Protocol of the Session on July 12, 2006

Sie haben von dem Prozess der Befassung mit dem Entwurf des Staatsvertrags gesprochen. Dort gibt es bei der MPK im Oktober ja einen Zwischenstopp, glaube ich, und dann einen geplanten Endpunkt im Dezember. Würden Sie es nicht auch befürworten, dass wir im Land Bremen in den verschiedenen Gremien, die es dafür gibt, gemeinsam darüber beraten, wie sich Bremen in diesem Kontext dann aufstellt, weil eine solche Beratung – ich habe es gerade eben gesagt, als ich unsere Anhörung erwähnte – meines Wissens im Land Bremen bisher nicht stattgefunden hat?

Bitte, Herr Bürgermeister!

Herr Abgeordneter Dr. Güldner, das ist doch selbstverständlich. Es geht um einen Staatsvertrag, dieser Staatsvertrag verlangt die Zustimmung des Parlaments, und er verlangt auch die entsprechende parlamentarische Vorbereitung und Begleitung. Natürlich wollen wir dafür sorgen, dass das auch geschieht.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Meine Damen und Herren, mit Beantwortung dieser Anfrage ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Aktuelle Stunde

Meine Damen und Herren, für die Aktuelle Stunde ist von den Abgeordneten Frau Hoch, Frau Linnert und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen folgendes Thema beantragt worden:

Gesundheit: Große Koalition – kleine Reform.

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Röpke.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute für die Aktuelle Stunde das Thema Gesundheitsreform eingebracht, weil diese Reform auch für die Menschen hier im Land Bremen gravierende und leider negative Auswirkungen haben wird. Deshalb, denken wir, ist es auch unsere Pflicht, uns hier im Haus mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir Grünen können jedenfalls nicht in die Sommerpause gehen und zusehen, wie dieser falsche Weg weiter betoniert wird. Auch Bremen muss zu den vorgelegten Eckpunkten Stellung beziehen und nicht darauf hoffen, dass Wohlverhalten dann bei der zweiten Stufe der Föderalismusreform belohnt wird, so wie es auch mit der Zustimmung zu den Steuergesetzen geschehen ist. Die Befürchtung haben wir, dass sich hier so verhalten wird.

Auch wenn Sie mir wahrscheinlich entgegenhalten werden, dass es sich erst um Eckpunkte handelt und dass diese erst näher ausdifferenziert werden müssen, sagen wir hier ganz deutlich, der geplante Gesundheitsfonds wird zu einer teuren Geldsammel––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

stelle werden, und aus der kleinen Kopfpauschale wird ganz schnell eine große Kopfpauschale werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Monatelang haben CDU, CSU und SPD über die Gesundheitsreform verhandelt. Einen dritten Weg zwischen Bürgerversicherung und Kopfpauschale wollte man finden, gelandet ist man auf einem Irrweg. Die Kosten dafür tragen die Versicherten und die Kranken. Ich kann nur sagen, uns wird schwarz vor Augen, wenn wir diese Eckpunkte sehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich werde jetzt auf die einzelnen Punkte eingehen. Durch die von der großen Koalition geplante Reform wird kein einziges der Strukturdefizite unseres Gesundheitssystems behoben, kein einziges, weder die verkrusteten Strukturen, die den Wettbewerb um mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit verhindern, noch die Gerechtigkeitslücken bei der solidarischen Finanzierung, noch die Wachstumsschwäche der Finanzierungsbasis, keines wird richtig angegangen, und die Belastung des Faktors Arbeit bleibt weiterhin erhalten.

Die Koalition reißt Millionenlöcher in die Krankenversicherung, die Beiträge und Lohnnebenkosten werden steigen. Der gesetzlichen Krankenversicherung werden in den nächsten Jahren mindestens sieben Milliarden Euro fehlen. Dieses Defizit verursacht die große Koalition selbst. Durch die Anhebung der Mehrwertsteuer werden die Arzneimittelpreise steigen und damit auch die Kassenausgaben. Gleichzeitig streicht die Bundesregierung den Bundeszuschuss, den die Krankenkassen bisher zur Finanzierung des Mutterschaftsgeldes und anderer Familienleistungen erhalten. Die Kosten dieser Politik müssen die Versicherten und die Arbeitgeber tragen. Beitragserhöhungen von 0,5 Prozentpunkten hat Angela Merkel selbst vorhergesagt. Wir denken, es wird viel mehr werden.

Der vermutliche Einstieg in die Steuerfinanzierung der Kinderversicherung ist ein Taschenspielertrick. 1,5 Milliarden Euro will die Koalition 2008 zu diesem Zweck aus dem Bundeshaushalt bereitstellen, 2009 sollen es dann noch einmal drei Milliarden Euro werden. Das ist aber nicht einmal ein Fünftel dieser Kosten. Gerechnet wird mit 14 bis 16 Milliarden Euro, die heute dafür aufgebraucht werden müssen. Schlimmer aber noch, gerade hat die große Koalition 4,2 Milliarden Euro den Krankenkassen entzogen, die sie bis jetzt für die Familienversicherung gehabt haben. Rechnet man diese Streichung und den geplanten Steuerzuschuss gegeneinander, dann bleibt immer noch ein Minus von 1,2 Milliarden Euro.

Jetzt komme ich einmal zum Gesundheitsfonds. Dieser ist ausschließlich der Gesichtswahrung der gro

ßen Koalition geschuldet. Vorn kommen die von der SPD gewollten einkommensabhängigen Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern hinein, hinten kommt eine Kopfpauschale der Union heraus. In der Sache gibt es keinen guten Grund für den Aufbau einer weiteren Großbehörde, die Verwaltungsausgaben werden auch hier steigen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Aus der kleinen Kopfpauschale wird ganz schnell eine große werden. Zwar haben die Kassen grundsätzlich die Wahl, ob sie den Zusatzbeitrag als Pauschale oder einkommensabhängig erheben sollen, der eventuell benötigt werden wird. Wir denken, er wird benötigt werden, aber mit einem einkommensabhängigen Zusatzbeitrag würde eine Kasse gerade ihre gut verdienenden Versicherten belasten, und das werden die Kassen nicht tun. Deshalb ist es völlig klar, dass dieser Zusatzbeitrag als Kopfpauschale erhoben wird, damit werden die Geringverdiener belastet und noch einmal besonders geschröpft.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Außerdem wird es die Kassen treffen, die viele chronisch kranke Patienten haben. Für deren hohe Leistungsausgaben wird der Einheitsbeitrag aus dem Fonds nicht ausreichen. Außerdem ist zu erwarten, dass künftige Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen über diese kleine Kopfpauschale finanziert werden, dann ist es eben doch die große Kopfpauschale.

Jetzt kommen wir einmal zur privaten Krankenversicherung. Die Privatversicherten bleiben weiterhin hübsch unter sich. Auch in Zukunft wird das Solidarsystem ohne die Stärksten auskommen müssen. Die Union hat dafür gesorgt, dass der Schutzzaun um die private Krankenversicherung erhalten bleibt. Wenn wir jetzt sehen, dass die Kinderversicherung über die Steuern bezahlt werden soll, wird es verfassungsrechtlich nicht zu halten sein, die privat versicherten Kinder nicht mit einzubeziehen. Dann haben Sie den privaten Kassen sogar noch einen Wettbewerbsvorteil geschaffen. Das ist doch abzulehnen, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Gesundheitskosten werden steigen, weil sich die große Koalition nicht an die Gesundheitskartelle herantraut, dadurch werden auch grundsätzlich richtige Maßnahmen wie die Liberalisierung der Arzneimittelverordnung und die Kosten-Nutzen-Analyse keine nachhaltige Wirkung haben.

Was wollen die Grünen? Auch die Frage werden wir Ihnen hier beantworten, und ich denke, wir werden dann noch darüber reden können. Wir setzen uns

für mehr Wettbewerb innerhalb des Solidarsystems ein. Wir wollen, dass Krankenkassen, Ärzte, Apotheker und Arzneimittelhersteller miteinander um mehr Qualität und um Wirtschaftlichkeit wetteifern. Dass Kassen heute gezwungen sind, einheitlich und gemeinsam Kollektivverträge mit den Anbietern von Gesundheitsleistungen abzuschließen, halten wir für eine Innovationsbremse. Durch mehr Vertragsfreiheiten könnte die Gesundheitsversorgung besser gemacht werden, ohne dass der Staat ständig eingreifen muss. Außerdem ließen sich vorhandene Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen und damit die Belastung von Versicherten und Patienten sozialstaatlich in einem akzeptablen Rahmen halten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zu den notwendigen Reformmaßnahmen gehören zum Beispiel die Beendigung des Vertragsmonopols der kassenärztlichen Vereinigungen, die Aufhebung des Apothekenmehrbesitzverbots sowie Preisverhandlungen zwischen Kassen und Pharmaunternehmen. Außerdem sollten Selbsthilfe- und Patientenorganisationen die Möglichkeit haben, spezielle Krankenkassenversicherungsbeiträge mit den Kassen auszuhandeln und diese ihren Mitgliedern anzubieten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Im Rahmen dieser Verträge könnten besondere Behandlungsprogramme vereinbart werden, und damit würden mehr Wettbewerb und mehr Patientenorientierung miteinander verbunden werden können. Auf der Finanzierungsseite der Krankenversicherung ist eine Ausweitung der Finanzierungsbasis auf alle Einkunftsarten und die Einbeziehung der Privatkrankenversicherung in den Solidarausgleich unbedingt erforderlich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Damit würde die Finanzierung der Krankenversicherung nachhaltiger, aber auch gerechter. Außerdem würde durch die Ausweitung der Finanzierungsbasis der Druck auf die Arbeitskosten deutlich geringer. Am besten könnten diese Ziele durch eine Bürgerversicherung erreicht werden, das ist unsere Position, und die wollte ich Ihnen hier nicht vorenthalten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will noch einmal auf ein Argument eingehen, das in den letzten Tagen sehr häufig gebraucht wurde, die private Krankenversicherung würde ja schon durch Quersubventionierung neun Milliarden Euro ins Gesundheitssystem bringen. Dieses Argument lässt außer Acht, dass die privaten Krankenversicherungsunternehmen in erheblichem Ausmaß von den An

strengungen der gesetzlichen Kassen um Qualität und Prävention profitieren, und sie tun nichts dafür. Es übersieht auch, dass die zusätzlichen Finanzmittel der privaten Krankenkassen vor allem in solche Quartiere fließen, in denen viele Menschen mit überdurchschnittlichen Einkommen leben. Zur Verbesserung der Versorgungssituation in strukturschwachen Gebieten leistet die private Krankenversicherung nichts. Was nützt eine Besserstellung der Region am Starnberger See hier den Menschen in der Wesermarsch? Das müssen Sie mir dann einmal erklären! Ein Solidarausgleich wird dadurch jedenfalls nicht geschaffen. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste erhält das Wort die Abgeordnete Frau Tuczek.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema dieser Aktuellen Stunde heute heißt „Gesundheit: Große Koalition – kleine Reform“, aber, meine Damen und Herren, immer noch besser als „Rotgrün und keine Reform“.

(Beifall bei der CDU)

Ob das eine kleine Reform wird, meine Damen und Herren, wird sich erst noch herausstellen. Mit dieser Aktuellen Stunde habe ich den Eindruck, dass die Grünen hier im Parlament die Debatte aus dem Deutschen Bundestag fortführen wollen, und die Argumente, die Sie vorgebracht haben, kenne ich schon alle aus der Zeitung oder aus den Debatten, die im Bundestag stattgefunden haben. Ich muss schon sagen, das, was Sie hier als Alternativen vorgebracht haben, ist in der Vergangenheit nicht umsetzbar gewesen, und Sie legen das immer wieder neu auf. Also, Ihre Argumente sind nicht überzeugend, sonst hätten Sie sie ja schon umsetzen können.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es gibt natürlich viele Punkte, die man an den jetzt vorgelegten Eckpunkten kritisieren kann. Da meldet sich aber nicht nur die Opposition zu Wort, da werden auch aus unseren Reihen einige Dinge problematisiert, zum Beispiel die fehlende Altersrückstellung in der GKV oder fehlende Leistungsausgrenzung bei Sportunfällen, die selbst abgesichert werden sollen, oder auch die nicht weit genug gehende Beitragsfreiheit der Kinder. Schwierig ist natürlich die Beitragserhöhung um 0,5 Prozent. Die CDU wollte eigentlich Steuern und Abgaben senken, die SPD wollte viel mehr Leistun––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

gen aus Steuererhöhungen finanzieren, wie jetzt Herr Steinbrück sich wieder geäußert hat.

Im Grunde wollen natürlich auch die SPD und Bündnis 90/Die Grünen, das haben Sie ja eben gerade schon gesagt, die private Krankenversicherung abschaffen. Den Grünen ist sie schon lange ein Dorn im Auge. Dabei wird vergessen, Frau Hoch, Sie haben ja auf die neun Milliarden Euro hingewiesen, natürlich ist das eine Sicherheit für die Krankenhäuser und für die Ärzte, darauf verlassen sie sich, das ist eine Sicherheit, dass sie ein Budget haben, auf das sie auch bauen können. Aber das Thema ist, glaube ich, ein anderes, das will ich jetzt hier auch nicht weiter ausführen.