Welche Werte sind für ein gelingendes Zusammenleben unverzichtbar? Diese Werte müssen wir nicht neu erfinden; sie stehen seit Jahrzehnten in unserer Verfassung. Ich nenne die Achtung vor der Würde des Einzelnen und die Gleichberechtigung. Ich finde es übrigens sehr nett, dass wir mittlerweile in einer Situation sind, in der Sie von der CSU, wenn Sie nach unseren Grundwerten gefragt werden, als Erstes auf die Gleichberechtigung kommen. Dafür habe ich 30 Jahre lang gekämpft. Hurra!
(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall bei der SPD – Dr. Florian Herrmann (CSU): Wir brauchen keine Belehrungen von Ihnen!)
Weitere Grundwerte sind der Respekt vor anders Denkenden und anders Lebenden sowie die Religionsfreiheit. Letztere umfasst die Freiheit, sich zu einer Religion zu bekennen und diese zu leben, aber auch die Freiheit, keiner Religion anzugehören oder keine Religion zu leben.
Auch die Meinungsfreiheit ist bei uns ein hohes Gut. Herr Kreuzer hat vorhin gesagt, hier werde man doch noch sagen dürfen, was man meine. Sie können das schon sagen, müssen es aber aushalten, wenn Sie dafür kritisiert werden.
Um mich brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. - Ich zitiere noch einen wunderbaren Artikel unserer Verfassung:
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
Dass diese Grundsätze in unserer Verfassung stehen, ist das Ergebnis von vielen Kämpfen und Auseinandersetzungen, die in den vergangenen zwei Jahrhunderten geführt wurden. Nicht zuletzt aufgrund der Geltung dieser Grundsätze kommen Verfolgte zu uns. Dafür achten und schätzen sie Deutschland.
Die Werte unserer Verfassung bedeuten gleichzeitig eine Absage an Ausgrenzung und Intoleranz, an Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, an Fanatismus und Fundamentalismus.
Im Rahmen unserer Verfassung kann jeder nach seiner Fasson selig werden. Unsere Gesellschaft lässt andere anders sein. Auch das ist eine Lehre aus unserer wechselvollen Geschichte.
Die für alle verbindlichen Regeln des Zusammenlebens sind im Grundgesetz niedergeschrieben. Diese Regeln gilt es nicht nur zu respektieren, sondern auch zu leben. Das gilt für alle, die wir hier sitzen. Das gilt für die Geflüchteten. Das gilt genauso für AfD-Wähler, Pegida-Anhänger und andere Rechtspopulisten.
Kolleginnen und Kollegen, auch heute sind Flüchtlinge unterwegs, auf dem Balkan und anderswo, in Regen und in Kälte. Für sie gibt es im Moment kein Zurück; Assad und Putin sorgen dafür. Sollen diese Frauen, diese Kinder, diese Männer in einem riesigen Auffanglager an der bayerisch-österreichischen Grenze stranden, in Zelten und eilends eingerichteten Notunterkünften, die wohl nicht einmal zu heizen sein werden? - Was Sie hier propagieren, ist nicht nur illusorisch. Es ist auch Ausdruck kleinkarierten Denkens, das an die bayerischen Grenzen stößt.
Angesichts all Ihrer Äußerungen und Aktivitäten frage ich mich schon, warum Sie nicht längst intensiven Kontakt mit Kroatien und Österreich aufgenommen haben. Was nutzen denn Drohungen in der Öffentlichkeit? Wie wäre es denn, wenn Sie sich mit Kroatien und Österreich zusammensetzen und gemeinsam an einer Lösung, die auch im Sinne der Flüchtlinge ist, arbeiten würden?
Abschottung löst kein Problem, sondern schafft zusätzliche Probleme. Ein Rückfall in den nationalen Egoismus beschädigt die Kräfte und Strukturen, auf die wir dringend angewiesen sind, um die Krise zu überwinden und die Herausforderung zu bewältigen. Ich sage es noch einmal: Wir GRÜNEN sind bereit, an konstruktiven Lösungen mitzuarbeiten, wenn es um Hilfe geht, wenn es um Unterstützung geht, um Stär
kung und Entlastung für jene, die anpacken. Hier müssen wir so schnell wie möglich die professionellen Strukturen aufbauen und stärken.
Wir sind bereit zur Kooperation bei der Integration. In den vergangenen Jahren wurden im ganzen Land, auf kommunaler Ebene schon viele gute Projekte erarbeitet, vielfach auf ehrenamtlicher Basis, vielfach auf zivilgesellschaftliche Initiativen hin. Darauf können wir aufbauen. Von ihnen können wir lernen. Dazu brauchen wir Geld, und dazu brauchen wir die richtigen rechtlichen Rahmenbedingungen. Auch brauchen wir die Einsicht, dass wir schon längst in einer Einwanderungsgesellschaft leben.
Ich sage es noch einmal: Nehmen wir gemeinsam diese Herausforderung an und gestalten wir sie gemeinsam!
(Vom Redner nicht autori- siert) Frau Kollegin Bause, Sie haben zur Zusammenarbeit aufgerufen. Angesichts des Vorwurfs der Unterwerfung, den ich für skandalös halte, gestaltet sich das für mich außerordentlich schwierig. Ich finde es außerordentlich schwierig, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der meint, dass wir versuchen, Menschen, die zu uns kommen, zu unterwerfen. Ich weise das entschieden zurück, Frau Kollegin.
Es mag ja sein, dass Sie vor 30 Jahren schon für Gleichberechtigung gekämpft haben. Aber jetzt kommen Menschen in unser Land, die nicht einmal die Rechte, die wir bereits vor 30 Jahren im Zusammenhang mit der Gleichberechtigung hatten, anerkennen.
Es ist auch ein Skandal, wie Ihre Fraktion mit solchen Dingen umgeht, indem sie im Sozialausschuss Anträge stellt, in denen sie fordert, dass alleinstehende Frauen in Unterkünften separat untergebracht werden müssten, weil sie sich in gemeinsamen Unterkünften vor Übergriffen der männlichen Asylbewerber nicht retten könnten.
Es ist der falsche Ansatz, den Menschen zu sagen, sie könnten separat untergebracht werden. Wir müssen denen, die für solche Übergriffe verantwortlich sind, erklären, dass so etwas in unserem Land nicht geht.
(Vom Redner nicht autori- siert) Im Übrigen versteht draußen kein Mensch, dass wir die, die für die Übergriffe verantwortlich sind, indem wir die alleinerziehenden Frauen separat unterbringen, schützen, anstatt sie zu bestrafen.
Aber, Frau Kollegin Bause, sind Sie mit mir der Meinung, dass wir die Rückführung von Personen, deren Antrag auf Asyl abgelehnt worden ist, dass wir die Abschiebung vereinfachen müssen? Sind Sie mit mir der Meinung, dass wir bestehende Fehlanreize, die zu ungerechtfertigten Asylanträgen führen, beseitigen müssen? Und sind Sie mit mir der Meinung, dass Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsländern bestimmt werden müssen?
(Vom Redner nicht autori- siert) Das alles werden morgen rote und grüne Landespolitiker beschließen. Sind Sie dafür oder dagegen?
Herr Kollege Hofmann, Sie sollten einmal tief durchatmen. Das ist gut für das Gehirn und für die Durchblutung.
Jetzt will ich Ihnen einmal etwas zu dem Thema Gleichberechtigung sagen. Ich glaube, insoweit müssen Sie vielleicht in Ihren eigenen Reihen auch noch ein bisschen nachjustieren und die gelebte Gleichberechtigung dann auch im Alltag realisieren. Selbstverständlich müssen sich alle, die hier leben und zu uns
kommen, an unsere Gesetze und an unsere Verfassung halten. Das ist eine völlige Selbstverständlichkeit. Heute hat sie der Ministerpräsident ausgesprochen, und Sie haben eifrig applaudiert.
Wenn es um den Schutz besonders schutzbedürftiger und verletzlicher Personen geht, müssen wir uns überlegen, wie wir ihn auch in den Unterkünften herstellen. Vielleicht sollten Sie auch einmal -
Einmal vorbeischauen, einmal mit den Helfern reden, mit den Leuten, die sich schon lange damit beschäftigen. Dann würden Sie wissen, dass es in Unterkünften Situationen gibt, in denen Frauen zum Beispiel Angst haben, nachts auf das Klo zu gehen, weil einfach eine so große Enge herrscht und sie nicht wissen, ob sie dort vor Übergriffen geschützt werden.
Weil sich Frauen und Männer eine Toilette teilen, weil es zum Beispiel keine abgegrenzten Toiletten gibt. Dann können wir sagen: Wir setzen noch viel mehr Überwachungspersonal hinein. Aber vielleicht könnten wir auch einen besonders geschützten Bereich für die Frauen schaffen, die das möchten.
Vielleicht könnten wir das so pragmatisch lösen, ohne gleich zu sagen: Alle, die kommen, sind Gewalttäter, alle, die kommen, sind Kriminelle, alle, die kommen, sind Vergewaltiger. Auf diese Art und Weise werden wir nicht weiterkommen.