Protocol of the Session on November 10, 2004

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun wollen wir einmal Tacheles reden! Angesichts der erschreckenden Zahlen Ihrer gescheiterten Drogenpolitik und Suchtpolitik im Lande Bremen kann man durchaus

ohne Übertreibung feststellen, dass die Stadt Bremen die Drogenhölle Deutschlands ist.

(Unruhe)

Wenn Sie über diese traurigen Zahlen und Toten lachen können, dann ist das Ihr Problem!

(Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Hier lacht niemand, Herr Tittmann!)

Sie lachen über Drogentote, und das ist schändlich, damit haben Sie sich demaskiert!

Meine Damen und Herren, vielleicht lachen Sie ja nicht mehr nach diesen Zahlen: Bremen hat über 1000 erfasste Rauschgiftsüchtige, es sind ja noch mehr, jährlich weit über 4000 Rauschgiftdelikte, es sind ja auch mehr, und sage und schreibe über 70 Drogentote im Jahr. Jetzt können Sie lachen!

Angesichts dieser erschreckenden Zahlen kann man auch ohne Übertreibung von einem Desaster, von einer eindeutigen Bankrotterklärung Ihrer Drogen- und Suchtpolitik sprechen. Das ist ein wahrer Teufelskreis, und diese Hölle hat ihre Zentrale im Viertel. Die Sielwallkreuzung ist die Zentrale der Drogenhölle, da wird schon am Morgen und ohne Skrupel unter den Augen der Öffentlichkeit, also auch unter den Augen von Kindern und Jugendlichen, mit Drogen aller Art gehandelt.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Durch Ihre Politik des Versagens, gerade im Bereich der Suchtpolitik, aber nicht nur im Bereich der Suchtpolitik, ist alles noch viel schlimmer geworden.

Wie ich eben schon erwähnt habe, leben in der Stadt Bremen weit über 1000 Rauschgiftsüchtige, die jeden Tag neue Drogen brauchen, jeden Tag noch mehr Geld brauchen. Ein Rauschgiftsüchtiger ist also den ganzen lieben Tag nur damit beschäftigt, Geld für seine Drogensucht zu beschaffen. Wie beschafft er sich das? Natürlich durch Diebstähle, Wohnungseinbrüche, Autoaufbrüche und so weiter,

(Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Herr Tittmann, da sind wir ja wieder beim Thema!)

also durch eine ins Unermessliche steigende Beschaffungskriminalität!.

Meine Damen und Herren, die skandalösen Spuren Ihrer gescheiterten Drogen- und Suchtpolitik können Sie jeden Tag hautnah rund um die Sielwallkreuzung, am Bahnhof und an unzähligen anderen Orten Bremens miterleben. Nur, Sie wollen es nicht wahrhaben, und Sie wollen es auch nicht sehen. Das ist Ihr Problem. Das ist ein eindeutiges politisches

Versagen auf der ganzen Linie Ihrer Drogen- und Suchtpolitik insgesamt.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Tatsache ist doch, dass fast nur ausländische Drogendealer in Hauseingängen oder sogar schon auf Schulhöfen stehen, um ihre Drogen an meist jugendliche Süchtige zu verkaufen. Jetzt sage ich Ihnen im Namen der Deutschen Volksunion: Es reicht! Es reicht unseren Bürgern und ganz besonders den Anwohnern in den Stadtteilen dieser sozialen Brennpunkte schon lange!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das hilft den kranken Menschen jetzt weiter, Herr Tittmann, Ihre Rede!)

Ich frage mich im Namen sehr vieler Bürger: Wie lange, wie oft und wie viele solche sinnlosen und nutzlosen Wischiwaschi-Anfragen wollen Sie hier eigentlich noch einbringen zum Thema Sucht- und Drogenpolitik, bevor Sie endlich effektiv handeln? Es steht doch außer Frage, dass hier schon seit Jahren gerade im Bereich der Suchthilfe und im Bereich der Drogenbekämpfung viel effektiver, viel härter durchgegriffen werden müsste. Ich habe nachweislich schon vor Jahren diese Forderung der Deutschen Volksunion hier in Bezug auf die Suchthilfe deutlich und des Öfteren lauthals ausgeführt und dargestellt.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Noch einmal zu Ihrer Erinnerung, erstens: Werfen Sie die in der Mehrzahl ausländischen Drogendealer sofort hinaus, denn wer hier in Deutschland auf Kosten der Zukunft und der Gesundheit unserer Kinder mit Drogen dealt, hat in Deutschland absolut nichts zu suchen! Das ist auch zum Schutz der hier anständig lebenden Ausländer.

Zweitens: Richten Sie sofort mehrere geschlossene Heime und psychische Versorgungszentren für Drogensüchtige ein,

(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen: Weg- sperren!)

damit die Süchtigen endlich aus ihrem alten Drogenmilieu herauskommen, denn ansonsten werden die Süchtigen immer wieder wie bei einer Art Durchgangstür rückfällig, und das ist unseren Bürgern nicht mehr länger zuzumuten, dass sie die sehr teuren, oft mehrfach abgebrochenen Entzugstherapien auch weiterhin bezahlen müssen!

Drittens: Verstärken Sie die Videoüberwachung an den stadtbekannten Drogenumschlagsplätzen, und lassen Sie die Polizeikräfte vor Ort mit einem

viel größeren politischen Rückhalt viel schneller und rigoroser durchgreifen und so weiter! Ich könnte Ihnen noch weitere Vorschläge unterbreiten,

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Ja, bitte!)

aber leider würde dafür nicht einmal eine verlängerte Redezeit ausreichen.

Meine Damen und Herren, jedenfalls sind das wirklich effektive und realistische Vorschläge zur politischen Verbesserung der Drogen- und Suchthilfe in Bremen und Bremerhaven,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: So ein Debakel in so einer Rede!)

aber nicht Ihre andauernd eingebrachten sinnlosen Wischiwaschi-Anfragen. Alle Probleme Ihrer eingebrachten Anfragen, gerade zum Thema Sucht- und Drogenpolitik, sind Ihnen doch schon seit Jahren bekannt. Was also sollen dann noch Ihre andauernden Anfragen zum Thema Drogen? Bringen Sie endlich dementsprechende Anträge ein, und setzen Sie schnellstens unter Einbeziehung meiner eben genannten Forderung zum Schutz der Bevölkerung diese Forderung auch um! Damit würden Sie wirklich verstärkt zu einer Verbesserung der Drogen- und Suchtpolitik im Lande Bremen beitragen. – Vielen Dank!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Brumma.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Den letzten Beitrag will ich nicht kommentieren.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. T i t t - m a n n [DVU]: Dazu sind Sie auch nicht in der Lage!)

Ich finde, wir sind weiter in der Debatte, denn wenn ich den sachlichen Beitrag von Frau MohrLüllmann mir angehört habe, sind wir, glaube ich, schon einen Schritt weiter. Frau Mohr-Lüllmann hat zwar gesagt, die Visionen fehlten in der Antwort des Senats, dazu kann ich aber sagen, unsere Sucht- und Drogenpolitik hier in Bremen besteht eben aus zwei Säulen, einmal dem bundesweiten Aktionsplan, dem von der Bundesregierung herausgegebenen Drogenund Suchtplan, sowie den Grundsätzen und Perspektiven der Suchtpolitik im Land Bremen. Ich finde, das ist schon eine gewisse theoretische Grundlage, die wir hier haben, sie muss natürlich im Detail noch ausgefeilt werden, denn sie handelt von den Säulen Prävention, Beratung, Behandlung über Lebenshilfe sowie auch Repression, das sind die vier Bestandteile, die wir in Bremen zu diesem Thema haben.

Sie haben Ihren Schwerpunkt bei Ihren Darlegungen mehr auf die Überlebenshilfe und die Behandlung gelegt. Ich denke, es ist viel weitgehender, wie Sie nachher auch am Schluss gesagt haben, mit der Prävention zu beginnen, und da sollten wir auch ansetzen bei uns in Bremen. Die Primärprävention ist dabei die wichtigste Säule, denn sie hat für uns eine doppelte Dividende. Zum einen hilft sie uns, die Suchtkrankheiten zu vermeiden, andererseits erspart sie auch gesellschaftliche Kosten, denn die Folgekosten sind ja enorm.

In der Anfrage wird der Suchtpräventionsplan von Sachsen angesprochen, der positiv erwähnt wird. Wir in Bremen meinen, wenn wir Hilfe erhalten, neue Überlegungen hineinkommen, stehen wir positiv dazu. Es gibt also keine ideologischen Scheuklappen, sondern was der Sache dient, sollte man auch aufnehmen. Dieser Präventionsplan, wie er auch in Bremen angedacht ist, fängt im Kindergarten an und hört in der Schule auf. Wir müssen bei den jungen Leuten anfangen.

In Bremen selbst haben wir zum Thema Alkohol das Aktionsbündnis Alkohol, Verantwortung setzt die Grenze. Das Bündnis arbeitet relativ erfolgreich, wir haben in der letzten Deputationssitzung beschlossen, es soll weiterlaufen. Es hat fünf Schwerpunkte, Alkohol und Jugend, dann Alkohol am Arbeitsplatz, Alkohol in der Schwangerschaft und so weiter. Ich denke, das sind die richtigen Initiativen, sie werden auch von allen Gruppen im Land Bremen mitgetragen, auch die Ärztekammer ist mit dabei. Hier ist die Stoßrichtung richtig.

Neben diesem Bündnis haben wir natürlich auch die Initiative zum Schutz von Nichtrauchern, sie wird von uns ebenfalls unterstützt. In der letzten Deputationssitzung haben wir das noch einmal bestätigt, und wir hoffen natürlich, dass auf Bundesebene durch das neue Präventionsgesetz hier Mittel realisiert werden können, damit dieses Thema verstärkt angegangen werden kann.

Warum ist es so wichtig, dass wir das Rauchen in den Blick nehmen? In Bremen rauchen schon 40 Prozent der Zwölf- bis Siebzehnjährigen, das ist schon enorm. In Deutschland sind es sieben Prozent unter 15 Jahren, die rauchen, und es sind jährlich 110 000 tabakbedingte Todesfälle zu verzeichnen. Das sind enorme Kosten. Man hat festgestellt, dass an Hamburger Schulen lediglich zwei Prozent der Nichtraucher Cannabis konsumieren, während es 40 Prozent der jugendlichen Raucher tun. Das ist, denke ich, ein Phänomen. Deswegen muss man beim Rauchen als so genannte Einstiegsdroge ansetzen. Man kann aber auch schon erste positive Effekte verzeichnen. Durch die Tabaksteuererhöhungen und die zahlreichen Kampagnen sind die Raucherquoten auch bei den Jugendlichen inzwischen in kürzester Zeit gesunken.

Die zweite Säule, das habe ich schon gesagt, des Suchtsystems bei uns in Bremen ist das so genannte

Hilfesystem. Hier muss es noch strukturelle Änderungen geben, weil sich auch die Kommunikationsformen der Jugendlichen und der Ansprechpartner geändert haben. Damit diese Stellen auch angesprochen werden, muss dort kundenorientiert gearbeitet werden. Hier gibt es Schnittstellenprobleme, die müssen angegangen werden, die Vernetzung muss verbessert werden.

Sie haben das Stichwort integrierte Versorgung gebracht, das ist natürlich richtig, die Zusammenarbeit mit den Ärzten muss noch stärker werden, diese müssen dabei integriert werden, auch durch ein so genanntes Fallmanagement. Ich glaube, durch unsere Neuordnung der Zuständigkeiten mit dem Gesundheitsamt bietet sich hier eine Chance, dass eine bessere Zusammenarbeit möglich ist.

Was die Zusammenarbeit mit den Kassen anbetrifft, da gibt es Kritik, das wird auch in der Anfrage so genannt, dass diese noch schlecht ist, und sie muss deutlich verbessert werden. Ich hoffe ja, dass wir durch die Gesundheitsreform hier eine gewisse Chance haben, denn viele der Klienten sind Sozialhilfeempfänger, und zukünftig sind sie Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Allein dieser Druck könnte durchaus positiv sein, dass eben die Krankenkassen sich mehr mit dieser Problematik beschäftigen und hier Hilfen möglich machen. Wie gesagt, hier sehe ich die Chancen durch die Einbeziehung in die gesetzlichen Kassen.

Auch in der hausärztlichen Praxis gibt es inzwischen Modellversuche, in denen Früherkennungsmaßnahmen bei Drogenkrankheiten laufen. Hier erwarte ich, dass die Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und den Suchtberatungsstellen durch diese Hausarzt-Modelle verbessert wird. Langfristig wird es dadurch eine erhöhte Nachfrage nach Weiterbildungsleistungen der Ärztekammer geben. Ich glaube, hier werden wir einiges verbessern können.

Meine Damen und Herren, eine Suchtbehandlung kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn es dann den Suchtkranken auch gelingt, wieder in den Arbeits- und Beschäftigungsprozess reintegriert zu werden. Da haben wir noch offene Fragen, wie das jetzt bei Hartz IV mit den Jobcentern gelingen wird. Haben sie die nötigen Kompetenzen, besondere Probleme Suchtkranker zu berücksichtigen? Wie werden Sozialhilfeträger mit den nicht in den ersten Arbeitsmarkt Vermittelten umgehen? Ich weiß, auf Bremer Ebene gibt es einen Zusammenschluss, der nennt sich „Profit“. Da sind viele Träger zusammengekommen, die in dieser Richtung nach dem Groninger Modell aktiv werden wollen. Ich hoffe, dass wir da etwas hinbekommen.

Das neue Anreizsystem von Fördern und Fordern wird auch das Profil der Suchtsozialarbeit deutlich verändern. Hier besteht also noch ein großes Aufgabenfeld, aber allein kann es der Staat auch nicht richten. Sie haben es vorhin angesprochen, es sind

hier eben auch die Eltern gefordert, dass sie für die Kinder und Jugendlichen mindestens den Einstieg zu Drogen hinauszögern, denn mit jedem Monat später, das hat sich herausgestellt, besteht die Chance, dass der Einstieg in eine Alkoholkarriere oder Cannabiskarriere doch deutlich reduziert wird. Ich sage immer, dabei gilt ein Mindestmaß an Familienleben als Eckpfeiler der Vorbeugung. Dabei soll die Familie auch Orientierung geben, und das Selbstbewusstsein muss in der Familie und in der Schule gestärkt werden. Auch eine aktive Freizeitgestaltung gehört zu dem Thema, aber ich glaube, das ist altbekannt, doch wir müssen es hier immer wieder erwähnen.

Auch wir selbst gelten als Vorbild, und wir sollten uns daran halten, dass wir eben Rauchen und die Einnahme von Medikamenten und Alkohol reduzieren. Es kann auch nicht angehen, dass zum Beispiel im Fernsehen der Moderator Stefan Raab unlängst ein Lied über das Kiffen gesungen hat. Das Dinge, die man in der Öffentlichkeit vermeiden sollte, um hier präventiv tätig zu werden.

Meine Damen und Herren, ob legale oder illegale Drogen, Suchtprobleme sind natürlich ein grundsätzliches Problem in unserer Gesellschaft. Neben den persönlichen Tragödien sind Drogen auch für das Gesundheitssystem eine große Herausforderung, das kostet auch viel Geld. Wir hoffen, dass wir mit diesen vier Säulen und den genannten Maßnahmen langfristig eine positive Wirkung in Bremen erzielen und vor allen Dingen die Jugendlichen und Kinder vor den Suchterkrankungen beschützen. – Ich danke Ihnen!