Protocol of the Session on December 14, 2006

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem Kollegen Schmidtmann das Wort erteile, darf ich auf der Besuchertribüne ganz herzlich eine 13. Klasse des Leistungskurses Politik vom CatoBontjes-van-Beek-Gymnasium aus Achim begrüßen.

Seien Sie ganz herzlich willkommen! Ich wünsche Ihnen eine spannende und interessante Debatte am heutigen Nachmittag.

(Beifall)

Herr Abgeordneter Schmidtmann, Sie haben das Wort!

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche heute zur Großen Anfrage der CDU über die europäischen Strukturfonds-Förderungen in Bremen nach 2007. Die Grünen begrüßen diese Anfrage außerordentlich, gibt sie doch die Möglichkeit, über die neue Förderperiode von 2007 bis 2013 erneut zu sprechen.

Im Frühsommer dieses Jahres hatten wir Grünen einen Antrag gestellt, über die Planung der Förderprogramme und über die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts Arbeit und Wirtschaft zu berichten. Des Weiteren haben wir in unserem Antrag eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit und des Parlaments eingefordert. Der Antrag wurde mit den Stimmen der Großen Koalition leider abgelehnt. Jetzt könnte aber die Große Anfrage der CDU zum gleichen Ergebnis führen, und zwar sich mit den Strukturmitteln der EU zu beschäftigen. Diese späte Einsicht begrüßen wir Grünen natürlich sehr.

Wir finden es gut und richtig, dass sich die Bürgerschaft intensiv mit den europäischen Mitteln der kommenden Förderperiode beschäftigt. Es handelt sich jetzt voraussichtlich um 231 Millionen Euro, die im Rahmen von EASF- und EFRE-Programmen nach

Bremen kommen. Diese 231 Millionen Euro sind angesichts der Haushaltslage unserer beiden Städte Bremen und Bremerhaven ein wesentlicher Teil der Gestaltungsmittel, die uns in den kommenden Jahren noch zur Verfügung stehen. Bremen muss sie ganz besonders gut einsetzen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In der Antwort des Senats lesen wir viele schöne Formulierungen, zum Beispiel die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen, die Mobilisierung der arbeitsmarktpolitischen Potenziale, insbesondere von Frauen und älteren Arbeitnehmern, die Stärkung der wissensbasierten Wirtschaft, die unbedingte Verpflichtung auf die Lissabon-Strategien und noch viele weitere gute und richtige Ziele. Alle diese Ziele unterstützen auch wir Grünen.

Das hört sich alles sehr schön an und ist auch sehr zukunftsweisend. Aber die Frage ist doch: Welche Taten folgen auf diese schönen Worte? Gibt es wirklich eine Kurskorrektur in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik? Wir Grünen glauben: Nein, leider nein! Vielmehr hat es den Anschein, hier würden für das EU-Parlament und die Öffentlichkeit erneut Wortfassaden errichtet, und es würde die alte Politik fortgesetzt.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: In der Sitzung des Wirtschaftsförderungsausschusses vom 30. November dieses Jahres hat die Große Koalition einer Zusatzförderung des Technologiemarketings zugestimmt, und zwar sollen 100 000 Euro im Jahr für das sogenannte „Chef-Frühstück“ finanziert werden. Aber ab 2008 kann das Wirtschaftsressort dieses ChefFrühstück mit den AIP-Mitteln nicht mehr finanzieren, und deshalb findet sich folgende Formulierung in der Vorlage 072/06, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Im Anschluss“ – das heißt also 2007 – „ist eine Förderung im Rahmen des EFRE-Programms Bremen geplant.“

Meine Damen und Herren, was soll da eigentlich finanziert werden? Was hat diese Maßnahme mit der Lissabon-Strategie zu tun? Soll so der Strukturwandel Bremens gestaltet werden? Wir Grünen meinen: So geht es auf keinen Fall weiter!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

So kann der Strukturwandel nicht nachhaltig gestaltet werden.

Des Weiteren möchte ich Sie noch als Sozialpolitiker auf eine Verordnung des Rates mit der Nummer 1083 aus dem Jahre 2006 hinweisen. Diese Verordnung des Rates der EU regelt die allgemeinen Bestimmungen, wie mit den Strukturmitteln verfahren werden soll. Hierzu hat uns der Landesbehindertenbeauftragte in der letzten Sitzung des Europaaus

schusses ein Referat gehalten über die europäische Behindertenpolitik.

Es war sehr interessant, und am Schluss dieses Referats hat er uns auf diese Verordnung 1083 hingewiesen, und zwar auf den Artikel 16. In diesem Artikel 16 geht es um die Gleichstellung von Männern und Frauen und um die sogenannte Nichtdiskriminierung aufgrund Geschlechts, aufgrund der Rasse, aufgrund der ethnischen Herkunft, aufgrund der Religion und der Weltanschauung, aufgrund des Alters, aufgrund der sexuellen Aufrichtung und aufgrund von Behinderungen. Das heißt, dass auch geprüft werden muss, ob die geförderten Projekte diskriminierungsfrei sind. Wir Grünen möchten Sie bitten, dass der Landesbehindertenbeauftragte Herr Dr. Steinbrück in die weitere Planung mit einzubeziehen ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir fordern Sie in unserem Antrag auf: Nehmen Sie eine Kurskorrektur vor! Ein „Weiterso!“ in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik darf es nicht geben. Nutzen Sie konsequent zum Beispiel die Ressourcen von Bildung und Umwelt! Stellen Sie eine breite Öffentlichkeit her! Prüfen Sie gemeinsam mit dieser breiten Öffentlichkeit, welche Maßnahmen sich bewährt haben und welche nicht! Wir Grünen meinen jedenfalls, dass ein „Chef-Frühstück“ nicht dazu gehört. – Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. P e r s c h a u [CDU]: Sind Sie einmal da ge- wesen?)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Liess.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben damals – Herr Schmidtmann hat darauf hingewiesen – nicht mitgetragen, weil wir es für unsinnig gehalten haben, über noch nicht einmal konkret vorliegende Vorschläge beraten zu wollen. Deshalb haben wir auch die Große Anfrage der CDU nicht mitgetragen, weil wir eigentlich der Auffassung waren, wir wollten erst die Konzepte auf dem Tisch liegen haben, um wirklich darüber konkret reden zu können.

(Beifall bei der SPD)

Das macht insgesamt die Diskussion jetzt im Augenblick ein bisschen schwierig. Es ist ja so, dass die Konzepte bereits den Deputationen vorgelegt worden sind. Die Senatoren sind aufgefordert, das mit der EU-Kommission auszuhandeln. Im Übrigen hervorragende Konzepte, und auch vielen Dank an die ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

jeweiligen Sachbearbeiter, die das geleistet haben! Das ist in der Tat eine unheimliche Arbeit gewesen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Insofern sind wir in der Gesamtsituation doch schon ein ganzes Stück weiter. Wir sollten also jetzt vielleicht darüber reden und besser darüber reden, wenngleich das ja jetzt nicht das Thema dieser Debatte ist, was die Konzepte uns bringen und wo wir die Schwerpunkte setzen.

Auf einige Schwerpunkte ist hier hingewiesen worden. Ich bin immer wieder erstaunt, dass bei der Aufzählung der Bereiche der InnoVision 2010 die Gesundheitswirtschaft regelmäßig vergessen wird,

(Beifall bei der SPD)

und ich bin auch erstaunt, dass man, wenn man über die EU-Strukturfördermittel redet, immer nur über diese 75 Prozent der Mittel, die in den Bereich Wirtschaft, Innovation, Vernetzung gehen, aber nie über die 25 Prozent, die in den Bereich der Stadtteile gehen, und nie über das ESF-Programm redet.

(Beifall bei der SPD)

Mir wäre es lieber, wir würden das gesamtheitlich sehen, so wird es auch in der Vorlage und der Beantwortung der Großen Anfrage des Senats ja gesehen, dass wir ganzheitlich schauen müssen, wie EFRE und EASF miteinander verzahnt werden können, auf dass wir sowohl einen beschäftigungspolitischen als auch den wirtschaftspolitischen Effekt erzielen können.

Lassen Sie mich vielleicht zu den Zahlen dann noch etwas sagen! Es wird hier ja immer von den 231 Millionen Euro geredet, 142 Millionen EFRE-, 89 Millionen EASF-Programm. Das sind Gelder, die wir zusätzlich nach Bremen holen können, wenn wir sie komplementieren, das heißt, der Programmumfang ist mehr als doppelt so hoch, wenn wir die Gelder hier auch tatsächlich bereitstellen können. Da eröffnet sich ja zum ersten Mal, zumindest was den EFRE-Teil angeht, die Möglichkeit, auch privates Kapital zu nutzen. Dieses Kapital wird genutzt werden in Höhe von 40 Millionen Euro, sodass der öffentliche Anteil sinkt, der private zunimmt und wir trotzdem noch mehr Effekte haben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn hier gesagt wird, wir müssten eine Kurskorrektur machen, Herr Schmidtmann, dann müssen Sie mir erklären, wo Sie die Kurskorrektur machen wollen, wenn Sie gleichzeitig sagen, dass die Strategie der Kommission, auf Innovation zu setzen, darauf zu setzen, dass wir die wettbewerbsfähigste wissensbasierte

Ökonomie der Welt bis zum Jahr 2010 in Europa haben wollen, dem Programm der InnoVision 2010 – als Beispiel – dem entgegensteht, warum auch, ich will das auch ganz deutlich sagen, das, was Sie als „ChefFrühstück“ diskreditieren, warum die Marketingmittel für den Technologiepark etwa dagegenstehen. Diese Mittel sind doch – und gerade, wenn Sie das „ChefFrühstück“ nennen – genau der Ort, wo Wissenschaft und Wirtschaft zusammenkommen. Das genau ist ein Beitrag zur Vernetzung.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielleicht zum Abschluss! Sie merken, ich habe zu der Diskussion wenig Lust, weil es für mich mehr Sinn macht, wenn wir in den Deputationen über die Einzelheiten reden und über die einzelnen Programme noch einmal reden, als dass wir hier sehr pauschalisiert – und zum Teil hat es mich auch geärgert – über diese Dinge reden.

Dann will ich doch zumindest zum Landesbehindertenbeauftragten noch etwas sagen. In der letzten Deputationssitzung für Wirtschaft ist dies bereits von unserer Fraktion angesprochen worden. Herr Senator Kastendiek hat zugesagt, und das ist ja auch rechtliche Grundlage, dass ab dem Jahr 2007 der Landesbehindertenbeauftragte selbstverständlich mit einbezogen wird. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Kastendiek.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich könnte mich eigentlich jetzt mit den Worten „Ich schließe mich den Ausführungen von den Abgeordneten der Großen Koalition an“ – besonders von Herrn Liess, was die Kritik gegenüber den Vertretern der Grünen angeht – an und mich wieder setzen. Da muss ich sagen, das ist ein Spiegelbild, Herr Schmidtmann, der Debatte, die wir hier gestern schon geführt haben. Sie kommen damit einfach nicht durch, Sie kommen damit einfach nicht weiter, indem Sie einfach nur sagen, ja, wir brauchen einen Kurswechsel, wir müssen das alles anders machen, das, was ihr macht, ist alles Mist, aber wirklich mit keinem einzigen Wort zu sagen, wie es denn anders gemacht werden soll,

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

an welchen Stellen Sie denn konkrete Veränderungswünsche haben, wo Sie denn im Bereich der InnoVision andere Schwerpunkte setzen würden, wo Sie zum Beispiel bei dem Ausbau der wissensbasierten Dienstleistungen andere Schwerpunkte setzen würden, wo Sie in den Programmen, die wir in der Arbeitsdeputation und in der Wirtschaftsdeputation

Ihnen vorgestellt haben, sagen würden, da läuft irgendetwas verkehrt, da läuft irgendetwas aus dem Ruder.

Vielleicht war ich ja in einer anderen Deputationssitzung, aber ich habe irgendwie nicht mitbekommen, dass Sie sich zu irgendeinem Punkt da in der Deputation diesbezüglich geäußert haben, und schon gar nicht negativ. Ich weiß nicht, wie das in der Arbeitsdeputation war, aber ich kann mich nicht daran erinnern in der Wirtschaftsdeputation. Das wurde durchgewinkt an der Stelle. Dann können Sie sich hier nicht hinstellen und sagen, das ist alles Mist, was ihr da macht, meine Damen und Herren. Das ist nicht legitim, damit kommen Sie auch nicht durch, Herr Schmidtmann, da müssen Sie sich mit der Thematik schon intensiver auseinandersetzen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herr Liess und Frau Speckert haben darauf hingewiesen, dass das EFRE-Programm und das ESFProgramm sich naturbedingt sehr stark an der Lissabon-Strategie orientieren. Das ist genau die Strategie, die wir auch in der Großen Koalition im Zusammenhang mit dem Strukturwandel verfolgen. Wir wollen die Wettbewerbsbedingungen, die Standortbedingungen an dieser Stelle verbessern. Wir wollen auf Innovation setzen, weil das unserer Auffassung nach der Schlüssel zum erfolgreichen Strukturwandel ist.

Überall dort, das haben auch Studien der OECD festgestellt, wo Innovation erfolgreich umgesetzt worden ist, wo erfolgreich Wissenschaftstransfer stattgefunden hat, überall dort gab es ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum und gab es einen überdurchschnittlichen Anstieg in der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.