Protocol of the Session on April 28, 2016

Man kann doch nicht pro forma einen Beschluss fassen, alles per se mitzutragen, ganz egal, was bei der Bedarfsprüfung herauskommt. Man braucht eine seriöse Grundlage.

(Georg Rosenthal (SPD): Grundlagen gibt es rauf und runter! In jedem Jahr!)

Das Thema ist zu wichtig, als dass man es während 30 Minuten im Rahmen der Beratung der Dringlichkeitsanträge verfrühstückt. Das Thema muss intensiv im Fachausschuss debattiert werden. Es bedarf eines Gesamtkonzeptes, es bedarf der Ermittlung der Kosten. Das ist seriöse Politik und keine Schaufensterpolitik. Es geht nicht darum zu sagen: Wir sind die Guten, und ihr seid die Bösen. Den Frauen in Bayern hilft diese Vorgehensweise nicht.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wir wollen das Thema angemessen angehen, dessen können Sie sich sicher sein.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gabi Schmidt.

Sehr geehrte Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Vogel, Sie haben das letzte Mal nicht einfach so aufgestockt, wie Sie das gerade Frau Osgyan vorgeworfen haben. Die Kollegin Gerlach hat gesagt, Sie haben das gerne aus der

Fraktionsreserve gegeben. So war damals der Spruch zur Aufstockung.

(Georg Rosenthal (SPD): Stimmt!)

Das war eins zu eins so.

Ich war mit der Kinderkommission in New York. Wir haben einen Tag die Frauenrechtskonferenz besucht. Wir haben einen sehr eindrucksvollen Beitrag einer jungen Frau gehört, die Opfer sexueller körperlicher Gewalt geworden ist und massiv misshandelt wurde. Sie macht zusammen mit bayerischen Pfadfindern ein Präventionsprogramm. Die sagen: Kein Opfer werden, kein Täter sein und niemals wegsehen. – Vor allem darf man niemals wegsehen. Dieser Staat verspricht jeder Frau und jedem Mann körperliche Unversehrtheit. Das steht in unserer Verfassung. Das muss eingehalten werden. Da braucht man nicht über Haushaltstitel zu reden. Dieses Recht hat jeder von uns. Das hat uns dieser Staat versprochen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der GRÜNEN)

Wir sprechen im Landtag schon seit Jahren über Gewalt gegen Frauen. Wir haben 38 Häuser, um die sich die Kommunen kümmern. Mein Dank gilt diesen Kommunen. Die Unversehrtheit verspricht uns der Staat, aber die Kommunen treten dafür ein.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der GRÜNEN)

Die CSU hat ihren Antrag betreffend Überarbeitung des Gesamtkonzepts von 1992 und Anhebung der staatlichen Fördersätze übrigens schon am 1. März gestellt. Frau Gerlach hat am 02.12.2014 gesagt, dass das schon lange überarbeitet werden müsste. Ihr Antrag ist ein Eingeständnis dessen, was die Opposition schon seit Jahren sagt, nämlich dass etwas nicht stimmt und für Frauen nicht genug Schutzplätze vorhanden sind, dass es nicht genügend Prävention gibt und man nicht sofort eingreifen kann, weil die Plätze nicht ausreichen. Genau das sagt Ihr Antrag aus: Wir haben nicht hören wollen, wir haben fehlentschieden. – Genau das steht in Ihrem Antrag. Sie beantragen, dass wir etwas Neues machen müssen. Herr Vogel hat gesagt: mehr Prävention, um weiterzugehen.

Nur jede 58. Frau, die Schutz sucht, kann einen Platz bekommen. Das ist eine Schande. Man mag sich einfach nicht vorstellen, wie hoch die Dunkelziffer ist. Wir haben eine immense Dunkelziffer, was übrigens auch die Studie besagt. Wenn wir Frauen abweisen müssen, die einen Schritt hinaus aus ihren familiären Problemen gehen – fast immer sind Kinder Zeugen –

und eine Anlaufstelle suchen, dann finde ich das schändlich.

Wir fordern das seit Langem. Ihr Antrag ist – das muss ich ehrlich sagen, wir bedanken uns für die Aufmerksamkeit – eins zu eins von unserem Antrag aus dem Jahr 2014 abgeschrieben. Wir waren aber so anständig und haben in unserem Antrag nicht die Einschränkung vorgenommen: "… im Rahmen der vorhandenen Stellen und Mittel …". Wir würden Ihrem Antrag zustimmen, wenn Sie ergänzen würden: "… bei den benötigten Haushaltsmitteln …" oder "… bei den reichlichen Haushaltsmitteln …". – Sie müssen das abdecken. Die Frau Ministerin verspricht, dass wir etwas tun. Es muss haushalterisch abgedeckt sein.

Ich gehe davon aus, dass sich Ihr Antrag von Anfang März auch auf diese Studie bezogen hat. Frau Ministerin, für mich ist der Eindruck entstanden, als hätte die CSU die Studie früher gehabt. Die Autoren dieser Studie sagen, dass im Jahr 2014 2.000 Frauen abgewiesen wurden. Das ist unbeschreiblich.

Ich möchte abschließend sagen: Wir dürfen niemals wegsehen und untätig sein. Das Grundgesetz, unsere Verfassung und das CEDAW-Abkommen, die UNMenschenrechtskonvention, die wir unterschrieben haben, verpflichten uns zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau. Herr Vogel, Sie sagen, Sie wollen etwas verbessern. Vielleicht sind die feministischen Farben Ihrer Krawatte ein kleines Zeichen der Besserung. Glaubwürdig werden Sie aber erst, wenn in dem Antrag etwas von den benötigten Mitteln steht, vorher nicht. Wir werden allen Anträgen zustimmen und uns beim Antrag der CSU enthalten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Nun hat Frau Staatsministerin Müller ums Wort gebeten.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Gewalt gegen Frauen, gegen Kinder und gegen Schwächere in unserer Gesellschaft ist inakzeptabel. Da dürfen wir nicht wegschauen, das müssen wir ernst nehmen. Deswegen haben wir auch 2014 die Studie zur Bedarfsermittlung zum Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder in Bayern in Auftrag gegeben. Diese Studie liefert uns erstmals valide Zahlen und Daten zur Bedarfssituation in ganz Bayern. Jetzt haben wir wissenschaftlich fundierte Grundlagen zur Überprüfung der bestehenden bayerischen Hilfesysteme für den genannten Personenkreis. Die Studie wurde bereits am 17. März dieses Jahres im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration behandelt,

und vor wenigen Stunden hat das Plenum einstimmig – also auch mit den Stimmen der Opposition, von SPD, FREIEN WÄHLERN und GRÜNEN – beschlossen, dass die Staatsregierung gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen entwickelt. Ich frage mich, was jetzt eigentlich das Problem ist.

Das Konzept soll alle Präventions- und Interventionssysteme für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder umfassen. Das Konzept soll außerdem die aktuelle Versorgungslage sowie Handlungsbedarfe darstellen. Im Anschluss sollen Empfehlungen für kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen formuliert werden. Diese Vorgehensweise halte ich für richtig und für seriös. Im Rahmen des Gesamtkonzepts können sich alle Beteiligten mit den Handlungsempfehlungen der Studie auseinandersetzen. Dazu setze ich eine Arbeitsgruppe mit den anderen betroffenen Ressorts sowie dem Bayerischen Landkreistag und dem Bayerischen Städtetag ein. Alle haben ihre Teilnahme zugesagt. Die erste Sitzung wird bereits im Juni stattfinden.

Die kommunalen Spitzenverbände sind dabei unabdingbare Partner. Der Kollege Vogel hat vorhin auch gesagt, dass vorrangig die Kommunen die bedarfsgerechten Hilfsangebote zur Verfügung stellen. Deshalb können wir wesentliche Änderungen an der staatlichen Förderrichtlinie nur im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden vornehmen. Auch die freie Wohlfahrtspflege in Bayern als Repräsentantin des Hilfesystems werden wir in die Diskussion eng mit einbinden. Die Arbeitsgruppe wird sich selbstverständlich mit allen Inhalten der Studie befassen.

Insbesondere wird es auch darum gehen, Antworten auf folgende Fragen zu finden: Wie kann die Zahl der Frauenhausplätze bedarfsgerecht erhöht werden? Welche Maßnahmen gibt es, die Frauenhäuser dadurch zu entlasten, dass für Frauen nach der Akutphase schneller eine Bleibe gefunden wird? Wie können die mitbetroffenen Kinder besser unterstützt werden und auch die Täter mehr in den Blick genommen werden? – Das war nämlich in der Vergangenheit nicht der Fall. Wie können die in den Frauenhäusern erbrachten Leistungen besser im Personalschlüssel abgebildet werden, und wie kann in mehr Frauenhäusern Barrierefreiheit erreicht werden? – Frau Dr. Strohmayr hat das ja vorhin auch angesprochen.

Ich möchte noch einmal sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Bereits jetzt haben wir Maßnahmen verwirklicht, die wir ohne Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände umsetzen konnten. Zum Ersten haben wir bereits im Sommer 2015 die staatlich geförderten

Beratungsangebote um sogenannte Interventionsstellen ergänzt. Diese Stellen arbeiten nach dem sogenannten proaktiven Beratungsansatz. Sie gehen nach einem Polizeieinsatz bei häuslicher Gewalt aktiv auf die Opfer zu. Hierfür stehen jährlich etwa 550.000 Euro zur Verfügung. Zur Unterstützung des flächendeckenden Aufbaus der Interventionsstellen fördern wir seit dem 1. Dezember 2015 zudem auch eine landesweite Koordinierungsstelle. Träger ist die freie Wohlfahrtspflege Landesarbeitsgemeinschaft Bayern hier in München. Auch das Online-Portal für freie Frauenhausplätze und Beratungskapazitäten, das gefordert wird, haben wir in Angriff genommen. Wir fördern bereits seit dem 1. November letzten Jahres die web-basierte Freiplatzanzeige in Frauenhäusern in Bayern.

Wir fördern ab 1. Mai Dolmetscherkosten für Frauenhäuser, Notrufe und Interventionsstellen. Genau das benötigen wir auch für Frauen mit Migrationshintergrund. Dafür haben wir Haushaltsmittel in einer Größenordnung von 220.000 Euro zur Verfügung. Wir wollen also auch da das Hilfesystem verbessern und Frauen einen Dolmetscher zur Hand geben, wenn es notwendig ist.

Unser Ziel ist es, für die weiteren Handlungsbereiche sinnvolle Lösungen zu finden. Das braucht gerade im Blick auf unser Mischfinanzierungssystem eine gewisse Zeit. Schnellschüsse sind deshalb überhaupt nicht angebracht. Ich bin der Auffassung, wir müssen jetzt gezielt unsere Konzepte erstellen. Der Antrag der CSU-Fraktion, liebe Kolleginnen und Kollegen, verlangt nicht Geld für mehr Personal in den Frauenhäusern, sondern besagt, dass wir das Konzept im Rahmen unserer Stellen und unserer Haushaltsmittel gestalten sollen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. – Herr Georg Rosenthal hat um Gelegenheit zu einer persönlichen Erklärung zur Aussprache gemäß § 112 der Geschäftsordnung gebeten. Ich möchte kurz auf Folgendes hinweisen. Das Wort zu einer Erklärung zur Aussprache von höchstens fünf Minuten wird nach Ende der Beratung erteilt. Die Rednerin oder der Redner darf nur Angriffe zurückweisen, die in der Aussprache gegen sie oder ihn geführt wurden, oder eigene Ausführungen berichtigen. Sie oder er darf nicht zur Sache selbst sprechen und keine Anträge mit dieser Erklärung verbinden. Zur Gegenrede kann einem Mitglied des Landtags das Wort bis zu fünf Minuten erteilt werden. Bei mehreren gleichzeitigen Wortmeldungen entscheidet die Präsidentin oder der Präsident, wer das Wort zur Gegenrede erhält. Ich sage dazu: Wir haben es

bisher immer so gehandhabt, dass aus jeder Fraktion jemand, der sprechen möchte, auch sprechen kann. – Bitte, Herr Rosenthal, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Kollege Vogel, Sie haben mich eben in Ihrer Rede als Oberbürgermeister der Stadt Würzburg angesprochen.

(Steffen Vogel (CSU): Oberbürgermeister a. D.!)

Sie haben mich als Oberbürgermeister in dieser Zeit angesprochen, und darauf antworte ich. Wenn Sie mich als Oberbürgermeister a. D. ansprechen, brauchen wir nicht über die Vergangenheit zu reden. Sie haben unterstellt, dass ich als Oberbürgermeister in einem direkten Zusammenhang mit den 20 Plätzen stehe, die fehlen. Ich stelle fest: Im Stadtrat hat der Oberbürgermeister eine Stimme, und dazu kommen 50 Stimmen der Stadträte. An Anträgen auf Erhöhungen hat es in den Haushaltsberatungen der Stadt Würzburg nicht gemangelt. Es lag an Ihrer Fraktion, dass eine Erhöhung im Stadtrat keine Mehrheit gefunden hat.

(Zurufe von der SPD: Hört, hört!)

Im Übrigen möchte ich ein Zitat zu den zwei Häusern bringen, die wir in unserer Stadt haben. Bei der Gründung dieser Häuser wurde erklärt – Zitat aus konservativer Sichtweise –: Es ist nicht Aufgabe der Stadt Würzburg, sich in Familienangelegenheiten einzumischen, wenn es mal etwas härter zur Sache geht. – Das ist der Text. Wenn Sie gerne das Protokoll aus dem Rathaus haben wollen, überreiche ich es Ihnen persönlich sehr, sehr gern.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Danke schön. – Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir jetzt zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Ich rufe zunächst die Anträge auf, über die einfache Abstimmung durchgeführt wird, als Ersten den Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 17/11200. Das ist der Antrag der SPD-Fraktion. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion, FREIE WÄHLER, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Danke. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Danke schön. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich rufe jetzt den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11219 auf. Das ist der Antrag der CSU-Frak

tion. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Danke schön. Gegenstimmen? – Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Das sind die SPD-Fraktion, FREIE WÄHLER, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Ich rufe nun den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11220 auf. Das ist der Antrag der Fraktion FREIE WÄHLER. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion, FREIE WÄHLER, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Danke schön. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich komme jetzt zurück zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11194. Das ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Fünf Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 15.42 bis 15.47 Uhr)

Die Abstimmung ist geschlossen. Wir zählen wieder außerhalb des Sitzungssaales aus. Ich darf Sie bitten, wieder Platz zu nehmen.

Bevor ich in der Tagesordnung weiterfahre, gebe ich jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Aiwanger, Streibl, Glauber und anderer und Fraktion (FREIE WÄHLER) betreffend "Endlich Lehren aus Tschernobyl ziehen – Bayerische Ausbauziele bei Erneuerbaren Energien deutlich erhöhen", Drucksache 17/11193, bekannt: Mit Ja haben 66 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein 72. Stimmenthaltungen keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)