Martin Huber
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Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ohne Zweifel ist saubere Luft eine unserer wichtigsten Lebensgrundlagen. Deswegen müssen wir die Luft in Stadt und Land reinhalten, damit die Menschen die besten Lebensbedingungen vorfinden. Dafür steht Bayern, und dafür steht die CSU.
Im Juli 2017 hat das Kabinett bereits ein umfassendes Maßnahmenpaket für saubere Luft in den Innenstädten auf den Weg gebracht. Wir wollen die Flottenwerte der Diesel-Pkw verbessern, alternative Antriebe fördern, die Ladeinfrastruktur für E-Mobilität weiter ausbauen, den ÖPNV voranbringen und Radwege ausbauen. Unsere Haltung dabei ist klar: Pauschale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Großstädten lehnen wir ab, und dazu stehen wir; denn Dieselfahrverbote sind unsozial und familienfeindlich, und sie gefährden Handwerk und Mittelstand. Deshalb sage ich auch ganz klar an die Adresse von SPD und GRÜNEN: Wenn Sie gegen unsere Handwerksbetriebe Politik machen wollen, dann schreiben Sie das auch in die entsprechenden Anträge hinein.
Wenn Sie den Bürgerinnen und Bürgern zuhören würden, würden Sie bei solchen Anträgen auch vorsichtiger agieren. In mein Büro kommen Handwerker zur Bürgersprechstunde, die verunsichert sind. Sie haben teilweise Existenzängste, weil sie nicht wissen, ob sie mit dem gerade gekauften Dieselfahrzeug, in das sie viel Geld investiert haben, noch fahren dürfen oder nicht.
Deshalb brauchen wir keine Verbote und keine weitere Verunsicherung der Menschen, sondern vernünftige und realitätsnahe Lösungen. Wir brauchen ein Mobilitätskonzept, das die Luftqualität auch an
verkehrsreichen Straßen in den Innenstädten besser macht. Das ist unter anderem durch den verstärkten Einsatz neuester Dieseltechnologie möglich. Zudem sollen auch die Diesel-Pkw nach Euro-5-Norm durch Software-Lösungen ertüchtigt werden. Für mich ist dabei aber auch klar: Das kann nicht auf Kosten der Verbraucher und der Handwerker geschehen. Kaufanreize für modernste Dieselfahrzeuge und die Kostenneutralität für Kunden, die ein Software-Update durchführen lassen, haben dabei oberste Priorität.
Ich möchte auch die Anstrengungen im Bereich der Elektromobilität besonders hervorheben. Die staatliche Förderung des Aufbaus der Ladeinfrastruktur soll aufgestockt werden. Synthetische Kraftstoffe sollen weiterentwickelt werden. Mit den großen Städten in Bayern wurde über ein Förderprogramm zur Flottenumstellung städtischer Nutzfahrzeuge gesprochen. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Staatsregierung und des Bayerischen Städtetages ist bereits eingerichtet, um Lösungen für rechtliche Instrumentarien für die Städte zu finden. Auch die E-Mobilität muss einen entscheidenden Schritt vorankommen.
Ein weiteres Ziel ist es, das Fahrrad verstärkt als Verkehrsmittel zu etablieren. Wir wollen deshalb den Anteil der Wege für Radfahrer an den Verkehrswegen auf 20 % steigern. Die Voraussetzung dafür ist ein bayernweites Radverkehrsnetz. Die Planung dieses Netzes ist Teil des Radverkehrsprogramms Bayern 2025, das bereits letztes Jahr im Ministerrat beschlossen wurde. Dafür investiert der Freistaat Bayern in den Jahren 2015 bis 2019 über 200 Millionen Euro. Besonders in den Ballungsräumen München und Nürnberg brauchen wir schnelle und effektive Radschnellverbindungen. Daneben gibt es auch eine verbesserte Förderung von Fahrradabstellanlagen an Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs. Die verschiedenen Verkehrsarten müssen Hand in Hand gehen.
Wenn wir über den Verkehr neu nachdenken wollen, müssen wir auch weiterhin Mobilität ermöglichen und nicht verbieten. Die Menschen werden trotz eines besseren ÖPNV und trotz des besten Radwegenetzes nicht voll auf den Individualverkehr verzichten wollen. Deswegen gehen wir mit Maß und Ziel voran und bringen die Maßnahmen, die wirken sollen, auf den Weg. Das ist der entscheidende Unterschied zu den GRÜNEN. Wir erlassen keine Verbote, sondern setzen Anreize, damit die Grenzwerte für Stickstoffdioxid in unseren Städten eingehalten werden. Wir sind entschlossen, die Verbesserung der Luftqualität auch mit Landesmitteln kraftvoll zu unterstützen. Fahrverbote auf einigen Straßen führen zu Ausweichverkehr in echte Wohnstraßen. Das kann niemand wollen. Nehmen wir als Beispiel Hamburg. Dort wurde im Mai an zwei Straßen ein Fahrverbot für ältere Diesel-Pkw eingeführt mit dem Ergebnis, dass die Grenzwerte weiterhin überschritten werden und dass der Ausweichverkehr für leicht erhöhte Werte auf anderen Straßen sorgt.
Hinzu kommt ein weiteres Paradoxon: Am Hamburger Hafen sind die Werte zehnmal so hoch wie an den am meisten belasteten Straßen in Deutschland.
Wir setzen in Bayern auf Zukunftstechnologien. Wir setzen uns für das Forschungs- und Anwendungszentrum für innovative Kraftstoffe in Straubing ein.
Wir setzen uns für den Pakt zur Zukunft der Fahrzeugindustrie in Bayern ein, der im Juni mit der Wirtschaft geschlossen worden ist. Ziel ist es, dass Bayern auch in Zukunft Premiumstandort für die Technologie- und Innovationsführer im Fahrzeugbau bleibt. Wir müssen besonders die alternativen Antriebstechnologien voranbringen. Ich denke an die Forschung in Bayreuth oder an den Energie Campus Nürnberg. Mit allen diesen breit gefächerten Maßnahmen werden die Grenzwerte eingehalten.
Meine Damen, meine Herren, das Programm der GRÜNEN ist mit dem Titel "Umweltpolitik muss radikal sein" überschrieben. Wir brauchen nicht mehr Radikalität im Parlament, wir brauchen vernünftige und realitätsnahe Lösungen. Dafür steht die CSU, und dafür steht Bayern.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In diesen Tagen wird sehr viel über Europa gesprochen. Viele sorgen sich, wie es in und mit Europa weitergeht. Dabei geht es aber nicht um die Frage und um die Unterscheidung gute Europäer und schlechte Europäer. Es geht darum, dass Europa und die Politik in Europa erklärbar und nachvollziehbar sein müssen;
denn nur ein Europa, das die Menschen verstehen, ist auch ein Europa, das Zukunft hat. Das wollen wir doch alle.
Die bisherige Praxis der Kindergeldzahlungen ins EUAusland ist so ein Punkt, den viele nicht verstehen. Das Kindergeld richtet sich grundsätzlich nach dem Sorgerecht und wird einem Elternteil ausbezahlt. Das Kindergeld beträgt für das erste und für das zweite
Kind 194 Euro, für das dritte Kind 200 Euro und für das vierte sowie jedes weitere Kind 225 Euro. Auch in Deutschland lebende Ausländer haben einen Anspruch auf das deutsche Kindergeld, sofern sie über die entsprechende Niederlassungserlaubnis oder anderweitige Aufenthaltstitel verfügen, die zum Kindergeldbezug berechtigen. Staatsangehörigen der EUStaaten sowie des Europäischen Wirtschaftsraums steht das Kindergeld auch ohne Niederlassungserlaubnis oder andere Aufenthaltstitel zu, da diese aufgrund der Freizügigkeit von EU-Bürgern den deutschen Bürgern gleichgestellt sind. Das Kindergeld wird also auch für Kinder bezahlt, die im europäischen Ausland leben.
Die Bundesagentur für Arbeit hat im Jahr 2017 etwa 343 Millionen Euro auf Konten im Ausland überwiesen. Im Jahr 2010 waren es noch 35,8 Millionen Euro. Im Dezember 2017 ist Kindergeld an insgesamt 215.500 ausländische Kinder gezahlt worden, die nicht in Deutschland lebten. Im Dezember 2010 hat es Kindergeld für insgesamt noch 61.000 ausländische Kinder gegeben, die nicht in Deutschland lebten. Die meisten Kinder lebten in Polen, in Kroatien und Rumänien.
Das Kindergeld soll dabei helfen, die Eltern bei den höheren Lebenshaltungskosten der Kinder zu unterstützen. Es soll aber nicht das Ersatzeinkommen in anderen EU-Staaten sein. Selbst die SPD auf Bundesebene ist der Meinung, dass die Höhe der Familienleistung an die Lebenshaltungskosten des Wohnsitzstaates gekoppelt werden muss. So steht es jedenfalls in dem entsprechenden Gesetzentwurf, den Wolfgang Schäuble 2017 eingebracht und der von der SPD in der Großen Koalition mitgetragen wurde.
Noch im März dieses Jahres hat ein Sprecher aus dem Bundesarbeitsministerium von Hubertus Heil von der SPD erklärt, dass das Thema selbstverständlich auf der Tagesordnung bleibt. Hier im Haushaltsausschuss des Bayerischen Landtags hat Herr Kollege Güller, auch von der SPD, betont, dass, ich zitiere, "man über die Indexierung in der beantragten Weise nachdenken müsse". Zitat Ende. Da hat er sogar recht. Alles andere ist ja vernünftigerweise auch nicht erklärbar.
Nehmen wir einmal ein Beispiel: Eine Familie mit drei Kindern und Eltern, die in Deutschland arbeiten oder sich hier aufhalten, erhält 588 Euro an Kindergeldzahlungen. Wenn die Kinder im Ausland leben, erhält die Familie ebenfalls 588 Euro an Kindergeld. Das monatliche Durchschnittsgehalt in Rumänien belief sich aber im Jahr 2015 auf 1.859 Leu oder umgerechnet 418 Euro. Das bedeutet, dass das Kindergeld bei einer fünfköpfigen Familie das Durchschnittseinkom
men in Rumänien erheblich übersteigt. Das bedeutet auch, dass eine Familie, die in Deutschland lebt, vergleichsweise nur in geringerem Maße entlastet wird. Wenn Europa seine Akzeptanz steigern will, muss es genau solche Ungerechtigkeiten ändern.
Den Menschen ist es doch nicht vermittelbar, dass Menschen in einem Land mit niedrigeren Lebenshaltungskosten ein gleich hohes Kindergeld ausgezahlt bekommen wie Eltern in Deutschland. Die Konsumausgaben je Haushalt in Deutschland betrugen im Jahr 2016 2.480 Euro im Monat. In Rumänien waren es im gesamten Jahr 2015 insgesamt 4.597 Euro, also umgerechnet 383 Euro im Monat. In Rumänien lebende Kinder werden mit den Kindergeldzahlungen aus Deutschland also deutlich besser gestellt als Kinder, die in Deutschland leben.
Das dürfen wir nicht länger so praktizieren, weil dafür jegliches Verständnis fehlt. Bisher hat sich der EuGH noch nicht mit dieser Frage befasst, und die Europäische Kommission lehnt eine Anpassung des Kindergeldes an die jeweiligen Lebenshaltungskosten am Wohnsitz des Kindes ab. Wir denken aber, dass die Verordnung 883/2004 eine Indexierung durchaus zulässt; denn dort ist vorgesehen, dass die Familienleistungen an das im Ausland lebende Kind so gewährt werden, als würde es in Deutschland leben. Nach Einschätzung von Juristen ist das "als ob" jedoch nicht rein formal, sondern materiell, also auch wertmäßig zu verstehen. Diese Auffassung teilt auch Prof. Dr. Obwexer, Mitglied des Team Europe der Europäischen Kommission.
Daher hat der Freistaat Bayern im Bundesrat ganz aktuell eine Initiative für diese Indexierung gestartet und einen Gesetzentwurf vorgelegt. In Österreich ist eine entsprechende Regelung bereits auf den Weg gebracht worden; denn dort gibt es mit der sogenannten Familienbeihilfe eine ähnliche soziale Unterstützungsleistung für Familien. Die Indexierung soll noch in diesem Jahr kommen.
In diesem Zusammenhang ist es allerdings auch notwendig, in den Regelungen des EU-Rechts klarzustellen, dass die Mitgliedstaaten eine Indexierung exportierbarer sozialer Leistungen vorsehen können. Eine entsprechende Initiative hat sich übrigens bereits in der Vereinbarung mit Großbritannien im Vorfeld des dann leider erfolgten Brexit gefunden. Das brauchen wir jetzt auch im EU-Recht.
Wer Europa mit seinen unschätzbaren Werten wie Frieden und Freiheit erhalten und in eine gute Zukunft führen will, muss Europa den Menschen verständlich machen. Ungleichbehandlungen, wie die hohen Kindergeldzahlungen ins Ausland, sind den Menschen
dabei nicht zu vermitteln. Leider entwickeln die Menschen auch aufgrund solcher Ungereimtheiten eine zunehmende Skepsis gegenüber Europa. Das kann niemand wollen.
Wir wollen ein Europa, in dem Schluss ist mit solchen Absurditäten. Wir wollen ein Europa, in dem es gerecht zugeht. Wir wollen ein Europa, das die Menschen verstehen, weil nur dann Europa auch Zukunft hat. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben damit begonnen, das europäische Dach zu reparieren. Wir müssen das europäische Haus jetzt fertigstellen, da die Sonne scheint und solange sie scheint. Das hat Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union gesagt.
Die Menschen nehmen die Situation der Europäischen Union in meinen Augen aber völlig anders wahr. Sie haben das Gefühl, dass es dem europäischen Haus am Fundament fehlt, ja, dass es manchmal weniger ein Haus ist, sondern oftmals eher einem Luftschloss gleicht.
Lassen Sie mich eines klar sagen: Natürlich stehen wir zu dem einzigartigen Friedens- und Freiheitsprojekt der Europäischen Union. Die Zusammenarbeit in der Europäischen Union ist für uns nichts anderes als die Lehre aus der Geschichte. Genau deswegen ist für uns auch klar: Wir stehen zu Europa, und wir stehen zur Europäischen Union. Wir müssen die Europäische Union wieder besser machen, damit sie Vertrauen bei den Menschen zurückgewinnt. Die Europäische Union muss endlich auch die richtigen Prioritäten setzen.
Da gilt es jetzt eben nicht, weitere Erweiterungsfantasien zu fabrizieren, sondern die EU in ihrem Bestand zu konsolidieren. Wir müssen auch schauen, was den Menschen auf den Nägeln brennt. Das vordergründige Problem hierbei ist doch nicht, dass es noch nicht genug Länder im Schengenraum gibt, nein, die Außengrenzen sind jetzt schon nicht ausreichend geschützt. Wir können doch in dieser Situation nicht noch mehr Länder in den Schengenraum aufnehmen, die wieder nicht in der Lage sind, unsere Außengrenzen ausreichend zu schützen. Die Europäische Union
muss das Problem der Außengrenzen ganz prioritär angehen.
Solange Schengen nicht funktioniert, kann Schengen auch nicht erweitert werden. Präsident Juncker hat seine Forderung nach der Ausweitung des Schengenraums nicht einmal näher begründet. Er hat ohne nähere Begründung gefordert, den Schengenraum für Rumänien und Bulgarien unverzüglich zu öffnen.
Herr Kollege Rinderspacher, von Ihrer Seite sind ja auch schon Anträge gestellt worden, die mehr Umverteilung in Richtung Rumänien und Bulgarien forderten, weil die Menschen dort in einer schwierigen sozialen Lage seien und diese Länder Schwierigkeiten in ihren Strukturen haben. Im Übrigen kommt die Armutsmigration nach Deutschland hauptsächlich auch aus diesen Ländern. Deshalb ist es mir unerklärlich, wie diese Länder die finanziellen und organisatorischen Mittel aufbringen sollen, um die Außengrenzen des Schengenraums besser schützen zu können. Hinzu kommen die Nachrichten, wonach die Migranten neuerdings den Weg über das Schwarze Meer suchen. Eine Ausweitung des Schengenraums um Rumänien und Bulgarien wäre zum jetzigen Zeitpunkt unverantwortlich und ist unter keinen Umständen zu akzeptieren.
Lassen Sie uns noch einmal auf die Situation während des Flüchtlingsstromes 2015/2016 schauen. Hat Schengen damals funktioniert? – Vor drei Jahren haben wir gemerkt, für wie viele Probleme Schengen gesorgt hat. Sollte unsere Antwort nun wirklich sein, dass der Schengenraum größer werden muss? – Das ist doch grotesk. Bayern hat die richtigen Schlüsse aus dem Jahr 2015 gezogen. Wir haben die Schleierfahndung massiv ausgeweitet. Wir haben nach harter Arbeit mit dem bisherigen Koalitionspartner in der Bundesregierung auch die Grenzkontrollen eingeführt. Wir stehen dafür, dass die Schleierfahndungen und die Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums weiterhin aufrechterhalten werden.
Die Zahlen geben uns auch recht. Allein von Januar bis Juli 2017 hat die Polizei an den Grenzübergängen auf der A 8, der A 3 und der A 93 über 2.000 Personen aufgegriffen, die unerlaubt einreisen wollten. Außerdem wurden 165 Schleuser festgesetzt. Zusätzlich hat die Polizei über 1.200 Straftaten von Passfälschungen bis hin zu Diebstählen und Rauschgiftdelikten aufgeklärt. Hinzu kamen über 6.000 Personen, nach denen aus den verschiedensten Gründen poli
zeilich gefahndet wurde. Diese Zahlen sprechen für sich. Sie deuten auch darauf hin, dass die Grenzkontrollen an den EU-Außengrenzen in keiner Weise zufriedenstellend sind. Solange dies der Fall ist, müssen die Binnengrenzkontrollen aufrechterhalten werden. Dieses Vorgehen ist im Übrigen auch höchstrichterlich bestätigt worden und nach dem geltenden Recht möglich. In so einer Situation kann es nicht sein, dass weitere Länder in den Schengen-Raum aufgenommen werden. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Erweiterung der Eurozone.
Schauen wir uns die aktuelle Lage einmal an: Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien, Tschechien und Ungarn erfüllen die Konvergenzkriterien nicht. Juncker schlägt ein sogenanntes Euro-Vorbereitungsinstrument vor, das diesen Ländern finanzielle Heranführungshilfen bietet. Das erweckt den Eindruck, als gäbe es bislang keine Instrumente, um Strukturschwächen in der EU zu beheben. Genau das ist aber falsch. Wir haben in der Europäischen Union die Instrumente, um die Strukturschwächen zu beheben. Die EU stellt in der Regional- und Kohäsionspolitik in der aktuellen Förderphase bis zum Jahr 2020 rund 352 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Geld ist auf den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung mit circa 277 Milliarden Euro und den Kohäsionsfonds mit etwa 75 Milliarden Euro aufgeteilt. Daneben stellt der Europäische Sozialfonds rund 120 Milliarden Euro zur Verfügung. Auch in der Europäischen Jugendinitiative werden 7,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. 26 Milliarden Euro gibt es über den Europäischen Fonds für strategische Investitionen. In der Summe sind dies über 500 Milliarden Euro zur Bekämpfung der strukturellen Unterschiede. Es gibt auch noch den sogenannten Juncker-Fonds, mit dem durch einen Beitrag der Europäischen Investitionsbank in Höhe von 7,5 Milliarden Euro weitere Investitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro generiert werden können.
Diese Gelder sind dafür da, damit die Länder die Kriterien erfüllen können. Wie bereits erwähnt, sind diese Gelder ausreichend. Wenn 500 Milliarden Euro nicht ausreichen, dann liegt das nicht am Geld, dann liegt der Fehler woanders. Europa leidet zum Teil bis heute an einer zu schnellen Ausweitung der Eurozone, wie sie in der Vergangenheit geschehen ist. Länder, die die Kriterien über Jahre hinweg nicht erfüllt haben, waren eine Ursache für die Eurokrise. Aus diesen Fehlern müssen wir lernen. Wir müssen erst die Probleme lösen, die momentan in der Eurozone bestehen. Anschließend können wir über weitere Aufnahmen nachdenken. Italien und Spanien sind noch nicht vollständig über den Berg. Auch Griechenland bleibt ein Sorgenkind.
Die Wirtschaftskraft in den Ländern der Eurozone muss dauerhaft stabil sein, und das Wachstum muss weiter nach oben gearbeitet werden. Langfristig sollen weitere Länder eine Beitrittsperspektive haben, aber nur, wenn sie die Kriterien erfüllen. Wir brauchen kein Europa der Fantasten. Wir brauchen ein Europa der Realisten. Deshalb ist unsere Haltung klar: keine Ausweitung von Eurozone und Schengenraum.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Titel der heutigen Aktuellen Stunde kann man kaum glauben, dass es sich dabei um die gleiche Person handeln soll, die vom ehemaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder noch als "lupenreiner Demokrat" bezeichnet wurde.
Immerhin gestehen Sie nun grundsätzlich zu, dass der Gesprächsfaden aufrechterhalten werden soll. Normalerweise besteht Ihr außenpolitischer Ansatz eher darin zu sagen, mit wem man nicht reden darf. Gesprächsverbote, wie Sie sie wollen, zum Beispiel gegenüber Ungarn, führen aber nicht weiter, genauso wenig wie die öffentliche Übermittlung von Bedingungen. "Russland ist unlösbar in die europäische Geschichte verflochten, nicht nur als Gegner und Gefahr, sondern auch als Partner – historisch, politisch, kulturell und ökonomisch." Das ist ein Zitat von Willy Brandt, dem Bundeskanzler und dem Vorsitzenden der ehemals stolzen Volkspartei SPD.
Willy Brandt hat in schwierigen Zeiten erkannt, dass Gesprächskanäle zu wichtigen Partnern aufrechterhalten werden müssen. Sein Motto lautete "Wandel durch Annäherung". Herr Kollege Rosenthal, das war in der Tat wichtig für die Beziehungen zu Osteuropa.
Dass wir aber die Deutsche Einheit erreichen konnten, lag auch an Franz Josef Strauß und seiner Klage gegen den Grundlagenvertrag, womit deutlich gemacht wurde, dass es nicht zwei Deutschlands gibt, sondern nur eines. Das soll an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben.
Franz Josef Strauß hat damals auch erkannt, dass die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion notwendig ist,
um Vertrauen zu schaffen und Brücken zu bauen. Sein Flug zu Gorbatschow nach Moskau ist bis heute legendär. Was fordert die SPD heute? – Außenpolitik der Bayern-SPD heißt immer nur festzulegen, mit wem man nicht reden darf.
Aber letztlich kaschieren Sie damit nur, dass eigentlich niemand von Rang und Namen mit Ihnen reden will. Herr Kollege Rosenthal, Sie haben recht: Außenpolitik wird in Berlin gemacht, nicht in München. Ihr Außenminister Sigmar Gabriel war kürzlich zu seinem Antrittsbesuch in Russland. Ich bin mir sicher: Ihr Genosse hat dort bestimmt die Ihnen wichtigen Punkte angesprochen. Sigmar Gabriel war einmal Wirtschaftsminister. Als solcher hat er eine Lockerung der Sanktionen gefordert. Was war die Reaktion der SPD, Herr Rinderspacher? – SPD-Mitglieder haben einen Arbeitskreis gegen Gabriels Ostpolitik gegründet. Ich kann nur sagen: Klären Sie erst einmal innerhalb Ihrer Partei den Kurs gegenüber Russland, bevor Sie uns Belehrungen erteilen.
Wir brauchen dafür keinen selbsttherapeutischen Stuhlkreis. Unser Ministerpräsident Horst Seehofer hat einen ganz klaren Kurs in der Russlandpolitik. Er wird die für Bayern wichtigen Punkte ansprechen, und zwar handelt es sich hierbei um die Punkte der Zusammenarbeit, wo die Länderzuständigkeit greift und ureigenste Interessen Bayerns berührt sind: in der Bildung, in der Kultur, in der Wissenschaft und in der Wirtschaft. Besonders auch im Interesse der Landwirtschaft müssen wir mit Russland im Gespräch bleiben. Einfuhrverbote hat es zum Beispiel wegen der Schweinepest bereits vor der Krim-Annexion gegeben. Mehrere Importverbote wurden aus verschiedenen Gründen erlassen und belasten die Landwirtschaft bis heute. Man muss also unabhängig von der Frage der Sanktionen und der Gegensanktionen darauf drängen, zu einer guten Zusammenarbeit zurückzukehren. Ja, es ist notwendig, dass sich die Lage in der Ukraine verbessert und die Minsker Vereinbarungen umgesetzt werden. Aber mit wem sollen wir darüber reden, wenn nicht mit der Ukraine und auch mit Russland?
Hier ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben und Lösungen zu erarbeiten. Das geht nicht mit einem öffent
lichen Schaulaufen. Da ist eine zuverlässige Basis der vertrauensvollen Diplomatie gefordert. Natürlich beschäftigt auch uns die humanitäre Lage in Syrien. Es ist notwendig, dass die Hilfsorganisationen vor Ort nachhaltig und unbehindert ihre Hilfe leisten können.
Mit wem sollen wir darüber reden, wenn nicht auch mit Russland? Russland ist für viele Krisen in der Welt der Schlüssel zur Lösung. Deshalb stellen wir aber noch keinen Freibrief aus, sondern handeln in größter Verantwortung für Bayern und im Bewusstsein der Krisenherde dieser Welt.
Schon allein aufgrund der Verbindungen, die zwischen den Russlanddeutschen und ihrer ehemaligen Heimat bestehen, dürfen die Gesprächsfäden nicht abreißen. Ein offener Austausch sollte deshalb auch in deren Sinne wichtig sein. Diese Reise ist mit Sicherheit nicht einfach, aber unser Ministerpräsident Horst Seehofer duckt sich nicht weg, sondern handelt im Interesse Bayerns. Deshalb ist – die Kollegin Schulze hat es angesprochen – ein Treffen mit russischen Nichtregierungsorganisationen wie der Gorbatschow-Stiftung angesetzt. Eine große und langjährige bayerische Nichtregierungsorganisation ist sogar in der Delegation vertreten, Herr Rinderspacher. Bayern setzt nicht auf Abschottung, sondern auf den Dialog mit Russland. Das ist doch der Grundgedanke von Europa. Sie sprechen im Titel der heutigen Aktuellen Stunde von "Verantwortung für europäische Werte". Aber was genau ist der größte europäische Wert, den wir heute haben? – Dass die Vertreter der Staaten am Konferenztisch zusammensitzen und dort um Lösungen ringen, nicht auf dem Schlachtfeld. Russland bekommt keinen Freibrief und hat ihn auch nicht verdient. Sie schreiben im Titel zwar "Kritischer Dialog", aber nach der bisherigen Debatte meinen Sie eigentlich "Kein Dialog".
Es ist aber noch kein Problem gelöst worden, indem man nicht miteinander gesprochen hat. Früher wurden sogar Foren zum Dialog und zur Zusammenarbeit gegründet, um miteinander im Gespräch zu bleiben. Denken Sie nur an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die OSZE, die aus der gleichnamigen Konferenz entstanden ist und bis heute besteht. Es war eine einzigartige Errungenschaft dieses Dialogs und dieser Verhandlungen, die damaligen Ostblockstaaten für die Anerkennung von Menschenrechten zu gewinnen. Genau dieser Dialog
für den Frieden und für die Menschenrechte macht Europa aus. Genau das gilt es zu erhalten und im Gespräch mit unseren Nachbarn deutlich zu machen. Natürlich gibt es im Verhältnis zu Russland auch kritische Punkte. Entscheidend ist dabei aber doch, ob Putin glaubt, mehr durch Konfrontation als durch Kooperation gewinnen zu können.
Deswegen liegt es doch auch an uns, deutlich zu machen: Die Vorteile durch Kooperation überwiegen. Deswegen müssen wir miteinander reden.
Außerdem zeigt die Erfahrung aus der Geschichte, vor allem aus der jüngeren Geschichte: Sie erreichen bei Russland nichts, wenn Sie es auf offener Bühne brüskieren, im Gegenteil: So manche Krise, die wir derzeit erleben, hat sich dadurch eher noch verschärft. Russland ist ein stolzes Land und eine stolze Nation und nicht irgendeine Provinz oder irgendeine Regionalmacht. Manchmal ist es besser, an der richtigen Stelle zu flüstern, als an der falschen Stelle laut zu brüllen. Vertrauensvolle und gerade deshalb offene und ehrliche Diplomatie ist für Bayern das Gebot der Stunde gegenüber Russland. Dafür steht unser Ministerpräsident Horst Seehofer.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat steht Europa vor großen Herausforderungen. Ge rade in schwierigen Zeiten müssen wir uns auf das Fundament des geeinten Europas besinnen. Dabei müssen wir feststellen, dass Europa nichts weniger als die Lehre aus der Geschichte ist. Vor 70 Jahren, im Jahr 1947, lagen Deutschland und Europa noch auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs. Schon im Jahr 1957, vor genau 60 Jahren, formierte sich mit den Verträgen von Rom die Europäische Wirtschafts gemeinschaft. Damit waren die Staaten Europas auf dem Weg zu dem, was sie bis heute sind: eine Ge meinschaft, die auf den gemeinsamen Werten Frieden und Freiheit beruht. Ja, Europa ist mehr als eine Wirt schaftsunion, aber deshalb ist Europa noch lange keine Sozialunion. Wer das will, muss auch sagen, was das kostet und wer es bezahlt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wir dür fen einen Fehler nicht machen: Die Europäische Union darf nicht mit erhobenem Zeigefinger auf die Mitgliedstaaten zugehen und sich in ihre Arbeits und Sozialpolitik einmischen. Das ist nicht der Sinn des geeinten Europas. Aus unserer Sicht ist es auch der völlig falsche Ansatz.
Das Motto der Europäischen Union lautet: Einheit in Vielfalt. Dieses Motto bringt zum Ausdruck, dass die eigenständigen Handlungsmöglichkeiten und die Ei genverantwortung der Mitgliedstaaten ein hohes Gut sind. Für uns bedeutet Europa: Ja zur Partnerschaft, aber die Probleme in den Mitgliedstaaten kann nicht die EU lösen; sie können nur die Länder vor Ort lösen. Die EU kann dabei aber unterstützen. Gleich wohl gilt: Wir dürfen die Regierungen vor Ort nicht aus der Verantwortung nehmen. Die EU hat doch nicht deshalb ein Akzeptanzproblem, weil sie sich zu wenig in die Angelegenheiten der Mitgliedstaaten einmischt. Nicht jedes Problem in Europa ist auch ein Problem für Europa.
Die Anträge, über die wir heute diskutieren, atmen alle den einen Geist: Es geht um mehr Europa, aber nicht um ein besseres Europa. Genau dieses Vorge hen, immer mehr Kompetenzen an die Europäische Union abzugeben, hat vielerorts zu Europaskepsis, ja zur Ablehnung von Europa geführt. Wir können die
Menschen nur dann wieder von Europa überzeugen, wenn die Europäische Union einen echten Mehrwert für die Menschen hat. Ja, wir brauchen ein besseres Europa, aber wir müssen auch dafür sorgen, dass sich Europa auf seine originären Aufgaben konzen triert. Wir brauchen weniger Einmischung in nationale Angelegenheiten, aber dafür mehr Zusammenarbeit auf internationaler Ebene, so zum Beispiel beim Grenzschutz, bei der Bekämpfung der internationalen Kriminalität, bei einer europäischen Lösung für die Flüchtlingskrise, bei einem einheitlichen europäischen Asylrecht oder bei einer gemeinsamen Verteidigungs und Sicherheitsstrategie. Dafür ist gemeinsames Han deln in Europa erforderlich.
Gerade als Bayern und Föderalisten fordern wir auch ein starkes Europa der Regionen. Dabei geht es uns nicht um Gleichmacherei um jeden Preis, sondern um eine sinnvolle Unterstützung zur Verbesserung, wie es zum Beispiel in den verschiedenen Fonds der Europäischen Union jetzt schon geschieht.
Sie haben in einem Antrag den Mindestlohn zum Thema gemacht. Alle Mitgliedstaaten der EU haben eine Regelung über den Mindestlohn. Aus guten Gründen ist aber die konkrete Ausgestaltung des Min destlohns in nationaler Verantwortung. Machen wir doch einen Vergleich. Der durchschnittliche Bruttolohn in Rumänien beträgt circa 2.300 Leu. Das sind gut 520 Euro. Der durchschnittliche Bruttolohn in Deutschland liegt bei circa 3.000 Euro. Der gesetzli che Mindestlohn in Rumänien liegt bei 975 Leu pro Monat. Das sind knapp 216 Euro. Bei uns beträgt der derzeitige HartzIVRegelsatz circa 400 Euro, also fast das Doppelte des Mindestlohns in Rumänien.
Unabhängig von den Problemen, die sich schon jetzt aus diesen Unterschieden ergeben, frage ich Sie, wie Sie diese Unterschiede so schnell ausgleichen wollen. Wie soll das konkret aussehen, wenn aus Brüssel der Mindestlohn für jedes Land vorgegeben wird? Sie schütten das Füllhorn über die ganze EU aus, ohne zu wissen, wer es befüllt.
Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie es gut meinen. Wer ist denn nicht für gute Bezahlung und mehr Investitionen überall in Europa? Auch Bayern bekennt sich zu einem sozialen Europa. Wir unterstützen das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft. Die Sozialpolitik ist und bleibt aber Angelegenheit der einzelnen Mitgliedstaa ten.
Wir müssen das Subsidiaritätsprinzip deutlich ernster nehmen. Die Staatsregierung begleitet den Prozess des Aufbaus einer europäischen Säule sozialer Rech
te kritisch, aber konstruktiv. Bayern hat sich auch im Bundesrat dazu schon geäußert und die Bedeutung der Subsidiarität und die Zuständigkeit der Länder be tont. Es ist klar geregelt, dass die Arbeits und die So zialpolitik in die Zuständigkeit der Länder gehören, und das ist auch gut so.
Die SPD fordert die Umsetzung des in der EUSozial charta verankerten Grundrechts auf eine angemesse ne Entlohnung. Ich habe gerade ausgeführt, wie zum Beispiel die Regelungen zum Mindestlohn in der Europäischen Union aussehen. Natürlich müssen wir die Arbeitslosigkeit in Europa bekämpfen. In der Ana lyse hat Kollege Rosenthal durchaus recht, wenn er von verlorenen Generationen spricht. Die Forderun gen der SPD entsprechen aber bereits den aktuellen Themenschwerpunkten der europäischen Beschäfti gungsstrategie. Diese lauten eben schon Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union, Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und Verbesserung der Zusammenarbeit der nationalen Ar beitsverwaltungen. Das europäische Sonderinvestiti onsprogramm für soziale Zwecke, das die SPD for dert, ist bereits in verschiedenen Sozialfonds der Europäischen Union eingeführt.
Außerdem stellt die EU bereits eine Vielzahl von Fonds und Finanzmittel für soziale Zwecke bereit. Zu nennen sind bespielhaft der Europäische Sozialfonds, der Europäische Hilfsfonds für die am stärksten von Armut betroffenen Personen und der Europäische Fonds für strategische Investitionen. Wichtig ist mir hierbei aber auch, nochmal zu betonen: Diese Fonds sind eine Unterstützung der Europäischen Union. Die Umsetzung erfolgt in nationaler Verantwortung. Der Nutzen eines weiteren Programmes ist für mich hier sehr fraglich.
Ja, wir brauchen strukturelle Änderungen in den Mit gliedstaaten; aber diese können nur dort umgesetzt werden. Allgemeine Zustimmung – ich glaube, das kann man hier so deutlich sagen – herrscht natürlich in Bezug auf die Forderung nach Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Steuerhinterziehung ist ein inter nationales Phänomen. Deswegen sind hier internatio nal abgestimmte Lösungen erforderlich. Allerdings verfolgt die SPD mit ihrem Antrag den falschen An satz; denn dieser Antrag bedeutet nicht weniger als die Einführung einer europäischen Finanz und Steu erpolitik durch die Hintertür und letztlich die steuerpo litische Entmachtung der Mitgliedstaaten.
Die EU darf gar nicht in die internationale Steuerho heit eingreifen, wenn die Mitgliedstaaten der EU nicht das Recht eingeräumt haben, zum Beispiel bei den Steuern die Gesetzgebung zu harmonisieren. Gerade in diesem Bereich hilft die EUAmtshilferichtlinie, die überarbeitet und ergänzt worden ist und nun in natio nales Recht umgewandelt wird. Wir lehnen daher die Anträge der SPD ab; denn in der Folge gäbe es zwar mehr Europa, aber kein besseres Europa.
Zunächst einmal, Herr Kol lege Rosenthal, möchte ich davor warnen, die Bedeu tung des Exports für den Freistaat Bayern und den Standort Bayern infrage zu stellen. Der Freistaat Bay ern exportiert pro Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von knapp 180 Milliarden Euro. Da hängen Exis
tenzen dran. Da hängen Familien dran. Ich glaube nicht, dass wir jetzt anfangen sollten, die große Ex portleistung des Freistaats Bayern und der Bundesre publik Deutschland zu problematisieren. Wir sollten eher stolz darauf sein, dass wir innovative Produkte haben, die weltweit nachgefragt sind und hilfreich für unseren Standort sind. Das ist das Erste.
Zweitens. Ja, Europa hat ein Akzeptanzproblem. Na türlich muss man die Frage stellen, warum wir noch diese Unterschiede bei den Einkommen haben. Aber die Frage ist doch vor allem: Liegt das an der Produk tivität? Liegt es an der Kaufkraft? Muss ich nicht, wie eben erwähnt, mit den Fonds der Europäischen Union ansetzen, um Investitionen anzuschieben? Ich schaffe doch keinen einzigen Arbeitsplatz und keinerlei Mehr wert dadurch, dass in Brüssel am Grünen Tisch, am Reißbrett, irgendein Mindestlohn vorgegeben wird. Wer glaubt, dass er damit insgesamt die Perspektiven für Rumänien oder Bulgarien oder sonst irgendwo in der EU verbessert, ist völlig auf dem Holzweg, Herr Kollege. Wir müssen eher schauen, dass die Euro päische Union in ihrer historischen Bedeutung wieder bei den Menschen ankommt. Wir müssen klarma chen, dass Frieden und Freiheit nicht selbstverständ lich sind. Natürlich müssen wir auch schauen, dass zum Beispiel durch die Reformen in den Mitgliedstaa ten ein ordentliches Bildungssystem entsteht und Per spektiven entstehen, damit eben nicht, wie Sie es in der Analyse richtig beschrieben haben, in Südeuropa verlorene Generationen mit bis zu 40 % Jugendar beitslosigkeit entstehen. Ich teile durchaus viele Punk te in Ihrer Analyse. Aber ich teile nicht Ihre Schlussfol gerungen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die GRÜNEN suggerieren mit ihrem Antrag, bei Isar 1 würden demnächst die Bulldozer mit Abrissbirne anfahren. Das stimmt nicht. Es handelt sich hier um Abbaumaßnahmen, die eher chirurgischen Eingriffen gleichen; die Brennelementesysteme sind nicht direkt betroffen.
Mit Zustimmung des Bundesumweltministeriums hat das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und
Verbraucherschutz als bundesweit erste Behörde der PreussenElektra GmbH eine Genehmigung für die Stilllegung und den Abbau des Kernkraftwerkes Isar 1 erteilt. Klar ist: Es geschieht nichts, was nicht genehmigt ist, auch nicht auf Initiative des Bundes. Gemäß Bundesumweltministerin Hendricks solle das oberste Gebot bei allen vorbereitenden Planungen und den anschließenden Rückbauarbeiten stets die Sicherheit für die Mitarbeiter, die Bevölkerung und die Umwelt sein.
Ein permanentes Controlling, auch unter Einbeziehung externer Kontrolleure wie des TÜV SÜD, findet statt. Zudem kommt Bayern als erstes Bundesland seiner immensen Verantwortung gegenüber unserer Bevölkerung nach, sprich: Bayern sorgt für den Rückbau eines der Atomkraftwerke, die nach Fukushima abgeschaltet worden sind. Beim Rückbau nutzen wir das vorhandene Know-how, weil wir so die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbeziehen können, die das Kraftwerk noch aus dem Betrieb kennen.
Die Genehmigung zum Rückbau von Isar 1 ist ein weiterer wichtiger Schritt beim Ausstieg aus der Kernenergie und zugleich ein deutliches Zeichen für das Voranschreiten der Energiewende in Deutschland. Eines gilt es dabei in Richtung der GRÜNEN anzumerken: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass es Ihnen beim Abschalten der Kernkraftwerke nicht schnell genug gehen kann, während Sie jetzt beim Rückbau der Kraftwerke auf ein Schneckentempo umschalten.
Die PreussenElektra GmbH verfügt über umfangreiche Erfahrungen und über Know-how beim Rückbau von Kernkraftwerken. Zum Beispiel konnte der zwölf Jahre andauernde nukleare Rückbau des Kernkraftwerkes Würgassen im ostwestfälischen Kreis Höxter, ebenfalls ein Siedewasserreaktor, im August 2014 sicher und erfolgreich sowie im vorgegebenen Budgetrahmen abgeschlossen werden. Zudem ist sich der Betreiber seiner verantwortungsvollen Funktion bewusst und wird über den Rückbaufortschritt zum Beispiel im Rahmen von Informationstagen kontinuierlich berichten. Damit soll Transparenz gegenüber den Anwohnern und der Öffentlichkeit geschaffen werden.
In den "Leitlinien zur Stilllegung kerntechnischer Anlagen" wird die möglichst frühzeitige Durchführung der geforderten Maßnahmen empfohlen. Das stimmt. Allerdings werden sie nicht als Voraussetzung oder Bedingung genannt. Die Entsorgungskommission, ein Gremium, das beim Bundesumweltministerium angesiedelt ist, hat diese Leitlinien herausgegeben. Dieses Gremium war auch in die Prüfung des bayerischen Antrags eingebunden und mit der Vorgehensweise ausdrücklich einverstanden. Alle Tätigkeiten in einem
Kernkraftwerk werden hinsichtlich ihrer Rückwirkungsfreiheit auf die für den sicheren Betrieb der Anlage erforderlichen Systeme überprüft. Unter diesen Bedingungen kann mit dem Abbau von Anlagenteilen begonnen werden, während sich noch Brennelemente im Lagerbecken befinden. Die jetzt zur Genehmigung anstehenden Abbaumaßnahmen betreffen Systeme, die nichts mit der Kühlung oder Handhabung der Brennelemente zu tun haben.
Alle das Kraftwerk betreffende Rückbauarbeiten konzentrieren sich zunächst auf den Abbau von Anlagenteilen und Versorgungseinrichtungen, die für den Restbetrieb nicht mehr benötigt werden. Restbetrieb bedeutet hier zum Beispiel die Kühlung des Lagerbeckens und die Belüftung der Anlage.
Für die Behandlung der Materialien ist ein Reststoffbearbeitungszentrum erforderlich, das im Maschinenhaus eingerichtet wird. Dort werden die demontierten Anlagenteile zerkleinert, dekontaminiert und freigemessen. Laut der PreussenElektra wird der voranschreitende Abbau der Anlage nach außen erst sichtbar, wenn es gemeinsam mit dem zweiten Block des Kraftwerks an den konventionellen Abriss geht. Das wird voraussichtlich erst Mitte der 2030er-Jahre der Fall sein. Somit bitte keine Angstmache mehr! – Wir lehnen den Antrag ab.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Europa ist eine Wertegemeinschaft. Basis sind die Kopenhagener Kriterien: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit sowie die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte von Minderheiten. Wer Mitglied der EU werden will, muss sich an diese Werte und Regeln halten. Leider müssen wir feststel
len, dass sich die Türkei unter Erdogan nicht zu Europa hin, sondern von Europa weg entwickelt hat. Anstatt für ein Europa zu stehen, das verbindet, fordert Erdogan zum Beispiel die in Deutschland lebenden Türken auf, Integration zu verweigern. Anstatt auf einer europäischen Türkei zu bestehen, will Erdogan eine Großtürkei schaffen. Ich zitiere den türkischen Präsidenten, der am 10. November dieses Jahres, am Todestag des türkischen Staatsgründers Atatürk, gesagt hat: "Wir werden nicht Gefangene auf 780.000 Quadratkilometern sein. Unsere Brüder auf der Krim, im Kaukasus, in Aleppo und Mossul mögen jenseits der physischen Grenzen sein, aber sie sind innerhalb der Grenzen unserer Herzen." – Haben wir da noch Fragen?
Innerhalb der Türkei agiert Erdogan ebenfalls nicht nach europäischen Maßstäben. Daher begrüßen wir das überwältigende fraktionsübergreifende Votum des Europäischen Parlaments, die laufenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auszusetzen. Wir erwarten von der Europäischen Kommission, dass sie dieses Votum aufgreift und sogar noch weiter geht, indem sie die Verhandlungen nicht nur aussetzt, sondern stoppt.
Europa steht vor der vielleicht größten Bewährungsprobe seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Die Kriege und Krisen dieser Welt treiben Millionen von Menschen in die Flucht. Viele suchen Halt in Europa. Natürlich sind Partner nicht immer einer Meinung. Aber echte Partner erpressen sich nicht. Wer mitten in einer solchen Herausforderung Vereinbarungen wie das EU-Türkei-Abkommen aus innenpolitischen Motiven, aus Eitelkeit und Egoismus aufkündigen will und die Kündigung dieses Abkommens als Drohung und zur Erpressung einsetzt, sagt doch klipp und klar: Europa, mit dir will ich nichts zu tun haben, es sei denn, du tanzt nach meiner Pfeife. Darauf kann unsere Antwort nur lauten: Europa darf sich nicht erpressen lassen.
Seien wir doch ehrlich: Der Beitrittsprozess ist schon lange ins Stocken geraten. Von den 35 zu behandelnden Beitrittskapiteln wurde gerade einmal eines abgeschlossen, das Kapitel über Wissenschaft und Forschung im Jahr 2006. Es geht um nichts weniger als die glaubwürdige Vertretung unserer europäischen Werte. Der türkische Präsident Erdogan tritt nicht erst seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli dieses Jahres rechtsstaatliche Grundsätze mit Füßen. Wie sieht die Realität aus? – Seit dem Putschversuch gilt der Ausnahmezustand. Das hat zur Folge, dass 36.000 Menschen in Untersuchungshaft genommen
worden sind. Darunter befinden sich auch Journalisten und Oppositionspolitiker. Mehr als 75.000 Staatsbedienstete wurden entlassen oder suspendiert. Zehn Mitglieder der Großen Nationalversammlung wurden verhaftet. Sie gehören alle der Oppositionspartei HDP an. Türkische Diplomaten stellen Asylanträge in Deutschland. Meine Damen und Herren, rechtsstaatliches Handeln sieht anders aus.
Wie geht die Türkei mit den Menschenrechten um? – Der UN-Sonderberichterstatter untersucht seit vorgestern Foltervorwürfe gegen die Türkei. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sollen Häftlinge durch Schlafentzug, Schläge und sexuellen Missbrauch gefoltert worden sein. Erdogan plant außerdem die Wiedereinführung der Todesstrafe. Meine Damen und Herren, das passt nicht zu Europa. Wer in die Europäische Union will, muss europäische Regeln akzeptieren.
Darüber hinaus sind grundsätzliche Fragen nicht geklärt. Wie sieht es mit der Anerkennung der Republik Zypern durch die Türkei aus? Wie geht die Türkei mit der kurdischen Minderheit im Lande um? Wie konkret sind die Pläne für ein Großosmanisches Reich, das Erdogan immer wieder thematisiert und in dessen Tradition er sich sieht?
Genauso durchsichtig sind die Manöver, die er in Deutschland fährt. Der Islamverband DITIB ist ein Verein, der unter der Aufsicht der türkischen Behörden steht. DITIB hat in Deutschland Pro-Erdogan-Demonstrationen mitorganisiert. In Deutschland mussten türkische Bildungseinrichtungen geschlossen werden, weil Erdogan-Anhänger diese als Gülen-nah betrachtet und Druck ausgeübt haben. Der Kampf zwischen Erdogan-Gegnern und Erdogan-Befürwortern findet auch in Deutschland statt. Es kann nicht sein, dass dieser Konflikt in unserem Land und vor unserer Haustür ausgetragen wird, während wir gleichzeitig mit der Türkei Beitrittsverhandlungen führen und so tun, als gäbe es in der Türkei keine Probleme. Deshalb war unsere Forderung richtig: Keinen Flüchtlingsrabatt in der Visa-Frage. Der Türkei-Deal ist ein guter Plan B. Plan A muss jedoch sein, dass wir Europäer unsere Grenzen selber schützen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir der Zivilgesellschaft in der Türkei und den bei uns lebenden Türken immer wieder sagen: Eine Türkei, die sich an europäische Regeln hält, ist für uns ein wichtiger und geachteter Partner. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU überfordert aber beide, die EU und die Türkei. Wir sagen deshalb seit Jahren Nein zur Vollmitgliedschaft, aber Ja zur privilegierten Partnerschaft. Zur Wahrheit gehört aber auch: Viele in Europa und Deutschland
haben das anders gesehen mit dem Resultat, dass in dem Verhältnis EU – Türkei wertvolle Zeit verschenkt wurde. Ich gratuliere den GRÜNEN und der SPD zu ihrem neu gewonnenen Realitätssinn in dieser Frage. Ich muss aber auch sagen: Ein Aussetzen der Verhandlungen geht nicht weit genug. Das wäre unehrlich, auch gegenüber der Türkei.
Das Signal muss vielmehr lauten: Stopp der Verhandlungen zum Beitritt. Stattdessen: Beginn der Gespräche über die privilegierte Partnerschaft. Ich möchte hier auch erwähnen: Die CSU muss in ihrer Türkeipolitik keine einzige Silbe zurücknehmen. Keine einzige.
So lassen Sie uns heute gemeinsam ein Signal senden, das da heißt: Ja, wir wollen mit einer demokratischen rechtsstaatlichen Türkei Gespräche und Verhandlungen über eine echte Partnerschaft führen. Was zur Zeit aber in der Türkei geschieht, das ist nicht akzeptabel. Es verlangt ein ebenso starkes Signal, das sagt: So geht es nicht weiter! – Europa darf sich nicht erpressen lassen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Staatsminister, sehr geehrte Frau Staatsministerin! Wenn man von der Sonne spricht, scheint sie. Sie hat gerade den Saal betreten, als der Kollege Magerl gefragt hat, wo sie ist.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ohne Wasser gibt es kein Leben. Wasser ist ein kostbares, für die Natur und für den Menschen unentbehrliches Gut. So steht es in der EU-Wassercharta von 1968. Wir wollen sauberes Wasser, und deshalb handeln wir. Genau deshalb gibt es auch eine neue Düngeverordnung.
Erstens handeln wir im Bund. Der Gesetzentwurf zur Änderung des Düngegesetzes wurde am 16. Dezem
ber 2015 im Bundeskabinett beschlossen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat eine Änderung der Düngeverordnung vorgelegt. Bis zum 28. November dieses Jahres besteht Gelegenheit für eine Stellungnahme zum Umweltbericht und zum Entwurf einer Novelle der Düngeverordnung. Es handelt sich also nicht um Untätigkeit, sondern um ein laufendes Verfahren.
Ich frage mich schon, warum die EU-Kommission diese Tatsache nicht in ihre Überlegungen einbezieht. Noch einmal zur Klarstellung: Der Bund erkennt Handlungsbedarf und erarbeitet im Jahr 2015 ein neues Düngegesetz und eine neue Düngeverordnung. Er legt diese der EU-Kommission im Dezember 2015 zur Notifizierung vor. Die EU-Kommission notifiziert sie im Jahr 2016 und erhebt dann nach der Ankündigung vom Mai im Oktober 2016 Klage gegen die Regelung aus dem Jahr 2006. Dazu kann ich nur sagen: Das ist doch grotesk. Die EU-Kommission soll uns vor Ort arbeiten lassen, statt durch zeitliche und inhaltlich völlig deplatzierte und unnötige Klagen die Arbeit zu behindern und einen erzielten Kompromiss zu gefährden.
Zweitens handeln wir auch in Bayern. Im Rahmen des Vertragsnaturschutzes werden auf 80.000 Hektar wertvoller Flächen Extensivierungsmaßnahmen gefördert. 10 % der Förderung aus dem KULAP fließen in die Förderung von Extensivierungsmaßnahmen. Im Doppelhaushalt 2017/2018 ist eine Mittelerhöhung um insgesamt 10 Millionen Euro für das Vertragsnaturschutzprogramm vorgesehen, um den Schutz der Gewässer und die Erhaltung der Biodiversität zu verbessern. Im KULAP sind insgesamt 69 Millionen Euro mehr für die Maßnahmen zum Gewässerschutz vorgesehen.
Der Schutz der Gewässerrandstreifen wird auf freiwilliger Basis vom KULAP gefördert. Wir setzen hier auf den bewährten und erfolgreichen bayerischen Grundsatz "Freiwilligkeit statt Ordnungsrecht".
Die Wasserschutzgebiete werden regelmäßig überprüft und gegebenenfalls erweitert. Derzeit werden etwa 500 Gebiete überprüft. Außerdem handeln wir auch bei der Ausbildung der Landwirte. Sowohl an den Berufsschulen als auch in der Fortbildung an den Landwirtschaftsschulen wurde bereits reagiert. An der Berufsschule gilt für das Berufsgrundschuljahr in Agrarwirtschaft ein neuer Lehrplan, der dem Schutz des Wassers einen deutlich höheren Stellenwert einräumt. Gleiches gilt für die Fortbildung an den Landwirtschaftsschulen. Selbstverständlich ist eine wirksame Kontrolle notwendig. Das System aus systematischen
Cross-Compliance-Kontrollen, Anlasskontrollen sowie gezielten Betriebskontrollen hat sich bewährt. Die Effizienz der Kontrollen wird kontinuierlich verbessert.
Uns ist es aber ein Anliegen, dies alles auch gemeinsam mit der Landwirtschaft umzusetzen. Gerade kleinere und mittlere Betriebe können nämlich den bürokratischen Aufwand nicht erbringen, der ihnen durch noch mehr Vorgaben und Verordnungen auferlegt wird, ohne dass dadurch die Wasserqualität verbessert wird. Wir setzen uns in Bayern für eine gemeinsame Lösung mit den Landwirten ein, um die Ziele des Gewässerschutzes sowie ein Gesamtpaket aus Bundesanlagenverordnung, Düngegesetz und Düngeverordnung auf den Weg zu bringen. Die vorliegenden Entwürfe der Bundesregierung, die im Übrigen auch noch einmal auf bayerische Initiative im Sinne einer gemeinsamen Lösung mit der Landwirtschaft angepasst wurden, sind gut. Sie sollten möglichst umgehend in geltendes Recht überführt werden; denn damit werden Verbesserungen im Gewässerschutz erzielt.
Deshalb handelt die EU-Kommission aktuell kontraproduktiv, wenn sie mitten im laufenden Verfahren diese Klage einreicht. Vor diesem Hintergrund lehnen wir die Anträge der GRÜNEN und der SPD ab. Auch wenn der Antrag der FREIEN WÄHLER inhaltlich in die richtige Richtung zielt, lehnen wir ihn aus formellen Gründen ab; denn der Landtag kann nicht beschließen, dass die Staatsregierung irgendetwas feststellt. Darüber hinaus halten wir diesen Antrag auch im laufenden Verfahren generell nicht für zielführend.
Bei der Düngeverordnung wurde ein Kompromiss erzielt, an dem der Bund und alle Bundesländer mitgearbeitet haben. Auch die Verbände waren im Rahmen einer Anhörung eingebunden. Dieses Paket jetzt wieder aufzuschnüren, wäre kontraproduktiv und würde das gesamte Verfahren erheblich verzögern. Jetzt gilt es vielmehr, das Verfahren zügig voranzutreiben, anstatt den Kompromiss erneut zu gefährden. Ich werbe um Zustimmung zu unserem Antrag, in dem wir fordern, dass die bislang erzielten Vereinbarungen auf Bund- und Länderebene umgesetzt werden. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass alle Länder, auch die grün-regierten, an diesem Kompromiss mitgewirkt haben. Lassen Sie uns weiter gemeinsam an diesem Kompromiss arbeiten, damit auch die Verbesserungen im Gewässerschutz zügig umgesetzt werden können. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr von Brunn, ich habe bereits deutlich gemacht, dass der Handlungsbedarf erkannt wurde. Deswegen hat unser Bundeslandwirtschaftsminister eine neue Düngeverordnung vorgelegt. Diese greift inhaltlich diese Punkte auf. Ich habe auch deutlich gemacht, dass wir im Freistaat Bayern im Rahmen unserer Möglichkeiten im Vertragsnaturschutz 80.000 Hektar für die Extensivierung zur Verfügung stellen und dass 10 % der Förderung des KULAP auch dafür verwendet werden. Im Doppelhaushalt 2017/2018 haben wir 69 Millionen Euro mehr für die Erhöhung der Maßnahmen des Gewässerschutzes bereitgestellt. Das sind konkrete Maßnahmen. Ich habe das vorher schon gesagt. Wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätte sich Ihre Frage erübrigt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mehr als eine Milliarde Menschen auf der Welt leben in extremer Armut. Rund 2,6 Milliarden Menschen, das sind fast die Hälfte der Bevölkerung der Entwicklungsländer, haben keinen Zugang zu Spültoiletten und anderen hygienischen Formen der Sanitärversorgung. Etwa 67 Millionen Kinder im Grundschulalter haben keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. Die Probleme verschärfen sich durch den Klimawandel und durch das enorme Bevölkerungswachstum weiter.
Wenn Menschen keine Perspektiven haben, dann suchen sie Wege. Sie wollen eine bessere Zukunft, zumindest für ihre Kinder. Gleichzeitig leben wir in einer globalisierten Welt, in der die Grenzen verschwimmen. Das Global Village wird zur Realität. Wir müssen damit umgehen, und die Probleme der Welt wirken sich auch bei uns aus.
Wir alle müssen erkennen, dass Entwicklungspolitik und Hilfe vor Ort in unserem ureigenen Interesse sind. Jede Million, die wir hier in Deutschland für Integration und Aufnahme von Migranten einsetzen, würde vor Ort ein Vielfaches bewirken. Gerade deshalb leistet der Freistaat bereits jetzt, unabhängig von der Zuständigkeit der Bundesregierung, Entwicklungszusammenarbeit zur Verbesserung der Lebensbedin
gungen vor Ort. Wir arbeiten vor allem mit Partnerländern und Partnerregionen in Afrika, Lateinamerika und Asien zusammen. Bayern unterstützt das Eine-Welt-Netzwerk Bayern und verschiedene NGOs bei der Hilfe zur Selbsthilfe und beim Aufbau nachhaltiger Strukturen. Im Zentrum stehen dabei Nord-SüdKooperationen mit ausgewählten Regionen, insbesondere in Südafrika, Indien und Brasilien. Seit Kurzem wird auch Tunesien beim demokratischen Transformationsprozess unterstützt.
Wir müssen die hinreichend stabilen Regionen, gerade auch in Afrika, stützen, damit sie sicher und stabil bleiben. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung in Afrika werden die Herausforderungen noch größer und vielfältiger. Bis 2050 wird sich die Bevölkerung in Afrika verdoppeln. Dabei ist Afrika zugleich Chance und Herausforderung. Unser Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller spricht von Afrika als einem Chancenkontinent und Wachstumsmarkt. Die Privatinvestitionen haben im letzten Jahr erstmals die Investitionen der Staaten überschritten.
Damit dies langfristig wirkt, fördert der Freistaat Bayern zum Beispiel in Togo jetzt bereits Ausbildungsprogramme und den Zugang der Menschen vor Ort zu Bildung. Dabei müssen wir vor allem darauf achten, dass Frauen auch Zugang zu Bildung haben. Dort, wo Frauen gleichberechtigt und beruflich tätig sind, können sie auch selbstbestimmt leben. Das dämmt wiederum in der Folge das Bevölkerungswachstum.
Bei unserer Entwicklungspolitik lassen wir uns von den Prinzipien Partnerschaft und Eigenverantwortung, Hilfe zur Selbsthilfe, Subsidiarität und Nachhaltigkeit sowie internationalen Konventionen leiten. Diese Leitlinien waren auch für die Anträge, die uns heute vorliegen, ausschlaggebend.
Den Antrag der SPD, Seminare in Entwicklungszusammenarbeit jeweils mit konkreten Praxisprojekten vor Ort zu verbinden, lehnen wir ab. Diese Seminare sind mit Sicherheit wünschenswert, letztlich aber steht hinter diesem Antrag kein finanziell und personell leistbares nachhaltiges Konzept. Dem Antrag auf Förderung von nachhaltigen Wasserversorgungsstrukturen in Afrika stimmen wir mit den Änderungen, die im Ausschuss beschlossen worden sind, zu. Ebenso stimmen wir dem Antrag auf Darstellung von Evaluierungsergebnissen im entwicklungspolitischen Bericht mit den enthaltenen Änderungen zu.
Auch dem Antrag zur Versorgung der Bevölkerung und der Flüchtlinge in Jordanien mit Trinkwasser – Drucksache 17/11490 – stimmen wir zu, mit der Maßgabe, dass wir den Bund auffordern, hier tätig zu werden.
Dem Antrag auf Ausbildungsprogramme zur Schaffung von Perspektiven für Jugendliche in den Maghreb-Staaten – Drucksache 17/11492 – stimmen wir mit den Änderungen wie im Ausschuss zu.
Dem Antrag zur Schaffung von Projekten zur dualen Ausbildung in Ausbildungshäusern in Afrika – Drucksache 17/11491 – stehen wir im Grunde positiv gegenüber. Wir tragen aber den Bedenken des Haushaltsausschusses des Bayerischen Landtags Rechnung. Diesem Antrag können wir daher leider nicht zustimmen. Im Rahmen der Eine-Welt-Arbeit ist Bayern ohnehin bereits an vielen Projekten zur Ausbildung von Jugendlichen in den Entwicklungsländern beteiligt.
Insgesamt, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich schon darauf hinweisen: Bei den Anträgen und Voten wird deutlich, dass Entwicklungspolitik eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Die Bekämpfung von Fluchtursachen wird eine Generationenaufgabe bleiben. An dieser Stelle möchte ich auch recht herzlich dem Eine-Welt-Netzwerk Bayern mit Alexander Fonari sowie allen entwicklungspolitischen Akteuren und besonders den vielen privaten Initiativen danken, die sich vor Ort in der Entwicklungshilfe für die Menschen engagieren.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Staatsministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine regelrechte Sintflut hat Bayern in den vergangenen beiden Wochen heimgesucht. Den betroffenen Menschen in Niederbayern, vor allem in Simbach, aber auch in Oberbayern und in Mittelfranken gilt unser ganzes Mitgefühl. Allen Helfern, Ehrenamtlichen und vor allem auch den Hilfsorganisationen sagen wir von ganzem Herzen "Vergelt’s Gott" und bezeugen Respekt für die geleistete Arbeit.
Wir haben wieder einmal gesehen, wie stark die Menschen in Bayern zusammenhalten. Darauf können wir gemeinsam stolz, und dafür müssen wir dankbar sein. Aber leider erleben wir solche Hochwasser immer häufiger. Die klimatischen Veränderungen haben Einfluss auf die Wetterlage hier bei uns. Es gilt, sich darauf einzustellen und die richtigen Maßnahmen zum Hochwasserschutz zu treffen. Anders als dargestellt ist Bayern seit Jahren auf einem guten Weg. Mit den Aktionsprogrammen Klimaschutz 2020 und 2020plus setzt Bayern Maßstäbe beim Hochwasserschutz.
Wir haben uns drei Handlungsfelder vorgenommen und setzen diese konsequent um: Erstens, die natürlichen Rückhaltflächen stärken, zum Beispiel durch die Erhaltung von Auen und die Förderung von Auen, dazu die Sicherung der vorhandenen natürlichen Überschwemmungsgebiete, die Reaktivierung von ehemaligen natürlichen Überschwemmungsgebieten sowie die Zurückverlegung von Deichen und die Stärkung der Auwaldentwicklung.
Zweitens, der technische Hochwasserschutz; das Wasser oberhalb von den zu schützenden Bereichen zurückhalten; mehr Wasser um die Siedlungsgebiete herumleiten.
Drittens, die Hochwasservorsorge intensivieren. Hier gilt es vor allem, die Informations- und Warndienste ständig zu optimieren und zu ergänzen.
Der Freistaat Bayern stellt pro Jahr Mittel von bis zu 235 Millionen Euro für den Hochwasserschutz zur Verfügung. Vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2020 werden
wir in Bayern insgesamt 3,4 Milliarden Euro für den Hochwasserschutz bereitstellen.
Aber es gilt zu unterscheiden: Die klassischen Hochwasserschutzmaßnahmen nützen bei so schnell auftretenden Sturzfluten, wie wir sie in den vergangenen beiden Wochen hatten, leider nicht. Man muss eines bedenken. Schon bei 25 Litern pro Quadratmeter wird es äußerst kritisch. In Simbach fielen in kürzester Zeit 160 Liter pro Quadratmeter. Ich sage hier ganz deutlich an die Adresse der GRÜNEN: Katastrophenbewältigung eignet sich nicht für Parteiprofilierung.
Die Katastrophe, die wir zu beklagen haben, ist gerade einmal eine Woche her. Wir haben Tote zu beklagen. Die GRÜNEN beantragen eine Aktuelle Stunde und reden über Parteiprofilierung, über den Bundesverkehrswegeplan und machen Vorwürfe, anstatt sich mit der Thematik angemessen zu befassen.
Herr Kollege Hartmann, Sie sprechen den Klimaschutz und die Kohlekraftwerke an. Ich kann Ihnen nicht ersparen, auf die Tatsache hinzuweisen, dass in Deutschland von den 16 größten Kohlekraftwerken 10 Kohlekraftwerke in den Bundesländern stehen, in denen Rot-Grün regiert.
Das ist Fakt. Dieses Thema sollten Sie einmal anpacken.
Es gilt, die Auswertung abzuwarten und dann zu überlegen, wie wir auf diese Maßnahmen konkret reagieren können. Ich sage Ihnen eines: Solche gravierenden Ereignisse kann man nicht komplett vorhersagen. Dennoch überlegen wir, mit welchen Maßnahmen wir besser gewappnet sein können. Wir wissen: Eine langfristige Vorwarnung ist leider nicht möglich, aber die kurzfristige Warnung muss verbessert werden. Kommunale Hochwasserprojekte könnten stärker gefördert werden. Auch für kleinere Gewässer könnten Hochwasserkarten erstellt und optimiert werden. Wir müssen auch dafür sorgen, dass Ablagerungen, die zum Aufstauen von Wasser führen können, beseitigt werden, um eine Verklausung zu vermeiden. Wir müssen auch die Kommunen stärker vernetzen und aufeinander abstimmen, um bei Starkregen schnell reagieren zu können.
Ich möchte darauf hinweisen, dass in Simbach beim zweiten, monsunartigen Niederschlag der Pegel innerhalb von Minuten auf fünf Meter angestiegen ist. Wir müssen leider feststellen: Die Natur ist nicht kontrollierbar. Wir können und müssen versuchen, auf den Katastrophenfall bestmöglich vorbereitet zu sein. Wir können und müssen unser Möglichstes tun, um einen bestmöglichen Hochwasserschutz zu gewährleisten. Wir dürfen aber nicht die Illusion erzeugen, wir könnten die Natur beherrschen. Umso wichtiger ist es jetzt, den Betroffenen zu helfen und sie zu unterstützen.
Ich sage aber auch ganz deutlich: Das Vorgehen des Bundes war bisher nicht akzeptabel.
Es ist angesichts eines Nothilfefonds mit vier Milliarden Euro untragbar zu sagen, die Bayern bekämen nichts.
Landrat Fahmüller hat es treffend ausgedrückt: Auch Bayerns Bürger sind Bundesbürger und haben in diesem Katastrophenfall die Solidarität des Bundes verdient.
Wir werden in Bayern weiterhin zu einem starken Hochwasser- und Klimaschutz stehen und diesen Schutz vorantreiben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Frau Staatsministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Klimawandel ist unbestritten, aber dass er mittlerweile so weit fortgeschritten ist, dass Ihnen, Herr Kollege Rinderspacher, das Wasser schon bis zum Halse steht und Sie diese Debatte mit einer Themaverfehlung beginnen, wundert mich dann doch sehr.
Die Situation ist weit dramatischer. "200 Millionen Menschen auf der Flucht", diese Schlagzeile werden wir im Jahr 2050 haben. Diese Menschen werden nicht vor Krieg und Terror fliehen, sondern vor Dürren, vor Überschwemmungen oder weil das eigene Haus im Meer versunken ist. Bereits im Jahr 2010 waren 20 Millionen Menschen aus Gründen des Klimawandels auf der Flucht. Die Erderwärmung steigt, und der Meeresspiegel auch. Im 20. Jahrhundert stieg der Meeresspiegel um 17 Zentimeter, allein um 7 Zentimeter in den Jahren von 1993 bis 2014.
Das Jahr 2015 wird das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Der September 2015 war der wärmste September seit 1880. Längst sind die Themen Klimawandel und Erderwärmung nicht mehr nur Gegenstand abstrakter Expertendebatten. Der Klimawandel betrifft uns ganz konkret; denn die Menschen flüchten zu uns, weil ihnen vor Ort die Lebensgrundlage entzogen ist. Wir können die Augen vor der Herausforderung des Klimawandels nicht verschließen. Der Klimawandel betrifft auch uns in Bayern. Die Ministerin hat es angesprochen: Die Gletscher in den Alpen schmel
zen. Extreme Wetterverhältnisse nehmen zu. Überschwemmungen, Dürren und Stürme werden häufiger.
Wie sich der Klimawandel in Bayern konkret niederschlägt, konnten wir im August in den Zeitungen lesen. Schlagzeilen wie "Trockenheit in Franken: Autowäsche verboten" oder "Folgen der Hitze: Gießverbot in Forchheim" wiesen auf die größte Trockenperiode in Teilen Frankens seit 40 Jahren hin. Noch dramatischer als bei uns wirkt sich aber die Situation in den großen Meeren aus.
Wir haben inzwischen auch den ersten Klimakrieg erlebt, er wurde nur anders bezeichnet. Ich spreche von der Piraterie vor Somalia. Durch die Erwärmung des Indischen Ozeans war es den Fischern an der somalischen Küste nicht mehr möglich, mit ihren primitiven Fangmethoden und ihren Fischernetzen Fische zu fangen. Die Fische haben sich in tiefere, kühlere Wasserschichten zurückgezogen. Damit wurde den Fischern die Lebensgrundlage entzogen. Boote waren vorhanden, und Waffen waren leicht zu bekommen. So entstand die Piraterie vor Somalia. Weit weg? Das geht uns nichts an? – Von wegen! Die Auswirkungen waren ganz konkret in Deutschland zu spüren. Unsere Bundeswehr war und ist deshalb vor der Küste Somalias im Einsatz.
Ein weiteres Beispiel ist der Pazifische Ozean. In zahlreichen Inselstaaten können die Menschen schon jetzt täglich beobachten, was eine weltweite Erwärmung des Klimas für sie bedeutet. Sie müssen zusehen, wie der Meeresspiegel steigt und ihre Inseln und Lagunen im Meer verschwinden. Im vergangenen Jahr hat Neuseeland deshalb zum ersten Mal dem Antrag einer Familie stattgegeben, die den Klimawandel als Asylgrund angegeben hat. In wenigen Jahrzehnten werden die etwa 11.000 Bewohner von Tuvalu keinen eigenen Staat mehr haben. Sie haben deshalb einen Vertrag mit Australien geschlossen. In Australien wird für sie ein Reservat eingerichtet. Ungeklärt ist dabei noch die Frage der Nationalität und des Status. Tritt Australien einen Teil seines Territoriums an die Bewohner ab? Behalten sie ihre Nationalität, oder werden sie australische Staatsbürger? Das bedeutet, in diesem Fall hat der Klimawandel sogar Auswirkungen auf die Grundlagen der Staatlichkeit. Weit weg? Das geht uns nichts an? – Von wegen!
Blicken wir auf unsere kontinentalen Nachbarn. Blicken wir auf Afrika. Die dortige Bevölkerung wird bis zum Jahr 2050 auf 2,5 Milliarden Menschen anwachsen. Im Jahr 2100 werden dort circa 4 Milliarden Menschen wohnen. Zugleich wird eine gleichbleibende Erwärmung dazu führen, dass wir mehr Wüsten, mehr Dürren und weniger fruchtbares Land haben werden. Wenn mehr Menschen durch den Klimawandel auf
weniger bewohnbarer und bewirtschaftbarer Fläche leben, bedeutet das: Der Fluchtdruck auf unseren direkten Nachbarkontinent wird zunehmen, wenn wir nicht handeln.
Diese Beispiele zeigen: Wir müssen global denken und lokal handeln. Wir können das Problem des Klimawandels nicht mit einem Schlag lösen. Wir alle hoffen auf ein verbindliches und weitreichendes Abkommen in Paris. Niemand kann beim Kampf gegen den Klimawandel das große Gesamtbild zeichnen. Aber jeder kann im Rahmen seiner Verantwortung seinen Mosaikstein dazu beitragen. Bayern investiert bereits 170 Millionen Euro in sein Klimaschutzprogramm 2050, mehr, als jedes andere Bundesland. Klimawende bedeutet, dass wir den CO2-Ausstoß senken müssen. Durch die extensive Nutzung fossiler Energie und durch die drastische Änderung der Landnutzung erleben wir, dass immer mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt.
Lieber Herr Kollege Rinderspacher, ich kann Ihnen heute eine Bemerkung nicht ersparen: Von den 20 größten Kohlekraftwerken, die wir in Deutschland haben, stehen 9 in Nordrhein-Westfalen.
In Baden-Württemberg wurden in den Jahren 2014/2015, bereits unter Grün-Rot, zwei Kohlekraftwerke in Betrieb genommen. Wie viele dieser 20 Kohlekraftwerke stehen in Bayern? – Null. Wir wollen die energiebedingten CO2-Emissionen bis 2020 pro Kopf und Jahr von derzeit etwa 6 Tonnen auf dann deutlich unter 6 Tonnen senken.
Mir ist klar, dass Ihnen das nicht gefällt. Ich kann es Ihnen jedoch nicht ersparen. Bayern formuliert nicht nur Ziele, sondern nimmt auch seine Verantwortung ernst.
- Sie mögen das als Witz bezeichnen; ich schildere hier die Realität. Vielleicht ist das für Sie ein guter Anfang, um etwas näher an das Thema heranzukommen. – Bayern investiert in die Klimaforschung, wie das die Ministerin angesprochen hat. Mit dem Schneefernerhaus unterhalb der Zugspitze haben wir eine herausragende Umweltforschungsstation. Neben dieser Maßnahme ist die Energiewende natürlich ein
ganz entscheidender Faktor. Rund 80 % der klimaschädlichen Emissionen sind auf CO2 zurückzuführen. Bayern fördert den Ausbau erneuerbarer Energien mehr als jedes andere Bundesland. Wir sind beim Zubau der Photovoltaik und bei der Windenergie Spitzenreiter, noch vor Baden-Württemberg. Die Energiewende ist ein wesentlicher Bestandteil des Mosaiks zur Lösung des Klimawandels. Schon heute decken wir mehr als 36 % des bayerischen Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien.
Die Tendenz ist steigend. Schon heute steht fest: Die Energiewende spricht bayerisch.
Meine Damen und Herren von der SPD, wir haben gerade Advent, nicht Fasching. Sie haben das ein bisschen verpasst. Das Lachen kommt erst später wieder. – Wir werden das Ziel, das wir uns im Frühjahr 2011 gesetzt haben, erreichen. Im Jahr 2021 wird der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bei 50 % liegen. Bayern setzt die Energiewende konkret vor Ort um. Energiewende bedeutet jedoch nicht nur den Umstieg auf regenerative Energien, sondern auch Versorgungssicherheit, Energiespeicherung, Energieeinsparung und Energieeffizienz. Bayern investiert deshalb in die Forschung und gibt im Zeitraum von 2012 bis 2016 knapp 500 Millionen Euro für die Energieforschung aus, mehr als jedes andere Bundesland.
Ein Beispiel: Der Energie Campus Nürnberg wird seit 2009 bis zum Jahr 2016 mit 50 Millionen Euro gefördert. Die Förderung mit weiteren 20 Millionen Euro über das Jahr 2016 hinaus ist bereits beschlossen. Am Energie Campus Nürnberg forschen unter der Leitung von Herrn Professor Dr. Wolfgang Arlt mehrere Institutionen an einem Standort und schaffen interdisziplinär neue Ansätze in der Speicherforschung. Gerade sein Ansatz mit der LOHC-Forschung ist vielversprechend und wird demnächst im Rahmen eines Pilotprojekts erprobt.
Die Energieeinsparung und die Verbesserung der Energieeffizienz in den eigenen vier Wänden ist ein weiterer wichtiger Schwerpunkt. Innovative und intelligente Heiz- und Speichersysteme sowie eine energetisch nachhaltige Bauweise sind der zweite Schritt auf dem Weg zur Energiewende. Auch hier gilt: Bayern geht voran und ist Vorbild, wenn es darum geht, ehrgeizige Ziele beim Klimaschutz zu erreichen.
Energiewende heißt auch Rohstoffwende. Wir müssen aus zwei Gründen von den fossilen Rohstoffen wegkommen: Erstens. Wir müssen die CO2-Emissio
nen vermindern. Zweitens. Die fossilen Rohstoffe sind endlich, wie wir alle wissen. Das Global FoodBanking Network berechnet in jedem Jahr den Tag, an dem die Erdüberlastung erreicht sein wird. Bei der Berechnung wird der gesamte Bedarf an Wäldern, Flächen, Wasser, Ackerland und Lebewesen, den die Menschen derzeit für ihre Lebens- und Wirtschaftsweise brauchen, der biologischen Kapazität der Erde gegenübergestellt, Ressourcen aufzubauen sowie Müll und Emissionen aufzunehmen. Dieser Tag war heuer am 13. August und damit sieben Tage früher als letztes Jahr. An jenem Tag waren die Ressourcen der Erde für dieses Jahr verbraucht. Seitdem leben wir auf Pump. Wir greifen so gesehen auf die Rücklagen zu und leben damit von den Ressourcen der nachfolgenden Generationen. Das kann so nicht weitergehen.
Deshalb wollen wir die nächsten Schritte angehen und analog zur Energiewende eine Rohstoffwende herbeiführen, das heißt Primärrohstoffe durch Sekundärrohstoffe ersetzen. Mehr Effizienz beim Einsatz von Ressourcen und Material schafft Unabhängigkeit, senkt Kosten, schont die Umwelt und stärkt damit insgesamt die bayerische Wirtschaft. Auch hier ist Bayern auf einem guten Weg. In den vergangenen 15 Jahren wurde die Rohstoffproduktivität in Bayern um rund 70 % erhöht, die Verwertungsquote von rund 30 % auf über 70 % gesteigert.
Ressourceneffizienz ist ein wichtiges umweltpolitisches Handlungsfeld, das in den kommenden Jahren noch zentraler behandelt werden muss. Das ist aber auch eine große Chance für die Wirtschaft, neue Technologien zu entwickeln und damit Wertschöpfung zu generieren. - Wir müssen zu einem anderen Grundverständnis kommen, indem wir nicht von Abfall sprechen, sondern von Rohstoffen, die nicht weggeworfen, sondern wiederverwendet werden. Es muss unser Ziel sein, hier noch besser zu werden und damit die Rohstoffwende entschieden voranzubringen.
Fortschritte bei der Energieeffizienz außerhalb des Stromsektors sind ein weiterer Ansatzpunkt für eine klimafreundliche Energiewende. Wärmewende bedeutet Energieeinsparungen, saubere Heizenergie und Veränderungen in den eigenen vier Wänden. Man braucht sich nur die Zahlen vor Augen zu führen: 40 % des gesamten Energieverbrauchs entfallen in Bayern auf das Heizen. Das Sparpotenzial ist demnach immens.
Das gilt sowohl für die Klimabilanz als auch für den eigenen Geldbeutel. Bayern leistet mit dem 10.000Häuser-Programm einen wichtigen Beitrag zum Kli
maschutz und unterstützt damit die Bürger bei der Umsetzung der energetischen Gebäudesanierung.
Das Programm ist mit einem Gesamtbudget von 90 Millionen Euro ausgestattet und hat eine Laufzeit von vier Jahren. Wir schaffen dadurch individuelle Beispiele, wie Energie- und Wärmewende bereits im Kleinen gelingen können. Wir zeigen, wie dadurch auch Großes bewirkt werden kann. Energiewende, Rohstoffwende und Wärmewende tragen dazu bei, dass wir unseren Ausstoß von CO2 begrenzen und den Klimawandel bekämpfen.
Angesichts der herausragenden Aktivitäten Bayerns im Klimaschutz fragt man sich, welchen Mehrwert, abgesehen von einem Zuwachs an Paragrafen und Bürokratie, ein Klimaschutzgesetz haben sollte. Ich glaube nicht, dass sich der Meeresspiegel von ein paar Paragrafen beeindrucken lässt und die Erderwärmung zurückgeht, weil die Bayern-SPD ein paar Paragrafen zusätzlich aufgeschrieben hat.
Wenn unsere Klimaschutzmaßnahmen in einem Gesetz stünden, hätte dies keinerlei Effekt auf das Klima.
Eine Festlegung gesetzlich verankerter verbindlicher Klimaschutzziele auf Landesebene wäre eher problematisch, weil die Einflussmöglichkeiten aufgrund der EU- und Bundesgesetzgebung begrenzt sind.
Wir in Bayern haben den Ansatz, weniger aufzuschreiben und mehr zu handeln.
Der Klimaschutz beginnt bei uns zu Hause.
Ich gehe davon aus, Sie würden dieses Gesetz ausdrucken und nicht nur per E-Mail verschicken. Das wäre wieder klimaschädlich, Herr Kollege.
Schon das konsequente Abschalten des Stand-byModus bei Elektrogeräten wie Druckern oder Fernsehern würde in ganz Deutschland 14 Millionen Tonnen CO2 und zudem in vielen Haushalten bis zu 75 Euro
an Stromkosten einsparen. Das zeigt: Klimaschutz beginnt zu Hause, nicht mit dem Aufschreiben von Paragrafen. Jeder kann seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Was wir individuell und regional nicht lösen können, muss auf Bundesebene und internationaler Ebene gelöst werden. Wir stimmen zum Beispiel mit der EU überein, dass wir beim CO2-Zertifikatehandel zügig einen Marktstabilitätsmechanismus brauchen, der genügend Steuerungsinstrumente bietet, um zu einer deutlichen CO2-Reduzierung zu kommen. Wir brauchen einen weltweiten CO2-Zertifikatehandel, der wirkungsvoll, aber mit Augenmaß, vernünftige wirtschaftliche Anreize zur CO2-Reduzierung bietet. Deshalb setzen wir große Hoffnungen auf den Weltklimagipfel in Paris. Die Erderwärmung schreitet voran und wird kaum noch zu stoppen sein.
Es geht letztlich nur noch darum, sie auf ein erträgliches Maß zu begrenzen. Schon die Begrenzung der Erwärmung auf zwei Grad ist inzwischen ein ambitioniertes Ziel. Die Entscheidung, ob das Zwei-Grad-Ziel erreicht wird oder nicht, hängt auch von den Schwellenländern China, Indien, Brasilien und Indonesien ab. Ohne diesbezügliche Entwicklung in den Schwellenländern wird dieses Ziel nicht zu erreichen sein; denn diese Länder sagen zu Recht, wir wollen zu dem Wohlstand kommen, den die entwickelten Länder haben, und setzen dabei natürlich auf wirtschaftlichen Erfolg. Dabei setzen sie auf Energie aus Kohle und Öl. Umso wichtiger ist es, auch dort beim Aufbau einer nachhaltigen, ressourcenbewussten Wirtschaft zu helfen. Dabei ist das Textilbündnis von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller beispielhaft hervorzuheben.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich all jenen danken, die bei den vielen Organisationen mithelfen, die sich in der Entwicklungshilfe engagieren und ihren Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung vor Ort leisten. Aus eigener Anschauung weiß ich um den Wert von Initiativen in der Dritten Welt, die nachhaltige Wiederaufforstung gegen kurzsichtiges Abholzen setzen. Auch das gehört zum Kampf gegen den Klimawandel, noch dazu in Regionen, in denen der Ressourcenverbrauch aufgrund des Bevölkerungswachstums steigt. Laut einer Prognose der United Nations wird die Weltbevölkerung im Jahr 2100 circa 10,9 Milliarden Menschen umfassen, und die Zahl der Erdbewohner wird damit im Vergleich zu heute um fast 4 Milliarden Menschen ansteigen. Wenn wir verhindern wollen, dass die Situation eskaliert und die Bevölkerungsexplosion sowie Dürreperioden und Wasserknappheit zu noch mehr Kriegen führen, dann muss jetzt gehandelt werden.
Bei allen Anstrengungen birgt die Entwicklung aber auch große Chancen. Die Entwicklung und der Einsatz neuer Umwelttechnologien bieten eine große Chance, Wertschöpfung zu generieren, Bayern als Hightechland voranzubringen und einen Impuls für eine global nachhaltige Entwicklung zu setzen. Die Entkoppelung der Wertschöpfung vom Energieverbrauch ist unbedingt notwendig, wenn wir verhindern wollen, dass die Küstenregionen in Bangladesch im Jahr 2100 genauso überschwemmt sind wie die Küste der Niederlande und die Hansestadt Hamburg. Es ist ein großer Erfolg, dass sich die Staats- und Regierungschefs beim G-7-Gipfel in Elmau in Sachen Klimapolitik auf ein verbindliches Zwei-Grad-Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung einigen konnten. Auf diesem Weg müssen die Verhandlungen in Paris weitergehen. - Klimapolitik ist nicht in irgendeiner Nische. Sie ist Kernanliegen bayerischer Umweltpolitik; denn es gilt, was Umweltministerin Ulrike Scharf gesagt hat: Klimapolitik ist Welt-Innenpolitik, und damit betrifft sie uns alle.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben noch die dramatischen Bilder des tragischen Un
glücks im Mittelmeer vor Augen. Ich glaube, die Erschütterung über das Geschehene verbindet uns alle. Das Leid der vielen Menschen, die zwischen Verzweiflung und Hoffnung einen höchst riskanten Weg auf sich genommen haben und dabei ums Leben gekommen sind, ist unvorstellbar. Jedes einzelne Schicksal ist tragisch, und wir fühlen mit den Opfern und den Angehörigen, die vielleicht nie von dem Schicksal ihres Sohnes, ihrer Tochter, ihrer Geschwister oder Enkel erfahren. Wir haben heute zu Beginn der Sitzung in einer Schweigeminute ihrer gedacht.
Ich bin aber davon überzeugt, dass das Problem der Fluchtbewegungen nur zu lösen ist, wenn man die Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpft. Deutschland ist hier schon tätig. Zum Beispiel leistet das Bundesentwicklungsministerium mit unserem Minister Gerd Müller in diesem Jahr zum afrikanischen Entwicklungsfonds und an die afrikanische Entwicklungsbank einen Beitrag in Höhe von 176 Millionen Euro.
Die deutschen bi- und multilateralen Nettoleistungen in der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit belaufen sich allein für Afrika auf über 3,7 Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommt das große Engagement von zahlreichen Stiftungen, der Wirtschaft und von Zivilpersonen aus Deutschland, die in Afrika vor Ort Unterstützung leisten und Hilfe zur Selbsthilfe bieten. All diesen ehrenamtlichen Helfern sei auch hier an dieser Stelle herzlich gedankt. Sie leisten großartige Arbeit und setzen sich nicht selten Gefahren aus, die ihnen vielleicht gar nicht bewusst sind.
Trotz unserer Hilfen können wir nicht verhindern, dass Menschen fliehen, weil sie woanders bessere Zukunftsperspektiven vermuten oder weil ihnen viel versprochen wird. Sie gehen erhebliche Risiken ein, vielleicht ohne es zu wissen. Besonders schlimm ist hierbei, wenn ganze Dörfer ihr weniges Geld zusammenlegen, um für einen jungen Mann die Schleusung nach Europa zu bezahlen. Wenn man sich überlegt, was mit Summen von über 5.000 Euro und mehr in dem Heimatland erreicht werden könnte, wird es noch dramatischer.
Ja, es ist die Aufgabe der Europäischen Union und von uns allen, die Menschen an unseren Außengrenzen im Mittelmeer nicht ertrinken zu lassen, sondern Leben zu retten. Italien hat das ein Jahr lang im Rahmen der Operation Mare Nostrum erfolgreich praktiziert und über 100.000 Menschenleben gerettet. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat nach dem Ende
von Mare Nostrum die Operation Triton gestartet, die auch den Schutz der Außengrenzen zum Inhalt hat.
Angesichts der schrecklichen Ereignisse, die sich zur Zeit im Mittelmeer abspielen, muss die Europäische Union aus unserer Sicht verstärkt in der Seenotrettung tätig werden. Zur Stärkung der Europäischen Seenotrettung ist eine EU-Rettungsflotte mit einem umfassenden Handlungsauftrag zu versehen. Dazu müssen alle europäischen Länder ihren Beitrag leisten. Die EU und Deutschland waren auch in der Vergangenheit an den EU-Außengrenzen engagiert. Italien hat eine Soforthilfe in Höhe von 13,7 Millionen Euro erhalten. Insgesamt erhält Italien von der EU mehr als 500 Millionen Euro für den Zeitraum von 2014 bis 2020, um auf den Migrationsdruck reagieren zu können. Auch Deutschland leistet im Rahmen der Operation Triton seinen Beitrag und stellt Einsatzmittel und Einsatzpersonal zur Verfügung. Diese Beiträge müssen nun ausgeweitet werden. Die Seenotrettung muss stärker berücksichtigt werden.
Wir stellen uns vor, dass die Europäische Rettungsflotte eng mit der EU-Agentur Frontex zusammenarbeiten sollte. Wir sagen auch ganz deutlich: Grenzschutz und Seenotrettung müssen Hand in Hand gehen. Man kann das nicht voneinander trennen. Der Schutz der EU-Außengrenzen ist ein zentraler Punkt, weil dieser zusätzliche Auftrag eine erhebliche Sogwirkung verhindert. Wäre der Auftrag auf die Seenotrettung beschränkt, würden noch viel mehr Menschen das große Risiko auf sich nehmen, eine Mittelmehrüberfahrt anzustreben, weil sie dann ja von einer Rettung ausgehen können. Eine erhebliche Zunahme dieser lebensgefährlichen Fahrten wäre die Folge.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die Schleuser nicht in ihren kriminellen Machenschaften unterstützen, sondern wir wollen Menschenleben retten, indem wir sie schon vor dem Betreten des Bootes bewahren. Auf europäischer Ebene müssen außerdem Maßnahmen ergriffen werden, um den verbrecherischen Schleusern das Handwerk zu legen. Dies kann zum Beispiel durch verstärkte Grenzschutzkooperationen der EU mit den Staaten Nordafrikas, mit Tunesien oder Ägypten geschehen. Dadurch kann verhindert werden, dass Menschen diese waghalsige Überfahrt antreten. Wenn sie es doch tun und in Seenot geraten, ist es unsere Pflicht, sie vor dem Ertrinken zu retten. Ich glaube, da besteht überhaupt kein Dissens. Aber die vorliegenden Anträge der GRÜNEN, der SPD und der FREIEN WÄHLER fordern mehr legale Einwanderungen bzw. ein Einwanderungsgesetz. Da muss man klipp und klar sagen: Ein Einwanderungsgesetz bedeutet mehr Zuwanderung.
Wenn Sie das wollen, dann müssen Sie das den Menschen ehrlich sagen.
Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen dürfen wir die Solidarität unserer Bevölkerung nicht überstrapazieren. Wenn wir die positive Stimmung und die Hilfsbereitschaft der einheimischen Bevölkerung behalten wollen,
dürfen wir nicht mehr Zuwanderung verlangen, sondern müssen Lösungen für diejenigen Flüchtlinge finden, die bereits da sind und einen Asylgrund haben. Meine Damen und Herren von der SPD und von den GRÜNEN, anstatt ein Einwanderungsgesetz und mehr legale Zuwanderung zu fordern, hätte Rot-Grün im Bundesrat auch der Initiative Bayerns zustimmen können, weitere Staaten als sichere Herkunftsstaaten einzustufen.
Aus Albanien, aus dem Kosovo und aus Montenegro kommen keine Kriegsflüchtlinge.
Aus diesen Ländern kommen keine Menschen, die bei uns einen Asylgrund haben.
Unser Asylrecht ist nicht dazu da, die wirtschaftlichen Probleme in den Herkunftsländern zu lösen. Wer aber aus Kriegsgebieten kommt, zu uns flüchtet und hier Schutz sucht, der soll auch Schutz bekommen.
- Ich weiß schon weiter, mir ist nur ein Spruch eingefallen; und ich sage ihn jetzt doch: Politik mit dem Kopf machen, nicht mit dem Kehlkopf. Das sollten Sie sich manchmal überlegen!
Wer aus Kriegsgebieten kommt und zu uns flüchtet, wer hier Schutz sucht, der muss diesen Schutz auch bekommen. Wir dürfen aber nicht zulassen, dass unberechtigte Asylsuchende den wirklich Schutzbedürfti
gen den Platz und die Solidarität der Bevölkerung wegnehmen. Gerade in der derzeitigen Situation müssen wir darauf achten, dass die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen positiv bleibt.
Da hilft es nicht, wenn wir immer mehr Zuwanderung fordern.
Dabei hilft kluges und sachliches Handeln: Hilfe dort, wo Hilfe gebraucht wird, und Rettung dort, wo Menschenleben gerettet werden müssen. Wir können aber nicht alle Probleme dieser Welt innerhalb Europas lösen. Wir können nicht alle Probleme dieser Welt auf europäischem Boden lösen. Das können wir nicht, und das kann auch unsere Bevölkerung nicht mehr schultern. Wir fordern in unserem Antrag deshalb, die Seenotrettung zu stärken und gleichzeitig den Schutz der EU-Außengrenze zu verbessern und Schleusern das Handwerk zu legen. Die Anträge von der SPD, den FREIEN WÄHLERN und GRÜNEN lehnen wir ab. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.
Herr Kollege Stümpfig, der Anfang Ihrer Wortmeldung war bezeichnend und zeigt eigentlich schon Ihr Grundproblem auf, dass Sie nämlich die Dinge nur isoliert betrachten und sich immer das Kleine heraussuchen, anstatt das große Ganze zu sehen. Wenn wir heute über Flüchtlinge und Migration sprechen und wenn wir darüber sprechen, dass Sie in Ihrem Antrag explizit ein Einwanderungsgesetz fordern, dann können wir doch nicht so tun, als gäbe es Flüchtlinge, die aus dem einen Teil der Erde kommen, und Flüchtlinge, die aus dem anderen Teil der Erde kommen.
Das muss man schon im Zusammenhang sehen. Die Aussage passt deshalb sehr wohl in meinen Redebeitrag hinein. Wenn Sie sich vor der Verantwortung drücken und nicht wahrhaben wollen, dass Sie, nämlich die rot-grünen Länder im Bundesrat, die Einigung verhindert haben, dann verstehe ich das. Ich möchte das an Ihrer Stelle draußen vor Ort auch nicht vertreten müssen. Jetzt aber so zu tun, als hätte das in dieser Debatte nichts zu suchen, ist einfach nur Augenwischerei.