Das ist etwas, von dem wir, glaube ich, über die vergangenen Jahre feststellen können, dass diese kritische Auseinandersetzung gerade eben nicht erfolgt ist. Es ist doch erst jetzt durch die sehr starke Diskussion auch in der Ärzteschaft sehr viel in Bewegung gekommen.
Ich begrüße außerordentlich, dass die Patientin die für sie zielgenaue Behandlung erfährt. Es kann natürlich Fälle geben, selbstverständlich, in denen eine Hormontherapie aus medizinischer Sicht notwendig ist. Wir müssen dazu beitragen, dass diese Objektivität auch in Zukunft gewährleistet ist.
Ich möchte gern noch auf Frau Arnold-Cramer eingehen. Wir sind in der Verordnung von Hormontherapien in der Tat, wenn ich das einmal negativ sagen darf, Spitze. Aber es hat sich auch sehr viel bewegt durch die vielfältigen Aktivitäten im Lande Bremen. Wir sind auch jetzt Spitze, was den Rückgang betrifft von Hormonverordnungen im Vergleich zum Bundesgebiet. Ich denke schon, dass das deutlich macht, dass insgesamt eine Diskussion auch in der Ärzteschaft in Gang gekommen ist.
Die Patientinnen und Patienten gehen verstärkt dieses Thema an und sind um Informationen bemüht, so dass dieser Prozess, den wir in Gang gesetzt haben, mit einer vernetzten Aufarbeitung auf den unterschiedlichsten Ebenen bis hin auf die Bundesebene, denke ich, der erfolgreiche Weg ist. Wir dürfen nicht nachlassen, diesen Weg auch weiter zu gehen. Das Thema auch in der Deputation weiterhin aufzugreifen, Frau Hoch, finde ich, ist eine sehr gute Anregung. Ich bin sehr dafür. – Danke!
Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns ja heute mit der Verbesserung der Drogen- und Suchthilfe in Bremen. Ich betone, Verbesserung! Was ist eigentlich die Versorgung der Drogenabhängigen, mit welchem Erfolg bringen wir diese Menschen wieder in einen stabilen Zustand? Wenn ich die Antwort des Senats lese, fehlen mir, ehrlich gesagt, die Visionen für die Verbesserung. Etwas enttäuscht über diese Tatsache, meine Damen und Herren, nehme ich hier zur Kenntnis, dass es kaum jemanden gibt, der die Theorie mit der Praxis abgleicht.
Die Drogenhilfe ist gewachsen aus der Sozialarbeit, und wir konnten vor einigen Monaten vernehmen, dass das ambulante Drogenhilfesystem in Bremen neu organisiert wurde. Dazu gehört, dass regionale Beratungsstellen in drei zentrale Beratungszentren zusammengeführt wurden, und vor allem geht die Zuständigkeit auf das Gesundheitsamt über. Das halte ich, meine Damen und Herren, für einen echten Fortschritt, denn wir haben es hier in erster Linie mit chronisch Kranken zu tun, und meine Hoffnung ist, dass mit dem Wechsel der Zuständigkeit auch die Problematik einen deutlich stärkeren medizinischen Aspekt bekommt.
Verbesserung! Eine effiziente Veränderung hat das Ziel einer qualifizierten Behandlung. Das Ziel: Um Drogenabhängige nach der Entgiftung und Abstinenz auch in der Drogenfreiheit zu halten, um beurteilen zu können, ob sich etwas verbessert, benötigt man erst einmal eine Problemanalyse. Ich möch
4000 bis 6000 Drogenabhängige gibt es in Bremen aufgrund der Einnahme illegaler Drogen, alle polytoxikoman. Was ist das? Das heißt, sie sind mehrfach abhängig, das bedeutet, ein Abhängiger nimmt eine Vielzahl von Suchtmitteln zu sich. Es handelt sich also um die schwerste Form der Sucht. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass diese Patienten körperlich mehr als ein Krankheitsbild aufweisen, 50 bis 60 Prozent sind HIV-positiv, mangelhafte Ernährung führt weiter zu einem körperlichen Abbau. Viele haben seelische affektive Störungen, schizophrene Psychosen, Angsttraum, schwere Persönlichkeitsstörungen, und sehr häufig sind diese Erkrankungen auch bereits vor der Drogeneinnahme manifest. Drogenpatienten haben im Übrigen ein bis zwei Krankenhausaufenthalte im Jahr, 15 Prozent bringen es auf acht Tage pro Jahr, zahlreiche Notaufnahmen in den Krankenhäusern kommen hinzu.
Es sind chronisch kranke Menschen, und, meine Damen und Herren, sie bleiben es auch. Viele von Ihnen kennen die Methadon-Programme. Das ist ein Konzept, das ausschließlich für Abhängige ist, die nur eine Abhängigkeit haben, nämlich die von Heroin. Hierzu gibt es eine entsprechende Richtlinie der Bundesärztekammer, die definiert, dass schwerwiegender Beigebrauch anderer Drogen ein Ausschlusskriterium für ein Substitutionsprogramm ist.
Die ärztliche Behandlung besteht dann darin, dass die Patienten das Methadon trinken, und dafür wird von ihnen verlangt, dass sie keine anderen Drogen nehmen. Es ist also ein Verhalten, das sozusagen als Voraussetzung einer Substitution mit Methadon eingefordert wird. Da die meisten Patienten, wie erwähnt, mehrfach abhängig sind – und dies auch meistens nicht ablegen können – , bleibt die Krankenhauseinweisung oft der erste Schritt in der Behandlung, oder der Patient lehnt die Einweisung ab und geht wieder, also entzieht sich der Behandlung. Geht er aber in das Methadon-Programm, wird er über Urinkontrollen kontrolliert, ob er auch nicht weiter Heroin oder andere Begleitdrogen nimmt.
Hier komme ich jetzt zu der eingangs erwähnten Bemerkung: Theorie und Praxis! Wahrscheinlich, das möchte ich an dieser Stelle erwähnen, bin ich hier die Einzige, die aus beruflichen Gründen bereits schon einmal im Methadon-Programm gearbeitet hat. Ich könnte Ihnen vermutlich ziemlich umfangreich aus meinem Erfahrungsschatz und dem meiner Kollegen berichten. Was ich Ihnen sagen möchte: Die meisten Drogenabhängigen vertuschen natürlich, dass sie von zahlreichen Mitteln abhängig sind, um in dieses Methadon-Programm zu kommen, um das Methadon-Programm auch letztlich als Ersatzdroge zu nutzen.
fach umgangen. Ich könnte Ihnen im Übrigen viele Begebenheiten berichten, die sich am Wochenende abgespielt haben. Wenn die Patienten ihr Methadon für das Wochenende mit nach Hause bekommen haben, die so genannten Take-home-Dosen – übrigens ohne Urinkontrollen –, was glauben Sie, wie viele Mitbewohner in den Wohngemeinschaften mit von dieser Ration gelebt haben?
Warum bekommen sie diese Drogen, diese Rationen mit nach Hause? Sie müssen ja durchgängig versorgt werden, das ist ja klar. Da kann man keine Rücksicht darauf nehmen, ob ein Methadonarzt am Wochenende zur Verfügung steht. Darüber hinaus möchte ich auch erwähnen, dass die Ärzte sehr individuell den Zugang des Patienten zum MethadonProgramm handhaben. Es wird häufig auch der Zugang ermöglicht trotz der Begleitdrogen, die von den Patienten eingenommen werden. Andere ärztliche Kollegen allerdings sehen das sehr restriktiv und verweigern die Substitution. Was ist also mit den Richtlinien? Sind die vielleicht total lebensfremd? Warum werden sie nicht einheitlich eingehalten? Müsste man hier vielleicht nachbessern?
Im Übrigen gibt es auch Beispiele von Selbsthilfegruppen wie zum Beispiel Elrond, die durch Totalabstinenz vorzeigbare Erfolge erzielen, das sei am Rande erwähnt. Zu einer Suchtbehandlung, meine Damen und Herren, gehört intensive Überzeugungsarbeit. Das Einwirken auf die Abhängigen geht nur, wenn diese sich seelisch öffnen und für Argumente bereit sind. Sie benötigten eine psychosoziale Begleitung, und sie brauchen dringend psychiatrische und psychotherapeutische Hilfe. Wenn sie das alles nicht benötigten, wären sie vielleicht auch gar nicht drogenabhängig.
Nach einem stationären Entzug muss doch versucht werden, dass dieser Erfolg des Entzugs aufrechterhalten werden kann. Das heißt, außerhalb der Klinik müssen die Patienten in einer Versorgungskette aufgefangen werden, sie müssen in ihrer Krankheit stabilisiert werden. Vorgesehen ist zwar für das Methadon-Programm die psychosoziale Begleitung, hier wird überhaupt nicht erwähnt, dass nach meinen Erkenntnissen zum Beispiel die so genannte Überbrückungsambulanz für den Entlassenen eine Wartezeit von inzwischen einem drei viertel Jahr hat.
Was ich noch hinzufügen möchte: Ganz aktuell kommt hinzu, dass die Hausärzte im Methadon-Programm sich verstärkt aus diesen Programmen zurückziehen, so dass man in Fachkreisen inzwischen schon von einer Ausstiegswelle spricht, das heißt, der Zugang zu den Fachärzten fehlt. Was dann mit den Patienten passiert, das ist klar, der Drehtüreffekt beginnt. Das heißt, die Patienten werden nach dem stationären Aufenthalt nicht lückenlos weiterbehandelt, die Entzugssymptome setzen ein, und es folgt dann quasi die Selbstbehandlung der Patienten, um diesen Entzugssymptomen zu begegnen. Und wie? Durch illegale Drogen! Es folgt wieder der
stationäre Aufenthalt! Kosten, Kosten, Kosten! Alles ohne Erfolg auf Stabilisierung der Patienten, und vom Leidensdruck dieser Menschen will ich an dieser Stelle gar nicht erst reden.
In der Stadt Bremen gibt es 56 Substitutionsärzte, 32 davon behandeln mehr als zehn Patienten, sieben bis acht Praxen allerdings behandeln etwa 50 Patienten, die Obergrenze nach einer entsprechenden Richtlinie, die zulässig ist. Bei 1285 Substitutionspatienten mag das derzeit wohl ausreichend sein, aber wie erwähnt ist der Ausstieg einiger Ärzte bereits angekündigt, und was dann? Dazu die langen Wartezeiten auf die steuerfinanzierten Substitutionssonderprogramme! Ich denke, es gibt ausreichend Gründe, über eine Verbesserung der Drogenhilfe, mindestens einmal für diesen Bereich nachzudenken.
Im Tivoli-Hochhaus haben wir das niederschwellige Angebot für die Drogenabhängigen mit der minimalmedizinischen Ambulanz. Hier werden Schnittverletzungen und so weiter mit einer halben Arztstelle – wie ich das gehört habe – behandelt. Eine psychotherapeutische Behandlung fehlt und findet hier nicht statt. Um hier Erfolg versprechende Arbeit leisten zu können, müsste hier meines Erachtens aufgepolstert werden, Suchthilfe heißt nämlich Alltagsunterstützung.
Entgiftung ist der erste Schritt, es ist die Reduktion des Leidensdruckes, das heißt, es ist eine klare Überlebenssicherung. Weg von der Nadel! Vermeidung von HIV! Dann zählt die Zeit, es ist leider so. Es ist aber auch nachgewiesen, dass diese Patienten langfristig durch eigene Leistung eine langfristige Perspektive bekommen, 30 bis 40 Prozent können dann im Laufe eines Lebens clean werden.
Jetzt, meine Damen und Herren, komme ich zurück auf die Verbesserung! Das heißt doch eigentlich integrierte Versorgung. Vielleicht kann man bei den Planungen in dieser Stadt, wenn es um medizinische Versorgungszentren geht, auch einmal an dieses Indikationsgebiet denken, und zwar inklusive der psychiatrischen Behandlung. Ich weiß zwar, dass Politik hier nicht regulierend eingreifen kann, sie ist nicht umfassend zuständig, wenn es um die Einrichtung von medizinischen Versorgungszentren geht, aber der Drehtüreffekt –
ich komme zum Schluss! –, die Notfallbehandlung, der Sicherheitsaspekt und so weiter fordern uns auf, darüber nachzudenken, was wir wirklich verbessern können.
Allein aus Kostengründen müssen wir eine Verbesserung in der Behandlungskette anstreben. Die Patienten mit schwersten Störungen haben zwar ein niederschwelliges Angebot, eine Grundversorgung, aber sie haben keinen Zugang zur Regelversorgung.
Eine integrierte Versorgung muss szenenah bereitgehalten werden, und entsprechende Vertragspartner müssen hier eingebunden werden inklusive der psychiatrischen Behandlung.
Wir brauchen Koordinatoren für ein Netzwerk, und wir brauchen eine gemeinsame Dokumentation. Wir müssen am Ende auch bewerten können, was wir da tun, ob das richtig ist, wie wir das Geld bereitstellen, ob es richtig angelegt ist, eine Ergebnisbewertung. Wir brauchen übrigens auch keine behördlichen Koordinationsstellen, wir haben draußen genug Fachleute mit kompetentem Wissen, diese müssen vernetzt werden, wir brauchen eine ganzheitliche Hilfeplanung.
Eine erfolgreiche Behandlung heißt, dass eine Behandlung durch Fachärzte begleitet werden muss. Wir brauchen ein aufeinander abgestimmtes und aufeinander bezogenes Hilfesystem, wir brauchen eine verstärkte Evaluierung und praktizierte Prävention. Suchtkarrieren beginnen häufig im Kinder- und Jugendalter, auch Eltern dürfen hier nicht aus ihrer Verantwortung gelassen werden. Wir müssen verlangen, dass auch die Krankenkassen in die Verantwortung genommen werden, denn ein weiteres Problem bleibt, die psychosoziale Begleitung ist keine Kassenleistung. In Zeiten, in denen Leistungskataloge der Krankenkassen eher zusammengestrichen als erweitert werden, ist es klar, das ist eine schwierige Diskussion,
aber auch die Krankenhausaufenthalte kosten viel Geld, und sie könnten vielleicht vermindert werden.
Ich komme zum Schluss, bitte noch ein Hinweis: Zur Glaubwürdigkeit einer Drogenpolitik gehört, dass die Abstinenz möglich wird, Entgiftung, Entzug, Substitutionstherapie, Bausteine müssen aufgebaut werden.
Einen Hinweis bitte noch: Am 26. September 2004 schreibt die Zeitung „Die Welt“, dass Süchtige immer häufiger an Methadon sterben. Methadontodesfälle stellen in Hamburg inzwischen die Hälfte aller Drogentoten dar. Das kann nur passieren, wenn die Kontrollen bei der Methadonabgabe nicht ausreichen. Ich hoffe sehr, dass das für Bremen nicht vergleichbar ist.