Protocol of the Session on May 5, 2004

Ich unterbreche die Sitzung, und um 14.30 Uhr geht es weiter.

(Unterbrechung der Sitzung 13.04 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.35 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Auf dem Besucherrang begrüße ich recht herzlich eine Besuchergruppe der CDU-Fraktion aus Bremen-Stadt und Bremen-Nord. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, wir setzen die Beratung zu Tagesordnungspunkt 27, Bremisches Gesetz über die Gewährung einer Sonderzahlung und zur Änderung des Senatsgesetzes, fort.

Ich rufe als nächsten Redner den Kollegen Pflugradt auf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich, wenn ich vor der Mittagspause an die Reihe gekommen wäre, meinen aufgestauten Ärger, als ich heute früh hier ins Parlament kam, äußern. Die Mittagspause hat dann aber doch dazu geführt, dass ich damit gar nicht beginne und das auch gar nicht erwähne. Wenn ich die nehme, die da draußen waren – wir, Frau Linnert, Herr Böhrnsen und ich, waren ja neulich bei den Personalräten –, wenn da 130 Damen und Herren zusammensitzen und ihren Protest artikulieren, dann muss man sich schon auch noch einmal überlegen und darüber nachdenken, was denn dazu führt, dass die Damen und Herren so protestieren.

Da muss man schon auch ein Stück weit sagen, dass man dafür Verständnis haben muss, denn wenn ich den Beamtenbereich nehme, der jetzt von dem Gesetz, das wir hier verabschieden, betroffen ist, dann weisen die Damen und Herren schon zu Recht darauf hin. Wenn ich an die Besoldungserhöhungen der vergangenen Jahre denke, bei denen es immer wieder Verzögerungen gab, dass es Kürzungen im Beihilfebereich gab, dass es eine Erhöhung der Arbeitszeit gab und dass seit vielen Jahren – –.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Sie rutschen gleich aus auf dem Schleim!)

Sekunde, Sie können sich ja melden und etwas zu den Bemerkungen, die ich bis jetzt ausgeführt habe, sagen!Ich stelle doch nur fest, dass wir vor Jahren eine Erhöhung der Arbeitszeit bei den Beamten hatten. Die Angestellten müssen weniger arbeiten. Frau Busch, das ist doch korrekt, oder?

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Drinnen und draußen reden wir dasselbe!)

Wenn ich die vielen Stellenstreichungen nehme, die wir vorgenommen haben, die Belastungen, die diejenigen dann auf sich nehmen mussten, die aktiv tätig sind, sind das alles Dinge, die die Kolleginnen und Kollegen auch zu Recht anmerken, wenn sie sagen, jetzt sollen wir auf unser Urlaubsgeld verzichten, und unser Weihnachtsgeld wird gekürzt!

Ich glaube für diejenigen, die hier heute dem Gesetz zustimmen, für alle glaube ich, sagen zu können, dass uns das wirklich nicht leicht fällt, sondern dass uns das schwer fällt. Das ist gar keine Frage! Trotzdem, und auch das ist Fakt, sind wir das letzte Bundesland, das aufgrund der Öffnungsklausel dies hier heute beschließt. In dieser oder ähnlicher Richtung haben das inzwischen alle Bundesländer beschlossen, ob das mit absoluter Mehrheit CDUregierte Länder sind, ob das die CSU ist, ob das sozialdemokratisch regierte Länder sind, ob das rotgrün regierte Länder sind! Herr Kollege Köhler, Sie haben zu Recht einen Satz gesagt: Wenn Sie regie

ren würden, würden Sie das hier heute auch beschließen.

(Vizepräsidentin D r. T r ü p e l : Nein, das nicht!)

Das nicht! Ist es üblich, hier vom Präsidium Zwischenrufe zu machen?

(Vizepräsidentin D r. T r ü p e l : Manch- mal kann man nicht anders! Entschuldigen Sie! – Heiterkeit)

Auch Sie hätten in dieser oder ähnlicher Richtung etwas beschlossen, das ist doch gar keine Frage, so wie es in NRW gemacht worden ist oder auch in Schleswig-Holstein! Auch die PDS in MecklenburgVorpommern hat bei der rot-roten Koalition etwas beschlossen. Insofern füge ich hinzu, das gehört auch zur Wahrheit, dass das in allen Ländern beschlossen worden ist. Die Öffnungsklausel, darauf weise ich hin, ist ja nicht nur durch einen Beschluss des Bundesrates zustande gekommen, sondern die rotgrüne Koalition musste mit ihrer Mehrheit schon im Bundestag dem Gesetz zustimmen, sonst wäre das Gesetz nicht zustande gekommen. Den Versuch bei den Grünen also, sich jetzt herauszustehlen, kann ich verstehen,

(Abg. K ö h l e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Nichts, nichts, versuchen wir gar nicht!)

aber es schlägt im Grunde genommen fehl, denn die Öffnungsklausel ist mit den Stimmen der Grünen beschlossen worden.

Ich will in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass für uns zwei wichtige Dinge oder sogar drei dabei mitentscheidend waren. Das Erste war, dass wir gesagt haben, wir wollten nicht schon im letzten Jahr, wie das angedacht war, eine Entscheidung darüber treffen, sondern die Wirkung sollte erst ab diesem Jahr beginnen, dies im Gegensatz zu anderen Bundesländern, die schon im letzten Jahr das Weihnachtsgeld gekürzt haben.

Wir haben auch gesagt, dass im Jahr 2006 eine Überprüfung erfolgen soll, weil wir der Auffassung sind, dass es eine Gleichbehandlung, eine Gleichstellung von Angestellten, Beamten und Arbeitern geben muss. Deswegen ist für uns wichtig zu sagen, wenn im Rahmen der Solidarpaktverhandlungen nicht auch bei den Angestellten und Arbeitern eine ähnliche Regelung herbeigeführt wird, dann wollen wir dies auch ein Stück weit zurücknehmen, so weit wie bei den Angestellten und Arbeitern.

Das Nächste, was wir gesagt haben, worauf wir auch Wert legen, ist, dass das jetzt nicht nur bei den Beamten gemacht wird, sondern dass alle einbezogen werden: Eigenbetriebe, Stiftungen, Gesellschaften, an denen Bremen beteiligt ist. Unter diesen Ge

sichtspunkten sind wir der Meinung, dass wir dem zustimmen können, obwohl, wie zu Anfang ausgeführt, dies schon auch eine besondere Härte für den öffentlichen Dienst ist. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die große Koalition zeigt jetzt hier und heute ihr wahres Gesicht. Ich bin selten zu beeindrucken, aber diese Dreistigkeit, die Schamlosigkeit, diese einmalige Niedertracht, mit der diese große Koalition gegen Staatsbedienstete als Beamte vorgeht, hat mich zutiefst erschüttert.

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, Sie wollen jetzt bei den Beamten kürzen und lachen darüber! Wenn Sie das lächerlich finden, ist das Ihr Problem. Ich finde das traurig, dass man darüber lacht.

(Unruhe bei der SPD und bei der CDU)

Die Beamten haben berechtigte Sorgen und Ängste um ihr Einkommen, und Sie lachen darüber. Sie sollten sich schämen!

Meine Damen und Herren, es ist eine Frechheit und Schmutzigkeit, wenn in einer Debatte erklärt wird, dass die Beamten einen sicheren Arbeitsplatz haben und ihnen nicht gekündigt werden kann. Hat sich denn jemals schon einer von Ihnen einmal die Frage gestellt, ob unsere hoch qualifizierten Beamten vielleicht einen anderen Berufsweg gewählt hätten, wenn sie gewusst hätten, wie sich ihre Situation durch Ihre unsoziale Politik immer weiter dramatisch verschlechtert? Das glaube ich kaum.

Meine Damen und Herren, die Deutsche Volksunion hat schon immer rigoros die Interessen jener Beamten vertreten, die täglich uneigennützig, aufopferungsvoll und unter Einsatz ihrer Gesundheit, ihres Lebens und unterbezahlt für das Allgemeinwohl der Gesellschaft ihren sehr schweren Dienst mutig verrichtet haben.

Meine Damen und Herren, wer in dieses Besoldungsgefüge eingreift, muss wissen, dass er einen Sturm entfacht und auf massiven Widerstand der Beamten und der Deutschen Volksunion stößt. Die Mitarbeiter lassen sich Ihre schamlose, verfehlte und unsoziale Politik nicht mehr länger gefallen, und das ist auch gut so! Wer Binnennachfrage als Wirtschaftswachstum haben möchte, kann diese nicht durch unsoziale Gehaltskürzungen bei Feuerwehrleuten, Polizeibeamten, Krankenschwestern und so weiter erreichen. Das ist unmöglich! Das ist ein krasser Widerspruch in der Politik der großen Koalition und stellt vernünftige Wirtschafts- und Finanzpolitik völlig auf den Kopf.

Meine Damen und Herren, in schweren Zeiten muss gespart werden, das ist völlig klar. Aber, nun kommt das Aber, entgegen dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss die große Koalition sparen, weil sie eine vollkommen falsche Investitionspolitik betrieben hat, weil sie eine vollkommen falsche Wirtschaftspolitik betrieben hat und weil sie eine vollkommen falsche Finanzpolitik betrieben hat. Unter dieser verfehlten und falschen Politik sollen nun die Mitarbeiter des Landes und der beiden Städte Bremen und Bremerhaven leiden. Das, meine Damen und Herren, ist unverantwortlich und hat mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun. Das hat mit Verantwortung für die Mitarbeiter nichts zu tun. Das ist eine kalte, brutale, unanständige, rücksichtslose Politik auf Kosten und zu Lasten der Mitarbeiter, und das ist eine Riesensauerei!

Ich weiß natürlich, dass es in fast allen Fraktionen viele so genannte Kollegen gibt, die genau das denken, was ich eben gerade gesagt habe. Nur, sagen dürfen sie es nicht, weil sie durch den Koalitionszwang gezwungen werden, gegen ihr Gewissen zu entscheiden. Ihr Abstimmungsverhalten wird der Öffentlichkeit gleich deutlich beweisen, dass die Abgeordneten der etablierten Parteien nur ihrem Gewissen verantwortlich sind, also niemandem. Sie haben kein Gewissen, nicht einmal ein schlechtes, sonst würden Sie diese unsozialen Kürzungen nicht so hinnehmen und zustimmen! Fraktionszwang hat mit Demokratie nichts mehr zu tun. Ich weiß, dass es den einzelnen Abgeordneten schwer fällt, gegen massiven Druck nicht ihrem Gewissen folgen zu dürfen. Auch das muss der Präsident wissen, und es ist ihm wahrscheinlich auch bewusst. Deswegen glaube ich, dass wir nach unserer Geschäftsordnung für eine solch wichtige Abstimmung und Entscheidung nach den Paragraphen 57 Absatz 1, 58 Absatz 3 und 58 Absatz 4 diese Abstimmung vertraulich durchführen sollten.

Ich fordere die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Namen der Deutschen Volksunion hiermit auf, einen solchen Antrag zu stellen, allein kann ich es leider nicht, damit eine solche wichtige Maßnahme auf Kosten und zu Lasten der Beamten nicht so einfach, lapidar, rücksichtslos und skrupellos durchgezogen werden kann. Das haben unsere Beamten, die täglich unter Lebensgefahr und jetzt schon unterbezahlt mutig und aufopferungsvoll ihren sehr schweren Dienst im Interesse und zum Wohl der Bürger verrichten, wahrlich nicht verdient.

Meine Damen und Herren, Sie haben diese Beamten, die Sie vielleicht sogar gewählt haben, vor der Wahl und nicht nur vor der Wahl rücksichtslos, skrupellos und niederträchtig belogen und betrogen! Dafür sollten Sie sich zutiefst schämen! Dafür sollten Sie jeden Tag stündlich in der Kirche Abbitte für Ihre großen Sünden leisten!

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, unsere Beamten haben viel zu lange unter Ihrer verfehlten Politik leiden müssen und schwer gelitten. Machen Sie endlich Schluss damit, und lehnen Sie diesen unerträglichen, unsozialen Antrag und Kürzungen zum Wohle und im Interesse unserer Beamten, die auch für Sie täglich 24 Stunden da sein müssen, ab! – Ich bedanke mich!

Das Wort erhält der Abgeordnete Wedler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schwer, nach einer solchen Rede wieder auf sachlichen Boden zurückzukommen.

(Beifall bei der SPD)

Wir beschäftigen uns hier mit einem speziellen Gesetz, dem Sonderzuwendungsgesetz, und das eignet sich nicht, denke ich, zu populistischen Äußerungen oder zu irgendwelchen Beschimpfungen oder so etwas.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Das war die Wahrheit, nichts als die Wahrheit!)

Herr Tittmann, Sie hätten heute Morgen bei der Haushaltsdebatte Gelegenheit gehabt, einmal aufzuzeigen, in welche Richtung Ihre Sparüberlegungen gehen angesichts des Kanzlerbriefes, angesichts unserer hohen Defizite, die wir in den bremischen Haushalten haben. Hier aber nur den ersten kleinen Ansatzpunkt zum Anlass zu nehmen, in überzogener Weise dagegen zu opponieren und dagegen zu protestieren, das ist eigentlich nicht in Ordnung. Sie müssten sich eigentlich sachgerecht damit auseinander setzen!

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Kann er doch nicht!)

Ich denke, dann können Sie auch zu anderen Ergebnissen kommen.

Ich möchte meine kurze Anmerkung zu diesem Sonderzuwendungsgesetz folgendermaßen machen: Herr Köhler, Sie haben vorhin in Ihrem Beitrag auf einen Vorschlag hingewiesen, den ich leider schriftlich gar nicht vorliegen habe, den ich auch gar nicht kenne, den Sie aber skizziert haben. Das war letztlich für Sie der Grund, sich nun von diesem Sonderzuwendungsgesetzentwurf des Senats und der Koalition abzusetzen.

Das ist ein, wie soll ich einmal sagen, Ausweg für Helden, den Sie da nehmen. Sie wollen also im Grunde genommen hier zu dem Gesetzentwurf selbst nicht Farbe bekennen beziehungsweise ihn ablehnen unter Hinweis auf einen eigenen Vorschlag, der