Protocol of the Session on February 14, 2017

Die EU darf gar nicht in die internationale Steuerho heit eingreifen, wenn die Mitgliedstaaten der EU nicht das Recht eingeräumt haben, zum Beispiel bei den Steuern die Gesetzgebung zu harmonisieren. Gerade in diesem Bereich hilft die EUAmtshilferichtlinie, die überarbeitet und ergänzt worden ist und nun in natio nales Recht umgewandelt wird. Wir lehnen daher die Anträge der SPD ab; denn in der Folge gäbe es zwar mehr Europa, aber kein besseres Europa.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kolle ge, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Der Kollege Ro senthal hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemel det. Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Dr. Huber, Sie haben hier sehr ausführlich Ihre Ausführungen über das "Wer in Europa" gemacht. Dabei haben Sie den Mehrwert für die Menschen herausgestellt, und Sie haben die starken Regionen herausgestellt. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass der Mehrwert für die Menschen in Europa bei den Menschen offensichtlich weder emotional noch wirtschaftlich ankommt und dass ein so starkes Land wie die Bundesrepublik Deutschland mit den wirtschaftlichen Eckdaten und mit den Disparitäten, die wir in Europa erzeugen, ein größeres Maß an sozialer Verantwortung übernehmen muss und man sich nicht darauf zurückziehen kann, dass das allein nationaler Politik geschuldet ist?

Zweitens. Wenn ich daran denke, mit welcher Ge schwindigkeit die großen Regelungen zur Sanierung der europaweiten Banken auf den Weg gebracht wor den sind, und wenn ich daran denke, wie Sie, gerade die Bayerische Staatsregierung, bei dem Thema Steuerhinterziehung viele Bundesländer gescholten haben, als sie Kassetten angekauft haben, um die Steuerhinterziehung aufzudecken, dann frage ich mich, wie viel Verantwortung der Freistaat und explizit die Mehrheitsfraktion hier übernehmen will und wie lange wir noch weggucken wollen. Bis es vielleicht zu spät ist? Oder wollen wir gemeinsam einen Kraftakt machen, damit Europa wieder in den Herzen der Menschen ankommt?

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Bitte, Herr Kollege.

Zunächst einmal, Herr Kol lege Rosenthal, möchte ich davor warnen, die Bedeu tung des Exports für den Freistaat Bayern und den Standort Bayern infrage zu stellen. Der Freistaat Bay ern exportiert pro Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von knapp 180 Milliarden Euro. Da hängen Exis

tenzen dran. Da hängen Familien dran. Ich glaube nicht, dass wir jetzt anfangen sollten, die große Ex portleistung des Freistaats Bayern und der Bundesre publik Deutschland zu problematisieren. Wir sollten eher stolz darauf sein, dass wir innovative Produkte haben, die weltweit nachgefragt sind und hilfreich für unseren Standort sind. Das ist das Erste.

Zweitens. Ja, Europa hat ein Akzeptanzproblem. Na türlich muss man die Frage stellen, warum wir noch diese Unterschiede bei den Einkommen haben. Aber die Frage ist doch vor allem: Liegt das an der Produk tivität? Liegt es an der Kaufkraft? Muss ich nicht, wie eben erwähnt, mit den Fonds der Europäischen Union ansetzen, um Investitionen anzuschieben? Ich schaffe doch keinen einzigen Arbeitsplatz und keinerlei Mehr wert dadurch, dass in Brüssel am Grünen Tisch, am Reißbrett, irgendein Mindestlohn vorgegeben wird. Wer glaubt, dass er damit insgesamt die Perspektiven für Rumänien oder Bulgarien oder sonst irgendwo in der EU verbessert, ist völlig auf dem Holzweg, Herr Kollege. Wir müssen eher schauen, dass die Euro päische Union in ihrer historischen Bedeutung wieder bei den Menschen ankommt. Wir müssen klarma chen, dass Frieden und Freiheit nicht selbstverständ lich sind. Natürlich müssen wir auch schauen, dass zum Beispiel durch die Reformen in den Mitgliedstaa ten ein ordentliches Bildungssystem entsteht und Per spektiven entstehen, damit eben nicht, wie Sie es in der Analyse richtig beschrieben haben, in Südeuropa verlorene Generationen mit bis zu 40 % Jugendar beitslosigkeit entstehen. Ich teile durchaus viele Punk te in Ihrer Analyse. Aber ich teile nicht Ihre Schlussfol gerungen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Dr. Fahn von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Prä sident, meine Damen und Herren! Herr Rosenthal, Sie haben sehr gut gesprochen, aber Sie haben keine Analyse der neun Anträge gebracht. Es geht um die neun Anträge der SPD. Über diese diskutieren wir. Ich sage: Ja, auch wir warten auf ein soziales Europa, aber die Frage ist, ob das in die jetzige Zeit hinein passt. Im Moment liegt Europa eigentlich am Boden. Kommissionspräsident Juncker spricht von einer Poly krise: Griechenland, Brexit, Flüchtlingskrise usw. Wir kämpfen als Demokraten der Mitte gegen den rechts populistischen Virus, der mittlerweile auch in unserem Land regiert. Da müssen wir aufpassen, dass wir nicht die falschen Signale setzen. Ja, wir sollten über das soziale Europa sprechen. Das ist aber erst eine der

letzten Stufen zu einem europäischen Bundesstaat, eine Vorstellung, über die wir natürlich nachdenken können. Aber wenn wir ein soziales Europa wollen, dann muss es von den Bürgern getragen werden. Das ist das Problem, weil der Vertrauensverlust der Bürger in Europa derzeit sehr groß ist, sodass jetzt irgend welche Fortschritte für diese Leute zu große Fort schritte bedeuten und sie diese vielleicht gar nicht wollen.

Schauen wir auf die Realität. Wie viele europäische Länder sind dem Kurs offener Grenzen der Großen Koalition gefolgt? Wie steht es um die solidarische Unterstützung unserer Nachbarländer, wenn es um die gerechte Verteilung der Flüchtlinge in ganz Euro pa geht? Das haben wir gerade diskutiert.

Dann muss man natürlich wissen, dass Deutschland der größte Nettozahler in Europa ist. Vielleicht kommt irgendwann mal wieder die Frage, ob Deutschland dann wieder mehr zahlen muss als bisher. Deswegen sollten wir über dieses Thema "des sozialen Europas" differenziert sprechen und genau diskutieren. Deswe gen haben wir diese neun Anträge der SPD ange schaut. Wir haben verschiedene, auch gute Ansätze gefunden. Das sind die ersten vier Anträge, denen wir insgesamt zustimmen werden.

Der erste Antrag ist letztlich nicht mehr und nicht we niger als eine Entschließung. Sie weist darauf hin, dass Europa mehr ist als ein ausgehandeltes Wirt schaftsabkommen. Das ist richtig. Es geht um die Menschen und deren Schutz. Die Resolution spricht zentrale Probleme Europas an und fordert deren Inan griffnahme. Das ist wichtig. Dabei geht es um Wohl standsunterschiede und soziale Sicherheit. Das sind zentrale Probleme. Diese sollten wir angehen. Des wegen sagen wir: Dieser Antrag ist richtig.

Der zweite Antrag ist ein reiner Berichtsantrag ohne irgendwelche politische Konsequenz. Dem können wir uns natürlich nicht verschließen. Es ist wichtig zu wis sen, welchen Standpunkt die Staatsregierung zu dem von der Kommission vorgelegten Entwurf einer euro päischen Säule sozialer Rechte einnimmt.

In dem dritten und dem vierten Antrag geht es ein bisschen genauer zur Sache. Es geht um die Grund sätze europäischer Säulen in Bezug auf soziale Rech te, die einen unverbindlichen Charakter haben. Je doch ist dies eine Richtlinie mit Mindeststandards. Es geht hier also um eine verbindliche Regelung beim Arbeitnehmerschutz. Auch die bayerische Wirtschaft unterstützt diese Punkte. Wir haben bei den verschie denen Demonstrationen zu TTIP gesehen, dass das auch in Deutschland ein Thema ist und dass die Men

schen das wollen. Deswegen halten wir diesen Antrag für insgesamt richtig.

Dann kommen wir zu Antrag fünf. Beim Mindestlohn sind wir von den FREIEN WÄHLERN anderer Mei nung. Hier sagen wir: Das ist ein Thema der nationa len Wirtschaft. Die EU hat hier keine Kompetenz, und das ist auch gut so. Hier können die Mitgliedstaaten viel besser handeln als eine zentralistische EU. Die ses Problem des Mindestlohns ist nicht nur in Deutschland ein Problem. Hier gibt es viele Unter schiede. Für München ist der Mindestlohn sehr nied rig, für Schwerin ist er sehr hoch. Eine einheitliche Ko ordination in Europa geht uns schon insgesamt zu weit. Bei den vielen Unterschieden in den euro päischen Ländern kann das eigentlich nur jedes Land, jede Volkswirtschaft eigenständig regeln.

Auch der sechste Antrag schießt für uns über das Ziel hinaus. Ich möchte als FREIER WÄHLER nicht über ein Landesparlament fordern, dass sich die EU in Kompetenzen der Mitgliedstaaten einmischt und vor schreibt, wie eine europaweite Sozialpolitik auszuse hen hat. Es geht hier um Fragen der auskömmlichen Alterssicherung, der Verhinderung von Armut. Das ist schon ein richtiges und wichtiges Thema. Aber wir meinen, dass die Staaten das selbstständig lösen können und lösen müssen.

Beim siebten Antrag geht es um ein Sonderinvestiti onsprogramm für soziale Zwecke. Das ist schon rich tig und wichtig, aber es gibt schon genügend Pro gramme, die das ebenfalls umsetzen. Es gibt zum Beispiel den Europäischen Sozialfonds. Es gibt Pro gramme der Erwachsenenbildung usw. Deswegen ist uns immer noch nicht klar, warum jetzt zusätzliche Programme kommen und dadurch Doppelstrukturen geschaffen werden sollen. Wir sind schon für eine Er höhung der Mittel für Bildung und Forschung, aber wir wollen erst einmal – das ist ein Grundprinzip der FREIEN WÄHLER –, dass bestehende Programme genutzt und aufgestockt werden.

Der achte Antrag fordert strenge Richtlinien gegen Steuerbetrug und Steuervermeidung. Das ist alles gut und insgesamt richtig. Aber ich denke, hier gibt es schon einen Abschlussbericht der Kommission, und wir meinen, dass dieser Abschlussbericht der Kom mission erst noch umgesetzt werden soll.

Im neunten Antrag geht es um die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Es gibt schon dieses Pro gramm "Jugendgarantie", das jetzt noch ausgebaut und erweitert werden soll. Aber wir haben gesehen, dass dieses Programm "Jugendgarantie" noch gar nicht in allen Staaten umgesetzt worden ist. Deswe gen sagen wir: Warten wir erst einmal ab, bis die Um

setzung dieses Programms in Europa erfolgt ist! Dann können wir konkret weiterreden.

Fazit: Wir können schon nachvollziehen, dass die SPD dieses Thema als wichtig empfindet und dass sie einen Schwerpunkt auf die Stärkung der sozialen Rechte legt. Aber einige Anträge wollen zentralisti sche Regelungen, die einem Europa der Vielfalt, einem Europa der Regionen einfach widersprechen und zu stark in nationale Kompetenzen eingreifen. Deswegen können wir die letzten fünf Anträge nicht mittragen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Kamm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Erstmal herzlichen Dank an Sie, Herr Präsident, für Ihre Rede bei dem Besuch des Europaausschusses in Brüssel. Sie haben da eine sehr schöne, proeuropäische Rede gehalten. Vielen Dank dafür!

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der CSU)

Ich möchte heute noch an eine andere vielbeachtete Rede erinnern, nämlich an die Rede unseres Bundes tagspräsidenten Norbert Lammert bei der Bundesver sammlung am letzten Sonntag. Er sagte unter ande rem, Herausforderungen wie die Migrationsströme oder der Kampf gegen den Terrorismus oder der Kli mawandel können nicht von den Nationalstaaten allei ne bewältigt werden. Er sagte weiter, wenn weder der russische noch der amerikanische Präsident ein Inte resse an einem starken Europa haben, dann ist dies ein zusätzliches Argument dafür, dass wir selbst die ses Interesse an einem starken Europa haben müs sen. Der Beifall war stark. Aber viele meiner Bekann ten waren doch irritiert darüber, dass außerordentlich demonstrativ in der ersten Reihe unser Bayerischer Ministerpräsident nicht applaudierte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sagen: Statt Putin zu besuchen oder den Versu chen, quasi im Handgepäck eines Industriellen den amerikanischen Präsidenten besuchen zu können, müssen wir uns mehr um Europa kümmern,

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

müssen wir uns mehr um die Gemeinschaft in Europa kümmern, und wir sagen: Europa darf sich nicht als nordeuropäischer Luxusclub verstehen. Europa muss sich mehr um die Menschen in Europa kümmern und muss alle Menschen in Europa mitnehmen. Nur ein Europa, von dem die Menschen überall glauben, dass es ihnen nützt, ist zukunftsfähig.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Angesichts erheblicher Arbeitslosigkeitsprobleme, an gesichts erheblicher wirtschaftlicher Ungleichheiten brauchen wir – so auch Kommissionspräsident Jun cker – eine Stärkung des sozialen Europa. Von Jun cker hat es lange niemand geglaubt, dass er so etwas sagt, aber dies sagte er bereits vor zwei Jahren. Wir müssen, fordert Juncker, uns mehr um die Beschäfti gung, um die soziale Sicherheit und um die Bekämp fung von Armut und sozialer Ausgrenzung kümmern. Und es sei wichtig, so Juncker, deutlich zu machen, dass Europa nicht eine Wirtschaftsunion, sondern ein sozialer Zusammenschluss ist, der allen Europäern nutzen muss.

Es ist so – das ist richtig –, dass Europa im Bereich der Sozialpolitik nahezu keine Regelungskompetenz besitzt, vielleicht ein Gründungsfehler, wer weiß! Den noch ist es wichtig zu prüfen, inwieweit und wie eine zusätzliche europäische soziale Säule eingezogen werden kann: Arbeitnehmerrechte, Schutz vor sitten widrigen Arbeitsbedingungen, Schutz vor Missbrauch bei Leiharbeit, Mindestlohnbestimmungen in den je weiligen einzelnen Ländern.

Das heißt nicht, lieber Kollege Fahn, dass in ganz Eu ropa der Regelmindestlohn gelten muss, sondern dass es Mindestlohnbestimmungen in allen einzelnen europäischen Ländern geben sollte.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Es geht um Programme gegen Kinderarmut, um Pro gramme zur Umsetzung der Jugendgarantie. Es geht um Investitionen im sozialen Bereich, um Investitio nen für Arbeit und Beschäftigung auch dort, wo die Arbeitslosigkeit hoch ist. Es geht um Initiativen gegen Steuerdumping. Ja, das muss Europa tun, und das kann Europa tun!

Nichts anderes als dies fordert auch das Europäische Parlament mit überwältigender Mehrheit, beispielswei se am 19. Januar dieses Jahres mit 396 JaStimmen, 180 NeinStimmen und 98 Enthaltungen. Ich denke, das ist eine deutliche Mehrheit für ein soziales Euro pa, für eine Stärkung der sozialen Säule in Europa, an der wir uns hier doch eigentlich auch orientieren könn ten.

Die Anträge der SPD, liebe Kolleginnen und Kollegen, zielen in dieselbe Richtung wie die Initiativen der überwältigenden Mehrheit des Europäischen Parla ments. Wir GRÜNE begrüßen die Stärkung der sozia len Rechte und sind gespannt auf die Ergebnisse des Konsultationsverfahrens, das momentan gerade ge laufen ist und bei dem immerhin 16.500 Reaktionen und 200 schriftliche Stellungnahmen eingegangen sind.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir sagen: Europa ist mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft. Europa ist eine Wertegemeinschaft auf der Basis un serer Menschenrechte.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH LERN)

Wir treten dafür ein, dass Europa diese Verantwor tung wahrnimmt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Staats ministerin Müller das Wort. Bitte schön, Frau Staats ministerin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegin nen und Kollegen. Wir stehen in Deutschland mit einer Arbeitslosenquote von 6,5 % und einer Jugend arbeitslosenquote von 3,9 % sehr gut da, in Bayern sogar noch besser. Wir haben im Januar 2017 in Bay ern eine Arbeitslosenquote von 3,8 % und eine Ju gendarbeitslosenquote von 3,1 %.