon richtig bemerkte, die Einhaltung von Menschenrechten ist gerade nicht eine Frage der Ökonomie.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber Voraussetzung dafür!)

Wir haben auch schon zu bedenken gegeben, dass für uns natürlich auch gilt, den Grundsatz, Leistungen aus einer Hand zu gewährleisten, einzuhalten. Dazu lassen sich Verträge schließen, Frau Garling sprach es an. Uns dauert aber die Prüfung, die Sie uns hier mehrfach im Hause und auch in der Sozialdeputation versprochen haben, einfach viel zu lange.

(Abg. F r e h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Mir auch)

Herr Dr. Buhlert, Armut ist im reichen und im wirtschaftlich bislang zumindest prosperierenden Deutschland zu einer Massenerscheinung geworden. Der Armutsbericht der Arbeitnehmerkammer von 2007, wir haben ja mittlerweile auch den Armutsbericht von 2008 vorliegen, verdeutlicht die Zustände in unseren Städten umso mehr, wenn wir uns die absoluten Zahlen anschauen. Immer mehr Menschen werden, ob mit oder auch ohne Arbeit, ob jung oder alt, existenziell von der Teilhabe sowohl am gesellschaftlichen und kulturellen, als auch am sportlichen Leben ausgegrenzt. Das ist für uns nicht weiter hinnehmbar. Wir möchten gern, dass dieses Sozialticket eingeführt wird. Es gibt genügend bestehende Sozialtickets oder zumindest Ratsbeschlüsse, die zur Einführung eines Sozialtickets dienen sollen. Ich werde Ihnen neben Dortmund gern auch noch ein paar andere Beispiele nennen, damit Sie sich noch einmal schlaumachen können und Ihre Prüfung etwas schneller vonstatten geht: Da wären zum Beispiel Brandenburg an der Havel, Frankfurt am Main, Eisenach, Hamburg, Köln, Potsdam, Stuttgart, Landkreis Dah

me-Spreewald, das Land Brandenburg oder auch Luckenwalde.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Lucken- walde auch?)

Wenn ich es zum Schluss etwas salopp formulieren darf: Kommen Sie endlich in die Gänge und realisieren Sie die Forderung! Beginnen Sie am besten heute mit der Zustimmung zu unserem Antrag nach Einführung eines Sozialtickets!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bartels.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Man könnte jetzt einmal fragen, wie eigentlich die Situation des Sozialtickets in Berlin ist, aber das erspare ich Ihnen, Frau Kollegin Nitz.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben durchaus Verständnis, wenn es bei der Koalition noch etwas dauert. Ich könnte es mir einfach machen und hier einfach sagen: Worüber reden wir denn hier eigentlich? Wenn Sie ein Sozialticket einführen wollen, dann legen Sie auch konkrete Zahlen vor! Soweit ist es noch nicht. Dafür haben wir Verständnis. Ich will nur sagen, ich glaube, Kollege Frehe – deshalb habe ich mich eigentlich gemeldet – hat das falsch verstanden, oder ich habe es falsch formuliert: Ich überlasse es natürlich nicht den Verkehrsbetrieben zu sagen, was dann der Tarif kostet, aber das sind Fachleute, und die können solche Denkmodelle machen, die können solche Zahlen vorlegen, und das muss man natürlich politisch bewerten. Ich rate uns allen, dass wir das sehr sauber machen, damit wir eben nicht in ein solches Risiko laufen, wie manch andere Kommune und vertrauen darauf, dass wir dafür auch die Unterstützung der Verkehrsbetriebe haben werden, denn nichts ist schlimmer, als dass man ein Produkt einführt, das nicht die Marktreife erlangt hat. Man landet damit sehr schnell auf dem Bauch. Ich glaube, wir sind auf dem Weg. Natürlich behalten wir uns als CDU-Fraktion vor, dem Ganzen am Ende zuzustimmen, wenn das für uns plausibel ist. Lassen Sie uns schauen, wenn es konkrete Vorlagen gibt! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Garling. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Nitz, ich will inhaltlich nicht weiter darauf eingehen, weil eigentlich alles gesagt ist. Dass Sie aber hier so weit gehen und uns Mitmenschlichkeit absprechen, das geht wirklich zu weit! Das muss ich Ihnen an dieser Stelle einmal deutlich sagen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es geht hier um Verlässlichkeit, und wir bieten diese Verlässlichkeit. Wir werden das Sozialticket einführen, das Sozialticket kommt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Dr. Schuster.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal versuchen, ein bisschen zur Versachlichung der Diskussion beizutragen, denn ich glaube, dass manchmal mit ein paar Unterstellungen gearbeitet wird, die nicht zutreffen.

Das Erste ist: Gerade in Bremen ist es nicht so, dass, wenn man kein Monatsticket der BSAG hat, man deswegen immobil sein muss. Ich persönlich habe weder ein Monatsticket noch kaufe ich mir häufig Einzeltickets der BSAG, noch habe ich ein Auto, und ich komme auch überall hin, weil ich sehr viel Fahrrad fahre.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das ist auch eine Möglichkeit! Umweltfreundliche Mobilität ist nicht gleich Bahn oder Bus fahren. Ich weiß auch, dass das in verschiedenen Stadtteilen unterschiedlich ist, aber da muss man die Kirche im Dorf lassen, und für besondere Anlässe, beispielsweise zu Vorstellungsgesprächen, ist Ihnen auch bekannt, dass dafür die Kosten von der BAgIS ersetzt werden. Das muss man einfach registrieren, dass man hier nicht so einen Popanz aufbaut, der nicht da ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die zweite Sache ist: Wir haben uns in der Koalition, und so steht es im Koalitionsvertrag, entschlossen, ein Sozialticket in Analogie zum Jobticket einzuführen. Damit war eine bestimmte Grundentscheidung verbunden, die ich hier auch noch einmal deut––––––– *) Von der Rednerin und vom Redner nicht überprüft.

lich machen will, weil sie sehr wichtig ist. Ein Haushaltsnotlageland und dementsprechend auch eine finanzschwache Kommune sollten aus unserer Sicht nicht den Versuch unternehmen, die Transferzahlungen, die der Bund aufzubringen hat, in irgendeiner Art und Weise über verschiedene Tatbestände zu erhöhen. Wir werden diesen Weg nicht schaffen, dass wir die Ungerechtigkeiten, die unter Umständen in den zu niedrigen Regelsätzen enthalten sind, dadurch ausgleichen, dass wir das als Kommune machen. Damit wären wir hoffnungslos überfordert, und das kann nicht der Ansatzpunkt sein!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Deswegen haben wir immer den Ansatzpunkt gewählt, dass wir sagen, wir versuchen beim Bund entsprechende Verbesserungen zu erreichen, und obwohl wir ein winziges Land sind, haben wir dabei sogar Erfolge erreicht.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Winzig sind wir nicht! – Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Witzig habe ich verstanden!)

Denn auch auf unsere Initiative hin ist es gelungen, innerhalb der Regelsätze von Hartz IV ein Schulpaket einzuführen, sodass entsprechende Kosten von Schulmaterial für Kinder bezahlt werden.