Protocol of the Session on April 28, 2016

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Bei der namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Rinderspacher, Kohnen, Karl und anderer und Fraktion (SPD) betreffend "Lehren aus 30 Jahren Tschernobyl – Ambitioniertere Klima- und Energiepolitik ohne Heranziehen von euphemistischen Zahlengrundlagen", Drucksache 17/11218 haben mit Ja 63 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein 72. Stimmenthaltungen gab es keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 4)

Nun rufe ich zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Petra Guttenberger u. a. und Fraktion (CSU) Grenzkontrollen fortsetzen und ausweiten (Drs. 17/11195)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Eva Gottstein u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Endlich handeln statt endlos reden - Bayerns Grenzen sinnvoll sichern! (Drs. 17/11221)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist der Kollege Kreuzer.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen: Im Moment kommen vergleichsweise wenige Migranten an die bayerischen Grenzen. Der Zustrom der Flüchtlinge stagniert derzeit auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Im März waren es 6.628 Personen. Ich weise aber darauf hin, dass es im Bundesgebiet immer noch circa 20.000 Personen waren, also wesentlich mehr als im März des vergangenen Jahres.

Wir alle wissen aber auch, woran das liegt: Österreich und die Staaten entlang der Balkanroute haben es durch die Schließung ihrer Grenzen und durch strikte Einreisekontrollen geschafft, den Zustrom einzudämmen. Deshalb, meine Damen und Herren, gilt es nicht, diese Staaten zu kritisieren, sondern ich bedanke mich hier einmal im Namen meiner Fraktion ganz ausdrücklich bei Österreich und den Balkanstaaten für ihr Handeln.

(Beifall bei der CSU)

Heißt das, dass wir Entwarnung geben können? – Dies ist nicht der Fall. Die Lage in Griechenland ist, wie wir wissen, alles andere als stabil. Die Türkei muss sich erst noch als dauerhaft berechenbarer Partner erweisen. Dies zeigen die Äußerungen von dort führenden Politikern. Die EU-Außengrenzen sind keineswegs wirksam gesichert. In Nordafrika warten Hundertausende auf die Gelegenheit zur Weiterreise. Die Hauptflüchtlingsroute kann sich jederzeit nach Italien verlagern.

Deshalb, meine Damen und Herren, ist die Sache eben nicht erledigt, sondern wir müssen uns auf die weiteren Entwicklungen vorbereiten. Ich will heute drei Dinge ansprechen.

Erstens. Es muss endlich gelingen, dass die zuständigen Mitgliedstaaten und die Europäische Union unverzüglich eine wirksame Kontrolle der Schengen-Außengrenzen gewährleisten. Wir haben die Situation,

dass dies ohne Zweifel nicht der Fall ist. Dies sagt selbst die Europäische Kommission. Wir brauchen aber diesen Schutz aus mehreren Gründen: Zum einen kann nur dadurch die Sicherheit in Europa gewährleistet werden. Es muss uns gelingen, dass jeder, der in die Europäische Union einreist, kontrolliert und registriert wird und dass auch registriert wird, wenn er diese Europäische Union wieder verlässt. Ansonsten haben wir unkontrollierten Zugang, und wir müssen damit rechnen, dass auch Menschen zu uns kommen, die hier kriminelle und verbrecherische Handlungen durchführen wollen.

Wir hatten in diesem Hause ja schon des Öfteren Debatten darüber, ob nicht die Gefahr besteht, dass mit dem Flüchtlingsstrom beispielsweise Menschen einreisen, die terroristische Handlungen in Europa vornehmen wollen. Wir sind damals heftig kritisiert worden, als wir auf diese Gefahr hingewiesen haben. Zwischenzeitlich steht fest, dass sie sich realisiert hat, dass beispielsweise zwei Terroristen aus Paris über die Balkanroute nach Europa eingereist sind. – Deswegen sage ich den GRÜNEN: Sicherheitspolitik kann man nicht mit Ideologie machen. Das Motto "Was ich nicht will, das kann nicht sein" ist keine Sicherheitspolitik, sondern Unsicherheitspolitik. Kommen Sie in diesen Bereich zur Vernunft!

(Beifall bei der CSU)

Neben den Fragen der inneren Sicherheit müssen wir auch die Zuwanderungsbegrenzung an den europäischen Außengrenzen zumindest mittelfristig lösen. Es kann kein Zweifel bestehen, dass am Ende jedes Land und jeder Kontinent seine Grenzen so sichern muss, dass das Land selbst darüber entscheidet, wer es betritt und wer nicht. Es kann nicht so sein, dass man nur schaut, wie viele insgesamt kommen.

Wir müssen uns von der Illusion verabschieden, dass dieser ganze Migrationsdruck nur mit Bürgerkrieg zu tun hat. Natürlich kommt im Moment der überwiegende Teil aus diesen Gründen zu uns. Massivem Migrationsdruck sehen sich beispielsweise die Vereinigten Staaten von Amerika ausgesetzt, und zwar hauptsächlich von Mexiko und weiteren Nachbarstaaten. In diesen Ländern herrschen weder Hunger noch Krieg, sondern es ist nur ein entsprechendes Wohlstandsgefälle gegeben. Trotzdem gibt es einen unglaublichen Druck vonseiten Mexikos auf die Vereinigten Staaten von Amerika.

Betrachtet man die Nachbarländer, ist das in Europa nicht anders. Selbstverständlich wird es aus Afrika, aus den arabischen Ländern und aus Asien einen ständigen Druck auf die europäischen Grenzen geben, wenn es uns nicht gelingt, diese abzusichern.

Deswegen sind an den europäischen Grenzen Sicherungsmaßnahmen unerlässlich.

(Beifall bei der CSU)

Da an den europäischen Grenzen dieser Außenschutz nicht gegeben ist, kann kein Zweifel bestehen, dass wir im Inneren der Europäischen Union wirksame Kontrollen brauchen. Ich halte nichts davon, sich zurückzulehnen und sich auf die Nachbarländer zu verlassen nach dem Motto: Schön, dass Österreich und Mazedonien handeln, dann brauchen wir nichts mehr zu tun.

Deswegen fordern wir, die Kontrollen an den bundesdeutschen Grenzen zu Österreich hin aufrechtzuerhalten. Die Bundespolizei darf diese Kontrollen nicht aufgeben, sondern sie müssen intensiviert werden. Wir brauchen diese Kontrollen zur inneren Sicherheit, aber auch zur Zuwanderungsbegrenzung, solange die Sicherung der Außengrenzen nicht funktioniert. Ich sage ganz klar: Alles andere würde ein falsches Signal nach außen setzen, beispielsweise nach Afrika, in die Türkei und die arabische Welt. Wir dürfen nicht verkennen, dass der Flüchtlingszustrom deswegen so stark zugenommen hat, weil es den Menschen praktisch vollständig gelungen ist, hierher durchzukommen; denn es haben uns auch über 80-jährige Menschen erreicht.

Ein Abbau der Grenzkontrollen wäre ein Signal, wieder ungehindert in die Bundesrepublik einreisen zu können. Dieses Signal wäre falsch. Wir brauchen vielmehr auch in Deutschland eine Begrenzung der Zuwanderung und eine Obergrenze. Es muss klar sein, dass wir bei Bedarf und wenn die Zuzugszahlen wieder stark steigen, an den Außengrenzen nicht nur kontrollieren, sondern die Menschen an den Grenzen auch zurückweisen müssen, wenn die Obergrenze überschritten ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Dies ist nach der geltenden Rechtslage – nach dem Grundgesetz und den Asylgesetzen, § 18 Asylgesetz – ohne Weiteres möglich. Man kann sogar die Auffassung vertreten, dass es zwingend ist, Menschen, die aus einem sicheren Drittstaat zu uns einreisen wollen, an den Außengrenzen zurückzuweisen. Nur so können wir sicherstellen, dass wir die Situation insgesamt im Griff behalten.

Wie andere Länder das Problem lösen, haben wir in Österreich gesehen. Dort wurden über die Parteigrenzen hinweg unter Führung der SPÖ Gesetze verabschiedet, mit denen Österreich jederzeit in der Lage ist, Maßnahmen zu ergreifen, um eine unkontrollierte Einwanderung und einen unkontrollierten Zustrom

nach Österreich zu begrenzen. In Deutschland brauchen die SPD und die GRÜNEN insofern naturgemäß wieder etwas länger. Aber auch sie werden eines Tages bei ihren Kollegen in Österreich ankommen.

(Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Herr Rinderspacher, das dürfen Sie mir glauben.

(Beifall bei der CSU)

Der wirksame Schutz der deutschen Grenzen gegenüber Österreich muss also ausgebaut werden. Dies ist insgesamt noch zu wenig. Im Übrigen muss der Bund mit den bayerischen Behörden besser zusammenarbeiten. Wir müssen wissen, wo wann kontrolliert wird, damit wir unsere Schleierfahndungsmaßnahmen darauf abstellen können. Wir setzen weiterhin auf eine verstärkte Schleierfahndung, um unseren Beitrag für die Sicherheit der Grenzen und damit im Endeffekt für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.

Darüber hinaus werden wir die Republik Österreich, soweit sie dies wünscht, bei ihren Maßnahmen von Bayern aus unterstützen. Dies fordern wir ganz klar ein. Wir werden in den nächsten Wochen erleben – daran habe ich keinen Zweifel –, dass im Sommer die Route über das Mittelmeer – Libyen/Lampedusa, Libyen/Italien bzw. Sizilien – wieder massiv an Bedeutung gewinnen wird und wir massive Flüchtlingszahlen haben werden. Wir müssen uns darauf einstellen, dass dies die Italiener nicht allein bewältigen können oder wollen und dass sich wieder vermehrt Menschen in Richtung Mitteleuropa auf den Weg machen werden, vor allem solange wir nicht erklären, dass sie auch unser Land nicht unbegrenzt betreten können.

Deswegen begrüßen wir die Maßnahmen der Republik Österreich zur Grenzsicherung zu Italien hin am Brenner und an den anderen Alpenpässen. Österreich schützt damit auch die bayerischen Grenzen. Deswegen werden wir auch das Unsere dazu tun und, falls dies gewünscht wird, Österreich unterstützen.

Wir fordern die Staatsregierung auf, Österreich vonseiten Bayerns durch das Abstellen bayerischer Polizei an die Grenze Italien/Österreich zu unterstützen, wenn die Österreicher mit dieser eigentlich europäischen Aufgabe nicht allein zurechtkommen und Unterstützung brauchen; denn es handelt sich auch um eine Sicherung der deutschen Grenzen. Deswegen unterstützen wir dieses Begehren.

(Beifall bei der CSU)

Es ist die Pflicht eines Staates, die Sicherheit der Menschen, soweit es geht, zu garantieren. Zur Sicherheit der Menschen gehört, dass wir uns einen Überblick verschaffen, wer in unser Land kommt. Deswegen bedeutet Untätigkeit einen Verstoß gegen diese Pflicht des Staates. Wer sagt, dass keine Maßnahmen erforderlich sind, riskiert bewusst schwierige Sicherheitslagen. Wir sollten darin übereinstimmen, dass wir alles tun müssen, damit dies bei uns nicht eintritt. Deswegen befinden wir uns mit der Sicherung der Außengrenzen, solange dies nicht funktioniert, und der Sicherung der nationalen Grenzen auf dem richtigen Weg. Wir müssen unsere Nachbarländer unterstützen, die ihre nationalen Grenzen und somit auch die bayerischen Grenzen schützen. Das werden wir tun.

Wir werden unsere Polizei anständig ausstatten. Wir haben die Mittel hierfür erhöht. Deshalb werden wir dem Antrag der FREIEN WÄHLER, der unserem Antrag ähnlich ist, nicht zustimmen. Die pauschale Forderung, zusätzliche Polizei einzustellen, bringt uns nicht weiter. Wir müssen darüber diskutieren, in welchem Umfang dies geschehen soll. Wir müssen darüber reden, was wir bisher alles getan haben. Im Hinblick auf die weiteren Forderungen zur Grenzsicherung ist der Antrag unserem Antrag ähnlich.

Meine Damen und Herren, wir müssen entschlossen handeln. Die Gefahr ist keineswegs vorbei. Wir können in dieser Frage jederzeit wieder in größere Schwierigkeiten geraten. Im März des letzten Jahres haben wir nicht gewusst, welche Zahlen im September erreicht werden. Genauso wenig wissen wir, wie hoch die Zahlen im September dieses Jahres ausfallen werden. Deswegen müssen wir uns darauf vorbereiten und entschlossen handeln. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Kreuzer. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER hat Frau Kollegin Gottstein das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen zum wiederholten Male über die Sicherung unserer Grenzen und darüber, wer sich in unserem Land aufhält und sich hier aufhalten darf. Dieses Thema haben wir wieder vor uns. Wir reden über den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion betreffend "Grenzkontrollen fortsetzen und ausweiten" und den Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER betreffend "Endlich handeln statt endlos reden – Bayerns Grenzen sinnvoll sichern!". Das Anliegen ist ernst und berechtigt. Unserer Mei

nung nach wird es durch die Tatsache verwässert, dass die CSU immer wieder die gleiche Strategie fährt. Sie fordern sich selber als Regierungsmitglied in Berlin auf, etwas zu unternehmen. Mir erschließt sich immer noch nicht, warum Sie diesen Umweg über unseren Landtag wählen. Sie sind in Berlin Regierungsmitglied.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielleicht wählen Sie diesen Weg, weil der Schriftwechsel nach Berlin anscheinend doch sehr lange dauert.

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Sie haben nichts zu sagen in Berlin!)

Ich möchte betonen, dass es in beiden Anträgen um die tatsächliche, aber auch um die gefühlte – das Wort ist nicht zu unterschätzen – Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger geht. Politik hat vorausschauend zu sein. An dieser Stelle gebe ich Herrn Kollegen Kreuzer selbstverständlich recht. Vielleicht wird eine der Nachrednerinnen oder einer der Nachredner sagen: Dadurch werden Ängste geschürt. – Das ist bestimmt nicht der Fall. Es ist wirklich unsere Aufgabe, soweit es möglich ist zu sehen, was kommt. Hierfür gibt es Zeichen. Aufgrund der bisherigen Entwicklung wird es auch weiterhin so sein, dass wir unsere Grenzen schützen müssen, indem Kontrollen stattfinden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich komme zum Dringlichkeitsantrag der CSU. Die Nummer 1 des Antrags, wonach die zuständigen Mitgliedstaaten und die Europäische Union unverzüglich eine wirksame Kontrolle der Schengenaußengrenzen gewährleisten müssen, wird wohl von jedem unterschrieben. Die zweite Forderung im Antrag der CSU, wonach wir das selber machen müssen, solange keine wirksame Kontrolle der Schengenaußengrenzen erfolgt, ist zunächst in Ordnung. Bitte lesen Sie es jedoch nochmal selber. Sie fordern außerdem, dass die Bundespolizei die zuletzt erfolgte Ausdünnung der Kontrollen an den Grenzübergängen zu Österreich unverzüglich rückgängig machen und die Kontrollen in Abstimmung mit den bayerischen Sicherheitsbehörden lageangepasst auf sämtliche Grenzübergänge zu Österreich ausdehnen soll. Sicherlich kennen Sie die Steigerung: Selig, heilig, scheinheilig. An dieser Stelle muss ich sagen, dass es scheinheilig ist, was Sie machen. Sie können das. Wer verbietet Ihnen, sich mit Ihren eigenen Leuten abzustimmen?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)