Protocol of the Session on July 16, 2015

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Celina, liebe Frau Kollegin Waldmann, Einigkeit besteht über das Ob. Uneinig sind wir uns über das Wie und den Zeitplan. Liebe Frau Celina, Sie haben andere Bundesländer wie Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und SachsenAnhalt als Vorbilder hingestellt. Ich muss Ihnen sagen: Die von Ihnen genannten Bundesländer sind für uns keine Vorbilder, weder in sozial- noch in fiskalpolitischer Hinsicht. Mit fremdem Geld ist es einfach, Wohltaten im Lande zu verteilen.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Frau Kollegin, laut WHO gibt es in Deutschland mehr als eine Million sehbehinderter Menschen. Um auf die Bedürfnisse dieser einen Million Menschen in Deutschland mit einem unterschiedlichen Grad an Sehbehinderung aufmerksam zu machen, hat der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband im Jahre 1998 einen eigenen Gedenktag eingeführt. Allein die hohe Zahl der Sehbehinderten in Deutschland zeigt, dass es generell der falsche Weg ist, eine rein bayerische Lösung zu suchen, wie dies in den vorliegenden Gesetzentwürfen der SPD und der GRÜNEN gefordert wird.

Der Wunsch, den hochgradig sehbehinderten Menschen in Bayern, deren Zahl inzwischen bei rund 5.200 liegt, ein bayerisches Teilblindengeld zu gewähren, ist natürlich verständlich. In diesem Zusammenhang halte ich es für wichtig, noch einmal darauf hin

zuweisen, dass die CSU-Fraktion im Jahr 2012 einen Vier-Stufen-Plan vorgestellt und damit den richtigen Vorstoß gemacht hat.

Ich beginne bei der ersten Stufe. Die erste Stufe war das klare Bekenntnis der CSU-Fraktion zu einer Bestandsgarantie für das bayerische Blindengeld, das mit 556 Euro bundesweit das höchste ist. Vergleiche mit anderen Bundesländern helfen uns daher gar nichts.

(Beifall bei der CSU)

Die zweite Stufe war das Taubblindengeld im Doppelhaushalt 2013/2014 in Höhe des doppelten Betrages des Blindengeldes. Was Sie gesagt haben, ist richtig.

Die dritte Stufe wäre bereits die Einführung des Blindengeldes für hochgradig sehbehinderte Menschen und damit die Schließung einer Versorgungslücke.

Schließlich sollte als Stufe vier das neue Bundesteilhabegesetz eingeführt werden. -Unser Wunsch ist sozusagen, beides miteinander zu verbinden. Ich sehe hier bei diesem berechtigten Wunsch nach einer Verbindung und nach den Gesprächen auf Bundesebene – Sie kennen die Ergebnisse aus der Fachanhörung und aus den Fachgesprächen – keine Verschlechterung für die betroffenen Menschen, wenn wir das bundesweit einheitlich regeln wollen.

Auch wenn sich die derzeitige finanzielle Situation des Sozialhaushalts mit allen zusätzlichen Kostenbelastungen zum Beispiel im Asylbereich als äußerst schwierig erweist, stehen wir zu unserem Versprechen, das Teilblindengeld einführen zu wollen.

(Beifall bei der CSU)

Ich bin der Meinung, die Ökonomie darf niemals im Gegensatz zur Menschlichkeit stehen, und darum wollen wir dieses Ziel auch nachhaltig verfolgen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Celina, Frau Waldmann, an dieser Stelle muss man aber alle Entwicklungen im Blick haben. So sind wir angesichts des aktuellen Vorstoßes des Deutschen Blindenverbandes ebenso der Meinung, dass hier eine bundeseinheitliche Lösung der gerechtere Weg wäre. Wir sind uns doch alle einig, dass hochgradig sehbehinderte Menschen in ihrem Alltagsleben oft genauso eingeschränkt sind wie erblindete Menschen, und zwar egal, ob sie in Bayern, MecklenburgVorpommern, Nordrhein-Westfalen oder sonst wo leben. Wir würden es deshalb begrüßen – das ist sozusagen auch unser Appell an GRÜNE und SPD -, wenn Sie sich dazu durchringen könnten, hier eine

bundeseinheitliche Lösung abzuwarten, die dann logischerweise auch für die sehbehinderten Menschen in Bayern gelten würde, und diese auch – jetzt kommt der Appell an die SPD – aktiv von der zuständigen Ministerin in Berlin und der Staatssekretärin einfordern. Wie ich erfahren habe, war die Staatssekretärin gestern im Haus, und das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, sie darauf hinzuweisen und zu bitten, sich nachdrücklich dafür einzusetzen.

Noch dazu hat der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband in seiner Resolution klar gefordert, über das Bundesteilhabegesetz eine bundesweit einheitliche und gerechte Blindengeldlösung zu schaffen. Genau das wollen auch wir als CSU-Landtagsfraktion ausdrücklich unterstützen. Das ist auch deshalb die richtige Vorgehensweise, weil das Blindengeld nach dem SGB XII eine der den Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen vorgelagerte Leistung des jeweiligen Landes ist. In diesem Zusammenhang soll es auch zu einer Neuordnung der Eingliederungshilfen kommen, sodass die Eingliederungshilfeleistungen künftig ein Bestandteil des Bundesteilhabegesetzes wären.

Wir sind daher der Auffassung, dass die damit verbundenen Änderungen in der Ausgestaltung der behindertenpolitischen Leistungen abzuwarten sind, da der Bund beispielsweise auch Änderungen bei der Einkommens- und Vermögensanrechung vornehmen könnte. Wir sollten jetzt einen Schritt nach dem anderen machen und nicht durch eine rein bayerische Lösung vorpreschen. Wir wissen, dass bereits sechs Bundesländer die spezielle Situation hochgradig sehbehinderter Menschen berücksichtigen, sehen aber auch die unterschiedlichen Leistungen dieser sechs Bundesländer: Die einen zahlen 20 %, die anderen 25 %, und ein anderes Bundesland 35 % bzw. eine Pauschale von 41 Euro, 54 Euro oder 77 Euro. Das ist doch ein Fleckerlteppich in Deutschland, und Bayern kann das doch nicht unterstützen. Ich bitte Sie: Unser Ziel muss daher nicht sechs plus eins sein, sondern sechs plus zehn. Dazu können wir hier im Parlament in Bayern einen Beitrag leisten, und wir sollten diese Chance nutzen, gemeinsam eine bundesweite Lösung anzustreben, die dem berechtigten Anliegen aller hochgradig sehbehinderten Menschen in allen Teilen Deutschlands gerecht wird.

(Beifall bei der CSU)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich betonen: Sollte diese Initiative scheitern, was ich nicht hoffe, ist es für uns selbstverständlich, noch einmal über eine Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes zu sprechen.

(Beifall bei der CSU)

Wir plädieren auch dafür, die Resolution des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes umzusetzen und über das Bundesteilhabegesetz eine bundesweit einheitliche und gerechte Blindengeldlösung zu schaffen. Dafür werden wir – und diesbezüglich bitte ich auch ausdrücklich unseren Koalitionspartner in Berlin, die SPD, um Unterstützung – auf Bundesebene eintreten. Wir lehnen deshalb die beiden Gesetzentwürfe ab.

(Beifall bei der CSU)

Zu einer Zwischenbemerkung hat sich die Kollegin Celina gemeldet. – Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Kollege, Sie sind vielleicht näher an der Bundesregierung als ich als bayerische GRÜNE; deshalb frage ich Sie erstens: Halten Sie es tatsächlich für realistisch, dass ein Bundesteilhabegesetz kommt, das unsere bayerischen Blinden nicht benachteiligen wird?

Zweitens. Es ist Ihre Aufgabe, sich für die schwerst Sehbehinderten in Bayern einzusetzen. Sie sprechen von einem Fleckerlteppich. Bei dem, was herumkommt, bin ich aber sicher, dass den schwerst Sehbehinderten in Bayern ein Fleckerlteppich unterschiedlicher Leistungen lieber wäre als ein Fleckerlteppich, bei dem im Augenblick kein Geld für sie fließt. Meine Frage ist daher: Ist eine unterschiedliche Regelung, wie wir sie im Augenblick haben – sechs Bundesländer oder vielleicht sechs Bundesländer plus eines – tatsächlich schlechter als gar keine Regelung?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bitte schön, Herr Kollege.

Liebe Frau Celina, was in Berlin letztendlich in dieses Bundesteilhabegesetz hineinkommt, hängt von uns allen ab – von der Großen Koalition CDU, CSU und SPD. Ich kann nicht sagen, ob die Lösung dann die heute bestehende Versorgungslücke abdeckt. Ich habe das als Forderung aufgestellt. Wir haben das bei allen unseren Gesprächen mit eingebracht - auch gestern erst wieder in Anwesenheit der Staatssekretärin –, und wir hoffen, dass das aufgenommen und ernst genommen wird.

Ich habe Ihnen auch gesagt: Sollte dem nicht so sein, werden wir den Vier-Punkte-Plan, den wir 2012 seitens der CSU-Fraktion beschlossen haben, umsetzen und die Lösung in Bayern noch einmal überdenken und darüber diskutieren.

(Beifall bei der CSU)

Frau Celina, abschließend zu Ihrem Vortrag, den Sie vorher zu dem Thema gehalten haben: Ich erachte es nicht als gut, wenn Sie Leistungen, die wir in Bayern erbringen – Stichwort: Behördenverlagerung -, auseinanderdividieren und gegeneinander aufrechnen. Sie kommen aus Unterfranken. Die Gegenfrage an Sie: Halten Sie die Aufwendungen für die Behördenverlagerungen nach Bad Kissingen, nach Bad Neustadt, nach Knetzgau oder nach Miltenberg tatsächlich für unsinnig, wie Sie es vorhin sinngemäß bezeichnet haben? Ist das tatsächlich überflüssig? - Ich finde, dass wir solche Leistungen nicht gegeneinander ausspielen dürfen.

(Zurufe von der CSU: Bravo! – Beifall von der CSU)

Herr Kollege Huber, bleiben Sie bitte noch. Wir haben eine weitere Zwischenbemerkung. Dazu hat sich die Kollegin Schmidt gemeldet.

Herr Huber, ich habe ständig mitgerechnet. Sie sagen, was in den anderen Bundesländern gilt, sei ein Fleckerlteppich. Ich bin am Rechnen und am Rechnen – ich weiß ja nicht, welche Grundrechenarten Sie beherrschen–, aber für mich sind 36 Euro und auch 45 Euro mehr als nichts. Wie viel mehr als nichts das ist, müssten Sie mir bitte noch einmal vorrechnen, weil ich diese Berechnung Ihrerseits nicht verstanden habe.

(Beifall von den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Herr Huber, bitte.

Frau Kollegin Schmidt, dann berechnen Sie einmal 30 % von der jetzigen Leistung. Ich glaube, das ist mehr als die 41 Euro und 52 Euro in Sachsen-Anhalt und in Sachsen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Unser nächster Redner ist der Herr Kollege Dr. Fahn. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Unsere Kernbotschaft zu diesem Tagesordnungspunkt lautet: Die Qualität einer Gesellschaft oder der Politik erkennt man vor allem auch daran, wie man mit den Schwächsten umgeht. Wir meinen, dass diese hochgradig Sehbehinderten eben zu diesen Schwächsten in der Gesellschaft gehören.

Herr Huber, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Sie haben von Ökonomie und Menschlichkeit gesprochen; das müsste man zusammenbringen. Wir meinen aber, in diesem Punkt hat die Menschlichkeit doch eine höhere Priorität.

(Beifall von den FREIEN WÄHLERN)

Der zweite Punkt: Wir wären auch froh, wenn die bundeseinheitliche Lösung kommt. Wir haben aber Signale, dass sie vielleicht gar nicht kommt oder dass es sehr lange dauert. Was machen wir in dieser Übergangszeit? - Deswegen müssen wir die beiden Gesetzentwürfe der GRÜNEN und der SPD positiv sehen.

Es geht um Menschen, die nur mehr eine Sehschärfe von 2 bis 5 % haben. Sie haben im Laufe ihres Lebens zum Beispiel wegen Diabetes oder Grauen Stars einen Großteil ihres Augenlichts verloren. Was sind das für Menschen? - Es sind Menschen, die kein Auto fahren können, die aber auch keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen können, weil sie die Anzeigentafeln nicht lesen können. Wie kommen sie voran? - Sie müssen ein Taxi nehmen. Ein Taxi kostet aber auch wieder Geld. Darum geht es auch. Ohne Moos nichts los. Dieses Geld fehlt den Menschen. Auch im Haushalt brauchen sie Hilfe, zum Beispiel beim Kochen, beim Putzen und so weiter. Dazu gibt es auch Berechnungen. Mindestens 200 Euro benötigen sie zusätzlich. Deswegen müssen diese Menschen, die zu den Schwächsten in der Gesellschaft gehören, auch finanziell unterstützt werden. Deswegen stimmen wir den Gesetzentwürfen der GRÜNEN und der SPD zu; denn diese Menschen sollen auch zu Hause bleiben können und dürfen.

Der Bayerische Blindenbund fordert dieses abgestufte Blindengeld für hochgradig Sehbehinderte in Höhe von 30 % des normalen Blindengeldes schon seit Jahren. Das sind zirka 160 Euro. Es nützt nichts, wenn hier immer gesagt wird, Bayern sei Vorbild, weil es 1949 als erstes Land das Blindengeld eingeführt hat. Das ist zwar richtig. Es muss aber auch weiterentwickelt werden. Wir haben jetzt eine Gesetzeslücke, die andere Länder schon geschlossen haben. Deswegen ist es wichtig, auch bei uns diese Gesetzeslücke zu schließen. Unser Ministerpräsident bezeichnet Bayern immer als Vorstufe zum Paradies. Einem reichen Bundesland wie Bayern würde es gut zu Gesicht stehen, diese beiden Gesetzentwürfe positiv zu sehen.

Ich weiß, dass die CSU diese Forderungen unterstützt, aber nur mit Worten; denn sie wartet auf das Bundesteilhabegesetz. Dann aber hören wir von Bundesarbeitsministerin Nahles die Äußerung, das Bun

desteilhabegesetz komme vielleicht gar nicht, oder Geld werde es nicht geben. Das wäre insgesamt wiederum ungerecht.

Wir haben über die Gesetzentwürfe am 11. Juni ausführlich im Sozialausschuss diskutiert. Dabei hat der Landesgeschäftsführer des Bayerischen Blindenbundes ganz klar erklärt, dass er für die Haltung der CSU wenig Verständnis habe. Er sagte auch – und er ist doch ein Fachmann -, es wäre sinnvoll, dass Bayern möglichst rasch eine Lösung zugunsten der hochgradig Sehbehinderten schafft. Deswegen meinen wir, dass es an der Zeit ist, das Blindengeld für hochgradig Sehbehinderte positiv zu sehen.

Es geht um Menschen, die finanzielle Hilfe benötigen. Deshalb wollen wir den beiden Gesetzentwürfen zustimmen. Sie sagen, Sie warten auf das Bundesteilhabegesetz. Was machen Sie aber, wenn es erst in zwei, drei oder vier Jahren oder überhaupt nicht kommt?

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Mindestens drei Jahre!)