alle erlebt, als man vor einem Jahr davor gewarnt hat, dass uns die Flüchtlingszahlen über den Kopf wachsen, und man gesagt hat, wir müssen in den Herkunftsländern Lösungsansätze anbieten. Dann hat man sehr schnell Kommentare von jungen Journalisten bekommen, die es vielleicht ernst und ehrlich meinen, die einem gleich vorgeworfen haben: Wollt ihr denn in Wettbewerb mit irgendwelchen anderen dubiosen Parteien treten? Veranstaltet ihr hier einen Wettlauf? – Nein, meine Damen und Herren, wir Politiker wollen ehrlich auch einmal Lösungsansätze anbieten dürfen, ohne von den Medien ständig einen Spiegel vorgehalten zu bekommen nach dem Motto: Das ist alles nur taktisch. – Meine Damen und Herren, man muss der Politik auch zugestehen, einmal Entscheidungen im Sinne der Bürger zu treffen und Lösungsvorschläge nicht immer aus Parteitaktik zu machen.
Das heißt, wir müssen als politische Mitte handlungsfähig bleiben oder es wieder werden. Wir müssen Lösungen aufzeigen, ohne sie nur in den Raum zu stellen, um politisch fehlgeleiteten Volksverhetzern das Wasser abzugraben.
Wenn wir das nicht hinkriegen, dann werden sich viele Menschen draußen von der Politik verabschieden, werden in die innere Emigration gehen, gar nicht mehr zum Wählen gehen oder Denkzettelwahlen herbeisehnen. Meine Damen und Herren, die Geschichte wiederholt sich; wir hatten das in den Neunzigerjahren. Wenn wir die Kurve nicht kratzen, dann haben wir das sehr bald wieder.
Vor diesem Hintergrund appelliere ich insbesondere an Rot-Grün, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Sie haben damals einer Verschärfung des Asylrechts zugestimmt, weil auch Sie gesehen haben, dass es letztlich nicht unbedingt der politisch Radikale ist, der Denkzettel verpasst, sondern es häufig gerade Ihre Wähler sind: der Rentner, die Arbeiterschaft haben plötzlich das Kreuzchen an Stellen gemacht, wo Sie es nicht vermutet hätten.
Also auch vor diesem Hintergrund müssen wir politische Ziele anvisieren und gemeinsam anstreben. Wir brauchen die ehrliche Definition und Analyse der Situation. Das heißt nicht unbedingt: Das Boot ist voll – das ist politisch irgendwo diskreditiert –, sondern das heißt: Wir können diese Zuwanderung auf Dauer nicht mehr vernünftig steuern und bewerkstelligen; der Preis, den wir dafür bezahlen müssen, ist zu hoch.
Es ist nicht die einzige Möglichkeit, diese Leute alle nur in Deutschland unterzubringen. Alternativen in
Ich warne auch davor, die 30 % der Kommunen an den Pranger zu stellen, die bis heute keinen Flüchtling aufgenommen haben. Meine Damen und Herren, das sind vielfach Kommunen, in denen die bisher geforderte Infrastruktur einfach nicht vorhanden ist: der Anschluss an den öffentlichen Personennahverkehr, der Supermarkt um die Ecke, den man auch zu Fuß erreicht, die nahe Hausarztversorgung und dergleichen. Sie kennen die Debatte der letzten Monate, in der es geheißen hat: Nein, in den Bayerischen Wald wollen wir nicht, dort ist nichts los, wir wollen in die Nähe von München. – Auch das ist die Wahrheit. Ich bin kein Befürworter des Vorgehens, jene Kommunen heute an den Pranger zu stellen, die vielleicht noch für ein paar Wochen Atempause sorgen könnten. Natürlich soll sich keiner seiner Verantwortung entziehen können. Aber pauschal zu sagen, wenn noch 30 % mitmachen, dann bringen wir noch 30 % mehr unter, geht nicht. Das sind häufig sehr kleine, ländliche Kommunen, in denen die Voraussetzungen einfach nicht gegeben sind, die man für eine vernünftige Erstintegration braucht.
Wir müssen das Problem heute lösen, wenn wir noch ein bisschen Luft in der Sauerstoffflasche haben, anstatt zu sagen: Macht jetzt mal ihr 30 % noch mit, dann schauen wir weiter. – Wir brauchen heute die Lösungen. Diese liegen auf der Hand. Den Kommunen sollte alles abgenommen werden, was auf deren Schultern lastet.
Wenn Sie schon sagen, das sei Bundesaufgabe, Herr Ministerpräsident, und nicht Aufgabe des Landes, dann setze ich obendrauf: und schon gar nicht die Aufgabe der Kommunen. Die Kommunen retten Ihnen momentan den Hintern. Geben Sie denen, was sie brauchen! Das ist das Personal bei den Gemeinden, das ist das Personal bei den Sozialämtern, das ist das Personal bei den Ausländerbehörden der Landkreise; diese stellen derzeit auf eigene Rechnung Personal im Dutzend ein. Das geht auf Dauer so nicht weiter.
Ein banales Beispiel sei mir zum Schluss auch noch erlaubt: Meine Damen und Herren, mich hat vorgestern ein Lehrer angesprochen; er hat gesagt: Die Stellen sind schön und gut, aber gebt uns doch ein gewisses Budget, ich suche mir dann schon die Personen vor Ort. Das kann die polnisch sprechende integrierte Person sein.
Okay. Dann setzt dort noch etwas drauf, damit die Schulen dort genügend Budget haben, um das Personal, das sie brauchen, gezielt anzustellen. Heute muss einer Person aus dem Helferkreis, die eigentlich passen würde, gesagt werden: Du kannst ehrenamtlich weitermachen, aber um dich ordentlich zu bezahlen, dafür fehlen die Mittel. Diese Aufgaben kosten richtig Geld – von der internationalen über die Landes- zur Bundesebene und zur kommunalen Ebene, meine Damen und Herren. Am Ende müssen wir da ehrlich sein und sagen, wie viel wir leisten können, wie viel wir leisten wollen, wie viel alternativlos ist und geleistet werden muss, aber auch wie viele nur auf dem Trittbrett mitfahren und sich eines Systems bedienen, das aufgrund des Versagens der Bundesund Europapolitik jetzt offensteht.
Korrigieren Sie die Schieflage auf europäischer Ebene und das Asylverfahrensgesetz! Kehren Sie zum Pragmatismus zurück! Seien Sie so ehrlich zu sagen: Jawohl, wir wollen den Menschen in Not helfen, aber wir können nicht alles tun; wir müssen gezielte Lösungen anbieten. - Das System hält noch einige Zeit durch, wenn Sie die Kommunen unten noch mitnehmen. Wenn Sie die Kommunen unten jetzt aber nicht mehr mitnehmen – - Wir haben dafür schon die ersten Anzeichen. Die Landkreise in der Grenzregion werden den Aufnahmestopp verkünden. Auch ein Vertreter des Landkreises Landshut, um ein Beispiel zu nennen, sagt – ich habe heute mit ihm telefoniert -, in wenigen Wochen ist sein Soll erfüllt. Dann hat er seine 1.800 Flüchtlinge. Dann schickt er alles durch und wird keine Bürgermeister mehr mit dem Thema behelligen. Dann, meine Damen und Herren, haben wir Feuer am Dach.
Löschen wir, solange es noch geht, seien wir ehrlich zu uns selbst! Ich appelliere an Rot-Grün: Befürworten Sie Lösungen, die funktionieren, damit dieses Asyl- und Flüchtlingsthema nicht uns schafft, sondern dass wir es schaffen! Die Weichenstellungen, die derzeit im Raum stehen, deuten eher darauf hin, dass das Thema uns schafft, als darauf, dass wir es schaffen. Noch einmal: Zeigen Sie Ihrer Frau Merkel, wo der Hammer hängt!
Vielen Dank. - Herr Kollege Taşdelen steht schon für eine Zwischenbemerkung bereit. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Aiwanger, ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen, dass wir sehr viel Zeit verloren haben. Herr Kreuzer hat in seiner Rede gesagt, dass der Ministerpräsident zeigt, was
geht, und nicht herumeiert. Auch mein Fraktionschef Markus Rinderspacher hat schon vor Längerem ein Integrationsgesetz gefordert. Wir haben das hier in den Bayerischen Landtag eingebracht. Es wurde von Ihnen abgelehnt, weil der Herr Ministerpräsident irgendwann - in seiner ersten Regierungserklärung, glaube ich – gesagt hat, dass er keinen einzigen zusätzlichen Paragrafen in dieser Legislaturperiode möchte. Das kann aber kein Argument sein, um etwas abzulehnen. - Jetzt auf einmal entdeckt die Regierung, dass ein Integrationsgesetz sehr förderlich für Bayern sein kann. Das ist es, und das ist auch gut so.
Sie reden davon, dass dieses Paket nicht Millionen, sondern Milliarden kostet. Da gebe ich Ihnen völlig recht. Wir müssen aber den Bürgerinnen und Bürgern ganz deutlich sagen, dass dieses Geld nicht irgendjemandem in den Rachen geschmissen, sondern in bayerische Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Verwaltungskräfte und Polizistinnen und Polizisten investiert wird. Es ist im Grunde genommen ein Konjunkturpaket, was sehr gut für Bayern ist.
Lieber Herr Aiwanger, Sie wissen, ich schätze Sie sehr. Aber Formulierungen wie "Muslime finden in Bayern in der Gastronomie keinen Job" gehören nicht in den Bayerischen Landtag.
Ich glaube, dass Sie auch froh sind, wenn die Kellnerin oder der Kellner auf dem Weg von der Küche zu Ihnen an den Tisch Ihr Essen nicht mit bloßen Händen anfasst. Außerdem lade ich Sie gerne mal nach Nürnberg ein; wir gehen dann in ein veganes Restaurant.
Okay. Eine kurze Antwort darauf: Jawohl, es kostet Milliarden. Aber diese Milliarden müssen gezielt eingesetzt werden. Ich glaube, dass wir momentan viel Geld an falscher Stelle ausgeben. Ich nenne hier den Bereich der Jugendhilfe; hier überzieht man vielleicht derzeit. Wir hoffen, dass das Geld nachher richtig eingesetzt wird und den richtigen Personenkreisen zugutekommt, nicht Leuten, die sich für Syrer ausgeben, ohne Syrer zu sein. Aber bis wir das merken, weil wir
zu wenige Asylrichter usw. haben, sind Tausende aufgelaufen. Wir sollten da also hinschauen, damit das Geld der Bürger sinnvoll eingesetzt wird.
Vielen Dank. - Jetzt erteile ich der Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Kollegin Bause, das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Seehofer, Herr Kreuzer, Sie haben uns heute wieder einmal eine Demonstration Ihres sattsam bekannten Doppelspiels geliefert. Herr Seehofer appelliert an Gemeinsamkeiten. Er zitiert den Appell der Hilfsorganisationen, die darum bitten, dass alle demokratischen Kräfte doch bei dieser großen Herausforderung zusammen anpacken und an konstruktiven Lösungen arbeiten. Und Sie, Herr Kreuzer, kommen dann hierher, geben den Demagogen, denunzieren, beleidigen.
und dann wundern Sie sich, dass es mit der Gemeinsamkeit ein wenig schwierig ist. Ich kann Ihnen versichern: Ja, wir sind zur Kooperation bereit,
insbesondere was die Integration angeht. Die Vorschläge, die Sie da machen, müssen wir diskutieren; viel Richtiges ist dabei. An manchen Stellen muss man, glaube ich, noch nachjustieren. Es wird wohl auch noch mehr Geld brauchen, als Sie heute in Aussicht gestellt haben. Wir sind zur Kooperation bereit, insbesondere bei der Integration. Aber, Herr Kreuzer, Kooperation geht nur bei gegenseitigem Respekt, auch wenn andere eine andere Meinung haben als Sie.
Im Gegensatz zu Ihnen bin ich nicht der Meinung, dass es falsch ist, sich vor Ort ein Bild in den Notunterkünften zu machen. Deswegen war ich letzte Woche unter anderem im mittelfränkischen Lauf. Das
einzige hauptamtliche Personal in der dortigen Notunterkunft sind die vier Männer vom Sicherheitsdienst: Schwarze Uniformen, muskelbepackt, Marke Türsteher.
- Das empfinden die nicht als Beleidigung; ich habe mit denen sehr lange geredet. Ich muss ehrlich sagen: Ich war im ersten Augenblick ein bisschen skeptisch, als ich diese martialischen Jungs da stehen sah. Im Hof hinter ihnen war eine bunte Schar von Kindern. Sie sind auf Bobbycars eine Rampe runtergebrettert – großes Hallo, großer Radau. Es war eine Freude, ihnen zuzusehen. Der Chef dieser Truppe redet mit uns und zeigt auf die Kinder und sagt: Die größte Freude ist es für ihn bei seiner Arbeit, diese Kinder zu sehen. Wenn die in der Unterkunft ankommen, sind sie völlig apathisch. Nach ein paar Tagen kommt wieder das Licht in ihre Augen. Wenn sie zwei Wochen da sind, ist in dieser Unterkunft fröhliches Kindergeschrei zu hören. – Das ist es, was ihm an seiner Arbeit Freude macht. Die anderen, die dabeigestanden sind, haben genickt. Sie haben gesagt, sie leisteten hier nicht nur Sicherheitsdienst, sondern seien Mädchen – oder Jungs – für alles: Sie überziehen die Betten frisch, sie helfen beim Catering und kümmern sich darum, dass der eine einen Zahnarzttermin und eine Schwangere einen Termin beim Frauenarzt bekommt. Wenn sie Verständigungsprobleme haben, dann bitten sie Flüchtlinge aus der Unterkunft, die englisch sprechen, Dolmetscherdienste zu übernehmen.
Was zeigt uns das Verhalten dieser Männer? – Es zeigt, dass das Geschäftsmodell Abschreckung nicht gefragt ist. Die Stärke liegt nicht im martialischen Auftreten. Die Stärke liegt auch darin, dass man sich von Menschen, die zu uns kommen, berühren lässt und offen ist, dass man aber gleichzeitig auch anpackt, wo Not am Mann ist, dass man auch ungewohnte Aufgaben übernimmt und meistert, dass man zur Improvisation fähig ist und dass man gemeinsam menschlich und pragmatisch nach Lösungen sucht.
Ich finde, das muss die Haltung sein, mit der wir uns der immensen Herausforderung stellen. So – menschlich und pragmatisch – müssen wir vorgehen.
Die Kanzlerin hat sich im entscheidenden Augenblick auf die Seite der Humanität gestellt und mit ihr Hunderttausend andere hauptamtliche und ehrenamtliche Helfer und Helferinnen, die in einem bisher nicht da gewesenen Ausmaß Empathie zeigen und tatkräftige Hilfe leisten. Ich sage Ihnen, Humanität hat nichts mit Gefühlsduselei zu tun. Humanität ist die Grundlage